Newsletter Baurecht Oktober 2015 I. Grundlagen des Baurechts/Aktuelles 1. Vereinbarungen immer schriftlich treffen! Diese Erkenntnis ist beileibe nicht neu. Die dringende Anregung, Abreden im Rahmen von Vertragsverhältnissen immer schriftlich abzufassen, kann aber nur gebetsmühlenartig wiederholt werden. Natürlich gibt es auf Baustellen immer direkte, mündliche Absprachen zwischen den Parteien. Aus Unternehmersicht empfiehlt es sich gleichwohl stets, das Vereinbarte schriftlich festzuhalten. Wie wichtig dieses ist, soll der nachfolgende Beispielsfall belegen: Bei der Abwicklung eines Bauvorhabens kommt es zu einer Änderung des Leistungsumfangs. Der Auftragnehmer rechnet nach Beendigung der Arbeiten die übliche Vergütung ab. Der Auftraggeber behauptet hingegen die Vereinbarung einer deutlich geringeren pauschalen Vergütung. Nach ständiger Rechtsprechung liegt die Beweislast dafür, dass keine Vereinbarung über die Kosten getroffen worden ist, beim Auftragnehmer! Der Unternehmer muss also beweisen, dass die vom Besteller behauptete Pauschalpreisabrede nicht getroffen worden ist! Wegen der Schwierigkeiten, einen solchen Negativbeweis zu führen, muss aber zunächst der Auftraggeber im Einzelnen vortragen, wer wann mit wem was vereinbart hat. Hier wird häufig der Phantasie freien Lauf gelassen. Die aufgestellten Behauptungen muss der Unternehmer dann widerlegen und beweisen, dass es zu einer solchen Vereinbarung nicht gekommen ist. Diesen Beweis wird der Auftragnehmer im Zweifel nicht führen können, wenn er die Besprechung mit dem Auftraggeber allein geführt hat. Erfahrungsgemäß taugen aber auch Angestellte nur bedingt als Beweismittel, wenn es um die Abrechnungsvereinbarung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer geht. Hätte man im vorliegenden Fall eine eindeutige Vergütungsabrede getroffen, wäre es zu der Streitigkeit erst gar nicht gekommen. 2. Eine nicht wie vereinbart ausgeführte Leistung ist mangelhaft! Dieser Satz, der wie selbstverständlich klingt, ist gleichwohl bemerkenswert, wenn man sich vor Augen führt, dass eine mangelhafte Werkleistung auch dann vorliegt, wenn die Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit nicht zu einer Beeinträchtigung des Werts oder der Gebrauchstauglichkeit des Werkes führt. Ein Mangel kann danach auch dann vorliegen, wenn die tatsächlich ausgeführte Leistung besser als die vereinbarte ist.
Wirkt sich eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit nicht oder nur in geringem Maße nachteilig aus, so kann dies zwar die Prüfung veranlassen, ob Mängelansprüchen des Auftraggebers der Einwand entgegensteht, der Mängelbeseitigungsaufwand sei unverhältnismäßig. Am Vorliegen eines Mangels in derartigen Fällen ändert dies allerdings nichts. II. Aus der Rechtsprechung 1. Abrechnung unterhalb der HOAI-Mindestsätze Noch ein Fall zur Abrechnung des Architektenhonorars, der aufzeigt, wie wichtig es ist, die Formalien beim Abschluss eines Architektenvertrages zu beachten. Zur Einleitung sei noch einmal wiederholt, dass die Mindestsätze der HOAI nur dann unterschritten werden dürfen, wenn die Honorarvereinbarung schriftlich und bei Auftragserteilung geschlossen worden ist. Das OLG Köln (Urteil vom 30. Oktober 2014 Az. 24 U 76/2014; Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH zurückgewiesen mit Beschluss vom 26. März 2015 Az. VII ZR 273/2014) hatte mit einem Fall zu tun, bei dem Bauherr und Architekt einen Architektenvertrag per E-Mail abgeschlossen haben. Vereinbart war ein Honorar deutlich unterhalb der Mindestsätze. Als es später zum Streit zwischen den Parteien kam, berechnete der Architekt das Honorar gemäß Mindestsätzen. Damit obsiegte er. Der Bauherr wurde mit dem Argument, er hätte mit dem Architekten eine wirksame Honorarvereinbarung im Architektenvertrag geschlossen, nicht gehört. Die Honorarvereinbarung ist formunwirksam, da sie nicht durch ein Dokument mit beidseitiger eigenhändiger Unterschrift zu Stande gekommen ist. Auch im Zeitalter von Internet und E-Mail gilt - noch die gesetzliche Formvorschrift des 126 Abs. 1 BGB. Praxishinweis: Auf eine formunwirksame Honorarvereinbarung kann man sich nicht berufen. In Fällen, in denen der Architekt nach längerer Zeit nämlich immer dann, wenn es zum Streit zwischen den Parteien über Architektenfehler kommt Honorar nach den Mindestsätzen nachfordert, wendet der Bauherr in der Regel einen Verstoß gegen Treu und Glauben ein. Dazu wäre es notwendig, dass er sich bei Abrechnung des vereinbarten (niedrigeren) Pauschalhonorars im schützenswerten Vertrauen darauf eingerichtet hat, dass keine weiteren Forderungen mehr erhoben werden. Zudem muss der Bauherr darstellen können, dass die zusätzliche Belastung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unzumutbar ist, weil sie eine besondere Härte bedeutet. Das sind Hürden, die in der Praxis schwer zu nehmen sind. Im vorliegenden Fall kam ein Verstoß gegen Treu und Glauben bereits deshalb nicht in Betracht, da der Architekt sein Honorar noch gar nicht abgerechnet hatte, sich der Bauherr
mithin nicht darauf verlassen konnte, er werde nicht mehr mit einer Honorarforderung konfrontiert. 2. Bitte um Umschreibung der Rechnung bedeutet keinen Schuldbeitritt Mit dem folgenden Fall hatte sich das OLG Köln (Urteil vom 8. Juli 2014 Az. 24 U 175 / 2013; Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen vom BGH mit Beschluss vom 26. März 2015 Az. VII ZR 175/14) zu befassen: Auftraggeber und Auftragnehmer standen in werkvertraglicher Beziehung. Eine Konzerngesellschaft des Auftraggebers bat den Auftragnehmer, die bereits auf den AG ausgestellte Rechnung auf sie, die Konzerngesellschaft, umzuschreiben, was der Auftraggeber auch tat. Anschließend nahm der Auftraggeber den neuen Rechnungsempfänger auf Zahlung des Werklohns in Anspruch. Die Konzerngesellschaft bestritt die Haftung und vertrat die Auffassung, es würde versucht, in eine unverbindliche Korrespondenz über eine Rechnungsanschrift einen rechtsverbindlichen Schuldbeitritt zu konstruieren. Die Zahlungsklage des Auftragnehmers hatte keinen Erfolg! Das OLG Köln nahm keinen Schuldbeitrittsvertrag zwischen Auftragnehmer und der Konzerngesellschaft an. Der Auftragnehmer hätte den Wunsch, die Rechnung auf den Namen des Rechnungsempfängers umzuschreiben, bei verständiger objektiver Würdigung des Sachverhaltes aus seiner Sicht nicht als verbindlichen Antrag auf Abschluss eines Schuldbeitrittsvertrages verstehen dürfen. Zwar könne in der Aufforderung zur Umschreibung einer Rechnung in rechtlicher Hinsicht grundsätzlich die Erklärung eines Schuldbeitritts zu sehen sein. Dies setze jedoch voraus, dass die entsprechende Erklärung nicht anders ausgelegt werden kann, sondern unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass der Erklärende die Schuld als eine eigene behandeln und begleichen will. Praxishinweis: Die Frage, ob eine Bitte um Rechnungsumschreibung als Schuldbeitritt zu verstehen ist oder nicht, kann nur am konkreten Einzelfall beantwortet werden. Maßgeblich ist der objektive Erklärungswert der jeweiligen Äußerung, der durch Auslegung zu ermitteln ist. In der bloßen Bitte um Übersenden einer Rechnung kann jedenfalls nicht ohne Weiteres ein Schuldbeitritt gesehen werden. Im vorliegenden Fall stellt sich allerdings die Frage, was unter unverbindlicher Korrespondenz über eine Rechnungsanschrift zu verstehen sein soll. Man hätte den Fall vermutlich auch anders entscheiden können. In der Baupraxis sollte ein Auftragnehmer, der gebeten wird, eine Rechnung umzuschreiben, stets durch konkrete vertragliche Vereinbarung mit dem neuen Adressaten (!) sicherstellen, dass der gewünschte Rechnungsempfänger eine vertragliche Zahlungsverpflichtung übernehmen möchte. Insoweit empfiehlt sich die Verwendung des Terminus Schuldbeitritt.
3. Welche Planungen muss der Bauträger herausgeben? In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, welche Planungsunterlagen ein Bauträger (oder auch ein Generalübernehmer/Ersteller schlüsselfertiger Einfamilienhäuser) an den Kunden/Bauherrn herausgeben muss. Unkritisch ist der Herausgabeanspruch des Kunden, wenn er vertraglich geregelt ist. Im Übrigen muss nach herrschender Meinung durch den Erwerber ein berechtigtes Interesse dargetan werden. Das OLG Köln (Urteil vom 13. Mai 2015 Az. 11 U 96/2014) hatte es mit einem Fall zu tun, bei dem die Wohnungseigentümergemeinschaft vom Bauträger die Herausgabe von Planungsunterlagen verlangte. Der Bauträger überreichte nur die Baugenehmigung nebst Plänen, verweigerte aber die Herausgabe des Energieausweises, des Kanaldichtigkeitsnachweises, der Einweisung in die Haustechnik, der Bedienungsanleitungen zu technischen Einrichtungen und Heizungsanweisung sowie der Werkplanung im Maßstab 1:50. Ohne Erfolg. Das OLG Köln verurteilte den Bauträger zur Herausgabe dieser weiteren Unterlagen. Zur Begründung wurde ausgeführt, ein Anspruch auf Herausgabe der Werkplanung ergebe sich aus der Auslegung des Bauträgervertrages, da in der Baubeschreibung die Werkplanung ausdrücklich hervorgehoben sei und die Erwerber davon ausgehen durften, dass Ihnen Abzüge der Planunterlagen zur Verfügung gestellt werden. Im Hinblick auf die weiteren Unterlagen bestünde jedenfalls ein berechtigtes Interesse der WEG. Der Energieausweis müsse im Fall der Veräußerung oder Vermietung vorgelegt werden und Einweisungen in die Haustechnik und Bedienungsanleitungen seien stets zu übergeben. Auch der Nachweis der Kanaldichtigkeit könne für die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten erforderlich sein. Hinweis für die Praxis: Auch wenn nach ständiger Rechtsprechung ein allgemeiner Herausgabeanspruch von Bau / Planungsunterlagen nicht angenommen werden kann, sind an die Erbringung des Nachweises eines berechtigten Interesses keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Im Zweifel muss der Bauträger daher alle relevanten Unterlagen herausgeben, die der Erwerber begehrt. 4. Architektenvertrag: Teilabnahme nach LP 8? In Architektenverträgen ist mittlerweile regelmäßig eine Teilabnahme nach der Leistungsphase 8 (Bauüberwachung) geregelt, wenn der Architekt mit einer so genannten Vollarchitektur (LP 1-9) beauftragt worden ist. Hintergrund ist eine beabsichtigte Verkürzung der Verjährungsfrist im Hinblick auf Leistungen aus den Phasen 1-8. Bei der Formulierung entsprechender Regelungen ist jedoch äußerste Vorsicht geboten, wie die nachfolgende Entscheidung (OLG München, Urteil vom 10. Februar 2015 Az. 9 U 2225/2014 Bau) zeigt. Im Architektenvertrag des zu Grunde liegenden Falles befand sich folgende Regelung:
Die Verjährung beginnt mit der Abnahme der nach diesem Vertrag zu erbringenden Leistungen, spätestens mit Abnahme der in der Leistungsphase 8 (Objektüberwachung) zu erbringenden Leistung (Teilabnahme). Für Leistungen, die danach noch zu erbringen sind, beginnt die Verjährung mit Abnahme der letzten Leistung. Der wegen mangelhafter Bauüberwachung in Anspruch genommene Architekt wandte in dem gegen ihn gerichteten Schadensersatzprozess Verjährung ein mit der Argumentation, nach Erbringung der Leistungsphase 8 sei im Jahr 1999 eine Teilabnahme erfolgt, so dass etwaige Schadensersatzansprüche bei Klageerhebung im Jahr 2007 bereits verjährt seien. Mit dieser Argumentation hatte der Architekt keinen Erfolg! Nach der Auffassung des OLG München ist mit der oben zitierten Regelung im Architektenvertrag keine Verpflichtung des Auftraggebers zur Teilabnahme nach der Leistungsphase 8 vereinbart worden. Die Formulierung enthalte lediglich eine Regelung der Verjährung für den Fall, dass eine Teilabnahme erfolgt sei. Die Verpflichtung zur Teilabnahme selbst sei hingegen nicht ausdrücklich geregelt. Es könne auch nicht vor einer konkludenten Teilabnahme ausgegangen werden, da der Architekt bei Bezahlung der einschließlich bis Leistungsphase 8 erbrachten Leistungen die Leistungen der Phase 9 noch nicht erbracht hatte. Hinweis für die Praxis: Die Entscheidung des OLG München ist nachvollziehbar, wenn auch nicht gerade Architekten freundlich. Bei der Gestaltung von Architektenverträgen ist deshalb unbedingt auf eine klare Regelung zu achten. Die Vereinbarung zur Teilabnahme sollte in einem separaten Paragraphen enthalten sein; und nicht nur im Zusammenhang mit der Regelung der Verjährungsfrist. Wird eine entsprechende Regelung nicht vereinbart und erfolgt nach Abschluss der Leistungsphase 8 keine Teilabnahme, verbleibt es bei der Abnahme nach Abschluss der Leistungsphase 9, was im Ergebnis zu einer zehnjährigen Mängelhaftung des Architekten führt, gerechnet ab Abnahme der Bauleistungen! Haben Sie Fragen, Erläuterungsbedarf oder wünschen Sie weitere Informationen? Bitte sprechen Sie uns an! Ihre Sozietät Jensen Emmerich Rechtsanwälte & Notare Dezernent für Bau- und Architektenrecht Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Christoph Andresen
andresen@jensen-emmerich.de Tel. 0461-14109-43 Sozietät Jensen Emmerich - Rechtsanwälte und Notare Marie-Curie-Ring 1, 24941 Flensburg Tel. 0461/14109-0, Fax 0461/14109-89; www.jensen-emmerich.de; Ust-IdNr./VAT: DE 166216646 Obwohl wir stets um die Richtigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen und Daten bemüht sind, kann und wird keine Garantie oder Gewährleistung für die Richtigkeit der Angaben in dieser email übernommen werden. Sollten Sie unseren Newsletter nicht mehr wünschen, senden Sie einfach eine email mit dem Betreff Abbestellen an andresen@jensen-emmerich.de.