Steuern und Bilanzen Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht



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Dr. Manfred Muhler Universität Mannheim Herbst/Wintersemester 2009 Steuern und Bilanzen im Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht

2 1. Teil: Steuerstrafrecht und Steuerordnungswidrigkeitenrecht A. Einführung Das Steuerstrafrecht und das Steuerordnungswidrigkeitenrecht sind im Wesentlichen im 8. Teil der Abgabenordnung (AO) geregelt. Dieser besteht aus vier Abschnitten: 1. Materielle Strafvorschriften ( 369 bis 376 AO) 2. Materielle Bußgeldvorschriften ( 377 bis 384 AO) 3. Strafverfahren ( 385 bis 408 AO) 4. Bußgeldverfahren ( 409 bis 412 AO). Neben Strafen und Bußgeldern haben Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten steuerliche Folgen, nämlich - Haftung ( 71, 191 III 2, 191 V 2, 219 S.2 AO) - Verlängerung der Festsetzungsfrist ( 169 II 2 AO) - Verjährungsablaufhemmung ( 171 VII AO) - Wegfall der Änderungssperre ( 173 II 1 AO) - Hinterziehungszinsen ( 235 AO). Das Steuerstrafrecht und das Recht der Steuerordnungswidrigkeiten werden in den meisten Kommentaren zur AO behandelt. Speziell mit dem Steuerstrafrecht und dem Steuerordnungswidrigkeitenrecht befassen sich die Kommentare Franzen/Gast/ Joecks, Steuerstrafrecht mit Steuerordnungswidrigkeiten und Verfahren, 7. Aufl. 2009 sowie Kohlmann, Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitenrecht einschließlich Verfahrensrecht (Loseblatt). Hauptquelle für Gerichtsentscheidungen und Aufsätze ist die Zeitschrift wistra, Zeitschrift für Wirtschafts und Steuerstrafrecht. B. Materielle Strafvorschriften I. Begriff der Steuerstraftaten Steuerstraftaten sind gemäß 369 I AO: 1. Taten, die nach den Steuergesetzen strafbar sind 2. der Bannbruch 3. die Wertzeichenfälschung und deren Vorbereitung,

3 soweit die Tat Steuerzeichen betrifft 4. die Begünstigung einer Person, die eine Tat nach den Nummern 1 bis 3 begangen hat. Steuerstraftatbestände außerhalb der AO finden sich in 26c UStG und 23 RennwettLottStG. Gemäß 369 II AO gehen die Strafvorschriften der Steuergesetze den allgemeinen Gesetzen über das Strafrecht, insbesondere dem Strafgesetzbuch, vor. Soweit die AO keine Sonderregelungen enthält, gelten die allgemeinen Grundsätze. II. Steuerhinterziehung ( 370 AO) 1. Die Tatbestandsmerkmale der Steuerhinterziehung im Überblick Eine vollendete Steuerhinterziehung liegt vor, wenn sämtliche Tatbestandsmerkmale des 370 AO erfüllt sind: (1) Der Täter hat ein Verhalten an den Tag gelegt, das eine der Nummern 1 bis 3 des 370 I AO erfüllt, nämlich: Nr. 1: den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht oder Nr. 2: die Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen pflichtwidrig in Unkenntnis gelassen oder Nr. 3: die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern pflichtwidrig unterlassen (2) durch sein unehrliches Verhalten Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt (3) in Bezug auf die Tatbestandsmerkmale (1) und (2) vorsätzlich gehandelt. Die Unkenntnis der Finanzbehörde vom wahren Sachverhalt ist kein weiteres ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal (BGH, BStBl II 1999, 854 entgegen Kohlmann, Steuerstrafrecht, 370 AO Rn. 44 m.w.n.).

4 2. Unrichtige, unvollständige und unterlassene Angaben a) 370 I Nr. 1 AO Fälle: Eine Steuererklärung wurde abgegeben, Angaben sind aber falsch oder fehlen ganz. Nach 150 II AO hat der Steuerpflichtige die Angaben in den Steuererklärungen wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen. Er hat schriftlich zu versichern, dass er dies getan hat ( 150 II 2 i. V. m. 25 III 4 EStG, 14a S. 3 GewStG, 18 III 3 UStG). Eine Steuerhinterziehung ist aber auch bei fehlender Unterschrift möglich (BGH, wistra 2003, 20). Steuerlich erheblich sind Tatsachen, die zur Ausfüllung des sich aus den Einzelsteuergesetzen ergebenden Besteuerungstatbestandes erforderlich sind, weil sie die Entstehung, Höhe, Fälligkeit oder Durchsetzung der Steuer beeinflussen. Die Behauptung des Steuerpflichtigen, die von einer anderen Person für ihn gefertigte Steuererklärung ungelesen unterschrieben zu haben, nützt ihm nichts. Steuerlich erheblich ist dann seine unrichtige- Versicherung, er habe die Angaben in der Steuererklärung nach bestem Wissen und Gewissen gemacht. Liegt diese Versicherung vor, soll das Finanzamt die Angaben des Steuerpflichtigen grundsätzlich als wahrheitsgemäß unterstellen (s. Anwendungserlass zur AO zu 88 Nr. 2 Satz 3). Wegen der Formalisierung der Steuererklärungen (vgl. 150 II 1 AO) erschöpfen sich die Angaben gegenüber dem Finanzamt häufig in der Mitteilung von Zahlen ohne Sachverhaltsschilderung. Die Ermittlung dieser Zahlen ist stets das Ergebnis einer vom Steuerpflichtigen vorgenommenen Rechtsauslegung, bei der er die Rechtserheblichkeit von Tatsachen möglicherweise anders beurteilt als die Finanzverwaltung. Dem Steuerpflichtigen steht es nicht frei, den Steuerbehörden aus einem Gesamtsachverhalt nur einen Teil der Tatsachen richtig vorzutragen und sie im Übrigen nach Maßgabe einer nicht offengelegten, ersichtlich strittigen eigenen rechtlichen Bewertung des Vorgangs zu verschweigen, obwohl die Einzelheiten für die steuerliche Beurteilung bedeutsam sein können (BGHSt 37, 266, 284 f.). Da sich hinter den mitgeteilten Zahlen die verschiedensten Sachverhalte verbergen können, besteht eine Offenbarungspflicht für zumindest diejenigen Sachverhalts-elemente, deren rechtliche Relevanz objektiv zweifelhaft ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die von dem Steuerpflichtigen vertretene Auffassung über die Auslegung von Rechtsbegriffen oder die Subsumtion bestimmter Tatsachen von der Rechtsprechung, den Richtlinien der Finanzverwaltung oder der regelmäßigen Veranlagungspraxis abweicht (BGH, wistra 2000, 137 m. w. N.).

5 b) 370 I Nr. 2 AO Hauptfall: Der Steuerpflichtige gibt keine Steuererklärung ab. Bei allen Veranlagungssteuern - Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer, Gewerbesteuer - besteht in den Fällen, in denen sich dem Grunde nach eine Steuerschuld ergibt, auch eine gesetzliche Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung ( 149 I 1 AO). Üblicherweise versendet das Finanzamt Erklärungsformulare, wenn es eine Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen vermutet. Die Verpflichtung besteht aber auch dann, wenn keine Aufforderung des Finanzamtes ergangen ist. Den Tatbestand des 370 I Nr. 2 AO verwirklicht auch, wer eine Scheinfirma zu dem alleinigen Zweck unterhält, Dritten Rechnungen zur Vorsteuererschleichung zur Verfügung zu stellen und die entsprechende Umsatzsteuer nicht erklärt (BGH, wistra 1998, 225). 3. Steuerverkürzung, nicht gerechtfertigte Steuervorteile a) Definition der Steuerverkürzung in 370 IV 1 AO Steuern sind gemäß 370 IV 1 AO namentlich verkürzt, wenn sie - nicht festgesetzt - zu niedrig festgesetzt - zu spät festgesetzt wurden. Es spielt nach 370 IV 1 AO keine Rolle, ob die zu niedrige Steuerfestsetzung nur vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung oder aufgrund einer Steueranmeldung erfolgt ist. Letztere steht gemäß 168 AO einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. 370 AO betrifft nur Steuern im Sinne des 3 I und II AO. Steuerliche Nebenleistungen, worunter gemäß 3 IV AO Verspätungszuschläge, Zinsen, Säumniszuschläge, Zwangsgelder und Kosten zu verstehen sind, gehören nicht dazu (BGHSt 43, 381). Unrichtige Angaben im Verfahren über die Festsetzung der inzwischen abgeschafften - Eigenheimzulage fallen nicht unter 370 AO, sondern unter den Tatbestand des Betruges ( 263 StGB). Nach 15 II Eigenheimzulagengesetz gelten aber die Vorschriften der Abgabenordnung über die Verfolgung von Steuerstraftaten entsprechend. Der Umfang der Steuerverkürzung ist durch Vergleich von Ist- und Soll- Steuer zu errechnen.

6 b) Nicht gerechtfertigte Steuervorteile ( 370 IV 2 AO) Steuervorteile sind z.b. Steuervergütungen ( 370 IV 2 2. Halbs. AO) wie Vorsteuer und Kindergeld ( 31 I 3 EStG). Ein Steuervorteil kann aber auch in einer erschlichenen Stundung oder einem erschlichenen Vollstreckungsaufschub ( 258 AO) bestehen. (Weitere Beispiele bei Kohlmann, Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitenrecht einschließlich Verfahrensrecht, 370 Anm. 552 Lfg. 34 Okt. 2005). Nach neuester Rechtsprechung des BGH kann auch die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen einen nicht gerechtfertigten Steuervorteil darstellen (Beschluss v 10.12.2008 1 StR 322/08, BGHSt 53,99; kritisch dazu Jope, Steuerhinterziehung im Feststellungsverfahren, DStZ 2009, 247). Nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, wenn sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden ( 370 IV 2 AO). c) Das Kompensationsverbot ( 370 IV 3 AO) 370 IV 3 AO enthält das sogenannte Kompensationsverbot. Danach sind Steuern auch dann verkürzt bzw. nicht gerechtfertigte Steuervorteile auch dann erlangt, wenn der Steuerpflichtige geltend macht, seine Steuer wäre aus anderen Gründen zu ermäßigen gewesen oder der Steuervorteil hätte aus anderen Gründen beansprucht werden können. Beispiel (Kompensationsverbot bei Vorsteuer): T möchte keine Umsatzsteuer zahlen und hat deshalb steuerpflichtige Umsätze verschwiegen. Um dies zu verschleiern, hat er auch darauf verzichtet, die auf den Besteuerungszeitraum entfallenden Vorsteuern in der Steueranmeldung abzusetzen. Nach Abgabe der Steueranmeldung kann sich T wegen 370 IV 3 AO nicht mehr darauf berufen, seine Umsatzsteuer wäre durch den Vorsteuerabzug ermäßigt worden. Zwar sind die nach 16 I UStG berechnete Umsatzsteuer und die im selben Besteuerungszeitraum anfallende Vorsteuer als bloße Rechnungsfaktoren nur unselbständige Besteuerungsgrundlagen. Sie sind zu saldieren und gehen in der sog. Zahllast auf oder ergeben ein Guthaben, das dem Steuerpflichtigen zu vergüten ist. Die Bindung der beiden Faktoren im Saldo tritt aber nicht von Gesetzes wegen ein, sondern durch den Entschluss des Steuerpflichtigen, in der Umsatzsteuererklärung die in den Besteuerungszeitraum fallende Vorsteuer abzusetzen ( 15 I 1 UStG; 16 II 1 UStG; vgl. BFH, BStBl II 1979, 530). Nutzt der Steuerpflichtige diese Möglichkeit nicht, steht jeder der Faktoren Umsatzsteuer und Vorsteuer für sich allein, jeder ist gesondert und deshalb strafrechtlich als selbständig zu betrachten. Die Vorsteuer ist dann ein anderer Steuerermäßigungsgrund. Dabei ist es für die Verwirklichung des Tatbestandes unerheblich, ob sie noch mit Wirkung für den zutreffenden Besteuerungszeitraum geltend gemacht werden kann.

7 Zum Verbot der Kompensation der geschuldeten Umsatzsteuer mit Vorsteuer siehe auch BGH, wistra 1996, 106. Ein weiterer wichtiger Fall des Kompensationsverbotes ist der Verlustvoroder -rücktrag. Wegen 370 IV 3 AO kann sich der Beschuldigte nicht darauf berufen, dass seine unrichtigen Angaben im Veranlagungszeitraum zu keiner Steuerverkürzung führten, weil gemäß 10d EStG ein Ausgleich mit Verlusten anderer Veranlagungszeiträume stattfinde. Nach Ansicht des BGH in wistra 1984, 183 (betr. Verlustvortrag) steht der Gewinn im Veranlagungszeitraum mit den Verlusten in anderen Veranlagungszeiträumen in keinem Zusammenhang (a.a. BayObLG, wistra 1982, 199 zu Verlustvor- und -rücktrag). Hingegen findet das Kompensationsverbot keine Anwendung bei nicht erklärten Betriebseinnahmen im Verhältnis zu den Rückstellungen für die dadurch hinterzogenen Umsatz- und Gewerbesteuern (BGH, HFR 1979, 207), bei Betriebseinnahmen im Verhältnis zu den damit zusammenhängenden Betriebsausgaben (Bsp.: Ein Teil der Schwarzeinnahmen wird zur Zahlung zusätzlicher Löhne verwendet, BGH, wistra 1991,27) und bei Schwarzeinnahmen im Verhältnis zu damit zusammenhängenden Werbungskosten. 4. Der Tatbestandsvorsatz a) Ohne Vorsatz keine Steuerhinterziehung Eine Steuerhinterziehung liegt nur vor, wenn der Täter in Bezug auf die Erfüllung der objektiven Merkmale (1. und 2. Tatbestandsmerkmal) vorsätzlich gehandelt hat. Das Erfordernis des Vorsatzes ergibt sich zum einen aus 369 II AO i.v.m. 15 StGB. Es lässt sich aber auch aus 378 AO ableiten, wonach selbst gröbste Fahrlässigkeit (Leichtfertigkeit) nur zu einer Ordnungswidrigkeit führt. b) Der Begriff des Tatbestandsvorsatzes Vorsatz in Bezug auf 370 AO bedeutet, dass der Täter weiß, dass er 1. unrichtige oder unvollständige Angaben im Sinne von 370 I Nr. 1 AO oder 2. pflichtwidrig keine Angaben im Sinne von 370 I Nr. 2 AO macht und dieses Verhalten entweder eine Steuerverkürzung oder einen nicht gerechtfertigten Steuervorteil zur Folge hat.

8 Der Täter braucht nicht zu wissen, in welcher Vorschrift die Steuerhinterziehung geregelt ist. Es genügt, wenn er die laienhafte Vorstellung hat, dass er Steuer zahlen müsste, dies aber durch seine unrichtigen Angaben oder sein Verschweigen verhindert. Vorsatz muss nicht in klarem, vollständigem Wissen bestehen. Die abgeschwächte Form des bedingten Vorsatzes reicht aus. Bedingter Vorsatz in Bezug auf das erste Tatbestandsmerkmal liegt z.b. vor, wenn der Täter nicht genau weiß, ob seine Angaben falsch sind, er aber mit dieser Möglichkeit rechnet und sie billigend in Kauf nimmt. Beispiel: Der Steuerpflichtige hat seinen Warenbestand nicht korrekt aufgrund einer Inventur ermittelt, sondern ihn geschätzt. Ohne erkennen zu lassen, dass es sich um eine Schätzung gehandelt hat, legt er das zu niedrige Schätzergebnis seiner Bilanz zugrunde. Bedingter Vorsatz in Bezug auf das zweite Tatbestandsmerkmal liegt z.b. vor, wenn der Steuerpflichtige zwar nicht weiß, dass seine unrichtigen Angaben eine zu niedrige Steuerfestsetzung zur Folge haben, er aber mit dieser Möglichkeit rechnet und sie billigend in Kauf nimmt. c) Tatbestandsirrtum und Verbotsirrtum Der über 369 II AO anwendbare 16 StGB bestimmt: Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Ein solcher Tatbestandsirrtum liegt z.b. in folgenden Fällen vor: Der Steuerpflichtige hat sich verrechnet. Der Steuerpflichtige hat einige Betriebseinnahmen übersehen und dadurch seine Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu gering angegeben. Der Steuerpflichtige hat übersehen, dass das Finanzamt in der Steuererklärung auch Angaben über Renten verlangt hat und hat deshalb die betreffenden Zeilen nicht ausgefüllt. Besonders bedeutsam ist der Irrtum über steuerrechtliche Vorschriften bzw. deren richtige Auslegung. Hierzu ein Beispiel aus der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (wistra 1990, 202): Der Angeklagte hatte in seiner Einkommensteuererklärung für 1981 Zinseinnahmen in Höhe von 31.948 DM, die er auf einem Bankkonto in der Schweiz erzielt hatte, nicht angegeben. Dies geschah nach seiner unwiderlegten Einlassung, weil ihn sein Steuerberater dahin gehend belehrt hätte, dass diese Einkünfte wegen eines Doppelbesteuerungsabkommens mit der Schweiz im Inland nicht versteuert werden müssten.

9 Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten wegen leichtfertiger Steuerverkürzung ( 378 AO) zu einer Geldbuße. Die Revision der Staatsanwaltschaft erstrebte die Verurteilung wegen (vorsätzlicher) Steuerhinterziehung, hatte aber keinen Erfolg. Zur Begründung verwies das Bayerische Oberste Landesgericht auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach zum Vorsatz des Täters bei der Steuerhinterziehung gehört, dass der Täter den sich aus den Steuergesetzen ergebenden Steueranspruch kennt und ihn trotz dieser Kenntnis gegenüber der Steuerbehörde verkürzen will. Danach schließt der Irrtum des Steuerpflichtigen über das Bestehen des Steueranspruchs als Tatbestandsirrtum den Vorsatz aus. Im vorliegenden Falle habe der Täter statt eines Verzichts der Schweiz auf ihr Besteuerungsrecht auch den Verzicht der Bundesrepublik für möglich halten können. Vom Tatbestandsirrtum sind die Fälle zu unterscheiden, in denen der Steuerpflichtige die Tatumstände einschließlich ihrer steuerrechtlichen Bedeutung kennt, jedoch nicht damit rechnet, dass er sich mit seinem Verhalten nach 370 AO strafbar macht. Dieser Irrtum wäre ein sogenannter Verbotsirrtum, zu dem 17 StGB bestimmt: Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe gemildert werden. Beispiel: Unternehmer U hatte aus einem Kaufvertrag die ihm gesondert in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend gemacht. Später trat der Verkäufer vom Vertrag zurück, was U zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach 17 UStG verpflichtete. Der BGH hat im Irrtum über die gebotene Erfüllung dieser Berichtigungspflicht einen Verbotsirrtum im Sinne des 17 StGB gesehen (Umsatzsteuer-Rundschau 1986, 213). d) In dubio pro reo Der Grundsatz "In dubio pro reo" - im Zweifel für den Angeklagten - gilt nicht nur im Steuerstrafverfahren, sondern auch in Bezug auf die mit einer Steuerstraftat verbundenen steuerlichen Folgen und die Höhe der verkürzten Steuer (BFH, BStBl II 1992, 128). Er ergibt sich aus dem Zusammenspiel verschiedener Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO). So zum einen aus 244 Abs. 2 StPO, wonach das Gericht zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. Zum anderen folgt er aus 261 StPO, wonach das Gericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung entscheidet. Eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung darf deshalb nur erfolgen, wenn der Richter davon überzeugt ist, dass der Angeklagte alle Tatbestandsmerkmale des 370 AO - einschließlich des Vorsatzes - erfüllt hat.

10 Diese Überzeugung muss sich auf das Ergebnis der Hauptverhandlung stützen. Aus den Feststellungen, die dort getroffen wurden, muss sich rechtsfehlerfrei und ohne Verstoß gegen die Denkgesetze die Schlussfolgerung ergeben, dass der Steuerpflichtige mindestens mit der Möglichkeit unvollständiger Angaben und einer daraus entstehenden Steuerverkürzung gerechnet hat. Stellt das Revisionsgericht fest, dass eine derartige Schlussfolgerung nicht zwingend war, muss es das Urteil aufheben. Der Richter muss dem Angeklagten indes nicht alles glauben. Bloße Schutzbehauptungen können eine Verurteilung nicht verhindern. Beispiel: Der Tapezierer T hat jahrelang schwarz gearbeitet. Nunmehr entdeckt, macht er zu seiner Verteidigung geltend, er habe nicht gewusst, dass er die Einkünfte versteuern müsse. Die Hauptverhandlung zeigt, dass T mindestens eine durchschnittliche Intelligenz besitzt und aufgrund seiner Lebensführung durchaus als wirtschaftlich verständig und lebenserfahren anzusehen ist. Außerdem hat er es stets vermieden, Rechnungen auszustellen. Aus den Gesamtumständen ergeben sich keine vernünftigen Zweifel, dass T mindestens mit der Möglichkeit rechnete, die Einkünfte aus seiner Schwarzarbeit seien zu versteuern. Sein Einwand ist eine bloße Schutzbehauptung. 5. Zeitliche Stufen der Tatbestandsverwirklichung a) Vorbereitung Die Vorbereitung einer Steuerhinterziehung ist noch nicht strafbar. Jedoch sind das Ausstellen unrichtiger Belege und die bewusste Vornahme falscher Buchungen als typische Vorbereitungshandlungen für die Steuerhinterziehung in 379 AO mit Bußgeld bedroht. b) Versuch Der Versuch der Steuerhinterziehung ist gemäß 370 II AO strafbar. Er liegt gemäß 369 II AO i.v.m. 22 StGB vor, wenn der Täter unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung ansetzt. Dies ist grundsätzlich der Fall, wenn er die unrichtige Steuererklärung beim Finanzamt abgibt. Das bloße Ausfüllen der Erklärung ist noch eine straflose Vorbereitungshandlung. Gibt der Steuerpflichtige keine Steuererklärung ab, ist ein Versuch frühestens gegeben, wenn die jeweilige Steuererklärungsfrist abgelaufen ist, z. B. bei der Einkommensteuer 01 mit Ablauf des 31. Mai 02 ( 149 II 1 AO). Gibt ein Steuerpflichtiger seine Erklärung erst nach mehreren Mahnungen ab, so liegt zwar schon nach Ablauf der Erklärungsfrist ein Versuch der

11 Steuerhinterziehung vor. In der Praxis werden solche Fälle aber wegen Geringfügigkeit zunächst nicht verfolgt (vgl. 153 StPO). Mit der späteren Abgabe der Erklärung verdient sich der Steuerpflichtige Straffreiheit infolge Rücktritts vom Versuch (vgl. 24 I StGB) bzw. durch Selbstanzeige ( 371 AO).

12 c) Vollendung Wird eine Steuererklärung abgegeben, ist die Steuerhinterziehung in der Regel vollendet, wenn das Finanzamt die Steuer aufgrund der unrichtigen Erklärung zu niedrig festgesetzt hat. Maßgebender Zeitpunkt ist die Bekanntgabe der unrichtigen Steuerfestsetzung an den Steuerpflichtigen (s. dazu 155 I, 157 I AO). Die Vollendung ist auch dann eingetreten, wenn die Steuerfestsetzung vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung erfolgt ist ( 370 IV AO). Steueranmeldungen sind bei der Umsatzsteuer und allen Abzugsteuern (z.b. Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer) vorgeschrieben. Dabei handelt es sich gemäß 150 I 3 AO um Steuererklärungen, worin der Steuerpflichtige die Steuer aufgrund gesetzlicher Vorschrift selbst zu berechnen hat. Bei Abgabe einer unrichtigen Steueranmeldung ist die Vollendung bereits mit Eingang der Anmeldung beim Finanzamt eingetreten, sofern die Anmeldung nach 168 S. 1 AO als Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gilt (Normalfall). Versuch und Vollendung fallen hier zusammen. Beispiel: Der Steuerpflichtige S gibt eine Umsatzsteuervoranmeldung für den VZ Juli 07 beim Finanzamt ab, in der er als Vorsteuer bewusst anstelle eines Betrags von 3.920 den Betrag von 9.320 eingetragen und demzufolge auch die Umsatzsteuerzahllast um 5.400 (9.320-3.920 ) zu niedrig erklärt hat. S hat gegenüber dem Finanzamt falsche Angaben gemacht ( 370 I Nr. 1 AO). Die Umsatzsteuervoranmeldung hat nach 168 S. 1 AO mit dem Eingang beim Finanzamt die Wirkung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung. Es ist somit infolge der falschen Angaben eine Steuerverkürzung eingetreten ( 370 IV 1 AO). S hat in Bezug auf die falschen Angaben und die dadurch eingetretene Steuerverkürzung vorsätzlich gehandelt. Somit sind sämtliche Tatbestandsmerkmale des 370 AO erfüllt. S hat sich der vollendeten Umsatzsteuerhinterziehung schuldig gemacht. Bei Nichtabgabe einer Steuererklärung (z.b. bei Schwarzarbeit) tritt die Vollendung in dem Zeitpunkt ein, zu dem das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten in dem betreffenden Bezirk für den maßgeblichen Zeitraum allgemein abgeschlossen hat (BGH, BStBl II 2002, 259). Beispiel: E ist als Verkäufer angestellt. Daneben betätigt er sich in seiner Freizeit seit dem Jahr 01 als Versicherungsnebenvertreter. E weiß, dass er wegen seiner Nebeneinkünfte verpflichtet ist, eine Einkommensteuererklärung abzugeben. Er unterlässt dies jedoch, weil er die hieraus resultierende Steuer nicht bezahlen will. E stellt auch keinen Antrag nach 46 I Nr. 8 EStG. Im Januar 05 wird der Sachverhalt aufgedeckt.

13 E hat für die Jahre 01 bis 03 pflichtwidrig keine Einkommensteuererklärungen abgegeben und damit das Finanzamt über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen ( 370 I Nr. 2 AO). Dadurch wurden die Steuern verkürzt, die bei pflichtgemäßer Abgabe der Erklärungen inzwischen durch das Finanzamt festgesetzt worden wären. Im Januar 05 waren im zuständigen Bezirk des Finanzamtes die Veranlagungsarbeiten für 02 allgemein abgeschlossen, so dass die Einkommensteuern der Jahre 01 und 02 verkürzt wurden. E hat bezüglich der pflichtwidrigen Unterlassung von Angaben und bezüglich der dadurch eingetretenen Verkürzungen vorsätzlich gehandelt. Somit sind in Bezug auf die Veranlagungszeiträume 01 und 02 alle drei Tatbestandsmerkmale des 370 AO erfüllt. E hat sich für die Jahre 01 und 02 vollendeter Einkommensteuerhinterziehungen schuldig gemacht. Bezüglich des Jahres 03 kann E nur wegen versuchter Einkommensteuerhinterziehung bestraft werden. Bei Nichtabgabe einer Steueranmeldung, die zu einer Zahllast führen würde, tritt die Vollendung sofort mit Ablauf der Anmeldungsfrist ein. Eine solche Anmeldung hat nämlich nach 168 S.1 AO die Wirkung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung. Im Falle ihrer fristgerechten Abgabe gälte die Steuer mit Eingang der Anmeldung beim Finanzamt als festgesetzt. Beispiel: S ist als Malergeselle in einem Handwerksbetrieb beschäftigt. Daneben arbeitet er seit dem Jahr 01 nach Feierabend schwarz. Wegen der Höhe seiner Umsätze wäre er gemäß 18 II 1 UStG verpflichtet, vierteljährlich Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben. Obwohl er dies weiß, gibt er bewusst keine Umsatzsteuervoranmeldungen und - jahresanmeldungen ab, weil er die aus seiner Schwarzarbeit resultierende Umsatzsteuer nicht bezahlen will. Ende Januar 05 wird der Sachverhalt aufgedeckt. S hat entgegen 18 II 1 UStG keine Umsatzsteuervoranmeldungen für die einzelnen Quartale der Jahre 01 bis 04 abgegeben. Er hat unter Verstoß gegen 18 III 1 UStG auch keine Jahresanmeldungen für die Jahre 01 bis 03 eingereicht. S hat somit das Finanzamt pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen ( 370 I Nr. 2 AO). Durch die Nichtabgabe der Steueranmeldungen unterblieben die im Falle der rechtzeitigen Abgabe der Anmeldungen nach 168 S. 1 AO von Gesetzes wegen eintretenden Festsetzungen, so dass die Umsatzsteuern verkürzt wurden. S hat in Bezug auf die pflichtwidrige Unterlassung von Angaben und die dadurch eingetretenen Umsatzsteuerverkürzungen vorsätzlich gehandelt.

14 Somit sind alle drei Tatbestandsmerkmale des 370 AO durch S erfüllt. S hat sich hinsichtlich jeder einzelnen nicht abgegebenen Voranmeldung und Jahresanmeldung einer vollendeten Umsatzsteuerhinterziehung schuldig gemacht. Gibt ein Steuerpflichtiger seine Steueranmeldungen erst nach mehrmaligen Mahnungen ab, liegt schon ab dem Ablauf der jeweiligen Anmeldungsfrist eine vollendete Steuerhinterziehung vor. Auch hier werden die Fälle in der Verwaltungspraxis zunächst wegen Geringfügigkeit nicht verfolgt (vgl. 153 I StPO). Die Grenze zur Geringfügigkeit wird jedoch überschritten, wenn der Steuerpflichtige mehrfach - sechs Mal innerhalb der letzten 12 Monate - trotz vorheriger Mahnung mit strafrechtlichem Hinweis die Fristen erheblich - Abgabe der Anmeldung jeweils erst nach Ablauf des Fälligkeitsmonats - überschreitet. Dann wird das Steuerstrafverfahren eingeleitet. d) Beendigung Die Beendigung der Tat hat Bedeutung für die Strafverfolgungsverjährung und damit auch für die Festsetzungsverjährung der hinterzogenen Steuern. Gemäß 171 VII AO tritt nämlich letztere nicht vor der Strafverfolgungsverjährung ein. Die Steuerhinterziehung ist beendet, wenn der Täter sich nach seiner Vorstellung die Vorteile seiner Tat endgültig gesichert hat. Bei der Umsatzsteuerhinterziehung ist dies erst der Fall, wenn der Täter nach den unrichtigen, vom Finanzamt aber nicht beanstandeten Umsatzsteuervoranmeldungen auch die entsprechende Umsatzsteuerjahresanmeldung abgegeben hat. Bei unterlassener Abgabe der Jahresanmeldung ist die nach 370 I Nr. 2 AO vorliegende Steuerhinterziehung mit Fristablauf für die Jahreserklärung beendet (BGHSt 38, 366; wistra 1992, 93). Eine verspätet abgegebene unrichtige Umsatzsteuerjahreserklärung kann aber als Nachtat eine eigen-ständige rechtliche Bedeutung erlangen. Das ist der Fall. wenn die Vortat - die durch Unterlassen der fristgerechten Umsatzsteuerjahreserklärung begangene Hinterziehung - bereits verjährt ist (BGHSt 38, 366; wistra 1993, 223). 6. Selbstanzeige a) Ausnahmecharakter Eine Besonderheit gegenüber dem allgemeinen Strafrecht stellt die gemäß 371 AO bestehende Möglichkeit dar, nach Vollendung, ja selbst noch nach Beendigung der Steuerhinterziehung Straffreiheit zu erlangen. Nach 371 I AO erreicht der Täter dies dadurch, dass er seine unrichtigen Angaben berichtigt oder seine pflichtwidrig unterlassenen Angaben nachholt. Nur 261 StGB (Geldwäsche) verfügt in seinem Absatz 9 über eine ähnliche Vorschrift. b) Form und Inhalt

15 Für die Selbstanzeige ist keine besondere Form vorgeschrieben. Sie kann auch durch einen Bevollmächtigten, z.b. einen Steuerberater, erfolgen. Bezüglich des Inhalts der Selbstanzeige gilt der Grundsatz der Materiallieferung. Sie muss so beschaffen sein, dass das Finanzamt in die Lage versetzt wird, ohne langwierige weitere Ermittlungen eine bisher nicht vorgenommene Steuerfestsetzung nachzuholen oder eine bereits erfolgte zu niedrige Steuerfestsetzung zu ändern. Der Steuerpflichtige muss sich in der Selbstanzeige nicht der Steuerhinterziehung bezichtigen. Das Wort "Selbstanzeige" braucht nicht zu fallen. Bei umfangreichen Berichtigungen genügt es, wenn der Steuerpflichtige zunächst in groben Zügen angibt, in welchen Bereichen und inwieweit er bisher falsche Angaben gemacht oder pflichtwidrig Angaben unterlassen hat. Er muss allerdings bereitwillig Auskunft erteilen bzw. Unterlagen zur Verfügung stellen. Für eine Selbstanzeige würde es nicht ausreichen, wenn der Täter pauschal angibt, er habe Einkommensteuer in Höhe von 10.000 hinterzogen. Auch die gelegentlich vorkommenden anonymen Schreiben mit beiliegendem Bargeld stellen keine wirksame Selbstanzeige dar. Die Einreichung einer (wahrheitsgemäßen) Umsatzsteuerjahreserklärung stellt im Verhältnis zu den zuvor unterlassenen oder unzutreffenden Umsatzsteuervoranmeldungen regelmäßig eine Selbstanzeige dar. Eines entsprechenden Hinweises seitens des Steuerpflichtigen bedarf es dazu nicht (BGH, wistra 1999,27). c) Ausschließungsgründe für die Selbstanzeige Nach 371 II AO ist in bestimmten Fällen eine strafbefreiende Selbstanzeige ausgeschlossen: aa) Erscheinen eines Prüfers Nach 371 II Nr. 1 a) AO ist eine strafbefreiende Selbstanzeige ausgeschlossen, wenn der Prüfer zur steuerlichen Prüfung (Außenprüfer) oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit (Steuerfahnder) beim Steuerpflichtigen erschienen ist. Da sich der Prüfer vor Durchführung einer Außenprüfung rechtzeitig anzumelden hat, steht dem Steuerpflichtigen regelmäßig noch genügend Zeit für die strafbefreiende Selbstanzeige zur Verfügung. Erscheint der Prüfer vor der eigentlichen Prüfung zunächst zu einer Vorbesprechung, bleibt eine Selbstanzeige noch möglich. Verspätet ist die Selbstanzeige allerdings, wenn der Steuerpflichtige dem vor der Tür stehenden Prüfer noch schnell eine schriftlich verfasste Selbstanzeige in die Hand drückt.

16 Hingegen ist auch nach Erscheinen des Prüfers die Selbstanzeige noch möglich für Steuern aus Veranlagungsjahren, auf die sich die Prüfungsanordnung nicht erstreckt. Allerdings darf der Prüfer die Tat noch nicht entdeckt haben. Beispiel: Der Steuerpflichtige A unterliegt der Betriebsprüfung. Er hat die Einkommensteuer für die Jahre 01 bis 04 dadurch verkürzt, dass er bestimmte Betriebseinnahmen vorsätzlich nicht verbucht und dementsprechend dem Finanzamt unter Vorlage falscher Gewinnrechnungen einen zu niedrigen Gewinn erklärt hat. Das Finanzamt hat die Einkommensteuer des A jeweils entsprechend dessen Erklärungen festgesetzt. Im Oktober 05 wurde bei A eine Betriebsprüfung für die Einkommensteuer der Jahre 02 bis 04 angeordnet. Nach Erscheinen des Prüfers zur Prüfung erklärt A diesem, in welchem Umfang er bisher Betriebseinnahmen für die Jahre 01 bis 04 nicht erfasst hat. Dies sei aus Versehen geschehen. Nach dem Sachverhalt hat A Einkommensteuer für die Jahre 01 bis 04 nach 370 I Nr. 1 AO hinterzogen. Die Erklärung der bisher nicht erfassten Betriebseinnahmen gegenüber dem Prüfer erfüllt den Grundsatz der Materiallieferung und erfüllt insoweit die Voraussetzung für eine wirksame Selbstanzeige nach 371 I AO. Es schadet nicht, dass A die Nichterfassung als ein Versehen darstellt. Die Selbstanzeige ist jedoch nach 371 II Nr. 1 a) AO ausgeschlossen, soweit der Prüfer bereits zur steuerlichen Prüfung erschienen war. Der Umfang der Betriebsprüfung wird gemäß 196 AO durch die Prüfungsanordnung festgelegt. Somit war der Prüfer nur zur Prüfung der Jahre 02 bis 04 erschienen. Insoweit ist eine strafbefreiende Selbstanzeige ausgeschlossen. Für das Jahr 01 ist die Selbstanzeige jedoch wirksam. Nach Auffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (wistra 1985,88) kann nur eine rechtmäßige Außenprüfung zu einer Sperrwirkung führen. bb) Bekanntgabe der Eröffnung des Strafverfahrens Die strafbefreiende Selbstanzeige ist nach 371 II Nr. 1 b) AO auch insoweit ausgeschlossen, als dem Täter wegen einer bestimmten Tat die Einleitung eines Strafverfahrens oder eines Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist. Die Tat muss dabei nicht schon in allen Einzelheiten umrissen sein. Es genügt, dass der Täter aus der Bekanntgabe der Einleitung erkennen kann, wegen welcher Steuerart und welchen Veranlagungszeitraumes das Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet worden ist. Die Einleitung des Strafverfahrens wird in der Praxis der Finanzämter regelmäßig nicht durch den Außenprüfer bekannt gegeben. Nach 9 Betriebsprüfungsordnung ist dieser vielmehr gehalten, sofort bei Auftauchen

17 eines Tatverdachts die Prüfung zu unterbrechen und sich mit der zuständigen Straf- und Bußgeldsachenstelle ins Benehmen zu setzen. Zu diesem Zeitpunkt besteht für Veranlagungszeiträume außerhalb der Prüfungsanordnung noch die Möglichkeit, rechtzeitig Selbstanzeige zu erstatten. Regelmäßig wird die Einleitung des Strafverfahrens bekannt gegeben, wenn die Steuerfahndung beim Steuerpflichtigen erscheint und Nachforschungen, etwa in Form einer Durchsuchung, anstellt. In diesen Fällen ist für eine wirksame Selbstanzeige nur noch insoweit Raum, als noch Veranlagungszeiträume verbleiben, für die das Strafverfahren noch nicht eingeleitet wurde. cc) Entdeckung der Tat Nach 371 II Nr. 2 AO ist die Selbstanzeige auch dann ausgeschlossen, wenn die Tat ganz oder teilweise entdeckt ist und der Täter dies weiß oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen muss. Der Täter kann somit noch eine strafbefreiende Selbstanzeige erstatten, wenn die Tat zwar bereits entdeckt war, er dies aber nicht wusste und bei verständiger Würdigung der Sachlage auch nicht damit rechnen musste. Die Tat ist erst dann entdeckt, wenn aufgedeckt ist, dass der Täter sämtliche für die Steuerhinterziehung erforderlichen Tatbestandsmerkmale erfüllt hat. Das ist nicht schon dann der Fall, wenn das Finanzamt z.b. aufgrund einer Kontrollmitteilung erfährt, dass der Steuerpflichtige eine unrichtige Erklärung abgegeben hat und dadurch Steuern verkürzt wurden. Entdeckt ist die Tat vielmehr erst, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dem Steuerpflichtigen diesbezüglich auch Vorsatz zur Last zu legen ist. Entdeckt der Außenprüfer die Tat während einer Prüfung und handelt es sich um einen Steuertatbestand, dessen Überprüfung nicht von der Prüfungsanordnung gedeckt ist, so kann der Steuerpflichtige, den der Prüfer soeben noch wegen dieser Angelegenheit befragt hat, davon ausgehen, dass die Tat hinsichtlich des Vorsatzes noch nicht entdeckt ist. Wäre dies nämlich der Fall gewesen, hätte der Prüfer vor der Befragung dem Steuerpflichtigen gemäß 397 III AO die Einleitung des Strafverfahrens bekannt geben müssen. Nach herrschender Meinung lebt die Möglichkeit der Selbstanzeige nach Durchführung der Außenprüfung wieder auf, wenn der Prüfer die Tat nicht entdeckt hat und die Bescheide aufgrund der Außenprüfung ergangen sind bzw. an den Steuerpflichtigen die Mitteilung nach 202 I 3 AO erfolgt ist, dass die Außenprüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt hat. Diese Möglichkeit hat in den Fällen Bedeutung, in denen der Täter noch mit Anzeigen Dritter rechnen muss.

18 d) Nachentrichtung der Steuer Gemäß 371 III AO verdient sich der Steuerpflichtige nur dann Straffreiheit, wenn er nach erfolgter Selbstanzeige die hinterzogene Steuer innerhalb einer ihm vom Finanzamt gesetzten Frist nachentrichtet. Diese Vorschrift betrifft in erster Linie den Steuerpflichtigen persönlich, da die Nachentrichtung nur bezüglich der zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuer vorzunehmen ist. Sie kann ausnahmsweise auch andere treffen, die infolge der Steuerhinterziehung unmittelbare Vorteile erlangt haben, wie dies z.b. beim Gesellschafter-Geschäftsführer einer Ein-Mann-GmbH bezüglich Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer und Lohnsteuer der Fall sein kann. Die Nachentrichtung der Steuer ist dagegen nicht erforderlich für die Strafbefreiung des Firmenbuchhalters oder des Steuerberaters, der bei einer Steuerhinterziehung mitgewirkt hat. Anders wäre es, wenn diese sich Teile der verkürzten Steuer hätten auszahlen lassen. Gemäß 371 III AO muss die Nachentrichtungsfrist angemessen sein. Nach Ansicht des LG Koblenz, wistra 1986,79 sollte sie einen Monat nicht unterschreiten. Ist sie zu kurz, bleibt die Nachzahlung und damit eine wirksame Selbstanzeige - mangels wirksamer Fristsetzung bis zur Hauptverhandlung möglich. e) Drittanzeige gemäß 371 IV AO Beispiel: Geschäftsführer B ist Nachfolger des ehemaligen Geschäftsführers A bei der C-GmbH. A hatte für die GmbH bewusst unrichtige Steuererklärungen abgegeben, die zu Steuerverkürzungen führten. Nachdem B dies entdeckt hat, gibt er dem Finanzamt berichtigte Erklärungen unter vollständiger Aufdeckung der steuerlich relevanten Sachverhalte ab. Beim Finanzamt hatte noch niemand Verdacht geschöpft. Kann A noch wegen Steuerhinterziehung bestraft werden? A hat mehrere Steuerhinterziehungen begangen, indem er in verschiedenen Steuererklärungen der GmbH vorsätzlich unrichtige Angaben gemacht und dadurch Steuern verkürzt hat. Er könnte indes durch die Selbstanzeige des B nach 371 IV AO straffrei geworden sein. B als gesetzlicher Vertreter der GmbH und damit nach 34 I AO für die Erfüllung deren steuerlicher Pflichten Verantwortlicher hat die in 153 AO vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsgemäß erstattet. Ob A straffrei ausgeht, hängt davon ab, wie der Halbsatz der die in 153 bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat, zu verstehen ist. Das OLG Stuttgart (wistra

19 1996,190) meint, damit A durch die Berichtigungserklärung des B Straffreiheit erlange, müsse für seine eigene Person die Pflicht zur Abgabe einer Berichtigungserklärung im Sinne des 153 AO bestanden haben. Da 153 AO davon ausgeht, dass die Unrichtigkeit einer früher abgegebenen Steuererklärung erst nachträglich bekannt geworden ist, bliebe A strafbar, weil er schon die ursprüngliche Steuererklärung bewusst falsch abgegeben hat. Andere (Samson, wistra 1990, 245; Franzen/Gast/ Joecks, 371 Rdnr. 228) verstehen unter den in 153 bezeichneten Erklärungen die nach 153 AO zu berichtigenden unrichtigen oder unvollständig abgegebenen Steuererklärungen. Danach wäre A straffrei. Um dem Risiko einer Bestrafung zu entgehen, wäre A wäre im vorliegenden Falle anzuraten, die Selbstanzeige in eigener Person zu erstatten. f) Folgen der Selbstanzeige Infolge der Selbstanzeige tritt lediglich Straffreiheit wegen der Steuerhinterziehung ein. Die übrigen Folgen der Steuerhinterziehung bleiben bestehen: - Hinterziehungszinsen nach 235 AO - 10 - jährige Festsetzungsfrist nach 169 II 2 AO - Haftung nach 71 AO - Kein Eintreten der Änderungssperre nach 173 II AO. Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Selbstanzeige, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige ( 171 IX AO). 7. Täterschaft und Teilnahme a) Beteiligungsformen Unter Tatbeteiligten sind gemäß 369 II AO i. V. m. 28 II StGB Täter und Teilnehmer zu verstehen. Der Täter kann Alleintäter ( 25 I 1. Alt. StGB), mittelbarer Täter ( 25 I 2. Alt. StGB) oder Mittäter ( 25 II StGB) sein. Teilnehmer sind Anstifter ( 26 StGB) und Gehilfen ( 27 StGB). Sämtliche Beteiligungsformen können durch aktives Tun oder durch Unterlassen (s. 370 I Nr. 2 AO, 13 StGB) begangen werden.

20 Beispiel: Der Gewerbetreibende G ist mittelbarer Täter, wenn er gegenüber seinem gutgläubigen Steuerberater seine Umsätze zu niedrig angibt und die Umsatzsteuervoranmeldung von diesem unterzeichnen und einreichen lässt. Die Frage nach einer Mittäterschaft stellt sich, wenn bei einer Zusammenveranlagung die Ehefrau die gemeinsame Einkommensteuererklärung mit -wie sie weiß- unrichtig erklärten gewerblichen Einkünften des Ehemannes unterschreibt. Dazu müsste sie in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit ihrem Ehemann unrichtige Angaben gemacht haben. Nach 26b EStG werden zwar bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten die von ihnen erzielten Einkünfte zusammengerechnet, den Ehegatten gemeinsam zugerechnet und die Ehegatten sodann gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt. Da jedoch zuvor die Einkünfte getrennt zu ermitteln sind, sollte in der reinen Unterschriftsleistung unter die gemeinsame Steuererklärung keine Mittäterschaft oder Teilnahme gesehen werden (ebenso BFH, BStBl II 2002, 501). b) Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme Da man auch in fremder Angelegenheit Steuern hinterziehen und damit Täter sein kann, ist die Frage, zu wessen Gunsten Steuern verkürzt wurden, für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme nur von untergeordneter Bedeutung. Wer bei der Hinterziehung eigener Steuern mitwirkt, ist regelmäßig Täter. Bei der Hinterziehung fremder Steuern ist für die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme zwar auch von Bedeutung, inwieweit der Mitwirkende ein eigenes Interesse an der Tat hat. Vor allem aber kommt es darauf an, inwieweit er die Möglichkeit hat, den Geschehensablauf zu bestimmen. Vor allem diese sog. Tatherrschaft spricht für seine Täterschaft. Beispiel: Als Täter einer Umsatzsteuerhinterziehung bei einer Personengesellschaft werden die Geschäftsführer in Betracht kommen, weniger dagegen der Prokurist und kaum noch der Buchhalter. c) Grenze zwischen strafloser Mitwirkung und Beihilfe Die Frage, ob jede ursächliche Hilfeleistung zu einer strafbaren Beihilfe führt, stellt sich z.b. bei Arbeitnehmern. Die Grenze zur Beihilfe ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs überschritten, wenn der Arbeitnehmer schon bei Umsatzgeschäften mitwirkt, von denen er weiß, dass sie auf eine nachfolgende Steuerhinterziehung zielen, wenn mithin das ganze Unternehmen darauf gerichtet ist, einen Gewinn durch Steuerhinterziehung zu erreichen (BGH, wistra 1988, 261). Eine Sekretärin, die wissentlich eine Umsatzsteuererklärung nach den Anweisungen ihres Chefs unrichtig ausfüllt, macht sich allein dadurch noch nicht der Beihilfe zur Umsatzsteuerhinterziehung schuldig. Bleibt sie im Rahmen ihrer