Das polnische Insolvenzrecht Verfahrensablauf und Rechte der Gläubiger -
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- Julia Glöckner
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1 Das polnische Insolvenzrecht Verfahrensablauf und Rechte der Gläubiger - Herr Rechtsanwalt Burghard Wegener und Frau Rechtsanwältin Patrycja Gerhardy, Göttingen Polen ist mit knapp 40 Mil. Einwohnern das größte Neumitglied der EU. Nicht zuletzt das stabile Wirtschaftswachstum zwischen 3,5 % und 5,5 % (2006) des BIP seit Beginn der Beitrittsverhandlungen sowie die geographische Lage tragen dazu bei, dass Polen zunehmend in den Fokus deutscher Investoren gerät. Mit der zügig voranschreitenden Entwicklung der Marktwirtschaft stellt sich für deutsche Investoren die Frage nach ihren Rechten für den Fall der Insolvenz ihres Geschäftspartners. Insbesondere interessiert die Bedeutung des Eigentumsvorbehaltes, der Wert der Sicherheiten. Auch die Beteiligungs- und Gestaltungsrechte im Insolvenzverfahren haben Einfluss auf den Wert der Forderungen und Sicherheiten in der Insolvenz. Die jährliche Zahl der Insolvenzen in Polen sinkt, seitdem im Jahr 2002 ein Höchststand erreicht war, jedenfalls kontinuierlich. Euler Hermes hat einen knapp fünfzigprozentigen Rückgang der Insolvenzverfahren in Polen verzeichnet. Waren im Jahr 2003 noch Unternehmensinsolvenzen zu verzeichnen, so erwartete Euler Hermes für das Jahr 2005 lediglich 980 Insolvenzverfahren. Am stärksten betroffen ist der Großhandel. Die Gläubigerrechte sind im Insolvenz- und Sanierungsgesetz von 2003 geregelt. Mit diesem Gesetz setzte der Gesetzgeber die EU-Richtlinie Nr. 1346/2000 zum Insolvenzrecht um. Bis dahin galten ein Insolvenz- und ein Vergleichsgesetz von Das Insolvenzverfahren diente nach diesen Vorschriften vorrangig der Abwicklung des Schuldnervermögens. Mit der Neuregelung hat auch der polnische Gesetzgeber die Sanierungsmöglichkeit in der Insolvenz eingeführt. In den Grundzügen entspricht das Insolvenz- und Sanierungsrecht (InSR) dem deutschen Insolvenzrecht. Das InSR regelt detailliert die einzelnen Verfahrensschritte, es umfasst insgesamt 546 Artikel. Zunächst zum Verfahren im Überblick: 1. Verfahrensverlauf Der Insolvenzantrag kann durch den Schuldner oder einen Gläubiger gestellt werden. Insolvenzgründe sind Zahlungsunfähigkeit und, wenn auch anders definiert, Überschuldung. Zuständig für den Antrag sind die bei den erstinstanzlichen Rayongerichten bestehenden Wirtschaftsgerichte Im Antrag ist mitzuteilen, ob die
2 Insolvenz mit anschließender Liquidation oder mit möglichem Vergleichsabschluss durchgeführt werden soll. Zwischen diesen Optionen kann während des weiteren Verfahrens entsprechend den wirtschaftlichen Gegebenheiten gewechselt werden Nach der Feststellung der formalen Voraussetzungen für die Eröffnung der Insolvenz hat das Gericht die Sicherung des Schuldnervermögens (einschließlich der vorläufigen Einstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen) vorzunehmen. Noch vor Eröffnung des Verfahrens beruft das Gericht regelmäßig eine vorläufige Gläubigerversammlung ein. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird, abhängig von der Verfahrensart, ein Insolvenzverwalter, ein Gerichtsaufseher oder ein Masseverwalter bestellt. Der Schuldner verliert bei der Insolvenz mit Liquidationsoption und der Insolvenz mit Vergleichsoption unter Fremdverwaltung des Vermögens die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen. Anhängige Zivilrechtsstreite, die Masseverbindlichkeiten oder Masseforderungen betreffen werden von Amts wegen eingestellt, falls der Verwalter nicht in den Prozess eintritt. Eine Gläubigerversammlung, wie der Berichtstermin nach der deutschen Insolvenzordnung, ist im InSR nicht vorgeschrieben. Auch ein Prüfungstermin muss nicht stattfinden. Zwingend vorgesehen ist dagegen die Vorversammlung noch im Eröffnungsverfahren. Das Verfahren wird nach Schlussverteilung im Regelfall durch Gerichtsbeschluss beendet. Weitere Beendigungsgründe sind Masseunzulänglichkeit oder vollständige Gläubigerbefriedigung. Aus der bisherigen Praxis ergibt sich, dass ein durchschnittliches Insolvenzverfahren von der Anmeldung bis zum Abschluss etwa zwei bis drei Jahre in Anspruch nimmt. 2. Beteiligungs- und Gestaltungsrechte der Gläubiger a. Organe der Gläubiger Der Vorteil gegenüber dem deutschen Insolvenzrecht besteht darin, dass die Gläubiger bereits im Eröffnungsverfahren intensiv beteiligt werden. Art. 44 InSR sieht für das Insolvenzgericht die Einberufung der Vorversammlung der Gläubiger vor, wenn es von einem der Insolvenzgründe überzeugt ist. Eine Ausnahme ist möglich, wenn das Verfahren sich schon in diesem Stadium auf die Liquidation beschränkt. Das Gericht kann von der Einberufung der Vorversammlung auch absehen, wenn die Kosten unverhältnismäßig hoch wären.
3 Die Vorversammlung ist für das weitere Verfahren von entscheidender Bedeutung. Sie trifft die verfahrensentscheidenden Beschlüsse über die Durchführung als Liquidationsoder Vergleichsverfahren. Die Vorversammlung kann darüber hinaus bereits in diesem Stadium einen Vergleich schließen. Eine Vertagung der Vorsammlung ist nicht möglich. Selbst eine erneute Einberufung geschieht nur in Ausnahmefällen. Das Insolvenzgericht ist nach Art. 47 an den Beschluss zur Verfahrensdurchführung gebunden, wenn er nicht rechtswidrig ist. Allerdings sind unter bestimmten Voraussetzungen Wechsel zwischen den Verfahrensarten möglich. Nach Art. 16 kann das Gericht ein Liquidationsverfahren in ein Vergleichsverfahren abändern, wenn die Grundlagen sich geändert haben. Nach Art. 17 kann, ebenfalls nach Änderung der Verhältnisse, ein Vergleichsverfahren in ein Liquidationsverfahren geändert werden. Die eingeschränkte Rechtsmacht der Gläubiger wird dadurch deutlich, dass nur gegen den Änderungsbeschluss nach Art. 17 Rechtsmittel möglich sind. Neben der nicht zwingenden Gläubigerversammlung hat der Gläubigerrat maßgebliche Bedeutung für das Verfahren. Er kann durch die Vorversammlung, das Gericht oder auf Antrag von Gläubigern, die 20% der Forderungen auf sich vereinigen, bestellt werden. Das Insolvenzgericht und der Insolvenzverwalter benötigen für alle bedeutenden Entscheidungen die Zustimmung dieses Organs. Zustimmungsbedürftig ist insbesondere die Weiterführung des Unternehmens durch den Insolvenzverwalter, sofern diese einen Zeitraum von drei Monaten überschreitet, der Rücktritt vom Verkauf des Unternehmens als Ganzes, der freihändige Verkauf von Immobilien, der Verkauf von Rechten und von Forderungen, die Erfüllung bzw. der Rücktritt von gegenseitigen Verträgen, die der Schuldner vor Stellung des Insolvenzantrages geschlossen hat, die Anerkenntnis, der Verzicht und der Vergleichsschluss hinsichtlich streitiger Forderungen sowie die Abgabe von Streitigkeiten an die Schiedsgerichtsbarkeit. Der Gläubigerrat kann im übrigen Vergleichsvorschläge unterbreiten und die Abberufung des Insolvenzverwalters beantragen. Für den Fall, dass der Gläubigerrat nicht bestellt wurde, trifft das Insolvenzgericht die entsprechenden Entscheidungen. b. Gläubigerrechte Neben dem Recht zur Anwesenheit in den vorgesehenen Gerichtsterminen und bei Versammlungen der Gläubigerorgane steht den Gläubigern das Recht zur Beschwerde gegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts zu. Zu den allgemeinen Rechten der Gläubiger zählt auch das Recht zur Einsicht in die Gerichtsakte und die vom Verwalter zu erstellenden Verzeichnisse.
4 Neben diesen allgemeinen Rechten sieht das InSR, entsprechend der Systematik des deutschen Insolvenzrechts, Sonderrechte für besonders gesicherte Rechtspositionen vor. Das System der Aus- und Absonderungsrechte, wie es im deutschen Insolvenzrecht niedergelegt ist, wurde nicht ins InSR übernommen. An erster Stelle steht das Eigentum. Art. 70 sieht für den Eigentümer von Vermögensgegenständen, die nicht Eigentum des Schuldners sind, Aussonderungsrechte vor. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Eigentumsvorbehalt, anders als im deutschen Recht, ebenfalls zur Aussonderung führt, wenn der Verwalter den Kaufpreis nicht binnen eines Monats nach Zahlungsaufforderung entrichtet. Auch Sicherungsübereignungen führen zu Aussonderungsansprüchen. Voraussetzung ist nach Art. 101 allerdings Schriftform und amtliche Beglaubigung der Vereinbarung. Für die Sicherungszession und sonstige Rechtsübertragungen gilt das gleiche Formgebot. Auch die Ersatzaussonderung ist geregelt. Abweichend vom deutschen Zivilrecht ist ein Aussonderungsantrag vor dem Insolvenzgericht zu stellen. Art. 73, 74 InSR sehen hierzu ein detailliert geregeltes Verfahren vor. Pfandrechte und Hypotheken führen zu Absonderungsrechten. Abweichend vom deutschen Recht darf der Insolvenzverwalter auch mit Pfandrechten belastete Immobilien verwerten. Die Gläubiger sind dann aus dem Verwertungserlös zu befriedigen. Der im deutschen Recht vorgesehene Masseanteil ist im InSR nicht enthalten. Die Erlösverteilung ist in einem detaillierten Verfahren geregelt. Hervorzuheben gilt, dass die Verteilung der Zustimmung des Gerichts bedarf. Zu beachten ist weiterhin, dass Pfandrechte in Polen im Pfandregister aufgeführt sein müssen. Zusätzliche Rechte des Verwalters auch gegenüber den Pfandgläubigern ergeben sich beim Verkauf des schuldnerischen Unternehmens im Ganzen. Bei dieser Konstellation ist der anteilige Erlös des pfandrechtsbelasteten Gegenstandes gesondert zu ermitteln. Bei der Verteilung der Masse sieht das InSR keine Gleichbehandlung aller Gläubiger vor. Die Ausschüttung erfolgt in vier Rangkategorien. An erster Stelle sind die im einzelnen in Art. 342 aufgeführten Sozialforderungen, Verfahrenskosten und bestimmte Masseverbindlichkeiten zu berücksichtigen. In der zweiten Rangklasse folgen die Ansprüche des Fiskus sowie der Sozialversicherungsträger, in der dritten Klasse sind die normalen Insolvenzforderungen vorgesehen. An letzter Rangklasse stehen die Zinsen, Geldstrafen und Forderungen aus Schenkungen und Vermächtnissen.
5 3. Fazit Insgesamt bietet das polnische InSR die Möglichkeiten einer frühzeitigen und wirksamen Gläubigerbeteiligung. Hervorzuheben ist die Beteiligungsmöglichkeit bereits im Eröffnungsverfahren. Die Sonderrechte der Gläubiger sind hinreichend geschützt, insbesondere, wenn gewisse Besonderheiten schon bei Vertragsschlüssen beachtet wurden. Für die normalen Gläubiger wirkt sich allerdings die Privilegierung einzelner Gläubigergruppen bei der Ausschüttung nachteilig aus.
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