3.7 Ungarn. Das Schulsystem Ungarns
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- Gottlob Küchler
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1 3.7 Ungarn Das Schulsystem Ungarns Seit 1998 gibt es Ungarn eine 12-jährige Schulpflicht. Die grundlegende Bildungseinrichtung ist die Allgemeine Schule, die 8 Schuljahre umfasst und in die Unterstufe (Klasse 1-4) und Oberstufe (Klasse 5-8) eingeteilt wird. Das wichtigste Charakteristikum der Unterstufe ist es, dass nur ein Klassenlehrer den gesamten Unterricht in einer Klasse erteilt. Er wird gegebenenfalls in sogenannten Fertigkeitsfächern wie Musik, Turnen oder Zeichnen von Speziallehrern unterstützt. Im Anschluss an die Sekundarstufe I (Klasse 8) schließt sich der 4-jährige Besuch einer Berufsmittelschule, Berufsschule, Fachschule oder eines Gymnasiums an. Das wesentlichste Merkmal der Leitung des ungarischen staatlichen Bildungssystems ist die Dezentralisierung. In dem sogenannten Selbstverwaltungssystem liegt die Leitung des Unterrichts an den Grund- und Oberschulen in der Hand der örtlichen Bildungseinrichtungen. Diese genießen eine eigene Entscheidungsbefugnis sowohl auf dem Gebiet der Organisation und Betreibung, als auch bei der Verwaltung des Budgets. Der Schulleiter wird vom kommunalen Parlament gewählt und erhält die uneingeschränkte Leitung der Schule und somit auch die der Aufstellung des Lehrplans. So ist jede Schule zwar pädagogisch und finanziell unabhängig, allerdings kann dadurch das Bildungsministerium nicht direkt in die Arbeit der Schulen eingreifen und ist auf extern durchzuführende Qualitätskontrollen angewiesen. Außerdem müssen die Lehrer in der Lage sein, selbst einen lokalen Lehrplan zu erstellen, an dem gewisse Anforderungen gemessen und erfüllt werden müssen. Die Grundlage dafür bilden der nationale Grundlehrplan NAT (Nemzeti Alaptanterv) und die Anforderungen der Grundoder Basisprüfung bzw. Abiturprüfung, die zum Erwerb der Hochschulreife führen und im ganzen Land zentral und einheitlich festgelegt sind. Der NAT ist im traditionellen Sinne kein aufgeschlüsselter nutzbarer "Lehrplan", sondern Basis zur Erarbeitung örtlicher Lehrpläne, Unterrichtsprogramme und Lehrbücher. Seit 2005 besteht in einigen Fächern auch die Möglichkeit des Ablegens einer "Leistungsmatura", die gleichzeitig als Aufnahmeprüfung für eine Universität gilt.
2 [Grafik 5]: Das Schulsystem Ungarns Informatikunterricht in Ungarn Im nationalen Grundlehrplan wird eine Grundvorbereitung auf die Informationsgesellschaft vorgeschrieben. Das Fach IKT ist dabei als Pflichtfach in den Klassen 9 und 10 zu belegen und kann weitergehend auf freiwilliger Basis angeboten werden. Dies liegt wie oben schon erwähnt allerdings in Verantwortung des jeweiligen Schulleiters. Das Ungarische Bildungsministerium unterstützt in jedem Fall schon länger Informatik als ein eigenständiges Unterrichtsfach. Im Regierungsprogramm 2006 bis 2010 steht die Fortführung des begonnenen Reformprozesses im Bildungssystem im Mittelpunkt. Ein darin aufgeführtes Ziel ist die Fortsetzung der Anwendung der Informations- und Kommunikationstechnologie in den Schulen, sowie die Erweiterung der Rolle der Digitalen Sulinet Wissensbasis, welche das Integrieren von digitalen Inhalten in den Unterricht von teilnehmenden Schulen ermöglicht. Es wird weiterhin darauf Wert gelegt, dass mit Hilfe von multimedialen Werkzeugen weiterführende Möglichkeiten zum individuellen Lernen geschaffen werden. Besonderer Wert wird das Erlernen von Programmiertechniken und das Verständnis von verschiedenen Algorithmen gelegt. Die Struktur von Algorithmen taucht überall im täglichen Leben auf, beim Ausfüllen von Datenstrukturen, wie Fragebögen, bei Informationsflüssen oder bestimmten Handlungsabläufen. Viele solcher Aufgabenstellungen können von Computern gelöst werden. Der erste Schritt für die Schüler ist es, dieses zu S eite
3 erkennen und dann die Aufgaben mit der Unterstützung des Computers zu lösen. Es ist also nicht nur die Aufgabe der Lehrkräfte, Programmiersprachen zu unterrichten, sondern die Algorithmen, die dahinter stecken, begreiflich und nachvollziehbar zu machen, um dann mit der Hilfe von Programmiersprachen eigene Lösungen entwickeln zu können. Das größte Problem in Ungarn ist allerdings die Finanzierung neuer Computertechnologie in allen Schulen. Je nach Ausstattung der jeweiligen Bildungseinrichtung ist auch der Umfang der Informatikausbildung regional sehr verschieden. Es wird nach Möglichkeit schon in der Grundschule ab der 6. Klasse Informatik mit 1 Wochenstunde angeboten. Zunächst werden Grundlagen der Computernutzung und der Datenspeicherung und - verarbeitung vermittelt. Anschließend werden einfache Algorithmen mit LOGO realisiert sowie Texte und Grafiken erstellt und bearbeitet. In der 7. Klasse werden Kenntnisse im Dateimanagement, Algorithmen mit sequentiellen Anweisungen, der Kommunikation im Web und des Internets vermittelt. Am Ende der Grundschule können dann einfache HTML Seiten erstellt werden Tabellen erstellt und bearbeitet werden. Da der Umfang der Bildungsangebote an den Grundschulen oft sehr unterschiedlich ist, muss der Bildungsstand der Schüler meist am Anfang der Oberschule angepasst werden. In Berufsmittelschulen und Fachschulen wird Informatik in der 9. Und 10. Klasse mit je einer Wochenstunde angeboten. Inhalte sind der Aufbau des Von Neumann Rechners, Dateiverwaltung, Webkommunikation, Grafik- und Textbearbeitung sowie Tabellenkalkulation. In der Fachschule wird zusätzlich noch Wert auf das Verfolgen und die Anwendung von Neuerungen in der Informatik gelegt und es werden Grundkenntnisse von Betriebssystemen und Datenbanksystemen vermittelt. Im Gegensatz zu Berufs- und Fachschulen dauert der Informatikunterricht am Gymnasium nur 1 Jahr, beinhaltet aber 2 Wochenstunden. Die Bildungsinhalte decken sich im Allgemeinen mit denen der Berufs- und Fachschulen, sind aber zum Teil detaillierter. So werden zusätzlich Datentypen, Grundalgorithmen und Sortieralgorithmen und Grundkenntnisse im Umgang mit relationalen Datenbanken gelehrt. In den Klassenstufen 11 und 12 kann überdies Informatik als Nebenfach belegt werden. Ziel ist am Ende die erfolgreiche Absolvierung des Europäischen Computerführerscheins. [19] Ungarn im internationalen Vergleich Durch die Einführung des nationalen Grundlehrplans soll nach einem Vergleich zwischen Ungarn und anderen ausländischen Staaten der Anschluss des Landes an das westeuropäische Niveau gesichert werden. Dabei bildet Informatik einen relativ geringen Prozentsatz als Lernbereich des S eite
4 Grundlehrplans. In den Klassen 5 und 6 sollen dafür 2-4 %, in den Klassen 7 bis % der Wochenstunden aufgewendet werden. [Tab 4]: Prozentualer Anteil der Lernbereiche am Gesamtstundenumfang Rund die Hälfte der Schüler in Ungarn geben an, dass sie zu Hause einen Computer besitzen, aber nur ein Fünftel hat einen Internetzugang. Offensichtlich spielt der Computer in der Schule eine wesentlich größere Rolle als zu Hause. Denn die schulische Nutzung beträgt bei den befragten Schülern wöchentlich über 80 %, zudem ist die Internetanbindung in der Schule vielmals besser. Es gibt im Land eine vom Bildungsministerium geregelte Mindestanzahl von Informatikräumen pro Schule. Auch die Anzahl der Computer pro Klasse, welche den Informatik Fachraum gerade benutzt, ist festgelegt: es muss mindestens ein Computer für 2 Schüler zur Verfügung stehen. In der Realität wird dies, mit dem vergleichsweise geringen zur Verfügung stehenden Budget, erstaunlich gut umgesetzt: laut PISA Studie 2003 teilen sich durchschnittlich 4 Schüler einen Computer, 2000 waren es noch 12. An nahezu allen Schulen (96 %) Ungarns wird Informatik als eigenständiges Fach gelehrt. Dies wurde durch die Einführung des NAT 1996 realisiert. Auch in anderen Fächern werden Computer und Internet mit in den Unterricht eingebunden. Die Computernutzung geschieht aber in den meisten Fällen in Computerkabinetten, für den Unterricht im Klassenraum selber wird der Computer eher selten eingesetzt (19 %). Auch speziell in Grundschulen wird der PC wesentlich weniger genutzt als in Oberschulen. Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass Informatik im ungarischen Bildungssystem mit der Zeit einen immer höheren Stellenwert erhalten hat. Die Regierung und die S eite
5 örtlichen Bildungsanstalten sind sich der Bedeutung der Informationstechnologien in der Bildung und auch im späteren beruflichen Alltag bewusst und haben trotz andauernder Reformprozesse und Neuerungen in ihrem Bildungssystem das Fach Informatik fest in den Lehrplan integrieren können, sowie mit dem Angebot des Nebenfachs Informatik an allen Gymnasien eine Basis für das Informatik Studium an einer der etablierten Hochschulen (beispielsweise der Technischen Hochschule Budapest) geschaffen S eite
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