Luftschadstoffe und Lärm - Anspruch, Möglichkeiten und Grenzen von Aktionsplänen Dr. Günter Mezger IVU-Seminar, Stuttgart, DEKRA -Haus 27. Mai 2011
Gliederung Ausgangslage und Ansprüche Luftbelastung - Lärmbelästigung/-belastung Luftreinhaltepläne - Lärmaktionspläne Möglichkeiten Maßnahmen Luft - Maßnahmen Lärm Grenzen Luftreinhalteplanung - Lärmminderungsplanung Fazit Folie 2
Luftschadstoffe vs. Lärm subjektiv kaum unmittelbar wahrnehmbar unmittelbar wahrnehmbar breiten sich nahezu ungehindert aus wird abgeschirmt oder reflektiert; nimmt mit der Entfernung von der Lärmquelle rasch ab Verbesserungen (reinere Luft) subjektiv kaum feststellbar und objektiv (Immissions-Messungen) oft nur schwer nachzuweisen Produkt-, anlagen-, verkehrsmittelbezogene Emissionsgrenzwerte Immissionsgrenzwerte flächendeckend, einheitlich Immissionsbezogene (Summen-) Betrachtung Verbesserungen (Lärmminderung) subjektiv meist unmittelbar hörbar Produkt-, anlagen-, verkehrsmittel- bezogene Emissionsgrenzwerte Immissionsgrenzwerte differenziert nach Gebietscharakter (WA, MI, GI, ) Quellenbezogen (Industrie, Straße, Schiene, Luftverkehr; keine Gesamtlärmbetrachtung Konkrete zeitliche Minderungsziele Kaum zeitlicher Druck für Maßnahmen Folie 3
Ausgangslage Luft Die Luft ist sauberer geworden Entwicklung der Jahresemissionen in Baden-Württemberg von 1998 bis 2008 im Vergleich zu 1994 (= 100 %) Folie 4
NOx-Emission in t/a Entwicklung der NOx-Emissionen in Baden-Württemberg 1994-2008 250.000 200.000 150.000 Kleine und mittlere Feuerungsanlagen 100.000 Industrie und Gewerbe Sonstige technische Einrichtungen 50.000 Verkehr 0 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 Folie 5
NO als NO2 (µg/m³) NO2 (µg/m³) Entwicklung der NO und NO 2 Konzentrationen Stickstoffmonoxid (NO) Stickstoffdioxid (NO 2 ) 180 NO-Immissionen in Baden-Württemberg 80 NO 2 -Immissionen in Baden-Württemberg 160 70 140 60 120 100 80 50 40 NO 2 -Grenzwert ab 2010 60 30 40 20 20-40 10 1990 0 1992 1994 1996 1998 2000 0 2002 2004 2006 1990 1995 2000 2005 1990 1995 2000 2005 Verkehrsmessstationen Verkehrsstationen (6) (3) Zentren Stadtzentren der Ballungsräume (6) (6) Städtischer städt. Hintergrund Hintergrund (24) (24) Ländlicher ländl. Hintergrund Hintergrund (4) (4) Folie 6
NO2 in µg/m³ Entwicklung der NO 2 -Konzentrationen an Verkehrs- und Spotmessstellen in Baden-Württemberg 140 120 100 80 60 Stgt-Neckartor Stgt-Siemensstr. Stgt-Hohenheimer Str. Stgt-Straße Stuttgart Am Neckartor Stuttgart Hohenheimer Straße Stuttgart Siemensstraße Stgt-Straße Ludwigsburg Friedrichsstraße Tübingen Mühlstraße Leonberg Grabenstraße 40 20 NO 2 limit value since 2010 FR-Schwarzwaldstr. KA-Straße MA-Straße FR-Friedrichring 0 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 Folie 7
Grenzwerte Stickstoffdioxid (NO 2 ) Jahresmittelwert: 40 µg/m³ Stundenmittelwert: 200 µg/m³ (18 Überschreitungen im Kalenderjahr zugelassen) Feinstaub (PM10) Jahresmittelwert: 40 µg/m³ Tagesmittelwert: 50 µg/m³ (35 Überschreitungen im Kalenderjahr zugelassen) Folie 8
Folie 9
Anspruch: Luft RICHTLINIE 2008/50/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa BImSchG 5. Teil: Überwachung und Verbesserung der Luftqualität, Luftreinhalteplanung 44 bis 47 Folie 10
Luftreinhaltepläne Artikel 23 Richtlinie 2008/50/EG: ( 47 BImSchG i.v. m. 39. BImSchV) Überschreiten in bestimmten Gebieten oder Ballungsräumen die Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert oder Zielwert zuzüglich einer jeweils dafür geltenden Toleranzmarge, sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass für diese Gebiete oder Ballungsräume Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden in den Anhängen XI und XIV festgelegten Grenzwerte oder Zielwerte einzuhalten. PM10: seit 2005 (Ausnahme möglich bis 11. Juni 2011) NO 2 : seit 2010 (Fristverlängerung bis 2015 möglich) Folie 11
Luftreinhalteund Aktionspläne (verabschiedet oder in Arbeit) Folie 12
Anspruch: Lärm RICHTLINIE 2002/49/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 25.Juni 2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm BImSchG 6. Teil: Lärmminderungsplanung 47 a bis f Folie 13
Lärmkartierung Baden-Württemberg Stufe 1 (2007) Stufe 2 (2012) > 250.000 Einwohner > 100.000 Einwohner Ballungsräume Stuttgart (einschl. Teile von Esslingen), Karlsruhe und Mannheim zusätzlich Freiburg, Heidelberg, Heilbronn, Pforzheim, Reutlingen und Ulm > 6 Mio Kfz/a = 16.400 Kfz/d > 3 Mio Kfz/a = 8.200 Kfz/d Hauptverkehrsstraßen ca. 2.310 km (15 % der Hauptverkehrsstr., 94 % der Autobahnen, 23 % der Bundesstraßen, 3 % der Landesstraßen) ca. 4.970 km (35 % der Hauptverkehrsstr.) Haupteisenbahnstrecken > 60.000 Züge/a = 164 Züge/d > 30.000 Züge/a = 82 Züge/d (nicht-bundeseigen) ca. 26 km ca. 160 km (bundeseigen) ca. 600 km ca. 1.500 km Großflughafen > 50.000 Bewegungen/a Flughafen Stuttgart Quelle: LUBW-Internet-Portal Lärm, www.lubw.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/24239/; LUBW, Umweltdaten 2009 Baden-Württemberg, www.lubw.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/59044/ Folie 14
Beispiel für eine Rasterlärmkarte Folie 15
Lärmbetroffene in Baden-Württemberg Lärmkartierung Stufe 1-2007 Lärmpegel in db(a) Straßenlärm (Hauptverkehrsstraßen und in Ballungsräumen) Belastete Menschen Schienenlärm (Haupteisenbahnstrecken und in Ballungsräumen) über bis L DEN L Night L DEN L Night 50 55-213.700-208.300 55 60 335.400 107.000 249.700 86.500 60 65 155.300 38.300 105.800 35.700 65 70 88.900 7.100 47.900 14.300 70 75 32.000 200 21.200 7.800 75 4.000 10.700 Summe 615.600 366.300 435.300 352.600 Quelle: LUBW, Umweltdaten 2009 Baden-Württemberg, www.lubw.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/59044/ Folie 16
Lärmbetroffene in Baden-Württemberg Lärmkartierung Stufe 1-2007 Quelle: LUBW, Lärmaktionsplanung - Informationen für die Kommunen in Baden-Württemberg, www.lubw.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/35602/ Folie 17
Lärmaktionspläne 47d BImSchG (1) Die zuständigen Behörden stellen bis zum 18. Juli 2008 Lärmaktionspläne auf, mit denen Lärmprobleme und Lärmauswirkungen geregelt werden für 1. Orte in der Nähe der Hauptverkehrsstraßen mit einem Verkehrsaufkommen von über sechs Millionen Kraftfahrzeugen pro Jahr, der Haupteisenbahnstrecken mit einem Verkehrsaufkommen von über 60 000 Zügen pro Jahr und der Großflughäfen, 2. Ballungsräume mit mehr als 250 000 Einwohnern. Folie 18
Möglichkeiten: Luft 47 Abs. 4 BImSchG Maßnahmen sind entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte... beitragen. Folie 19
Ursachenanalyse Feinstaub (PM10) Stickstoffdioxid (NO 2 ) Folie 20
Beitrag Sekundäraerosole Folie 21
Maßnahmen zur Luftreinhaltung Vermeidung von Emissionen direkt an der Quelle Emissionsgrenzwerte bei Kfz (Euro-Normen) Nachrüstung von Fahrzeugen, mobilen Maschinen mit Abgasreinigungssystemen Emissionsgrenzwerte für Feststofffeuerungen (1. BImSchV; Kaminöfen!); Nutzungsbeschränkungen (Brennstoffverbote) Emissionsminderung bei Industrie und Gewerbe(13. BImSchV, TA Luft, Altanlagensanierung, ) und Landwirtschaft Verringerung von Verkehrsemissionen Verringerung des motorisierten Individualverkehrs (Ausbau ÖPNV, Radwege, Parkraummanagement) Verstetigung und Verflüssigung des Verkehrsflusses (z. B. optimierte Ampelschaltung, Einbindung Fußgängerampeln, reduzierten Quer-/Abbiegeverkehr, Kreisverkehre, lokal auch Temolimit) Verkehrsbeschränkungen (Fahrverbot in Umweltzonen, Lkw-Durchfahrverbot, Tempolimit) Folie 22
Maßnahmen zur Luftreinhaltung Verlagerung von Verkehr Verkehrslenkung (Lkw-Durchfahrverbote, etc.) Vermeidung von Verkehr nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung nach den Grundsätzen drinnen vor draußen und Stadt der kurzen Wege Raumordnung / Regionalplanung Stadtentwicklung / Flächennutzungsplanung/Verkehrsplanung Vermeidung der Schadstoffanreicherung Luftschneisen erhalten, Straßenschluchten vermeiden Verbesserung der Luftqualität Stadtbegrünung katalytisch wirkende Oberflächen (z.b. TiO 2 zum Abbau von NO 2 ) Folie 23
4 S - UM 43 Umweltzonen in Baden-Württemberg zeitlich gestufte Fahrverbote 4 S - UM 43 Fahrverbote für Kfz Umweltzone Stuttgart Bestehende Umweltzonen Neue Umweltzonen Ohne Plakette Ab Inkrafttreten (01.03.2008) Ab Inkrafttreten 2 S - UM 43 01.07.2010 01.01.2012 Ab Inkrafttreten 3 S - UM 43 01.01.2012 01.01.2013 01.01.2013 Folie 24
Maßnahmen gegen Straßenlärm Vermeidung von Lärmemissionen direkt an der Quelle Leisere Fahrzeuge lärmarme Reifen lärmoptimierte Straßenbeläge Vermeidung von Lärmemissionen nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung nach den Grundsätzen drinnen vor draußen und Stadt der kurzen Wege Raumordnung / Regionalplanung Stadtentwicklung / Flächennutzungsplanung/Verkehrsplanung Verringerung von Lärmimmissionen Stellung der Gebäude / Schließung von Baulücken Ausrichtung der Wohnungsgrundrisse Folie 25
Maßnahmen gegen Straßenlärm Verringerung von Straßenlärm Verringerung des Verkehrs Verstetigung des Verkehrsflusses Verkehrsbeschränkungen (Tempolimits, (Nacht-)Fahrverbote,...) Schallschutzwände und wälle Troglage, Tunnel Verlagerung von Straßenlärm Verkehrslenkung Verringerung der Lärmbetroffenen Schallschutzfenster Folie 26
Grenzen der Luftreinhalteplanung Einfluss der Meteorologie gemessene PM10-Tagesmittelwerte während Inversionswetterlagen Folie 27
Grenzen der Luftreinhalteplanung Emissionsgrenzwerte (Euro-Normen) für NOx Immissionsgrenzwerte für NO 2 ab Euro 4 Verschiebung des NO/NO 2 -Verhältnisses hin zu mehr NO 2 Emissionen im realen Verkehr viel höher als bei der Typprüfung (maßgebend für Einhalt. Euro-Norm) Euro 6/VI kommt zu spät Beispiel NO 2 Ozonchemie (verändertes Gleichgewicht zwischen NO und NO 2 ) Folie 28
Einfluss der Kfz-Euro-Normen NO 2 - Grenzwerte auch bis 2015 nicht einzuhalten! Folie 29
Grenzen der Luftreinhalteplanung lokale, kleinräumige Überschreitungen Meteorologie nicht beeinflussbar großräumige Hintergrundbelastung (sekundäre Partikel) kaum beeinflussbar Bauliche Maßnahmen, wie Umgehungsstraßen, Ausbau ÖPNV, Radwege, sind hochwirksam aber teuer nur langfristig umzusetzen PM10: viele unterschiedliche Quellen (Kfz: Auspuff, Abrieb, Aufwirbelung; sekundäre Aerosole, ) nur kleine Schräubchen mit jeweils kleiner Wirkung NO 2 : Euro6/VI zu spät; Abweichung Euro-Grenzwert / Realemissionen Folie 30
Grenzen der Luftreinhalteplanung Verkehrliche Maßnahmen: Umweltzonen Tempolimits Lkw-Lenkung sind (für die Verwaltung) preiswert und schnell umzusetzen haben aber Nebenwirkungen Folie 31
Grenzen der Luftreinhalteplanung Zusammenspiel der Behörden Verkehrsbehörde Kommune RP - Immissionsschutz: erstellt Plan Straßenbaubehörde Überwachung Folie 32
Grenzen Lärmaktionsplanung (häufig) getrennte Zuständigkeiten Lärmaktionsplanung: Gemeinden Maßnahmen: für das Fachrecht jeweils zuständige Behörde beim Straßenverkehr: Straßenverkehrs- und Straßenbaubehörden Kooperationserlass des UM und IM vom 9. Mai 2008 Folie 33
Grenzen Lärmaktionsplanung rechtliche Probleme keine eigene Eingriffsnorm für Lärmaktionspläne Maßnahmen sind auf des Basis des jeweiligen Fachrechts umzusetzen Straßenverkehr: 45 StVO Schienenverkehr: eine entsprechende Rechtsnorm fehlt Regelungen des einschlägigen Fachrechts sind zu beachten Kooperationserlass des UM und IM vom 9. Mai 2008 Folie 34
Grenzen Lärmaktionsplanung finanzielle Probleme bauliche Maßnahmen haben größere Minderungspotentiale (lärmoptimierte Straßenbeläge, Schallschutzwände und wälle, Schallschutzfenster) sind aber kostenintensiv Lärmsanierung an Straßen und Schienen erfolgt als freiwillige Leistungen der Baulastträger Bund und Land Bewilligung von Maßnahmen erfolgt nach bestimmten Kriterien (u.a. bei Überschreiten der so genannten Lärmsanierungswerte) soweit Haushaltsmittel zur Verfügung stehen Folie 35
Grenzen Lärmaktionsplanung finanzielle Probleme Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (LGVFG): Förderung von Lärmschutz an bestehenden innerörtlichen Straßen in kommunaler Baulast ab 2014 Forderung nach einem von Bund/Land/Kommunen getragenen Lärmsanierungsprogramm Idee: Einbringen der am höchsten lärmbelasteten Streckenabschnitte der Lärmkartierung 2012 in die Lärmsanierung des Bundes Idee: Lärmsanierungsprogramm des Landes an Landesstraßen Folie 36
Grenzen Lärmminderung Vermeidung von Lärmemissionen direkt an der Quelle Fahrzeuge und Reifen: können lokal und regional nicht beeinflusst werden weitere Maßnahmen auf EU-Ebene erforderlich insbesondere leisere Fahrzeuge Vermeidung von Lärmemissionen Lärmaktionsplanung dient auch dem Ziel, das Entstehen von Lärmproblemen zu vermeiden Lärmminderungsplanung strategisch mit anderen kommunalen Planungen verzahnen Folie 37
Grenzen Lärmminderung Vermeidung des Entstehens weiterer Lärmprobleme Immissionsgrenzwerte auch für bestehende Straßen und Schienenwege Harmonisierung der lärmbezogenen Rechtssetzung europäisch harmonisierte Rechenvorschriften für den Umgebungslärm national harmonisierte Rechenvorschriften für den Umgebungslärm und dem jeweiligen Fachrecht Harmonisierung der verschiedenen verkehrsbezogenen Lärmgrenz- sanierungs- und richtwerte Folie 38
Fazit Lärmminderung und Luftreinhaltung dienen dem gleichen Ziel: Erhaltung einer lebenswerten Umwelt und der Gesundheitsvorsorge Lärm- und Luftreinhaltung müssen ineinander greifen; gegenseitige Zielkonflikte beachten (Bsp. Tempolimit) Planungsbehörden (Luftreinhalteplanung: Immissionsschutz; Lärmaktionsplan: Kommunen) und Fachbehörden (Straßenbau, Verkehr, Polizei, ) müssen eng zusammenwirken (Bsp. Verkehrsgutachten) in der Bauleitplanung Luftreinhaltung und Lärmschutz stärker berücksichtigen Folie 39
Danke für Ihre Aufmerksamkeit! Folie 40