Kinder kamen 2008 in

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1 gesellschaft Kinder kamen 2008 in Deutschland zur Welt. Ein Jahr zuvor waren es noch 2348 Babys mehr Ein Junge! Nach dem Kaiserschnitt zeigt Dr. Katrin Scheuer den Eltern ihr Kind: Vincent Alexander 48 WISSEN

2 Es ist schon Milliarden Mal passiert und doch ist jede Geburt wie ein Wunder. HÖRZU WISSEN besuchte eine Babystation in Hamburg-Altona Willkommen im Leben Hebamme Ilis nostionse Gesine Grabichler tin vel utp ate (32) dolorer mit Vincent aci blametumsan Alexander he Ilis hebamme Maria Hager (25) mit Hannah Gynäkologe Dr. Thorsten Mohr (37) mit Carla gynäkologin Dr. Katrin Scheuer (45) mit Aron Kjell Mit einem Schrei ist das Glück da. Pfirsichweiche Haut, zarter Flaum, zehn Finger, zwei Arme, zwei Beine, ein neues Leben auf unserer Erde: Vincent Alexander ist geboren und blinzelt um 9.30 Uhr dem Licht entgegen. Ein Bündel von 3740 Gramm, dem die Zukunft gehört. Kaum ein Ereignis ist so bewegend und alltäglich zugleich wie eine Geburt. Die Faszination hält sich seit Beginn der Menschheit, der medizinische Fortschritt hat sich im neuen Jahrtausend rasant entwickelt. Wie geht es auf einer Babystation zu? Spürt man das Glück? Wann wird es hektisch? Ein Besuch in der Asklepios Klinik Altona. Operationssaal 1. Die Minuten, in denen Vincent Alexander auf die Welt kam: Das Kind muss per Kaiserschnitt geholt werden. Diagnose Steißlage. Die Mutter Frauke Gentzsch hat keine Wehen, der Termin ist WISSEN 49

3 Vor der OP: Frauke Gentzsch hört die Herztöne ihres Sohnes Kurze Pause nach zwei Geburten: Dr. Scheuer im Frühstücksraum Gut und sicher in ein neues Leben seit Tagen fix. Am Operationstisch läuft alles erstaunlich schnell und ästhetisch ab. Zügig schneidet die Gynäkologin Dr. Katrin Scheuer mit dem Skalpell die betäubte Bauchdecke zwölf Zentimeter auf. Dann arbeitet sie sich mit den Fingern ins tiefrote Innere vor. Keine zwei Minuten später greift sie dem Baby unter den Bauch, zieht es aus seiner wohlig warmen Höhle an die Luft. Zur Begrüßung streckt Vincent Alexander ihr den Po entgegen. Die Ärzte und Hebammen lächeln gerührt hinter ihrem Mundschutz. Das verraten ihre glänzenden Augen. Eine Geburt ist auch für uns jedes Mal ein emotionaler, intimer Moment, sagt die Hebamme Gesine Grabichler. Sie arbeitet in einem Team mit 19 Ärzten und 40 Hebammen, das täglich etwa sieben Babys auf die Welt holt. Damit ist Altona die fünftgrößte Entbindungsstation Deutschlands. Die Geburt von Vincent Alexander war ein sanfter Kaiserschnitt, erklärt Dr. Scheuer. Wir schneiden wenig, um Gewebe zu schonen, und dehnen dafür stärker. Das mindert Schmerzen, und die Mütter sind nach dem ersten Tag schon wieder auf den Beinen. Heute kommt jedes dritte Kind so zur Welt. Die Zahl der Kaiserschnitte hat sich in den letzten 15 Jahren in Deutschland verdoppelt. Entscheiden sich immer mehr Frauen bewusst für die Geburt per Operation? In Zeitschriften liest man von Heidi Klum, Birgit Schrowange oder Verona Pooth. Ist das ein Lifestyle-Trend? Die Zahlen sprechen dagegen: Nur zwei Prozent der Kaiserschnitte sind ein ausdrücklicher Wunsch der Schwangeren, ergab die Umfrage einer Krankenkasse. WohlfühlLicht und Palmen im Kreisssaal In den meisten Fällen hat es medizinische Gründe, sagt Prof. Volker Ragosch, Leiter der Gynäkologie und Geburtshilfe an der Asklepios Klinik Hamburg-Altona. Zum einen sind Kinder heute größer und schwerer, was an der gesunden Ernährung der Mütter liegt. Zurzeit sind fünf Babys auf der Station, die alle ein Geburtsgewicht von über 4400 Gramm hatten. Durchschnitt sind 3900 Gramm. Während Ragosch erzählt, huscht Hebamme Gesine an ihm vorbei, lächelt flüchtig. Sie hat zu tun: In Kreißsaal 4 liegt eine Frau in den Presswehen. Saugglocke, flüstert sie ihrem Chef zu. Das übernimmt Dr. Mohr, antwortet er kurz und ist sofort wieder beim Thema Kaiserschnitt. Eine weitere Erklärung für die gestiegene Zahl sei, dass das Alter der Erstgebärenden seit 1991 um drei Jahre auf durchschnittlich 29,8 gestiegen ist. Reifere Frauen sind ängstlicher und haben ein höheres Sicherheitsbedürfnis. Auch das ist in einigen Fällen ein Anlass für einen Kaiserschnitt. Machen Frauen sich heute schneller verrückt, oder ist eine Geburt noch ein Risiko? Fortschritte in der Medizin haben es bei natürlichen und operativen Geburten minimiert: Die Gefahr, dass eine Mutter stirbt, liegt in Deutschland rein statistisch gesehen bei etwa eins zu In den Neunzigerjahren war sie noch doppelt so hoch. Feinere Operati onstech niken, bessere Überwachungs- Wo waren 2008 die meisten Geburten? 1. Die Berliner Charité ist Spitzenreiter in Deutschland mit 3477 Geburten 2. Vivantes Klinikum, Berlin- Neukölln Hier wurden insgesamt 3414 Kinder geboren 3. Rotkreuzklinikum München Hier starteten 3078 Babys ins Leben 4. Asklepios Klinik Hamburg- Barmbek Das Klinikteam hat 2838 Säuglinge im Kreißsaal begrüßt 5. Asklepios Klinik Hamburg- Altona Die Hebammen holten 2770 Mädchen und Jungen auf die Welt 50 WISSEN

4 Vorm Kaiserschnitt: Dr. Pfad bereitet die Spinalanästhesie vor gesellschaft Babys werden nur abgetupft, nicht gebadet. Die Käseschmiere schützt Tochter Janou wog nur 890 Gramm geräte und eine gründlichere Voruntersuchung stehen heutigen Eltern zur Verfügung. In der Geburtsmedizin ist eine neue Zeit angebrochen. Professor Ragosch: Ich möchte den Frauen die Entbindung so angnehm wie möglich machen. Das Ziel ist eine Wohlfühlgeburt. Wie passt dieser Wellness-Gedanke zu den Schmerzen, die eine Frau ertragen muss? Ein Kind zu bekommen gehört zu den größten Momenten des Lebens. Auch wenn es ein Kraftakt ist es gibt viele Möglichkeiten, ihn zu erleichtern. Auf den zartgelb getünchten Fluren der Babystation in Altona stört nur der hellbraune PVC-Boden, ansonsten herrscht Hotelatmosphäre. In sogenannten Perinatalzentren wie diesem ist alles unter einem Dach: Entbindungsstation, Operationssaal und eine Neugeborenen-Intensivstation. Die Kreißsäle gleichen Wellness-Oasen, sogar an grüne Stoffpalmen und angenehmes Licht haben Innenarchitekten gedacht: Es kann je nach Stimmung von grell auf gemütlich eingestellt werden. Der Schmerz lässt sich damit allerdings noch nicht herunterdimmen. unter schmerzen gebären? Der arzt rät zur Spritze Dafür gibt es Anästhesisten wie Dr. Clauspeter Pfad. Wehen sind heftig, aber heute muss eine Frau Schmerzen nur bis zu einem gewissen Grad aushalten. Ich rate, rechtzeitig um eine Betäubung zu bitten und nicht unnötig die Zähne aufeinanderzubeißen. Die Mittel, die wir spritzen, schaden weder Mutter noch Kind. Eine extrem schmerzhafte Niederkunft tue beiden nicht gut. Es sei erwiesen, dass es länger dauere, bis sie sich erholt hätten. Für die natürliche Geburt gibt es die PDA, das Kürzel steht für Periduralanästhesie. Das ist eine rückenmarksnahe Spritze, die besser ist als ihr Ruf, sagt Dr. Pfad. Sie sei nicht gefährlich oder schwierig. Für den Kaiserschnitt wird meist die Spinalanästhesie eingesetzt, die den Körper bis oberhalb der Brust betäubt hätte die Mutter von Vincent Alexander seine Geburt unter Vollnarkose verschlafen, 2009 ist sie konzentriert dabei: Nur ein grünes Tuch nahm Frauke Gentzsch die Sicht, sie konnte die nervöse Hand ihres Lebensgefährten Dennis (28) fühlen, spürte ab und zu einen leichten Druck am Körper. Hörte ein leises Brabbeln der Ärzte, zwischendurch das Röcheln einer Maschine, die das Fruchtwasser absaugt. Dank der Spritze war das alles, was sie von dem Eingriff mitbekommen hat. Danach erlebte sie den lang ersehnten Moment: das erste Mal das eigene Kind sehen. Es streicheln, riechen, küssen, fühlen und endlich zu ihm sprechen. Nie wusste man vor dem ersten Anblick so viel über ein Neugeborenes wie heute. Das Geheimnis lüftet die neue Ultraschalltechnik: Die Aufnahmen eines 3-D-Geräts sind deutlicher als mit einem Feinultraschall. Einzelne Organe und Körperpartien können genau Ich bin so dankbar, dass meine Tochter Janou lebt. Svenja Stoffers, 22 WISSEN 51

5 gesellschaft 3900 Gramm bringt ein neugeborenes Kind im Durchschnitt auf die Waage Fünf kleine Wunder: Neugeborene in der Asklepios Klinik 52 WISSEN

6 Das Wunder der geburt inspiziert werden. Zum Beispiel Herzfehler werden noch im Mutterleib entdeckt, eingeschätzt und sofort nach der Geburt operiert. Ich kann es gar nicht fassen, sagt die 38-jährige Simone Günther, die vor einer Stunde ihren Sohn bekommen hat er ist ihr drittes Kind. Mein Aron Kjell sieht exakt so aus wie auf dem 3-D-Ultraschallbild, das wir kürzlich von meinem Gynäkologen bekommen haben. Sogar die Falte über der Nase war zu sehen. Überraschungen sind selten geworden, dafür gibt es mehr Schutz. Die moderne Medizin ist der Lebensretter für Kinder wie Janou Emma. 890 Gramm, 34 Zentimeter. Das sind Zahlen, die wehtun. Dr. Mohr rettete das Mädchen aus dem Bauch der Mutter Svenja Stoffers. Die 22-Jährige hatte einen Blasensprung in der Mitte ihrer Schwangerschaft. In der 23. Woche. Ein paar Tage eher, und das winzige Mädchen hätte keine Chance gehabt. Einzig und allein durch die Geräte hat sie es geschafft. Jeder Herzschlag wird aufgezeichnet und piept über einen Lautsprecher durch den Raum, es ist gemütlich warm. Seit der Geburt liegt Janou auf einem der 15 Beatmungsplätze der Neugeborenen-Intensivstation, neben ihr ein Minischnuller in Rosa. So richtig scheint sie noch nicht auf dieser Welt zu sein. Babystation ort der freude und der hoffnung Die Grenze zur Überlebensfähigkeit ist trotz aller uns zur Verfügung stehenden modernsten Techniken erst mit der 23. Woche erreicht, sagt Dr. Mohr. Mädchen hätten grundsätzlich bessere Chancen als Jungen, weil sie weiter entwickelt seien. Oft spielt die Frage mit, welches Leben lebenswert ist. Heute kommen sieben von 100 Kindern in Deutschland vor der 37. Schwangerschaftswoche zur Welt, also mindestens drei Wochen früher als normal. Die Überlebenschance für Neugeborene unter 1000 Gramm liegt in Deutschland bei 80 bis 90 Prozent. Dagegen schaffen es von den Frühgeborenen mit weniger als 500 Gramm nur 20 bis 30 Prozent. Atmet die kleine Janou noch? Halten ihre Lungen das aus? Bleiben ihr Hirnblutungen erspart? Wird sie später sehen können? Diese Fragen haben sich im Kopf von Svenja Stoffers wie in einem Netz verfangen. Aber eines weiß sie: Wenn keine Komplikationen auftreten, wird sie der kleinen Kämpferin Janou nach vier Monaten endlich ihr Zuhause zeigen. Unter normalen Umständen verlassen Lebensretter Nabelschnurblut? Junge stammzellen sind millionenfach im Blut der nabelschnur enthalten. Sie gelten als Reparaturtrupp unseres Körpers, als biologische Versicherung. Es gibt die Möglichkeit, dieses Blut zu spenden oder es für den Eigenbedarf einzulagern. Erkrankt ein Kind zum Beispiel an Krebs, könnte es mit seinen eigenen Zellen geheilt werden. Deshalb lassen immer mehr Eltern das Blut ihrer Kinder einfrieren. Das kostet etwa 2600 Euro für 20 Jahre Einlagerung. Sinnvoll oder Abzocke? Stammzellen von Neugeborenen sind unverbraucht und hervorragend geeignet, um neues Gewebe wie Muskeln, Haut- oder Nervenzellen zu züchten, sagt Prof. Joachim Dudenhausen, Leiter der Geburtsmedizin der Berliner Charité. Deshalb ist eine Nabelschnurblutspende sinnvoll. Wer es aber einlagern lässt, sollte an den Fortschritt der Wissenschaft glauben. Die Erfolgsaussichten sind nicht ausreichend erforscht. Noch ist unklar, wie viele Jahre Stammzellen ihre Wirkung behalten. So wird es aufbewahrt: Das Blut wird mit minus 196 Grad kaltem Stickstoff schockgefroren und in Kühltanks gelagert. Auf der Geburtenstation arbeiten 24 Ärzte und 40 Hebammen Keine Hektik auf dem Flur in Altona. Es heißt: Ruhe bewahren Die erste Untersuchung: Kinderarzt Dr. Nils Heppeler WISSEN 53

7 gesellschaft Da bin ich: Aron Kjell wurde um 9.13 Uhr geboren Kerngesund: Clara wird untersucht, ihre Eltern schauen zu Babyduft das beste Parfum der Welt Melina und Schwester Hannah Ich habe endlich eine Schwester! Melina, 4 Mütter die Wochenstation im Schnitt bereits drei bis vier Tage nach der Geburt. Eine Babystation ist ein Ort, wo Hoffnung und Angst, Freude und Sorge sich in die Augen schauen Kinder wurden 2007 in Deutschland geborenen, davon in Krankenhäusern, die wenigsten in Geburtshäusern oder als Hausgeburten. Kliniken wie die in Altona wehren sich gegen den Ruf, steril und anonym zu sein. Sie tun alles dafür, dass die Ankunft des neuen Erdenbürgers zum Familien-Happening wird. Wir wollen das Rundum-sorglos-Paket liefern, sagt Prof. Ragosch. Heute gehört es dazu, ein umfassendes Programm zu bieten, wenn man konkurrenzfähig bleiben will. Die ganze Familie ist lange vor den ersten Wehen willkommen: Auf Infoabenden für Großeltern wird Oma und Opa schonend vermittelt, dass heute nicht mehr alles so ist wie vor 30 Jahren. Sie bekommen Infos und Tipps. Auch für die Geschwister ist gesorgt: Um sie auf das neue Familienmitglied vorzubereiten, bietet das Team von Prof. Ragosch einmal im Monat eine Geschwisterschule an. In dem zweistündigen Kurs wird Mädchen und Jungen ab drei Jahren behutsam erklärt, woher das Baby kommt und wie eine Geburt abläuft. Sie besuchen einen Kreißsaal und ein Neugeborenes auf der Station und sehen, wie man sein Brüderchen oder Schwesterchen im Arm hält, badet, wickelt, anzieht. Damit nicht genug: Bis zu einer Woche kann sich die gesamte Familie nach der Geburt im Patientenhotel Storchennest einnisten, dort gibt es sechs Apartments. Viele frischgebackene Eltern sind noch unsicher und können sich dort an die neue Situation gewöhnen, sagt Prof. Ragosch, der selbst zweifacher Vater ist. Wir bieten regelmäßige Visiten und Betreuung durch das Pflegepersonal an. Kosten pro Tag: 93 Euro für Mutter und Kind, mit Vater 129 Euro. Die Angebote lesen sich manchmal wie in einem Urlaubskatalog. Ist es wirklich erst 30 Jahre her, dass ein Vater gleich nach Hause geschickt wurde, nachdem er seine Frau mit Wehen in die Klinik gebracht hatte? Yoga für schwangere, akupunktur für babys Das erweiterte Angebot hat nichts daran geändert, dass Mamis weiterhin im Mittelpunkt des Perinatalzentrums stehen. Sie entscheiden, wie sie ihr Kind bekommen: im Wasser, im Bett, auf dem Hocker, an Schlaufen. Hebammen sind Wochen vor dem errechneten Termin in Sprechstunden für sie da, bei Komplikationen stehen Mediziner auf der angeschlossenen Station für Pränataldiagnostik bereit, wo das Kind im Mutterleib untersucht wird. Die Liste der Annehmlichkeiten scheint unendlich: Yoga, Stillkurse, Babymassage, Osteopathie, Akupunktur. Alles Hokuspokus? 54 WISSEN

8 Endlich da! Eine natürliche Geburt dauert im Schnitt 13 Stunden Jetzt wächst er nur noch: ein Fußabdruck als Erinnerung Fotos: karin gerdes für hörzu Wissen Wie wichtig sind Väter im Kreißsaal? 90 Prozent der Männer sind bei der Geburt dabei. Ein Interview mit dem Hamburger Gynäkologen Prof. Volker Ragosch Prof. Volker Ragosch, Asklepios Klinik Hamburg-Altona HÖRZU WISSEN: Gehören Väter in den Kreißsaal? Prof. Ragosch: Ich finde es problematisch, dass es fast zur Pflicht geworden ist, dass Männer dabei sind. Im Laufe der Jahre bin ich Vätern begegnet, die extreme Schwierigkeiten damit hatten. Eine Geburt gemeinsam zu erleben, kann sehr schön sein, wenn beide es wollen. Die Entscheidung muss das Paar allerdings gemeinsam treffen. Wie kann ein Mann die Frau bei der Entbindung unterstützen? Seine Rolle ist eher passiv. Es geht darum, dass er einfach da ist. Eine nahe Bezugsperson gibt Sicherheit und beruhigt. Vielleicht kann er den Rücken massieren. Haben Sie in Ihrer Laufbahn schon mal einen Vater vor die Tür geschickt? Das kommt immer wieder vor. In Notfallsituationen, auch bei Saugglocken- oder Zangengeburten. Das würden die Männer nur schwer aushalten, es wäre zu traumatisierend. Genauso, wenn wir Dammverletzungen behandeln. Auch da gehört ein Mann nicht in den Kreißsaal. Ich habe allerdings auch schon Herren vor die Tür gesetzt, die sich in unsere Arbeit eingemischt haben. Wie verändert sich die Beziehung nach einer gemeinsam erlebten Geburt? Das Paar kann durch diese intensive Erfahrung noch enger zusammenwachsen. Einige unterschätzen aber, dass es auch ein Schock sein kann, wenn der Partner seine Frau unter Schmerzen erlebt das kann auch die Sexualität beeinträchtigen. Übrigens ist es völlig normal, wenn Frauen in den ersten sechs bis zwölf Monaten nach der Entbindung keine besondere Lust im Bett empfinden. Das wird leider immer noch viel zu selten thematisiert. Wie haben sich Mütter im Laufe der Generationen verändert? Sie sind gut informiert, manchmal übertrieben gut. Ich wünschte mir, sie würden mehr auf ihren Körper hören der ihnen sagt, was sie brauchen als auf Ratgeberbücher oder Halbwissen aus dem Internet. Das verunsichert eher, als dass es hilft. Tests zeigen, dass die Geburt im Schnitt um eine Stunde kürzer ist, wenn die Mutter mit den feinen Nadeln behandelt wird der Muttermund wird weicher. Bei Säuglingen wird Osteopathie eingesetzt: Wir lösen Verspannungen bei Kindern, die im Bauch immer auf derselben Seite lagen und deshalb nur aus einer Brust trinken, sagt Stillberaterin Angelika Redepenning. Stillen ist wieder im Trend. Nichts ist gesünder als Muttermilch. Auch beim Stillen werden Schmerzen inzwischen gelindert: Feine Risse in der Brust oder auch Dammschnitte werden in Altona seit Kurzem gelasert. Es gibt kaum Entzündungen, heilt besser, tut weniger weh. Die Geburtsmedizin hat einen großen Satz nach vorn gemacht. Wer nun noch ein Geburtshaus auf dem Klinikgelände vermisst oder ein Zentrum für Reproduktionsmedizin, der muss sich nicht mehr lange gedulden: 2010 soll es auch das in Altona geben. Vielleicht wird Vincent Alexander das alles irgendwann begutachten, wenn er erfährt, wo er geboren wurde. Nun schläft er zufrieden, atmet tief und duftet nach dem besten Parfum der Welt: nach Baby. Seine Mutter hält den Jungen fest im Arm. Sie weiß jetzt, wie sich Glück anfühlt und was es wiegt: 3740 Gramm. Mirja Rumpf Aron Kjell nach der Geburt im Arm von HÖRZU-WISSEN- Reporterin Mirja Rumpf WISSEN 55