MEIN AUSTAUSCHJAHR IN
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- Stefanie Winkler
- vor 8 Jahren
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1 MEIN AUSTAUSCHJAHR IN von Charlotte Krippendorf - Baumann ESTLAND 3 RC Schmallenberg - Winterberg - Lennetal
2 Mein Austauschjahr durfte ich in Estland verbringen, genauer gesagt in Tallinn, der wunderschönen Hauptstadt. Estland selbst hat ca. 1,3 Mio. Einwohner, von denen in Tallinn leben. Schon in den ersten Tagen war ich beeindruckt von der guten Infrastruktur und der Altstadt, die das Stadtzentrum bildet. Ganz anders als erwartet lernet ich Tallinn als kleine aber moderne europäische Stadt kennen. Estland ist eine Republik, der derzeitige Präsident ist Toomas Hendrik Ilves. In Estland gibt es viele kleine Dörfer, viel Landleben und Wald. Zu den großen Städten gehören neben Tallinn Tartu, die Studentenstadt mit Einwohnern und Pärnu, Sommerhauptstadt mit Einwohnern. Die Landessprache ist Estnisch, aus dem finnisch-ungarischen Sprachstamm. Sie unterscheidet sich deutlich von den romanischen Sprachen, somit auch von Deutsch, allerdings kann man dank der jahrelangen deutschen Besetzung viele gleiche Wörter finden. Insgesamt gibt es 14 Fälle, allerdings mit vielen Ausnahmen. Ich kann nicht von mir behaupten, die Sprache perfekt zu beherrschen, aber ich verstehe nach 11 Monaten alles und kann mich gut verständigen. Estland ist ungefähr so groß wie Holland (also ca km2), der höchste Berg liegt im Süden und misst 318 m, die größte von tausenden von Inseln ist Saaremaa (mit 2671 km2 die zweitgrößte Ostseeinsel), ein wegen Flora und Fauna sehr beliebtes Urlaubsziel. Das Estnische Klima unterscheidet sich nicht viel von dem normalen Europäischen Klima, nur dass es ein viel längerer, kalter Winter ist, der Sommer kurz aber heiß. Mir ist in der Hinsicht vor allem aufgefallen, dass die Sonne viel kraftvoller und intensiver wirkt. Die Geschichte Estlands ist sehr lang, kompliziert und auch ein bisschen traurig: Es wurde immer wieder besetzt von Dänemark, Schweden, Deutschland und wurde erst 1991 nach der Besetzung durch Russland unabhängig, war nur für den kurzen Zeitraum von 1918 bis zum Hitler-Stalin Pakt ein freies Land. Dies wird auch in der Bedeutung der Farben der Flagge deutlich: Blau steht für das Meer, Schwarz für die traurige Vergangenheit und Weiß für die hoffentlich bessere Zukunft. Durch die schlechte Zeit haben die Esten (nach eigenen Angaben) vor allem eins gelernt: singen. So kommt es, dass auch heute Tanz und Gesang von bedeutender Wichtigkeit sind. Bei jedem Volksfest oder Nationalfeiertag werden alte Lieder gesungen und auch wenn man nur beim Lagerfeuer zusammen sitzt. So kam es auch zu der singenden Revolution von , die letztendlich zur Ausrufung der Republik Estland führte. Die Menschen in Estland sind sehr freundlich und gebildet (Kenntnisse von zum Beispiel Geschichte oder Englisch sind sehr wichtig), aber zurückhaltend. Man merkt ihnen die langen Jahre der Okkupation durch Russland durch eine leichte Melancholie an und durch den immensen Nationalstolz. Jeder Este ist stolz auf sein Land, dass hat mich sehr beeindruckt. Nach einiger Zeit, wenn man viel gere-
3 det hat, wird die ganze Atmosphäre offener und aufgeschlossener, aber trotzdem ist es durch die Distanz, die die Esten halten schwierig, Freundschaften zu schließen, man muss hart an den Beziehungen arbeiten. Ich hatte erwartet, eine größere Armut vorzufinden, aber das war eines der Vorurteile, dass schnell aus dem Weg geräumt war. Es gibt arme Familien, auf dem Land noch mehr als in der Stadt, aber nicht mehr als hier in Deutschland auch. Besonders begeistert war ich von dem Fortschritt in Sachen Technik und Nahverkehr. Die Busse sind zuverlässig, man kommt überall hin und es ist sehr günstig. Schon bevor ich nach Estland kam, hatte ich gelesen, dass Estland im technischen Bereich auf einem sehr hohen Level stünde und das habe ich auch sofort im Alltag gemerkt: Jeder hat Internet, während hier in Deutschland manche Leute keinen Computer haben, was in Estland ein Ding der Unmöglichkeit ist. Außerdem gibt es ekool ein System für die Schule im Internet, wo Schüler ihre Noten und auch Hausaufgaben übersichtlich einsehen können, online parking, bei dem man per sms einen Parkzettel zieht und meine Busfahrkarte war auf meiner ID-Card (eine Art estnischer Personalausweis) gespeichert. Sowas gehört zu den Dingen, die man als Tourist nicht mal kennen lernt, was ich schade finde, denn grade das zeigt, wie weit Estland sich schon entwickelt hat. Ich hatte zwei Familien, bei denen ich jeweils ein halbes Jahr gewohnt habe. Beide wohnten im gleichen Stadtteil von Tallinn, was ich sehr angenehm fand, da es eine ruhige und vor allem grüne Wohngegend ist. Ich hatte immer mein eigenes Zimmer und habe mich eigentlich mit beiden Familien ausgezeichnet verstanden. Meine erste Familie waren Andres & Piret Sauter. Sowohl Andres als auch Piret sind Manager einer Firma, Andres ist Mitglied meines Rotary-Gastclubs. Ich hatte dort zwei Brüder: Ralf (17) und Marten (7), wobei Ralf nach einem Monat als Austauschschüler nach Deutschland gegangen ist. (Bild ohne Ralf)
4 ESTLAND 3 Charlotte Krippendorf-Baumann Gastfamilie Nummer zwei waren Mati & Heli Raidma. Mati ist Abgeordneter im Parlament und Heli Sportlehrerin an der Schule meiner Schwester, aber im Moment ist sie im Mutterschaftsurlaub um auf Kristjan (1 ½ ), meinen kleinen Gastbruder aufzupassen. Außerdem hatte ich noch zwei Schwestern: Kristi (21), die allerdings in England studiert hat und deshalb nur zwei mal im Urlaub da war und Grete (17). Mit ihr habe ich mir besonders gut verstanden, in den fünf Monaten sind wir zu richtigen Geschwistern geworden! Wir waren zusammen im Volleyballteam, sind zu Partys oder ins Kino gegangen. Sie ist seit August 2010 mit Rotary für ein Jahr in Argentinien, aber wir haben noch Kontakt und telefonieren manchmal. Bei dieser Familie habe ich mich besonders wohl gefühlt, wir haben uns einfach sehr gut verstanden und am liebsten wäre ich nicht wieder zurück nach Deutschland gegangen. Sogar der Hund ist mir ans Herz gewachsen. Meine Schule gehört zu den drei besten Schulen Estlands. Sie wurde 1881 gegründet und ist spezialisiert auf Mathe, Physik und Chemie. Das grundsätzliche Schulsystem ist in Estland das gleiche wie in Deutschland, dennoch gibt es einige Unterschiede. Die Schule beginnt landesweit nach drei monatigen Sommerferien am 1. September. Eine Schuluniform gibt es nicht, nur Schulmützen die je nach Design die Zugehörigkeit zu den verschiedenen Schulen darstellen und auch, ob man in der Unterstufe oder Oberstufe ist. Zusätzlich gibt es in Klasse 11, die der Klasse 12 hier entspricht einen Ring mit Schulemblem. Es ist üblich, dass in der Schule gegessen wird, es gibt eine Kantine
5 in der die Schüler gestaffelt warme Mahlzeiten bekommen. Lehrer unterrichten nur ein Fach und mir ist aufgefallen, dass die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler wesentlich unpersönlicher und distanzierter ist als zum Beispiel in meiner Schule. Der Unterricht ist sehr theoretisch, ich würde sagen, fast wie Vorlesungen in der Universität, organisiert: Der Lehrer spricht, der Schüler hört zu und schreibt mit, Diskussionen finden so gut wie gar nicht statt, wenn die Schüler ihre Meinung äußern sollen, dann in Aufsatzform. Es wurden sehr viele Tests geschrieben, weshalb viele meiner Freunde nachmittags keine Zeit hatten, sondern lernen mussten, die Schule wurde sehr ernst genommen. Die Klassengemeinschaft war wirklich sehr gut, was dazu führte, dass ich mich mit jedem sehr gut verstanden habe und sehr integriert war. Besonders in der Anfangszeit haben wir viele Klassenparties gemacht, da in der 10. Klasse, der ersten Klasse der Oberstufe viele Neuzugänge kamen und man sich kennen lernen musste. Wir organisierten alles selber und ich konnte viele Freunde gewinnen beim Tanzen, Reden und in die Sauna gehen (fast ein Muss bei jeder Estnischen Party: eine Sauna). Zum Abschied an unsere gute Zeit haben meine Klassenkameraden mir ein Gruppenbild geschenkt, welches jetzt über meinem Schreibtisch hängt.
6 Natürlich hatte ich auch Freunde außerhalb meiner Schule: durch meine Schwester war ich auch in ihrer Schule sehr gut integriert. Mein bester Freund allerdings war ein Brasilianer, der auch für ein Jahr in Tallinn zur Schule gegangen ist. Wie oben schon erwähnt gehört Estland als Ganzes zu dem untersten Distrikt Finnlands (1420), der auch Helsinki mit einschließt. Insgesamt gibt es 14 Rotaryklubs in Estland, davon vier in Tallinn. Mein Club hat 39 Mitglieder, er besteht nur aus Männern. Es ist der in Tallinn älteste Club, nächstes Jahr (2010) bin ich zu der Jubiläumsfeier zum 80 jährigen Bestehen eingeladen. Ich hatte eine sehr gute Beziehung zu den Mitgliedern meines Clubs, vielleicht auch, weil ich jede Woche das Meeting besucht habe. Vor allem mein Counselor wurde sehr wichtig für mich, fast wie ein Vater. Wir haben sehr viel geredet und ich durfte zweimal meinen Urlaub mit ihm und seiner Familie in seinem Sommerhaus im Süd-Westen Estlands verbringen. Besonders interessant finde ich, dass es in Tartu einen Club gibt, in dem nur Frauen sind und der auch keine Männer akzeptiert. Vor mittlerweile zwei Wochen waren ein paar Freunde aus dem Rotaryklub hier in Deutschland, um mich, meine Familie aber auch meinen Rotaryklub kennen zu lernen. Wir haben unseren Gästen in 5 Tagen die Umgebung gezeigt und haben miteinander sehr viel Spaß gehabt. Nächstes Jahr ist ein Gegenbesuch geplant und für mich könnte natürlich nichts Besseres passieren, als dass es zu einer richtigen Partnerschaft zwischen den Clubs kommt, was zum jetzigen Zeitpunkt sehr wahrscheinlich scheint! Von Rotary-Finnland organisiert gibt es jedes Jahr für die neuen Austauschschüler in Finnland und Estland gemeinsam ein Einführungscamp, dass sechs Tage lang in Karkku, Finnland stattfindet. Dort konnten wir uns kennen lernen, erste Kontakte knüpfen und wir bekamen vier Stunden Sprachunterricht am Tag, was mir in Hinsicht auf meine Estnischkenntnisse wirklich sehr geholfen hat. Hier habe ich auch zum ersten Mal die anderen fünf Austauschschüler kennen gelernt, die wie ich nach Estland gegangen sind, allerdings keiner von ihnen nach Tallinn: Byrklei und Brittany aus Amerika, Luis und Gustavo aus Brasilien und Mariandrea aus Mexiko. Brittany ist leider vor Weihnachten wieder nach Hause geflogen, da sie unter Depressionen litt und vermutlich Heimweh hatte, die anderen allerdings wurden zu sehr guten Freunden, Mariandea bis heute meine beste. Wir bezeichneten uns selbst als kleine estnische Familie und auch, wenn in den größeren Touren die anderen aus Finnland dabei waren, verbrachten wir unsere Zeit meistens zusammen.
7 Für uns Esten wurden vier Reisen angeboten, die ich alle mitgemacht habe. Zuerst war im September die Estlandtour, an der nur der Distrikt 1420 teilnehmen konnte. Wir haben in fünf Tagen eine Rundfahrt durch Estland gemacht. Im November ging es dann nach Lappland. Acht Tage in der Dunkelheit, bei durchschnittlich -19 C. ES war sehr interessant die Lebensweise der Menschen dort zu erleben, aber die ständige Dunkelheit (die Sonne geht gegen Mittag auf und schon um ca. halb vier wieder unter) wäre nichts für mich. Das Tagesprogramm war sehr ansprechend: Wir haben eine Husky- Schlittentour gemacht, sind mit Rentierschlitten gefahren und mit Schneeschuhen gelaufen. Außerdem konnten wir natürlich Ski fahren und Eisskulpturen schnitzen. Am Ende der Reise sind wir in die Stadt des Weihnachtsmanns gefahren, wo wir den echten Santa Clause kennen lernen durften. Im Mai 2009 sind wir für fünf Tage in St. Petersburg, Russland gewesen. Das hat mir sehr gut gefallen, da ich vorher nicht so viel von Russland wusste und deshalb auch nicht viele Vorstellungen hatte. Die Stadt St. Petersburg konnte mich mit Schönheit und auch Sauberkeit überzeugen, auch wenn die Infrastruktur außerhalb nicht besonders angenehm war. Am besten gefallen hat mir die Europatour, bei der wir in 19 Tagen durch 9 Länder gereist sind. Mit 74 Austauschschülern in zwei Bussen sind wir in Finnland gestartet um über Schweden, Dänemark, Deutschland, Holland, Belgien, Frankreich und Monaco bis nach Italien in den Süden zu fahren. Auf dem Rückweg haben wir noch in Innsbruck, Österreich gehalten. Diese Zeit war ein einmaliges Erlebnis, dass ich auf keinen Fall missen möchte, selbst wenn ich, als Europäerin, schon viele der Städte und Länder kannte. (Auf diesem Bild mit unserer Estnischlehrerin -> zweite von links) Dank dieser Touren war natürlich der Kontakt und die Freundschaften zu den anderen Austauschschülern sehr eng und es stehen gegenseitige Besuche schon im Terminkalender.
8 ESTLAND 3 Charlotte Krippendorf-Baumann Zweimal bin ich (wie oben schon geschrieben) mit meinem Counselor in sein Sommerhaus gefahren. Wir haben dort meine Osterferien verbracht, mit seiner Frau, seiner Mutter und Schwiegermutter. Es hat viel Spaß gemacht, im Garten zu helfen und nach der anstrengenden Arbeit in der Sauna zu entspannen. Ich möchte Rotary und besonders dem Distrikt 1900 sehr dafür danken, dass sie mir diese Chance für mein Leben gegeben haben. Ich habe in den 11 Monaten der Freude und auch des Kämpfens um Integration und gegen das Heimweh viel über mich selber gelernt, wie ich Situationen einschätzen und darauf reagieren kann. Natürlich habe ich viele neue Freundschaften fürs Leben gewonnen. Vor allem aber eins: Selbstbewusstsein und die Sicherheit, dass ich es alleine schaffen kann. Danke!
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