Die Landung ist am heikelsten und das erfuhr ich ausgerechnet in der ersten Flugstunde
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- Alke Kappel
- vor 8 Jahren
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1 Dieter Decker Die Landung ist am heikelsten und das erfuhr ich ausgerechnet in der ersten Flugstunde Wenn Du das Fliegen einmal erlebst, wirst Du für immer auf der Erde wandeln mit deinen Augen himmelwärts gerichtet, denn dort bist du gewesen und dort wird es dich immer wieder hinziehen. (Leonardo da Vinci) Prolog Schon als kleiner Junge hatte ich ihnen immer sehnsüchtig hinterhergeschaut, den wenigen Flugzeugen am Himmel über Köln. Mit dem Fahrrad fuhr ich so oft ich konnte zum Flughafen Butzweilerhof, von dem im Jahr 1910 das erste Flugzeug startete. Er wurde bis 1957 zivil und bis 1980 noch sportfliegerisch genutzt. Im Jahre 1956, beim Flugtag der Nationen mit Besuchern, 1960 als Austragungsort der Weltmeisterschaft im Segelfliegen und 1980, als Papst Johannes Paul II. auf dem Butzweilerhof einen Gottesdienst zelebrierte, machte der Flughafen nochmals Schlagzeilen. Weihnachten 1955 bekam ich das Buch Maloja Wind. Es handelte von der Weltmeisterschaft im Alpensegelflug, und wie die Piloten, die teilweise noch nie hohe Berge gesehen hatten, mit dieser Herausforderung umgingen. Die Holländer hatten die meisten Probleme
2 und es gab auch tödliche Unfälle, weil einige beim Anblick der Alpengipfel in Panik gerieten. Alles, was es an Flugliteratur gab, besorgte ich mir und lernte vieles über die Fliegerei. Insbesondere die Segelfliegerei faszinierte mich. Bis zum Alter von 16 Jahren baute ich ca. 20 Flugmodelle mit und ohne Motor, auch mit Fernsteuerung. Ich wollte so bald wie möglich selbst fliegen lernen. Mit 18 Jahren ging ich freiwillig zur Luftwaffe, konnte aber wegen eines Augenfehlers kein Pilot werden. So blieb ich beim Bodenpersonal in Diepholz und später in Erding. Ab und zu durfte ich mit einer kunstflugtauglichen Piaggio, dem ersten Schulungsflugzeug für künftige Starfighter-Piloten ein paar Platzrunden mitfliegen. Der Traum vom Fliegen blieb, ich lebte und arbeitete 40 Jahre in Baden Württemberg, im größten Handelsunternehmen Europas und musste beruflich zu vielen Geschäftsterminen fliegen. In den großen Maschinen von Boeing, Airbus, Bombardier, Saab und anderen fühlte ich mich nie sonderlich wohl. Man war so eingezwängt, hatte nicht viel Sicht nach draußen und war immer abhängig von den Piloten. Im Urlaub und an langen Wochenenden fuhr ich viele Jahre zur Wasserkuppe auf der Rhön, später zu vielen Sportflughäfen in Süddeutschland, um in Motorseglern als Gast mitzufliegen. Dabei durfte ich oft selbst ans Steuer und war sehr glücklich unter oder über den Wolken zu
3 schweben. Außerdem besuchte ich soviel Fliegerfeste und Flugschauen wie möglich, um die Faszination des Fliegens hautnah zu erleben Nach meiner Pensionierung zog ich nach Lohmar und fuhr im September 2008 zum Tag der offenen Tür nach Hangelar. Dort gewann ich einen Schnupperflug mit einer kleinen zweisitzigen Cessna 152. Nach dem Start, in ca Fuß Höhe durfte ich die Maschine übernehmen und 30 Minuten unter Anleitung des Fluglehrers in Richtung Siebengebirge, dann nach Bad Honnef, zurück den Rhein entlang über Bonn nach Köln und zurück nach Hangelar fliegen. Wir schauten von oben auf den Pützchens Markt. Ich spürte die Thermik unter dem Hintern, und der Wind beeinflusste unseren Kurs. Nach der anspruchsvollen Landung mit Seitenwind war mir als ob ich schwebte. Der Chef-Fluglehrer erklärte mir, das wäre das Adrenalin, und es würde mich noch eine Weile in diesem Zustand verweilen lassen. Ich erkundigte mich sofort nach den Modalitäten für die Privat-Piloten-Lizenz. Man braucht ein Flugtauglichkeitszeugnis, diverse Erklä.rungen der Behörden, Erste-Hilfe-Ausbildung. Die Ausbildung umfasst 45 Flugstunden, davon 10 Stunden Alleinflug, 120 Theoriestunden, theoretische und praktische Prü.fung, Sprechfunkzeugnis. Danach sollte es zum Fliegerarzt und Augenarzt gehen, um das Medical, das Tauglichkeitszeugnis zu bekommen. Ab 60 Jahren muss man das jedes Jahr erneuern
4 Nach meinem echten Flug steuerte ich einen Airbus im Flugsimulator von Köln/Bonn nach Düsseldorf, wobei ich auf der Querwindbahn startete und auf der langen landete. Es war wunderbar in einem großen Cockpit zu sitzen und viele Flugmanöver durchzuführen. Circa drei Stunden später konnte ich noch einmal von Köln/Bonn nach Frankfurt fliegen. Ein perfekter Tag der offenen Tür entließ mich in eine schlaflose Nacht, in der ich alle wunderschönen Erlebnisse verarbeitete. Das Flieger-Virus hatte mich jetzt endgültig gepackt. Da ich schon 63 Jahre alt war, bot man mir zunächst drei Schnupperflüge mit der Katana, einer zweisitzigen, kleinen wendigen und leicht zu fliegenden, schnellen Schulmaschine an, um mich danach für eine Ausbildung zu entscheiden. Eine Woche später hatte ich meine erste Flugstunde auf der Katana. Zunächst erfolgte eine Einweisung am Boden mit einer umfangreichen Checkliste: Außen und Innenkontrolle, Kontrolle der Dokumente, Status der Technik, Schmierund Kraftstoffmengen, Kabi.nentraining (Kennenlernen aller Schalter, Steuerorgane und Instrumente), Sitzpositionen, Feuerlöscher, Notfallaxt, Verbandskasten (Es gibt keine Fallschirme), Kontrolle der Headsets zur Verständigung der Piloten untereinander und mit dem Tower, Gebrauch der Checklisten
5 Danach begannen die Übungen: Anlassen des Triebwerks, Rollen auf dem Flugfeld und zur Landebahn (das geschieht mit dem oberen Teil der Seitenruderpedale und ist je nach Flugzeugtyp gewöhnungsbedürftig), Normalstart und Steigflug, Übergang zum Horizontalflug, Horizontalflug, Kurvenflug, Sinkflug, Steigflug, Normale Landung, Funkverkehr. Und das alles in einer Flugstunde Puuh!! In Hangelar muss man je nach Windrichtung aus der Start-/Landerichtung 11 oder 29 starten und dann in einer genau festgelegten Platzrunde das Fluggelände verlassen, um zu seinem Reiseziel zu fliegen. Wir starteten auf der 29 mit Vollgas, hoben bei ca. 60 Knoten ab und flogen in den wolkenlosen Himmel bei strahlendem Sonnenschein. Es ging in Richtung Nordbrücke, weiter zum Posttower, um von dort in Richtung Euskirchen zu fliegen. Ab einer Höhe von 1200 Fuß noch auf dem Flughafengelände übernahm ich die Maschine und war glücklich in der Luft zu sein. In der Voreifel gibt es das sogenannte Übungsgelände für Flugschulen, eine große, mit Wald, Wiesen und Äckern bewachsene Fläche, die absolut unbewohnt ist. Keine Ansiedlung weit und breit, deren Einwohner wir mit unserem Motorenlärm stören könnten. Aber auch praktisch, wenn mal was schiefgeht, dann hat man Platz genug für eine Notlandung
6 Der Fluglehrer erläuterte mir die einzelnen Lektionen: Rechtskurven, Linkskurven, 360-Grad-Kurven, unter Sichtflugbedingungen, mit Blick auf den Horizont, jeweils mit entsprechender Schräglage, angefangen mit 15 Grad, über 30 Grad und die 45-Grad-Kurve flog er dann selber, weil die mit viel Gas geflogen werden muss, sonst schmiert die Maschine ab. Dann das Ganze mit Instrumenten, dem künstlichen Horizont, dem Turn Coordinator, Höhenmesser und Variometer. Die Lektion dauerte nur ca. 20 Minuten, aber ich war an einigen Stellen recht feucht. Zur Entspannung flogen wir dann Horizontalflug nach Kurskreisel und Höhenmesser. Von Euskirchen ging es in 2500 bis 3500 Fuß Höhe über Bad Münstereifel, das Radioteleskop Effelsberg, Blankenheim zum Nürburgring, von dort nach Mayen und dann über Maria Laach nach Remagen. Dort überquerten wir den Rhein und flogen über Bad Honnef, rechter Hand lag der Drachenfels und als wir den Petersberg überflogen, meldeten wir unseren Landeanflug beim Tower in Hangelar an. In Höhe der Roten Schule flogen wir auf 1150 Fuß in die Platzrunde ein. Der Tower meldete uns, dass zwei große Hubschrauber, ein EC 155B und ein EC 135T21 der Bundespolizei vor uns im Landeanflug wären, wir könnten danach landen, aber wir müssten auf die Wirbelschleppen der Heli achten und genügend Abstand halten
7 Wirbelschleppen waren mir bis dahin nur von großen Passagiermaschinen bekannt, und dass sie einige Meilen hinter sich fliegende Maschinen in Bedrängnis bringen können. Der Fluglehrer, der jetzt den Endanflug übernommen hatte, flog noch ein paar 360-Grad-Kurven und wir sahen, dass die Helis zur Landung auf der Wiese neben der Landebahn runtergingen. Wir nahmen den Aufsetzpunkt ins Visier und ließen die Katana im Leerlauf sinken. Als wir drei Meter über dem Boden waren erhob sich der letzte Heli mit laufendem Motor nur kurz, um noch einmal seine Position zu wechseln. Im Schwebeflug muss der Hubschrauber eine hohe Leistung aufbringen. Die Rotorblätter drücken die Luft nach unten, beim Aufprall auf dem Boden wird die Luftströmung abgelenkt und fließt stark verwirbelt nach außen ab. Dann brach die Hölle los. Unsere kleine Maschine, gerade mal 510 Kilogramm schwer, 80 PS Motorleistung, aber im Leerlauf drei Meter über dem Boden, wurde durch die jetzt einsetzende Wirbelschleppe wie ein Eichenblatt im stürmischen Herbstwind in alle Richtungen geschleudert. Der Eurocopter ist Kilogramm schwer und hatte jetzt 1730 PS Leistung. Goliath hatte David voll im Griff. Die Heli-Piloten bemerken nicht was hinter ihnen vorgeht, lediglich der Tower kann warnen, das war aber nicht der Fall
8 Mein Fluglehrer hatte plötzlich vier Arme und Beine und versuchte, unsere Maschine unter Kontrolle zu bringen. Als ihm das nicht gelang, gab er Vollgas und zog die Katana nach oben. Bereits in 300 Fuß Höhe herrschte absolute Windstille, wir flogen noch eine Platzrunde und landeten ohne Probleme. Seltsamerweise hatte ich in der ganzen Zeit keine Angst oder Panik, es ging alles viel zu schnell. Beim anschließenden Debriefing in der Flugschule, erwähnte er nur, dass er 35 Jahre Flugerfahrung und schon viel schlimmere Situationen erlebt hat. Ins Flugbuch hat er unseren Höllenritt auch nicht eingetragen, es war ein Beinahe Unfall. In einer Theoriestunde über Flugunfälle eine Woche später erzählte ein Fluglehrer von einem anderen Vorfall mit einem Eurocopter. Eine Do 27, viel schwerer als meine Katana setzte zur Landung an, der Heli war im Schwebeflug an seinem Landeplatz. In 100 Fuß Höhe, während des Gasrausnehmens, wurde die Do 27 von dem Wirbel gepackt. Unsteuerbar prallte sie auf die Landebahn, und sprang dann ca. 15 Fuß in die Höhe. Der Pilot gab Vollgas, um durchzustarten, und flog am Tower vorbei, um die Schäden begutachten zu lassen: Rechte Tragfläche beschädigt und rechtes Rad abgerissen. Da die Do 27 noch steuerbar war, wurde eine Schaumteppich-Landung in Köln-Bonn vorbereitet,
9 die dann ohne weitere Komplikationen durchgeführt werden konnte. Da hatte ich ja noch Glück, dass meine kleine, leichte Maschine nach oben und nicht nach unten gewirbelt wurde. Mit den Hubschraubern der Bundespolizei und des ADAC lässt es sich leben, wenn man beachtet, dass sie in der Regel nachmittags ab 16:00 Uhr von ihren Schulungsflügen zurückkehren und man im Landeanflug besser noch eine Platzrunde mehr fliegt, bis die Turbinen ausgeschaltet sind. 14 Tage später machte ich die zweite Flugstunde mit einer anderen Maschine, einer viersitzigen Cessna 172, die viel größer ist und immerhin 1089 Kilogramm Startgewicht auf die Waage bringt. Mit der bin ich jetzt auch schon viele Stunden zu allen Jahreszeiten in der Luft gewesen, bei wunderschönen Überlandflügen und Außenlandungen auf anderen Plätzen. Je mehr Routine man bekommt, desto entspannter kann man aus dem Cockpit schauen, die unterschiedlichen Wolkenformationen und den Wechsel der Jahreszeiten in der Landschaft genießen. Das Licht ist frühmorgens und vor Sonnenuntergang sehr schön, am faszinierendsten im Herbst, wo es den Zauber der leuchtenden bunten Wälder einfängt. Ein sonniger Wintertag ist auch schön, wenn die Landschaft unter einer Schneedecke verschwunden ist und die Sonnen
10 strahlen die Eiskristalle zum Glitzern bringen, während man in der warmen Maschine sitzt. Ich nehme mir oft vor, die Landschaften und Orte die ich überflogen habe bei nächster Gelegenheit mit dem Auto zu besuchen, dieser Perspektivenwechsel ist sehr reizvoll
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