Vom Fragment-Screening zu Leads für neue Alzheimer-Medikamente
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- Claus Bieber
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1 Diss. ETH Nr Vom Fragment-Screening zu Leads für neue Alzheimer-Medikamente A B H A N D L U N G zur Erlangung des Titels DOKTOR DER WISSENSCHAFTEN der ETH Zürich vorgelegt von Tobias Michael Bruno Kissling MSc in Chemistry, Universität Bern geboren am 12. September 1979 von Wolfwil (SO) angenommen auf Antrag von Prof. Dr. François Diederich, Referent Prof. Dr. Bernhard Jaun, Korreferent Zürich 2011
2 Zusammenfassung iii Zusammenfassung Die Alzheimersche Krankheit ist eine schwere neurodegenerative Erkrankung und die häufigste Ursache für Demenz bei älteren Menschen. Bis heute gibt es kein Heilmittel gegen Alzheimer. Existierende Therapiemethoden weisen, wenn überhaupt, nur einen geringen therapeutischen Nutzen auf. Es besteht also ein grosses Bedürfnis für neue Alzheimer- Medikamente. Gemäss der Amyloid-Kaskaden-Hypothese für die Entstehung der Alzheimerschen Krankheit ist die Anhäufung von Amyloid- -peptid (A ) im Gehirn eine treibende Kraft bei der Pathogenese von Alzheimer. A entsteht beim proteolytischen Abbau von APP (amyloid precursor protein) durch -Sekretase (BACE1) und -Sekretase. Als Schlüssel-Enzym, das beim Abbau von APP die Entstehung von A einleitet, stellt BACE1 ein attraktives Ziel für die Entwicklung von neuen Wirkstoffen dar. BACE1 ist eine monomere Aspartylprotease. Die aktive Tasche liegt in der Furche zwischen dem N-terminalen und dem C-terminalen Lobus und wird bedeckt durch einen flexiblen Flap (Abb. 1). Abb. 1: Darstellung von BACE1. N-terminaler Lobus in blau, C-terminaler Lobus in rot, Ligand 8 und Flap in grün (PDB Code: 3BUH). Ein fragment screening, das von der Firma Hoffmann-La Roche durchgeführt wurde, zeigte, dass Tyramin 9 mit hoher Liganden-Effizienz in die aktive Tasche von BACE1 bindet (LE = 0.37, K D = 2000 M). Durch Oberflächenplasmonenresonanz-Messungen (Biacore)
3 iv Zusammenfassung konnten weitere Tyramin-Derivate wie beispielsweise 8, sowie ein Indolamin-Derivat (10) gefunden werden, die höhere Affinitäten zu BACE1 aufweisen. Röntgenkristallstrukturen von BACE1 im Komplex mit verschiedenen Tyramin-Fragmenten zeigten, dass das primäre Amin des Tyramins Wasserstoffbrücken zur katalytischen Dyade ausbildet und, dass Reste in ortho-position von der Phenolgruppe die S3-Tasche besetzen. Zusätzlich wurde in der S3- sub-tasche ein Thiophen-Derivat (7) gefunden (Abb. 2). Abb. 2: Wichtige Fragmente aus dem Needle Screening für den Entwurf von neuen potentiellen -Sekretase- Inhibitoren. Die Röntgenkristallstruktur mit der Tyramin-Nadel 8 diente als Ausgangspunkt für unsere Modellierungsstudien mit MOLOC. Als Grundstruktur für den Entwurf von neuen potentiellen -Sekretase-Inhibitoren verwendeten wir zunächst die Indolamin-Nadel 10, wobei wir die Annahme trafen, dass das Indolamin-Fragment einen analogen Bindungsmodus zu den Tyramin-Derivaten aufweist. Derivate mit verschiedenen Resten in 3-Position des Indols, welche einen Gewinn von Affinität in der S3-Tasche bringen sollten, sowie Derivate mit neuen Bindungsmotiven für die katalytische Dyade wurden von uns entworfen und synthetisiert, anschliessend wurden ihre Bindungseigenschaften in einem Biacore-Assay durch Roche untersucht (Abb. 3). In einer ersten Serie zeigte sich, dass das primäre Amin von 10 durch ein Azetidin ersetzt werden kann, ohne dass sich die Affinität bedeutend verändert (26). Zusätzlich wurde ein Vektor für die S3-Tasche eingeführt, dieser brachte aber nicht die erhoffte Verbesserung der Affinität. Mit den Derivaten 57 und 58 wurden weitere Substituenten für die S3-Tasche getestet, welche sich sehr eng an den Tyramin-Derivaten aus den Röntgenkristallstrukturen orientierten. Auch hier konnte jedoch keine Verbesserung der Affinität in Analogie zu den Tyraminen erzielt werden, was nahe legt, dass die Indolamine einen anderen Bindungsmodus, als die Tyramine aufweisen.
4 Zusammenfassung v Abb. 3: Biacore-K D -Werte für verschiedene Indolamin-Derivate. Im Rahmen der Synthese des entworfenen Indolamin-Zielmoleküls 38 wurde bei der Reduktion der Vorstufe 60 mit LiAlH 4 als Hauptprodukt überraschenderweise das Aziridin 61 gefunden (Abb. 4). Bei der Herstellung eines Analogons von 38 durch Alkylierung mit 2-Phenoxyethylbromid wurde hingegen kein Zyklisierungsprodukt gefunden. Es wäre spannend, zu untersuchen, wie weit sich diese Methode, welche im Rahmen dieser Arbeit auch zur Synthese von weiteren Aziridinen eingesetzt wurde, allgemein zur Synthese von Aziridinen optimieren und anwenden lässt. Verbindung 61 erwies sich als interessanteste Verbindung dieser Serie und gab den Anstoss zur Synthese des Azetidinols 89 und des Pyrrolidins 86, welche ebenfalls interessante Bindungseigenschaften aufweisen. Bei diesen zyklischen Aminen handelt es sich um interessante potentielle Bindungsmotive für Aspartylproteasen oder andere Enzyme. Abb. 4: a) LiAlH 4, THF, Rückfluss, 1.5 h.
5 vi Zusammenfassung Da, wie oben beschrieben, gewisse Zweifel am Bindungsmodus der Indolamine bestehen, wurden für weitere Zielmoleküle Tyramin 9 als Grundstruktur verwendet. Ein interessantes Teilprojekt war der Versuch, ein Tyramin-Fragment in der S1/S3-Tasche mit einem Thiophen-Fragment in der S3-sub-Tasche zu Verknüpfen. Dazu wurde auf Grundlage der Fragmente 7 und 8 das Zielmolekül (±)-146b entworfen (Abb. 5). Abb. 5: Biacore-K D -Werte für Zielmolekül 146b und diverse Derivate. Biacore-Messungen von Roche zeigten, dass das Zielmolekül (±)-146b nur wenig besser bindet, als das Diastereomer (±)-146a. Aufgrund von Modellierungsstudien legt dies nahe, dass nicht der modellierte Bindungsmodus vorliegt. Neben dem Zielmolekül (±)-146b, wurden auch noch Biacore-Messungen mit 147 und 139 durchgeführt. Beide Fragmente weisen gute Bindungseigenschaften für ihre Grösse auf. Bei einer idealen Verknüpfung könnte man für (±)-146b einen wesentlich tieferen K D -Wert als 12 M erwarten. Dies ist ein weiterer Hinweis dafür, dass (±)-146b einen anderen Bindungsmodus aufweist. Das Fragment 147 ist hingegen ein interessanter Ansatzpunkt für den Entwurf weiterer potentieller BACE1-Inhibitoren und auch eine kristallographische Untersuchung des Bindungsmodus von 139 könnte interessante neue Erkenntnisse bringen. Es gelang der Firma Hoffmann-La Roche sogar, von 147 eine Röntgenkristallstruktur in der aktiven Tasche von -Sekretase zu lösen, welche zeigt, dass der Bindungsmodus von 8 und 147 sehr ähnlich ist (Abb. 6).
6 Zusammenfassung vii Abb. 6: Überlagerung von 147 (grün) mit 8 (cyan) und Darstellung von 147 in der aktiven Tasche von -Sekretase. In einem weiteren Teilprojekt wurden, inspiriert durch die zyklischen Amine aus Abb. 3, verschiedene zyklische Amine ausgehend von 8 und 9 synthetisiert und von Roche auf ihre Bindungseigenschaften untersucht (Abb. 7). Abb. 7: Biacore- K D -Werte für verschiedene Tyramin-Derivate mit zyklischen Aminen. Während bei (±)-165 keine deutliche Veränderung des K D -Wertes im Vergleich zu 8 zu beobachten ist, weisen die anderen drei Verbindungen (160, (±)-164 und 168) sehr vielversprechende K D -Werte auf, welche eine nähergehende Untersuchung dieser Bindungsmotive interessant machen. Wie auch für andere Messserien, muss man hier jedoch noch darauf hinweisen, dass es teilweise deutliche Abweichungen bei den geschätzten K D - Werten aus verschiedenen Biacore-Messungen von Roche gab und, dass die Resultate deshalb mit einer gewissen Vorsicht zu betrachten sind. Dennoch wäre es auch hier wiederum äusserst spannend, die Bindungsmodi dieser Substanzen kristallographisch zu identifizieren. Die vorgestellten Bindungsmotive könnten sich auch für andere Aspartylproteasen oder für weitere Zwecke als vielversprechend erweisen.
7 viii Abstract Abstract Alzheimer s disease (AD) is a severe neurodegenerative disorder and the most common cause of dementia in elderly people. To this day, there is no cure for AD. Existing treatments offer if at all only small therapeutic benefits, therefore, there is an urgent need for new medicines. According to the amyloid hypothesis of AD, accumulation of amyloid -peptide (A ) is the primary influence driving AD pathogenesis. A is formed by the sequential processing of the amyloid precursor protein (APP) by -secretase (BACE1) and -secretase. Being the key enzyme that initiates the formation of A, BACE1 represents an attractive drug target. BACE1 is a monomeric aspartic protease. The active site is located in the cleft between the N-terminal and the C-terminal lobe and is covered by a flexible flap (Fig. 1). Fig. 1: Ribbon representation of BACE1. N-terminal lobe shown in blue, C-terminal lobe in red, flap and ligand 8 in green (PDB Code: 3BUH). A fragment screening, performed by F. Hoffmann-La Roche, revealed that tyramine 9 binds to the active site of BACE1 with a high ligand efficiency (LE = 0.37, K D = 2000 M). Further tyramine derivatives (e.g. 8) as well as an indolamine derivative (10) with improved binding affinities have been discovered by Roche, using surface plasmon resonance measurements (Biacore). X-ray crystal structures of BACE1 complexed with several of these compounds showed that the amine moiety of the tyramine fragments forms hydrogen bonds to the catalytic dyad and the residues located in ortho-position of the phenol moiety occupy the
8 Abstract ix S3 pocket. Additionally, a thiophene fragment (7) has been found in the S3 sub-pocket (Fig. 2). Fig. 2: Basic information for the design and synthesis of novel -secretase inhibitors. The X-ray crystal structure with tyramine needle 8 served as starting point for our modeling studies using MOLOC. Initially we used indolamine needle 10 as basic structure for the design of novel -secretase inhibitors, assuming the indolamine fragment having a binding mode analogous to the tyramine derivatives. Compounds with different residues in 3-position of the indole moiety intended to gain affinity in the S3 pocket as well as derivatives with novel binding motifs for the catalytic dyad have been designed and synthesized. The binding properties of these compounds have subsequently been studied in a Biacore assay by Roche (Fig. 3). Fig. 3: Biacore K D values for various indolamine derivatives. In a first series of compounds, it has been shown that the primary amine of 10 can be replaced by an azetidine moiety without considerably changing the affinity (26). Additionally, a vector for the S3 pocket has been introduced, however not bringing the anticipated increase of
9 x Abstract affinity. Compounds 57 and 58 served to investigate further residues for the S3 pocket in closer analogy to the tyramine fragments of the X-ray crystal structures. These vectors did not bring the gain in affinity hoped for in analogy to the tyramines either which suggests that the binding mode of the indolamines may be different from the one of the tyramines. In the course of the synthesis of the designed target molecule 38, during reduction of the precursor compound 60 using LiAlH 4, surprisingly aziridine 61 was observed as the main product (Fig. 4). However, synthesizing an analogue of 38 via alkylation of the precursor with 2-phenoxy ethyl bromide, no cyclization product was found. It would be interesting, to investigate, how far this method, which has been used for the synthesis of further aziridines in the course of this project, can be optimized and applied generally for the synthesis of aziridines. Compound 61 turned out to be the most promising of this series and gave impetus to the synthesis of azetidinol 89 and pyrrolidine 86 which also show interesting binding properties. These cyclic amines present interesting potential binding motifs for aspartic proteases and other enzymes. Fig. 4: a) LiAlH 4, THF, Reflux, 1.5 h. Since, as described above, there is some doubt about the binding mode of the indolamines, tyramine 9 was used as basic scaffold for further target molecules. An interesting subproject was the attempt to link a tyramine fragment in the S1/S3 pocket with a thiophene fragment in the S3 sub-pocket. For this purpose, target molecule (±)-146b has been designed on the basis of fragments 7 and 8 (Fig. 5).
10 Abstract xi Fig. 5: Biacore K D values for (±)-146b and various derivatives. Biacore measurements by Roche revealed that target molecule (±)-146b shows only somewhat stronger binding to -Secretase than diastereomer (±)-146a. This indicates that the binding mode of these compounds may not be in accordance with the proposed binding mode based on modeling studies. Alongside target molecule (±)-146b, compounds 147 and 139 have been tested in the Biacore assay as well. Both fragments show good binding properties for their size. In case of an ideal fragment linking, a substantially lower K D value than 12 M could be expected for (±)-146b. This is another evidence for a different binding mode of (±)-146b compared to the one proposed based on modeling. In contrast, fragment 147 is an interesting starting point for the design of prospective BACE1 inhibitors. Hoffmann- La Roche successfully solved an X-ray crystal structure of fragment 147 in the active site of -secretase which proves that the binding mode of 147 is very similar to the binding mode of 8 (Fig. 6). A crystallographic exploration of the binding mode of 139 could disclose further valuable insights. Fig. 6: Overlay of 8 (cyan) and 147 (green) as well as illustration of 147 in the active site of -secretase.
11 xii Abstract In a further subproject, inspired by the cyclic amines depicted in Fig. 3, several cyclic derivatives of 8 and 9 have been synthesized and their binding properties have been analyzed by Roche (Fig. 7). Fig. 7: Biacore K D values for various tyramine derivatives with cyclic amine moieties for the catalytic dyad. Whereas no significant improvement of the K D value of (±)-165 compared to the K D value of the primary amine analogue 8 is observable, the other three compounds 160, (±)-164, and 168 show very promising K D values which encourage a closer exploration of these binding motifs. However, it has to be pointed out that in this series of Biacore measurements as well as in other series in some cases significantly different K D values for the same compound have been obtained by Roche in different single measurements, wherefore the results have to be estimated with caution. Nevertheless, also for these molecules, it would be very interesting to identify the binding modes by crystallography. The presented binding motifs could prove to be valuable for different aspartic proteases as well as for other purposes.
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