Betriebliche Gesundheitsförderung. für ältere Beschäftigte. Olaf von dem Knesebeck. Institut für Medizinische Soziologie, Sozialmedizin

Ähnliche Dokumente
Wozu brauchen wir ein Präventionsgesetz? Prof. Dr. Rolf Rosenbrock Sachverständigenrat Gesundheit

Das neue Präventionsgesetz. alte Defizite und neue Chancen. Prof. Dr. Rolf Rosenbrock

Soziale Ungleichheit und Gesundheit Wissensstand und Herausforderungen

Gesundheitliche Auswirkungen von Armut

Armut und Gesundheit Was tut sich in Deutschland? Prof. Dr. Rolf Rosenbrock. Tagung Gesundheit und Armut Fachhochschule Bern 09.

Versorgungsforschung und gesundheitliche Ungleichheit

Drei Seiten der Medaille Gesundheit, Soziales, politische Beteiligung: Dimensionen der Selbsthilfe

50+ in Österreich und Europa

Gesundheitliche Konsequenzen von Armut und sozialer Ungleichheit

Das Präventionsgesetz 2015: Alte Defizite Neue Chancen. Prof. Dr. Rolf Rosenbrock. Universität Bielefeld Forum Offene Wissenschaft 21.

Sozialer Zusammenhalt, soziale Netzwerke & Gesundheit im Alter Ein europäischer Vergleich

Gesundheitsförderung und Primärprävention Erfahrungen aus Deutschland

Betriebliches Gesundheitsmanagement in der Praxis Chancen, Umsetzungshemmnisse und Erfahrungen. Prof. Dr. Heike Kraußlach

Arbeitnehmer in einer neuen europäischen Agrarpolitik aus Sicht des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Die Ausbildung zum sozial verantwortlichen Arzt - die Bedeutung sozialer Faktoren. Olaf von dem Knesebeck

Gesund alt werden im Quartier

IG Metall Köln-Leverkusen. Präventionsmöglichkeiten bei psychischen. Belastungen. Forum 3. Köln : Gute Arbeit im Büro

Glück ist machbar - vom Sinn und Nutzen Beruflicher Rehabilitation. Mag. Roman Pöschl

Survey on Health, Ageing and Retirement in Europe SHARE: Konzeption und ausgewählte Befunde

Zu erwartende demografische Veränderungen in den Ländern der EU und politische Grundausrichtungen"

Beschäftigung älterer Arbeitnehmer als Voraussetzung für eine erfolgreiche Anpassung an den Demografischen Wandel

Europäische Meinungsumfrage zu Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz Repräsentative Ergebnisse in den 27 Mitgliedsländern der Europäischen Union

Prävention wichtiger denn je für Betrieb und Rentenversicherung Erster Direktor Hubert Seiter DRV Baden-Württemberg

Die Bedeutung von Elternschaft und Partnerschaft für die Lebenssituation älterer Menschen in Europa

Gesundheitsförderung an der Uni Bielefeld

Nur noch Alte und Kranke?

Workshop. Leistungsverdichtung und Stress in der Arbeitswelt

Rede von Ulrike Flach Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit Mitglied des Deutschen Bundestages Grußwort

Demografischer Wandel Herausforderung für Arbeitsgestaltung

Tarifpolitik in Europa unter dem Druck von Krise und Austeritätspolitik Die Herausbildung eines neuen europäischen Interventionismus

gesund pflegen Arbeitsprogramm Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Pflege Psychische Belastungen eine Herausforderung für Pflegeeinrichtungen

Klausur medizinische Terminologie und Epidemiologie 9:00 bis 11:00 Uhr im Hörsaal Rubenowstraße 2b

Fehlzeitenreport 2012

Arbeit, Arbeitslosigkeit und Gesundheit

Armut und Gesundheit in München

8. Rang im Vergleich mit EU-28 im Jahr 2016

Echte Arbeitszeitflexibilität

ARBEIT 4.0 WIE GESTALTEN WIR DEN DIGITALEN WANDEL GERECHT?

Restrukturierungen: Psychische Gesundheit erhalten und fördern

Europäische Meinungsumfrage zu Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz Repräsentative Ergebnisse in den 27 Mitgliedsländern der Europäischen Union

GDA-Arbeitsprogramm. Gesund und erfolgreich arbeiten im Büro

Kohärente Entwicklungsstrategie zur Förderung des Öko-Landbaus

Arbeiten trotz Krankheit

Betriebliche Prävention aus Sicht eines Unfallversicherungsträgers

Das Haus der Arbeitsfähigkeit beim BEM bauen

Arbeitszeit und Gesundheit. Arbeitszeiten in Deutschland

Alter(n)sgerechtes führen Jürgen Wegge TU Dresden, Arbeits- und Organisationspsychologie

Forum 4 Psychische Belastungen und Gefährdungsbeurteilung

Dem Stress vorbeugen, mit Stress umgehen

Gesetzliche Rahmenbedingungen für betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) durch die Krankenkassen

Gütertransport mit Güterwagen im Wettbewerb - bei steigenden Ansprüchen/Beanspruchungen

Seelische Gesundheit in der Kindheit und Adoleszenz

Kurze Freude, lange Reue? Erwerbsumfang und Einkommen von Frauen in Deutschland und im internationalen Vergleich. Präsentation anlässlich des

Gesund älter werden in Deutschland

Soziale Stadt unter Druck

Erfolgsfaktoren der betrieblichen Gesundheitsförderung - passgenaue Angebote der Krankenkassen

BPtK-Hintergrund. Arbeitsunfähigkeit aufgrund psychischer Erkrankungen. 22. Juni Seite 1 von 5

Befunde auf der Basis von CVTS

Betriebliches Gesundheitsmanagement

«Gesundheitsförderungs- und Präventionsmassnahmen sind Führungssache»

Möglichkeiten zum Ausscheiden aus dem Unternehmen Was tun?!

Arbeitszeittrends und Gestaltungsanforderungen

Gesundheitspotenziale von Frauen

Krankenstand weiter gestiegen Zunahme der Krankheitsfälle

Entwicklung des Arbeitsmarkts für Ältere

gesund pflegen Arbeitsprogramm Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Pflege

Qualifizierung für ältere Beschäftigte bei der Fraport AG

Arbeitsplätze gestalten, Gesundheit erhalten: Ältere Arbeitnehmer brauchen Perspektiven

Ziel Gesund leben und arbeiten

DIE BIBB/BAUA-ERWERBSTÄTIGENBEFRAGUNG 2012 IN DEUTSCHLAND: PSYCHISCHE BELASTUNGEN UND BEANSPRUCHUNGEN IN DER ARBEITSWELT

Aufbau der IBAN (International Bank Account Number)

Zur Lärmregulierung in Europa

Best Age Demographie-Kongress 2010

Gender Mainstreaming in der Gesundheitsförderung

Jahresschwerpunkt 2017/2018

[ERGOCHECKER SYSTEM-CHECK]

CultureWaves weltweite kulturübergreifende Unterstützung

Betriebliches Gesundheitsmanagement. Gesundheitliche und psychosoziale Auswirkungen flexibler Arbeitszeiten

Einleitung. Lebensqualität. Psychosomatik. Lebensqualität bei Contergangeschädigten Kruse et al. Abschlussbericht Bundesstudie 2012

Integration Suchtkranker in die Arbeitswelt (Neue) Herausforderungen für professionelles Handeln

Das österreichische Berufsbildungssystem

Alternativen zum BIP: Der Beitrag der Ökonomen

Nachhaltigkeit der Finanzpolitik 2014

Wege aus der Fehlzeitenfalle - Von den Gesund(et)en lernen. Torsten Bökenheide

Fitte Senioren durch Bewegungsförderung im Alltag

Psychische Belastungen aus der Sicht des MEDITÜV Dr. med. Mathias Eisheuer

Ergonomisch gestaltetes 3-Schichtsystem mit Nachtschichtreduktion für alle Beschäftigten

Präventions- und Gesundheitsförderungsziele der GKV

Versorgungssicherheit für die stoffliche und energetische Nutzung von Holz: Lokale Ressourcen vs. internationaler Handel

Wie kann Gesundes Führen zur Betrieblichen Gesundheitsförderung in Gesundheitseinrichtungen beitragen? Wie kann Gesundes Führen gelingen?

Wandel der Arbeit, Flexibilität. Arbeitszeit, Arbeits- und Gesundheitsschutz

Verleihung des BKK Innovationspreises Gesundheit 2016 Armut und Gesundheit am 13. September 2017 in Frankfurt a. M.

Gesamteuropäische Meinungsumfrage zu Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz

GasTec Gasgerätetechnik GmbH

Pressekonferenz Gute Arbeit gut in Rente zu altersgerechter Beschäftigung und flexiblen Übergängen in den Ruhestand

Belastungen und der Arbeits- und Gesundheitsschutz bei Erzieherinnen

Auf dem Weg zu einem gendersensiblen Betrieblichen Gesundheitsmanagement

Transkript:

Betriebliche Gesundheitsförderung für ältere Beschäftigte Olaf von dem Knesebeck Sozialmedizin und Gesundheitsökonomie (IMSG) Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Höchstalter, das mindestens die Hälfte der Geburtskohorte erreicht (8 Länder) Christensen et al. 2009

Einfluss auf den Arbeitsmarkt Destatis 2012, Hamburger Abendblatt 31.03.12

Gesundheit im Alter Höheres Lebensalter ist nicht gleichzusetzen mit Krankheit! Der Gesundheitszustand eines heute 70Jährigen entspricht etwa dem eines 60Jährigen vor 50 Jahren. (James Vaupel, Max-Planck-Institut für demografische Forschung)

Anteil der Personen mit gutem oder sehr gutem Gesundheitszustand im Alter von 60 bis 69 Jahren (SOEP) % 35 +11% +12% 30 25 20 15 10 1996 2006 5 0 Frauen Männer RKI 2009

Arbeitsbelastungen bei älteren Beschäftigten Steigende Arbeitsintensivierung, Leistungsdruck Zunahme gesundheitlicher Einschränkungen (trotz der zuvor gezeigten positiven Entwicklung) Begrenzte Verfügbarkeit altersgerechter Gestaltung von Arbeit und Beschäftigung Starkes Gefälle von Arbeitsbelastung und -beanspruchung nach beruflichem Qualifikationsgrad bzw. sozialer Lage

Einfluss von Arbeitsbelastungen auf die Gesundheit älterer Beschäftigter Nationale und internationale Studien belegen: Beschäftige mit hohen (psychosozialen) Arbeitsbelastungen haben höhere Risiken für gesundheitliche Einschränkungen bzw. Erkrankungen (z.b. Herzerkrankungen und Depression), höhere Risiken für frühzeitige Verrentung, höhere Risiken für frühzeitige Sterblichkeit.

Lifelong Learning (regelmäßige Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen für ältere Beschäftigte) und psychosoziale Arbeitsbelastungen Psychosoziale Arbeitsbelastung und Makroindikatoren Lifelong learning GR PL IT ES FR AT CZ KR BE DE DK NL UK USA CH SE PL GR ES IT FR CZ BE AT DE NL DK UK USA CH SE.8.9 1 1.1 1.2 V.-B. Ungleichgewicht 3.5 4 4.5 5 Geringe Kontrolle 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% Lifelong learning 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% Lifelong learning Dragano et al. 2012

Beispiele für primärpräventive innerbetriebliche Maßnahmen Gezielte Qualifizierung Älterer, einschließlich Schulung extrafunktionaler Qualitäten Angebot an sog. vollständigen Tätigkeiten Einrichtung alters- und qualifikationsgemischter Teams,Job rotation insbesondere bei langjähriger Exposition gegenüber beruflichen Noxen Verstärkte Mitgestaltung von Arbeitszeiten mit dem Ziel höherer Flexibilität Faire Entlohnung unter Beachtung von Lebensarbeitszeit und Betriebstreue Führungstraining mit Beachtung des Aspekts Wertschätzung der Leistung Älterer Siegrist et al. 2012

Wie wirksam ist betriebliche Gesundheitsförderung bei älteren Beschäftigten? Man weiß deutlich mehr über die gesundheitlichen Auswirkungen von (psychosozialen) Arbeitsbelastungen als über die Wirksamkeit von Interventionen! Ein aktuelles Review (Siegrist et al. 2012) zeigt, dass zwischen den häufig gegebenen Empfehlungen für Gesundheitsförderung bei älteren Beschäftigten und dem nach strengen wissenschaftlichen Kriterien belegten Nutzen solcher Empfehlungen eine Lücke klafft. Das bedeutet nicht, dass entsprechende Gesundheitsförderungsmaßnahmen nicht wirken, sondern, dass die Wirksamkeit bislang nicht hinreichend untersucht wurde. Großer Bedarf an qualitätsgesicherten Interventionsstudien zu gesundheitsförderlichen Effekten von Verbesserungen der Arbeitsqualität und Beschäftigungssituation Älterer! (Dies ist auch ein Aufruf an die Hamburger Preisträger, ihre Maßnahmen zu evaluieren.)

Interventionen nach dem state of the art der Primärprävention zielen sowohl auf Belastungssenkung als auch auf Ressourcenförderung ab, nehmen sowohl krankheitsspezifische als auch unspezifische Belastungen und Ressourcen in den Blick, berücksichtigen gesundheitsrelevante Kontexte und versuchen sie zu verändern, beziehen in größtmöglichem Ausmaß die Zielgruppen der jeweiligen Intervention auf allen Stufen der Problembearbeitung ein, sind projektangemessen qualitätsgesichert. Rosenbrock 2008