Nach Mustafa Kani mußte ein Anwärter für die Aufnahme in die osmanische Bogenschützengilde drei Voraussetzungen erfüllen:

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1 Wie trainiert man Bogenschießen? Eine vergleichende Betrachtung des osmanischen Trainings nach Mustafa Kani und des Trainings nach dem MOKUROKU ( Japanische Wörter werden hier meist in Romaji, einer an das Latein angelehnten Lautumschrift, geschrieben ) A: Die Grundlagen: Die Osmanen: Nach Mustafa Kani mußte ein Anwärter für die Aufnahme in die osmanische Bogenschützengilde drei Voraussetzungen erfüllen: 1. Er mußte mal den Kepaze gezogen haben. Der Kepaze war ein leichter Bogen, mit dem kein Pfeil verschossen wurde, sondern ohne Pfeil bis zum vollen Auszug, d.h. bis die Schulterblätter sich berührten, gezogen wurde. Sinn war es, rechts und links Kraft aufzubauen. 2. Er mußte 6000 mal auf den Sack geschossen haben. Der Sack war ein mit Baumwolle gefüllter Sack, der in einer in Augenhöhe aufgehängten Kiste steckte. Auf ca 1-2m Entfernung wurden die Pfeile in den Sack geschossen. Sinn war es, den Abschuss und die Funktion der rechten Hand dabei einzuüben. 3. Er mußte 3000 mal den Weitpfeil geschossen haben. Der Weitpfeil oder Luftpfeil war ein Pfeil der sich von vorn nach hinten verjüngte.seine Federn waren ringförmig um das Nockenende gewunden und es war deswegen schwer, damit eine große Weite zu erreichen. Nur wenn man die Kraft beim Abschuss bis zur letzten Konsequenz aufrechterhielt war damit eine größere Weite zu erreichen, erkennbar an einem lieblichen Klang der Sehne im Abschuss.

2 MOKUROKU: Kapitel 3 MOKUROKU handelt von : YUGAMAE NO KOTO YUGAMAE heißt wörtlich übersetzt, sich mit dem Bogen vorbereiten, d.h. mit dem Bogen üben. Lapidar heißt es da zu Anfang des Kapitels : SA LINKS ( üben ) U RECHTS ( üben ) CHU DAN Das MITTIGE ( üben ), gemeint ist damit der Abschuss aus der Mitte heraus Den Punkt des Abschießen nannten die Japaner YAGORO. In Kapitel 23 des MOKUROKU wird gesagt, dass das Abschießen und das YAGORO vor dem MAKIWARA, einer Strohrolle, die ca 2 m vor dem Schützen aufgebaut wird, geübt werden soll. Auch die Japaner kannten einen Weitpfeil ( sog. Zedernbaumpfeil ), der genauso aufgebaut war wie das osmanische Pendant. Da die Impedanz ( siehe DREI: der kraftvolle Pfeilflug ) eines solchen Pfeiles deutlich niedriger war, konnte auch der Anfänger mit schwächerem Bogen eine größere Weite erreichen.

3 B: Das Übungsziel: Die Osmanen: Die normale Zielentfernung zum Üben auf dem Meidan ( Übungsplatz ) betrug bei den Osmanen 200 gez ( d.h.schritt ) und entspricht ungefähr 180 m. Geschossen wurde auf die Puta, eine lederüberzogene Zielscheibe von etwa 80 cm Durchmesser mit einem Glöckchen daran ( man konnte auf diese Entfernung nicht sehen, ob der Pfeil getroffen hatte, man hört jedoch das Glöckchen ). Da man jedoch nicht immer auf diese Entfernung üben konnte, reduzierte man die Entfernung bis auf 30 Fuß ( ca 9 m) und die Zielgröße auf 4 cm ( das entsprach dem Durchmesser eines Maria Theresia Talers ). Auch die Araber ( in: Nabih Amin Faris, Robert Potter Elmer: Arab Archery, an arabic manuscript of about A.D. 1500, Kessinger Legacy Reprints, Princton University Press 1945) und die Chinesen sagten, daß etwa auf 9 m noch vernünftig das Treffen eines Zieles geübt werden kann, wenn man das Ziel proportional ( hier wären es 180/0,8 = 9/0,04 = 225 ) verkleinert. Die Osmanen strebten auf diese Entfernung eine Trefferquote von 9 auf 10 an. Das Verhältnis von Zielentfernung/Zielgröße = 225/1 scheint ein Grenzoptimum für die menschliche Fähigkeit des Treffens zu sein. Man findet es beim DART, beim TENNIS, oder Werfen beim FOOTBALL. MOKUROKU: In Kapitel 3 wird von einer Übungsstellung für das Ziel gesprochen bei der das Ziel 4 SUN = 12 cm groß ist. Nimmt man ein 36 cm großes Mato ( Zielscheibe ) auf 28 m, so muß man ein 12 cm großes Ziel auf die genannten 9 m stellen um das Verhältnis zu waren. Das MOKUROKU nennt das die 4 SUN Zielstellung. 9m 28 m

4 C: Das Treffen Die Osmanen: Die Osmanen nannten unter anderem 3 Voraussetzungen für das Treffen 1. Das Ziel fest im Blick haben 2. Das Kinn zur Schulter senken 3. Die Muskulatur beidseits der Wirbelsäule sollte in Spannung sein MOKUROKU: 3 Punkte werden genannt, die für das Treffen wichtig sind: 1. MIRU - Hinsehen! 2. UNAJI NO KAMI - Die Nackenhaare: beim traditionellen Haarkleid des Japaners waren die Haare im Nacken nach oben gezogen und spannten sich an, wenn man das Kinn zur Schulter senkte 3. HAKAMA GOSHI - Das Rückenbrettchen : Das Rückenbrettchen des traditionellen Beinkleides des Japaners, das im unteren Teil des Rückens anliegt und sich vor allem beim Anspannen der langen Rückenstreckermuskulatur und der dadurch hervorgerufenen Lordosierung ( Hohlkreuzbildung ) im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule bemerkbar macht. Zu 1. MIRU : Für alle Sportarten, bei denen das Treffen wichtig ist, ist es am wichtigsten, das Ziel zu fixieren. Die Evolution hat dem Menschen nicht nur den Werkzeuggebrauch und die Sprache gebracht, sondern auch das Werfen und Treffen. Dabei ist der koordinative neuromuskuläre Apparat daraufhin optimiert, dass der Mensch automatisiert das trifft, was er fixiert, unabhängig auch davon, ob er ein zusätzliches Werkzeug wie Tennisschläger, Atlatl oder den Bogen benutzt, solange er durch intensive Übung dieses Werkzeug als Teil seines neuromuskulären Wurfapparates integriert. Es bedarf dabei keines Zielvorganges mit Kimme und Korn, was auch bei den meisten Wurfvorgängen gar nicht möglich ist. Bei langer und intensiver Übung stellt sich das oben genannte Optimum ein, dh. 90% Trefferquote bei einer Zielgröße von 1/225 der Zielentfernung.

5 Exemplarisch kann man das Gesagte z.b. bei Phil Taylor, einem Meister im DART sehen: Als Rechtshänder mit einer Kreuzdominanz ( sein dominantes Auge ist das Linke ) schaut er mit beiden Augen rechts an der Wurfhand vorbei und fixiert mit beiden Augen das Ziel. Gleichzeitig geht sein Blick unter den Augenbrauen hervor, da er den Kopf ein wenig zum Ziel hin gesenkt hält. Zu 2. UNAJI NO KAMI : Das Senken des Kopfes, um mit einem Blick unter den Brauen heraus das Ziel zu fixieren hat einen funktionell anatomischen Grund: Blick von oben in die Augenhöhle Konvergenz der Augenachsen Die Bewegung des Augapfels, wie sie insbesondere für die Konvergenz ( Einstellung der Augenachsen zur Vermeidung von Doppelbildern auf ein Ziel hin ) nötig ist, wird vor allem von den seitlichen geraden Muskeln gesteuert. Sie drehen den Augapfel zur Seite oder Mitte, sind aber auch wegen Ihres Ansatzpunktes am Augapfel beim Blick nach oben beteiligt. Blickt man nun bei gesenktem Kopf unter den Augenbrauen heraus auf das Ziel, wird der Augapfel nach oben gerollt. Die geraden seitlichen Augenmuskeln werden insuffizient, dh. können die seitliche Bewegung nicht mehr im normalen Umfang ausführen. Man kann das selbst ausprobieren, wenn man sein seitliches Blickfeld bei gerade stehendem Kopf und bei gesenktem Kopf kontrolliert und dabei die Blickrichtung zum Ziel beibehält. Damit wird ein Abweichen des

6 Blickes vom Ziel behindert. Vor allem bei Anspannung kommt es nämlich gern zu einer Divergenz der Augenachsen und einem Blick in die Ferne, was unweigerlich zu Doppelbildern führt. Das wußte schon die Bogenschützen 300 v.chr. : Bild unten - Relief auf den Alexandersarkophag von Sidon Zu 3. HAKAMA GOSHI : Führt man das bei SIEBEN ( wirklich Ziehen ) beschriebene Ziehen bis zur letzten Konsequenz aus, kommt es zu einer Anspannung der gesamten Rückenmuskulatur, einem Opisthotonus, wie er beim genannten MORO-reflex beschrieben wird. Dabei drückt sich das HAKAMA GOSHI fest an die untere Rückenpartie über dem Kreuzbein. Der Schütze kann an diesem Druck erkennen, ob er die maximale Kraft beim Ziehen investiert hat. Damit ist maximale Stabilität des Rumpfes beim Abschuss gewährleistet.

7 D: Das Ausmaß des Übens Die Osmanen: Bei den Osmanen war es üblich jeden Übungsvorgang mal zu üben. Dann konnten man davon ausgehen, dass der Bewegungsvorgang eingeübt war. MOKUROKU: Auch die Japaner hatten einen Standard für den Umfang des Übens, der im 3. Kapitel beschrieben wird: HOKEBUSE NO KANE = der Standard der HOKEBUSE Die HOKEBUSE ( wörtlich: HOKO-FUSE = flach waagrecht gehaltene Lanze ) war eine lange Stoßlanze und die Standardwaffe der Fußsoldaten. Die Krieger mit der HOKEBUSE waren für ihre Unermüdlichkeit bekannt, denn sie übten jeden Stoß, jede Finte unzählige mal. Dieses Ausmaß des Übens konnte gar nicht hoch genug eingeschätzt werden und das MOKUROKU benutzt deswegen eine besondere sprachliche Kunstform, ein YOJIJUKUGO, um dem gerecht zu werden: YOJIJUKUGO ( sind Metaphern aus 4 Kanji, denen meist eine Geschichte zu Grunde liegt und die sprichwörtliche Bedeutung haben. Unser YOJIJUKUGO geht folgendermaßen: SHI(CHI) CHIN MAN PO = SIEBEN seltene Dinge ZEHNTAUSEND Kostbarkeiten Man benutzte dieses YOJIJUKUGO um etwas als unendlich kostbar zu bezeichnen. Gleichzeitig steckt darin die Zahl , wenn man die multiplikative Schreibweise chinesisch-japanischer Zahlschreibweisen anwendet. Die vollständige Zeile im MOKUROKU heißt : SHI(CHI) CHIN MAN PO NEN GAI NO KOTO NEN GAI heißt außerhalb des Wünschen und Denkens oder ohne darüber nachzudenken, d.h. einfach stur

8 Im Deutschen könnte man obige Zeile wie folgt übersetzen: es ist unendlich kostbar eine Sache mal einfach stur zu üben Für das japanische Bogenschießen heißt das für die Übungsinhalte: Pfeile für die Kraft rechts Pfeile für die Kraft links Pfeile für den Abschuss vor dem Makiwara Pfeile für das Treffen Nach Pfeilen kann man davon ausgehen, dass der Schütze die Grundlagen des Bogenschießens verinnerlicht hat. SHI(CHI) CHIN MAN PO NEN GAI NO KOTO