1 Bewertung besicherter Derivate: OIS Discounting Frank Thomas Seifried TU Kaiserslautern, Fachbereich Mathematik Moderne Finanzmathematik für die Praxis 5. September 2013 ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 1
Überblick 1 Finanzgeschäfte und Counterparty Risiko 2 Besicherung und Clearing 3 Bewertung besicherter Finanzgeschäfte 4 Bewertung und Counterparty Risiko ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 2
1 Finanzgeschäfte und Counterparty Risiko 2 Besicherung und Clearing 3 Bewertung besicherter Finanzgeschäfte 4 Bewertung und Counterparty Risiko ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 3
Finanzgeschäft: Definition Im Folgenden betrachten wir ein allgemeines Finanzgeschäft... zwischen den Kontrahenten (Vertragsparteien, Counterparties) A (z.b. Sie) und B (einer Bank). Hierunter wollen wir schlicht einen Vertrag verstehen, in dem sich beide Parteien zu zukünftigen Geldzahlungen verpflichten. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 4
Finanzgeschäft: Definition Formal lässt sich das Finanzgeschäft auffassen als Folge von Cashflows Cash(T m ) zur Zeit T m, wobei t < T 1 < < T M. Dabei ist Cash(T m ) eine Zufallsvariable. Cash(T m ) > 0 bedeutet, dass A Zahlungen von B erhält; Cash(T m ) < 0 zeigt an, dass A Zahlungen an B zu leisten hat. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 5
Finanzgeschäft: Beispiele Call-Option Für einen Call auf eine Aktie S mit Strike K > 0 und Laufzeit T gilt M = 1 und T 1 = T mit Cash(T 1 ) = max{s(t 1 ) K, 0}. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 6
Finanzgeschäft: Beispiele Swap Für einen Payer Swap wählen wir T 1 < < T M als die Zahlungszeitpunkte des Swaps und Cash(T m ) = [L(T m 1, T m ) K](T m T m 1 ) wobei K > 0 die fixe und L(T m 1, T m ) die variable Rate zwischen T m 1 und T m bezeichnet. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 7
Finanzgeschäft: NPV Sei NPV(t) der Marktwert (Mark-to-Market Value) des Geschäfts zur Zeit t aus Sicht von A. Es ist also NPV(t) > 0 genau dann, wenn der Kontrakt zur Zeit t einen positiven Wert für A hat. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 8
Counterparty Risiko: Exposure Da beide Vertragsparteien unter Umständen ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen, birgt das Geschäft Counterparty Risiko Für NPV(t) > 0 macht A bei Ausfall von B einen Verlust, für NPV(t) < 0 macht B bei Ausfall von A einen Verlust. Der mögliche einseitige Verlust von A wird als das Exposure von A gegenüber B bezeichnet. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 9
Counterparty Risiko: Exposure Für den Verkäufer einer Option ist das Exposure gegenüber dem Käufer 0. Für den Käufer ergibt sich im Zeitverlauf z.b. folgendes Exposure-Profil: ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 10
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Besicherung: Grundlagen Um das Counterparty Risiko zu mindern, können A und B Besicherung... des Finanzgeschäfts vereinbaren, d.h. Für NPV(t) > 0 stellt B Cash oder andere liquide Wertpapiere im Wert von C(t) an A. Für NPV(t) < 0 stellt A Cash oder andere liquide Wertpapiere im Wert von C(t) an B. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 12
Besicherung: Grundlagen Bei Ausfall von A oder B wird das Geschäft terminiert (Close-Out) und die Sicherheiten werden gegen die Forderungen der überlebenden Partei verrechnet. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 13
Besicherung: Grundlagen Durch Besicherung wird das Counterparty Risiko verringert. Bei vollständiger Besicherung, d.h. C(t) = NPV(t), wird es komplett eliminiert. Die obige Betrachtung nimmt an, dass liquide Sicherheiten sofort und in voller Höhe gestellt werden. In der Realität ist dies oft nicht der Fall: Threshold für Sicherheiten ( später) Margin Risiko Collateral Dispute Minimum Transfer Amount, Initial Amount, Independent Amount Sicherheiten in Fremdwährung, illiquide Sicherheiten Dies führt dazu, dass die Sicherheiten selbst Marktrisiken unterworfen sind. Im Rahmen einer mathematischen Modellierung abstrahieren wir von diesen Aspekten. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 14
Besicherung: Grundlagen Wir bezeichnen als Collateral Rate... r C (t) denjenigen Zinssatz, mit dem die gestellten Sicherheiten zu verzinsen sind. Die Höhe der Besicherung C(t) und die Collateral Rate r C (t) ergeben sich bei OTC-Geschäften aus dem Credit Support Annex (CSA) des ISDA Master Agreements der Vertragsparteien; bei börsengehandelten Produkten aus der jeweiligen Spezifikation. Als Collateral Rate wird in aller Regel der relevante Overnight Zentralbanksatz vereinbart (OIS/EONIA/FFE später in 2). ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 15
Besicherung: Refinanzierung Wir betrachten ein Finanzgeschäft zwischen A und B mit Marktwert NPV(t) < 0. Wir nehmen an, dass es ausgeschlossen ist, dass A seine Zahlungsverpflichtungen aus dem Kontrakt nicht erfüllt; die Bank B akzeptiert dies. Kann es sein, dass B dennoch verlangt, dass A Sicherheiten stellt? ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 16
Besicherung: Refinanzierung Sobald die Refinanzierungskosten von B höher sind als die Collateral Rate, wird B versuchen, von seinen Vertragspartnern Sicherheiten einzufordern um sich günstig zu refinanzieren. Das ist völlig unabhängig von As Ausfallrisiko. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 17
Clearing: Grundlagen Eine Clearingstelle ist eine Institution, die bei Finanzgeschäften zwischen die Vertragsparteien tritt um das Counterparty Risiko zu reduzieren. Für Geschäfte, die über eine Börse zustande kommen, tritt die jeweils zuständige Clearingstelle ein; aber auch OTC (over-the-counter) Geschäfte können über Clearingstellen abgewickelt werden. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 18
Clearing: Grundlagen Die Clearingstelle bietet für die jeweiligen Kontrahenten Netting von gegenläufigen Positionen ( später) und Margining (Besicherung), unabhängige Bewertung von Finanzgeschäften und Sicherheiten sowie ein erhöhtes Maß an Transparenz für den Markt als Ganzes. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 19
Clearing: Grundlagen Typischerweise tritt die Clearingstelle gleichzeitig als zentrale Counterparty (CCP) auf, d.h. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 20
Clearing: Beispiele LCH.Clearnet ist eine zentrale Clearingstelle für verschiedenste Finanzprodukte, die sowohl internationale Börsen als auch OTC Märkte bedient. Etwa die Hälfte des globalen Markts für Zinsswaps ($348 Billionen) werden über LCH.Clearnet abgewickelt. Der Clearing Service für Zinsswaps von LCH.Clearnet heißt SwapClear. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 21
Clearing: Beispiele Die CME Group (Chicago Mercantile Exchange, Chicago Board of Trade und New York Mercantile Exchange) und die Eurex betreiben jeweils eigene Clearingstellen. Die Options Clearing Corporation ist die größte Clearingstelle für Aktienderivate. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 22
Clearing: Ausblick Bei OTC Geschäften ist in letzter Zeit ein erhöhter regulatorischer Druck zu beobachten, Finanzgeschäfte über zentrale Clearingstellen abzuwickeln. In den USA wird der Dodd-Frank Act zentrales Clearing für (fast) alle OTC Derivate vorschreiben. Damit einher geht eine zunehmende Standardisierung der gehandelten Kontrakte, z.b. im Rahmen des CDS Big Bang [Markit (2009)] Credit Default Swap (CDS) Geschäfte werden zukünftig in standardisierten Kontrakten gehandelt (Prämien 100bp oder 500bp und Upfront, einheitliche Fälligkeiten) und über zentrale Clearingstellen abgewickelt. Man erhofft sich dadurch mehr Transparenz und Liquidität im CDS Markt. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 23
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Bewertung: NPV Prinzip Wir wiederholen zunächst das klassische NPV Bewertungsprinzip [Harrison, Kreps (1979)] Der Wert zur Zeit t eines Finanzgeschäfts mit Cashflows Cash(T m ) ist [ M ] NPV(t) = E t m=1 D(t, T m)cash(t m ) (NPV) wobei D(t, T ) den Discount Faktor D(t, T ) = e T t r(s)ds und r(s) die Short Rate (Kassazins) zur Zeit s bezeichnet. Der Erwartungswert wird bezüglich des risikoneutralen Maßes (Pricing Measure, äquivalentes Martingalmaß,... ) gebildet. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 25
Bewertung: Welcher Zinssatz ist der richtige? Welcher Zinssatz ist für r(t) einzusetzen? Für ein vollständig besichertes Geschäft ist r(t) = r C (t) die Collateral Rate und für ein unbesichertes Geschäft ohne Counterparty Risiko r(t) = r F (t) die Refinanzierungskosten von B. Der zweite Fall ist eher theoretischer Natur, da in der Praxis unbesicherte Geschäfte in der Regel Kontrahentenrisiko beinhalten. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 26
Beweis von (NPV): Replikation Wir folgen Piterbarg (2010), um das besser zu verstehen. Wir nehmen an, dass ein Händler in Bank B ein Derivat mit Laufzeit T und Auszahlung Cash(T ) = g(s(t )) verkauft hat. Hier bezeichnet S das (generische) Underlying. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 27
Beweis von (NPV): Replikation Die Dynamik des Underlying ist ds(t) = S(t) [ µ(t)dt + σ(t)dw (t) ]. Wir schreiben den Wert NPV(t) des Finanzgeschäfts zur Zeit t als mit einer glatten Funktion u. NPV(t) = u(t, S(t)) Um sich gegen Schwankungen im Preis des Underlying und damit des Derivats abzusichern, konstruiert der Händler nun ein replizierendes Portfolio mit Wert NPV(t) zur Zeit t. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 28
Beweis von (NPV): Portfolio-Dynamik Wenn der Händler (t) Einheiten des Underlyings hält und Sicherheiten im Wert von C(t) stellen muss, dann ist der Wert seines Portfolios wobei NPV(t) = C(t) + [ NPV(t) (t)s(t) C(t) ] + (t)s(t) C(t) die Collateral Position, NPV(t) (t)s(t) C(t) die Cash Position, und (t)s(t) die Position im Underlying ist. Die Cash Position verzinst sich mit den Refinanzierungskosten r F (t) des Händlers; die Sicherheiten verzinsen sich mit der Collateral Rate. Daraus ergibt sich die Veränderung im Wert des Portfolios: dnpv(t) = r C (t)c(t)dt+r F (t) [ NPV(t) (t)s(t) C(t) ] dt+ (t)ds(t). ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 29
Beweis von (NPV): Delta-Hedge dnpv(t) = r C (t)c(t)dt+r F (t) [ NPV(t) (t)s(t) C(t) ] dt+ (t)ds(t). Andererseits liefert die Itô-Formel mit NPV(t) = u(t, S(t)) dnpv(t) = t u(t, S(t))dt + 1 2 σ2 S(t) 2 2 xxu(t, S(t))dt + x u(t, S(t))dS(t). Aus einem Koeffizientenvergleich der ds(t)-terme folgt, dass der Händler den bekannten Delta-Hedge (t) = x u(t, S(t)) wählen muss. Dann erhalten wir { 0 = t u(t, S(t)) + 1 2 σ2 S(t) 2 xxu(t, 2 S(t)) r C (t)c(t) r F (t) [ u(t, S(t)) S(t) x u(t, S(t)) C(t) ]} dt. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 30
Beweis von (NPV): Black-Scholes PDE Aus der gerade gefundenen Identität { 0 = t u(t, S(t)) + 1 2 σ2 S(t) 2 xxu(t, 2 S(t)) r C (t)c(t) r F (t) [ u(t, S(t)) S(t) x u(t, S(t)) C(t) ]} dt folgt, dass die Funktion u eine Lösung der Black-Scholes PDE t u + 1 2 σ2 x 2 2 xxu + r F x x u r F u + (r F r C )C = 0 und dem Dividendenterm (r F r C )C ist. mit der Randbedingung u(t, ) = g ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 31
Beweis von (NPV): unbesichertes Geschäft Wir haben folgende Black-Scholes PDE für den Wert des Derivats hergeleitet: t u + 1 2 σ2 x 2 2 xxu + r F x x u r F u + (r F r C )C = 0. Hier repräsentiert u den Wert des Geschäfts und C die Besicherung. Für ein unbesichertes Finanzgeschäft gilt C = 0 und somit (Black-Scholes!) NPV(t) = E t [D F (t, T )g(s(t ))] wobei ds(t) = S(t) [ r F (t)dt + σ(t)dw (t) ]. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 32
Beweis von (NPV): besichertes Geschäft Für ein vollständig besichertes Geschäft ist C = u und wir erhalten aus t u + 1 2 σ2 x 2 xxu 2 + r F x x u r F u + (r F r C )C = 0 die PDE t u + 1 2 σ2 x 2 xxu 2 + r F x x u r C u = 0. Daraus folgt für den Wert des Derivats NPV(t) = E t [D C (t, T )g(s(t ))]. Das war zu zeigen. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 33
Beweis von (NPV): Threshold Aus dem Beweis ergeben sich zwei einfache, aber nicht unwichtige Korollare. In der Praxis wird oft ein Threshold K > 0 für die Sicherheiten vereinbart, so dass C(t) = max{npv(t) K, 0} gilt. Dies führt zu einer semi-linearen PDE t u + 1 2 σ2 x 2 2 xxu + r F x x u r F u + (r F r C ) max{u K, 0} = 0 mit der Randbedingung u(t, ) = g die sich zwar nicht analytisch, aber numerisch lösen lässt. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 34
Beweis von (NPV): Repo-fähiges Underlying Wir haben hergeleitet, dass für den Wert eines besicherten Derivats gilt, wobei NPV(t) = E t [D C (t, T )g(s(t ))] ds(t) = S(t) [ r F (t)dt + σ(t)dw (t) ]. Wenn das Underlying Repo-fähig ist, lässt es sich günstiger refinanzieren und es gilt ds(t) = S(t) [ r R (t)dt + σ(t)dw (t) ] mit der Repo Rate r R (t). ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 35
Bewertung: Zusammenfassung... was war jetzt die Pointe? Und überhaupt, Warum ist die OIS Rate die richtige Discount Rate? OIS Discounting vs. CSA Discounting Die korrekte Discount Rate für besicherte Geschäfte ist die Collateral Rate (d.h. bei OTC Geschäften die CSA Rate). Da als CSA Rate fast immer die OIS Rate festgelegt ist, ist in der Regel mit OIS abzuzinsen. Daher ist OIS Discounting auch bekannt als CSA Discounting. Im Zweifel ist die CSA Rate die richtige: Mit den Worten eines Quants, Wenn im CSA Mickey Mouse steht, muss ich mit Mickey Mouse abzinsen! ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 36
Bewertung: OIS Discounting als Marktstandard Eine aktuelle Studie [Sommer e.a. (2011)] hat gezeigt, dass sowohl Clearinghäuser als auch große Banken zu OIS Discounting für besicherte Finanzgeschäfte übergegangen sind. LCH.Clearnet hatte dies bereits 2010 vollzogen. OIS Discounting ist also nicht nur theoretisch korrekt, sondern auch praktisch! OIS Discounting als Marktstandard CSA Discounting ist der neue Marktstandard zur Bewertung von besicherten Finanzgeschäften. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 37
1 Finanzgeschäfte und Counterparty Risiko 2 Besicherung und Clearing 3 Bewertung besicherter Finanzgeschäfte 4 Bewertung und Counterparty Risiko ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 38
Counterparty Risiko: Asymmetrische Besicherung Wir nehmen nun an, dass die Bank B ausfallgefährdet ist. Wenn nur Partei A verpflichtet ist Sicherheiten zu stellen, entfällt das Kreditrisiko von A aber A trägt immer noch das Ausfallrisiko von B! Das bedeutet, dass A den Preis für das Finanzgeschäft nach unten korrigieren sollte. Diese Korrektur heißt Credit Valuation Adjustment. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 39
Counterparty Risiko: Exposure at Default Wie hoch ist der Verlust bei Ausfall der Counterparty? Sei NPV(t) der Wert des Finanzgeschäfts zur Zeit t aus Sicht von A. Wenn B zur Zeit s ausfällt, ist der Liquidationswert für A NPV(s) falls NPV(s) < 0: Das Geschäft geht in die Insolvenzmasse, d.h. Bs Gläubiger verlangen NPV(s) von A. R NPV(s) falls NPV(s) > 0: A erhält nur einen Bruchteil R des Geschäfts. Insgesamt verliert A das Exposure (1 R) max{npv(s), 0} bei Ausfall von B zur Zeit s. Der zugehörige NPV E(s) = (1 R)E t [ DF (t, s) max{npv(s), 0} ] heißt Expected Exposure at Default (EED). ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 40
Counterparty Risiko: EED bei Optionen Für den Verkäufer einer unbesicherten Option ist E(s) = 0. Für den Käufer einer unbesicherten Option ergibt sich typischerweise folgendes EED Profil: ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 41
Counterparty Risiko: EED bei Swaps Bei einer unbesicherten, glattgestellten Position in Zins- und Währungsswaps ergeben sich jeweils folgende EED Profile: ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 42
Counterparty Risiko: Netting Wenn wir das Finanzgeschäft als Teil eines Portfolios von Geschäften zwischen A und B auffassen, ergibt sich bei einfacher Addition der Exposures i max{ NPV i (s), 0 }. Netting... bedeutet, dass Forderungen zwischen A und B gegeneinander verrechnet werden. Damit ist das Portfolio Exposure bei Ausfall von B nur max { i NPV i(s), 0 } i max{ NPV i (s), 0 }. Bei Geschäften, die über ein standard ISDA Master Agreement abgewickelt werden, ist Netting üblich. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 43
Bewertung: Credit Valuation Adjustment A verliert E(s) = (1 R) max{npv(s), 0}, falls B zur Zeit s ausfällt. Somit ist das Finanzgeschäft zu bewerten als NPV(t) CVA(t) wobei CVA(t) das Credit Valuation Adjustment (CVA)... ist. Für ein Finanzgeschäft mit einem Cashflow Cash(T ) gilt ] [ ] CVA(t) = E t [1 {τ<t } E(τ) = (1 R)E t 1 {τ<t } D F (t, τ) max{npv(τ), 0} wobei τ den (zufälligen) Zeitpunkt des Ausfalls von B bezeichnet. Wenn das Geschäft im Rahmen eines Netting Vertrags geschlossen wurde, gilt dasselbe Argument für das Gesamtexposure von A gegenüber B. Für Bewertung und Hedging des CVA werden bei Banken eigene CVA Desks eingerichtet. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 44
Bewertung: Vereinfachte CVA Formel Wenn die Ausfallzeit τ unabhängig vom Wert des Finanzgeschäfts ist, lässt sich der CVA berechnen gemäß der vereinfachten CVA Formel ] CVA(t) = E t [1 {τ<t } D F (t, τ)(1 R) max{npv(τ), 0} = T [ t (1 R)E t DF (t, τ) max{npv(τ), 0} τ = s ] q τ (s)ds = T t E(s)q τ (s)ds mit q τ (s) der (risikoneutralen) Wahrscheinlichkeitsdichte der Ausfallzeit τ und E(s) dem EED zur Zeit t. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 45
Bewertung: Wrong Way Risiko Wrong Way Risiko tritt auf, wenn die Überlebenswahrscheinlichkeit von B negativ mit dem Wert des Finanzgeschäfts korreliert ist: Wenn die Bank B einen CDS auf ein ähnlich positioniertes Finanzinstitut B verkauft, haben wir das klassische Beispiel für Wrong Way Risiko. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 46
Bilaterales Counterparty Risiko: DVA und FVA Bislang haben wir das Counterparty Risiko nur aus der Perspektive von A betrachtet. Im allgemeinen besteht bilaterales Counterparty Risiko auf beiden Seiten des Geschäfts, das in der Bewertung berücksichtig werden kann/muss. Als wichtige Konzepte sind zu nennen: Debit Valuation Adjustment (DVA): Korrekturterm für die Möglichkeit des eigenen Ausfalls Funding Valuation Adjustment (FVA): Korrekturterm für die Refinanzierungseffekte des Geschäfts Diese Valuation Adjustments (XVAs) sind ein separates Thema. An dieser Stelle verweisen wir auf Brigo e.a. (2013). ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 47
Bilaterales Counterparty Risiko: Literatur Burgard und Kjaer (2011a) leiten mit ähnlichen Argumenten wie oben eine nichtlineare PDE für den NPV eines Finanzgeschäfts mit bilateralem Counterparty Risiko her. Der entscheidende Punkt ist die Annahme zur Bewertung des Geschäfts nach dem Ausfall einer Counterparty. Fujii e.a. (2010) quantifizieren den Wert der cheapest-to-deliver Option bei der Wahl zwischen verschiedenen Währungen für zu stellende Sicherheiten. Fries (2012) betrachtet Replikation unter stochastischen Finanzierungskosten ( Funded Replication ) und unterscheidet den Liquidationswert einer Position von ihrem ökonomischen Wert unter der Funded Replication Annahme. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 48
Bilaterales Counterparty Risiko: Literatur Burgard und Kjaer (2011b) analysieren FVA im Kontext der Bilanz der Finanzinstitution. Crépey (2013a, 2013b) führt CVA, DVA und FVA mittels BSDEs in die Bewertung ein. Hull und White (2012a, 2012b) argumentieren, dass auch unbesicherte Geschäfte mit der OIS Rate abzuzinsen sind und dass kein FVA in der Bewertung unbesicherter Derivate berücksichtigt werden sollte. Ihr Argument beruht darauf, dass die OIS Rate die beste Approximation der risikolosen Rate darstellt. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 49
Zusammenfassung Vollständig besicherte Geschäfte enthalten kein Counterparty Risiko. Sie sind mit der Collateral Rate abzuzinsen. OIS Discounting ist Marktstandard. Unbesicherte Geschäfte ohne Counterparty Risiko sind mit den jeweiligen Finanzierungskosten abzuzinsen. Für Geschäfte mit einseitigem Counterparty Risiko ist der Marktpreis um ein Credit Valuation Adjustment zu korrigieren. In Literatur und Praxis besteht noch kein Konsens, wie Geschäfte mit bilateralem Counterparty Risiko zu bewerten sind. ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 50
Referenzen D. Brigo, M. Morini, A. Pallavicini: Counterparty Credit Risk, Collateral and Funding, Wiley & Sons (2013). C. Burgard, M. Kjaer: Partial Differential Equation Representations of Derivatives with Bilateral Counterparty Risk and Funding Costs, Journal of Credit Risk 7 (2011), 75-93. 72-75. C. Burgard, M. Kjaer: In the Balance, Risk: November (2011), S. Crépey: Bilateral Counterparty Risk under Funding Constraints, Part I: Pricing, erscheint in Mathematical Finance (2013). S. Crépey: Bilateral Counterparty Risk under Funding Constraints, Part II: CVA, erscheint in Mathematical Finance (2013). C. Fries: Funded Replication: Valuation with Stochastic Funding, SSRN (2011). ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 51
Referenzen M. Fujii, Y. Shimada, A. Takahashi: Collateral Posting and Choice of Collateral Currency, SSRN (2010). J. Hull, A. White: LIBOR vs. OIS: The Derivatives Discounting Dilemma, Risk: 25 th Anniversary (2012). J. Hull, A. White: Is FVA a Cost for Derivatives Desks?, Risk: 25 th Anniversary (2012), 83-85. Markit: The CDS Big Bang (2009). V. Piterbarg: Funding beyond Discounting: Collateral Agreements and Derivatives Pricing, Risk: February (2010), 42-48. D. Sommer, M. Peter, B. Götz: New Valuation and Pricing Approaches for Derivatives in the Wake of the Financial Crisis, KPMG Financial Services (2011). ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 52
If you have questions, feedback, or ideas for joint research projects please do not hesitate to contact me: Frank Seifried Department of Mathematics University of Kaiserslautern seifried@mathematik.uni-kl.de ITWM: Moderne Finanzmathematik 1 OIS Discounting 53