INFO-BRIEF Krankenversicherungsschutz für Leistungsberechtigte nach dem SGB XII und SGB II Seit dem 1. Januar 2004 wird die Krankenbehandlung für Sozialhilfeempfänger, die nicht versichert sind, von der Krankenkasse übernommen. 1. Wer erhält Krankenbehandlung über die Krankenversicherung? Nach 264 Abs. 2 SGB V wird die Krankenbehandlung von Empfängern laufender Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII und von Empfängern laufender Leistungen nach 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), die nicht krankenversichert sind, von der Krankenkasse übernommen (vgl. 48 S. 2 SGB XII). Ausgenommen sind Leistungsberechtigte, die voraussichtlich nicht mindestens einen Monat ununterbrochen Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen und Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben und dort nach 24 SGB XII Sozialhilfe beziehen. Weiter ausgenommen sind die Bezieher von Leistungen nach 11 Abs. 5 S. 3 SGB XII und nach 33 SGB XII sowie die Bezieher von Leistungen nach 3 AsylbLG. Damit werden die Leistungsberechtigten den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung gleichgestellt, ohne ihnen jedoch den Status als Pflicht- oder freiwilliges Mitglied einzuräumen. Die Leistungen der Krankenbehandlung werden von der jeweiligen Krankenkasse übernommen und diese erhält nach 264 Abs. 1 SGB V vom zuständigen Sozialhilfeträger jedoch die vollen Aufwendungen im Einzelfall sowie einen angemessenen Teils ihrer Verwaltungskosten ersetzt. Keine Änderung ergibt sich für Leistungsberechtigte nach dem SGB XII, die bisher schon bei einer Krankenkasse versichert waren. Hier übernimmt das Sozialamt wie bisher im Rahmen der Krankenhilfe nach 32 SGB XII die Krankenversicherungsbeiträge. 2. Was hat der Leistungsberechtigte oder der Betreuer zu veranlassen? Nach 264 Abs. 3 SGB V hat der Leistungsberechtigte oder sein gesetzlicher Vertreter unverzüglich eine Krankenkasse im Bereich des für die Hilfe zuständigen Sozialhilfeträgers zu wählen, die die Krankenbehandlung übernimmt. Für die Haushaltsgemeinschaft muss eine gemeinsame Krankenkasse gewählt werden. Für Familienmitglieder entscheidet der Haushaltsvorstand. Die Hilfeempfänger erhalten von der Krankenkasse eine Versichertenkarte, die in der Regel befristet ist. Nach Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen (Beendigung des Leistungsbezuges) haben die Hilfeempfänger die Versichertenkarte unverzüglich an den Sozialhilfeträger zurückzugeben bzw. kann diese von dort eingezogen werden. Der Sozialhilfeträger meldet den Hilfeempfänger bei der jeweiligen Krankenkasse ab ( 264 Abs. 5 SGB V) und übermittelt die eingezogene Krankenversicherungskarte.
3. Leistungsansprüche Mit 264 SGB V werden die Leistungsberechtigten den gesetzlich Krankenversicherten leistungsrechtlich nach Art; Umfang, Inhalt und Höhe der Leistungen ( 20 bis 60 SGB V) grundsätzlich gleichgestellt (zum Leistungsumfang und den neuen Zuzahlungsverpflichtungen mit dem GMG ab 1.1.2004 vgl. Info-Brief 5520). Dies gilt auch für die in der Satzung der jeweiligen Krankenkassen enthaltenden Leistungen, die ggf. über den gesetzlichen Leistungsumfang hinausgehen. Auch für Sozialhilfeempfänger gelten die gesetzlichen Zuzahlungsregelungen. Für die Leistungserbringer (z.b. Apotheken, Ärzte, Krankenhäuser) besteht eine Einzugspflicht der Zuzahlungen. Für die Leistungsarten Häusliche Krankenpflege, Haushaltshilfe, Soziotherapie und Krankentransport ist die Krankenkasse zur Einziehung der Zuzahlung beim Hilfeempfänger verpflichtet. Die Krankenkasse hat bei der Einziehung dieser Zuzahlungen die gleichen Kriterien wie bei Versicherten anzulegen, d.h. eine Zuzahlung hat bis zur jeweiligen Belastungsgrenze zu erfolgen. Auf Antrag des Hilfeempfänger bzw. des Betreuers kann dann für den Rest des Kalenderjahres eine Befreiung von der Zuzahlung erfolgen. Eine Übernahme der Zuzahlungen aus Sozialhilfemitteln ist nicht möglich, da durch eine Änderung von 1 der RegSVO nunmehr Leistungen für Kosten bei Krankheit im jeweiligen Regelsatz der Sozialhilfe bereits enthalten sind. Das SGB XII bietet keine Grundlage für ergänzende Ansprüche des Leistungsberechtigten. In der sozialhilferechtlichen Krankenhilfe sind die Grundsätze der Individualisierung und Bedarfsdeckung mit Wirkung vom 1.1.2004 aufgegeben und eine strikte Angleichung an die Leistungen bei Krankheit in der gesetzlichen Krankenversicherung eingeführt worden (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.11.2007, L 7 SO 4180/06, RdLH 2008, 26). Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung nach dem SGB XI werden nicht erbracht. Bei Pflegebedürftigkeit wird vom Sozialhilfeträger bei Vorliegen der Voraussetzungen Hilfe zur Pflege nach 61 ff. SGB XII gewährt. 4. Neues Beitrittsrecht zur gesetzlichen Krankenkasse Mit der Gesundheitsreform 2007 (GKV-WSG) wurden neue Tatbestände für eine Versicherungspflicht für Nichtversicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung mit Wirkung zum 1.4.2007 eingeführt. Nach 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sind nunmehr kraft Gesetz auch Personen versicherungspflichtig, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren. Eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall liegt nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 16/755, 265) jedoch insbesondere dann vor, wenn ein Anspruch auf Hilfe bei Krankheit nach 40 SGB VIII, 48 SGB XII, 264 SGB V oder auf Gesundheitsfürsorge nach dem Strafvollzugsgesetz besteht. Dies bedeutet, dass bisher nicht Pflichtversicherte Empfänger von laufenden Leistungen der Sozialhilfe nach wie vor nicht die Möglichkeit haben, im Rahmen des 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nunmehr Pflichtmitglied einer gesetzlichen Krankenkasse zu werden. Die Leistungen der Krankenhilfe nach 48 SGB XII gehen insoweit vor und es bleibt bei einem fehlenden Krankenversicherungsschutz bei den Regelungen der Krankenbehandlung nach 264 Abs. 2 SGB (siehe Ziff. 1). Die Rechtsprechung hat mittlerweile einzelne Fragen zum Krankenversicherungsschutz für Leistungsberechtigte nach dem SGB XII entschieden (siehe unter Ziff. 6).
5. Krankenversicherungsschutz für Leistungsberechtigte nach dem SGB II Nach 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V sind Personen in der Zeit, für die Arbeitslosengeld II nach dem SGB II beziehen, im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert, sofern sie nicht familienversichert sind. Dies gilt allerdings nicht, wenn das Alg II nur darlehensweise gewährt wird, oder nur einmalige Leistungen nach 23 Abs. 3 S. 1 SGB II bezogen werden. Die Beiträge werden direkt von der Bundesagentur für Arbeit bzw. den zugelassenen kommunalen Trägern gezahlt ( 252 S. 2 SGB V) 6. Rechtsprechung zum Krankenversicherungsschutz SG Speyer, Beschluss vom 19.4.2007, S 11 ER 164/07 KR Die Leistung der Krankenhilfe nach 48 SGB XII ist Teil der Leistungen des Fünften Kapitels des SGB XII Hilfen zur Gesundheit und somit von der Ausnahmeregelung des 5 Abs. 8a S. 2 SGB V nicht erfasst. SG Speyer, Beschluss vom 23.4.2007, S 7 ER 162/07 KR Die Leistung der Krankenhilfe nach 48 SGB XII i.v.m. 264 SGB V ist Teil der Leistungen des Fünften Kapitels des SGB XII Hilfen zur Gesundheit und somit von der Ausnahmeregelung des 5 Abs. 8a S 2 SGB V nicht erfasst. SG Speyer, Beschluss vom 25.4.2007, S 7 ER 163/07 KR Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Krankenversicherung gemäß 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V besteht auch dann, wenn isoliert Leistungen der Krankenhilfe gemäß 48 SGB XII bezogen werden. SG Hamburg, Beschluss vom 31.5.2007, 8 KR 304/07 ER Der Anspruch auf Gesundheitsfürsorge nach dem Strafvollzugsgesetz stellt einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall i.s. des 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V dar. Bezieht ein Antragsteller nach seiner Inhaftierung nahtlos im Anschluss Leistungen nach dem Dritten Buch des SGB XII bleibt nach der Regelung des 5 Abs. 8a SGB V der Sozialhilfeträger zuständig( 264 SGB V). BSG, Urteil vom 13.6.2007, B 12 KR 39/06 R, FEVS 59 (2008), 193 Während des Bezugs laufender Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung nach dem SGB XII bestand das befristet eingeräumte Beitrittsrecht zur gesetzlichen Krankenversicherung nach 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 SGB V nicht. SG Frankfurt am Main, Beschluss vom 30.7.2007, S 18 KR 416/07 ER 1. Eine Pflichtmitgliedschaft nach 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V wird in den Fällen nicht begründet, in denen Betroffene Krankenbehandlung nach 264 SGB V erhalten (können). Der Anspruch aus 264 SGB V stellt einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall i.s. des 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V dar (vgl Gesetzentwurf BR-Drucks 755/06, S. 264, 265 zu Doppelbuchst. bb und cc bzw BT-Drucks 16/3100).
2. Die Heranziehung des o.g. Gesetzentwurfes zur teleologischen Auslegung von 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V scheitert nicht daran, dass 5 Abs. 8a SGB V gegenüber der Version, die dem o.g. Gesetzentwurf zugrunde lag, in einer hiervon abweichenden Version in Kraft getreten ist (abweichend SG Speyer, Beschlüsse vom 19.4.2007 S 11 ER 164/07 KR, vom 23.4.2007 S 7 ER 162/07 KR und vom 25.4.2007 S 7 ER 163/07 ER). SG Hamburg, Beschluss vom 21.8.2007, S 8 KR 490/07 ER 5 Abs. 8a S. 1 SGB V knüpft an den Empfängerstatus, d.h. den tatsächlichen Leistungsbezug an. Liegt ein ablehnender Bescheid des Sozialhilfeträgers über den Leistungsbezug nach dem SGB XII vor, so sind die Voraussetzungen des 5 Abs. 8a SGB V ( Empfänger laufender Leistungen ) nicht erfüllt. SG Wiesbaden, Beschluss vom 25.10.2007, S 17 KR 248/07 ER 1. Zum Beginn und Ende der Auffang-Versicherungspflicht nach 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. 2. Eine rückwirkende Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter (SGB XII) zum 1.4.2007 steht einer Versicherungspflicht nach 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nicht entgegen, wenn am 1.4.2007 weder ein Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII vorlag noch die zuständige Behörde Kenntnis vom Bedarf hatte. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.11.2007, L 7 SO 4180/06, BtMan 2008, 108 (LS) = RdLH 2008, 26 1. Die Krankenhilfe nach 48 SGB XII ist gegenüber den Regelungen zur Krankenbehandlung nach 264 SGB V nachrangig. 48 SGB XII bietet keine Grundlage für ergänzende Ansprüche eines Hilfeempfängers. In der sozialhilferechtlichen Krankenhilfe sind die Grundsätze der Individualisierung und Bedarfsdeckung mit Wirkung vom 1.1.2004 aufgegeben und eine strikte Anbindung an die Leistungen bei Krankheit in der gesetzlichen Krankenversicherung eingeführt worden. Die Hilfe bei Krankheit hat nur einen sehr beschränkten (persönlichen) Anwendungsbereich. 2. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben der Art. 2 Abs.1 und 3, 3 Abs. 1 und 3 GG werden dadurch ebenso wenig verletzt wie die verfassungsrechtlich garantierten Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein (Art. 1 GG), welchen bei der Regelsatzermittlung und ggf. der Festlegung des Barbetrages nach 35 SGB XII Rechnung zu tragen ist. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22.11.2007, L 9 B 36/07 SO ER Der Leistungsträger des SGB XII ist verpflichtet, vorläufig Hilfen bei Krankheit zu gewähren, wenn ungeklärt ist, ob der Hilfebedürftige Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen oder der privaten Krankenversicherung hat. Nur dann ist er auf den Selbsthilfegrundsatz verweisbar, wenn er die realisierbare Möglichkeit besitzt, sich in der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung gegen Krankheit zu versichern. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.1.2008, L 11 KR 45/07 (Revision beim BSG anhängig B 12 KR 5/08 R) Im Rahmen des 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Halbs. 2 SGB V dürfen die Krankenkassen nicht eigenständig die materielle Rechtmäßigkeit des Leistungsbezuges von Arbeitslosengeld II überprüfen, sondern sind an die Leistungsbewilligungen des nach SGB II zuständigen Trägers gebunden.
SG Hamburg, Beschluss vom 31.1.2008, S 8 KR 276/08 ER Der Bezug von laufenden Sozialhilfeleistungen steht der Krankenversicherungspflicht entgegen. Die Krankenkasse hat jedoch gemäß 264 SGB V dem Antragsteller eine Krankenversichertenkarte auszustellen. Die Meldung des Sozialhilfeträgers an die Krankenkasse ist für den Anspruch auf Krankenbehandlung nicht konstitutiv. LSG Hessen, Beschluss vom 7.2.2008, L 8 KR 218/07 ER, rv 2008, 37 Der Ausschluss der Versicherungspflicht nach 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V für Empfänger laufender Leistungen nach dem SGB XII durch 5 Abs. 8a S. 2 SGB V ist nicht gerechtfertigt, wenn sich für den Ehemann als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft durch ein anzurechnendes Gesamteinkommen im Gegensatz zur Ehefrau kein Individualanspruch auf eine Grundsicherungsleistung ergibt. SG Aachen, Beschluss vom 31.3.2008, S 20 SO 25/08 ER Bis zur bestands- bzw. rechtskräftigen Entscheidung über das (Nicht-)Bestehen einer Krankenversicherungspflicht nach 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ist der Sozialhilfeträger verpflichtet, vorläufig Krankenhilfe nach 48 SGB XII zu gewähren. SG Karlsruhe, Urteil vom 15.4.2008, S 7 KR 5508/07 Eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung nach 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V besteht nicht, wenn der zu Versichernde im Zeitpunkt seiner Wohnsitznahme in der Bundesrepublik Deutschland einen Anspruch auf Sozialhilfe hat 7. Literatur Dillmann, Die Sozialhilfekrankenkasse Disparitäten der Absicherung im Krankheitsfall und der gesundheitlichen Versorgung von Sozialhilfeberechtigten und Berechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, ZfF 2008, 97 Geiger, Auswirkungen des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung für (ehemalige) Bezieher von Arbeitslosengeld I und Hilfebedürftige nach dem SGB II/SGB XII, info also 2007, 199 Marburger, Ruhen des Leistungsanspruchs in der gesetzlichen Krankenversicherung bei Nichtzahlung von Beiträgen, ZfF 2008, 79 Orlowski/Wasem, Gesundheitsreform 2007 (GKV-WSG), C.F. Müller, Heidelberg 2007 Wendtland, Die Gesundheitsversorgung der Empfänger staatlicher Fürsorgeleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, ZSR 2007, 423