Kinder und Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störungen in der Schule. Prof. Dr. Andreas Eckert
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1 Kinder und Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störungen in der Schule Prof. Dr. Andreas Eckert Fachtagung Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 24. Mai 2012 Fragestellungen An welche Zielgruppe denken wir bei diesem Thema? Welche (sonder-)pädagogischen Förderbedarfe lassen sich für diese Zielgruppe benennen? Gibt es die eine, die richtige Schule für Kinder und Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störungen? Welche Faktoren unterstützen eine bestmögliche schulische Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Autismus-Spektrum-Störungen? 2
2 Fragestellungen An welche Zielgruppe denken wir bei diesem Thema? I. Das Autismus-Spektrum in der Schule Welche (sonder-)pädagogischen Förderbedarfe lassen sich für diese Zielgruppe benennen? II. Autismusspezifische Förderbedarfe Gibt es die eine, die richtige Schule für Kinder und Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störungen? III. Vielfalt schulischer Förderorte Welche Faktoren unterstützen eine bestmögliche schulische Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Autismus-Spektrum-Störungen? IV. Gelingensbedingungen 3 I. Das Autismus-Spektrum in der Schule Kinder und Jugendliche mit... qualitativen Auffälligkeiten in der Kommunikation von der ausbleibenden verbalen Sprache bis hin zur Schwierigkeit, nonverbale Sprache zu verstehen qualitativen Auffälligkeiten in der sozialen Interaktion von der scheinbaren Meidung jeglichen sozialen Kontaktes bis hin zur Schwierigkeit, Freundschaften aufzubauen und zu pflegen einem begrenzten, sich wiederholenden Repertoire an Interessen und Aktivitäten von körperlichen Stereotypien bis hin zum intensiven Verfolgen von Spezialinteressen
3 II. Autismusspezifische Förderbedarfe Förderbedarf im Bereich der Kommunikation - Entwicklung verbaler Sprache - Aufbau alternativer Kommunikationsformen, -wege - Ausdifferenzierung verbaler Kommunikationsformen - Ausdifferenzierung nonverbaler Kommunikationsformen Förderbedarf im Bereich der sozialen Interaktion - Perspektivübernahme - Verstehen sozialer Situationen und Regeln - Aufbau von Handlungskompetenzen in der Interaktion II. Autismusspezifische Förderbedarfe Förderbedarf im Bereich der Interessen und Aktivitäten -Handlungsplanung, -steuerung (exekutive Funktionen) -Aufbau individuellen Lernens -Selbständigkeit -Umgang mit (für das Kind) herausfordernden Situationen -Erweiterung der Interessen und Aktivitäten, Flexibilisierung -Nutzung spezieller Fertigkeiten, Interessen
4 III. Vielfalt schulischer Förderorte Gibt es die eine, die richtige Schule für Kinder und Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störungen? III. Vielfalt schulischer Förderorte Tobias, 6 Jahre, Diagnose Frühkindlicher Autismus, Schüler einer Heilpädagogischen Schule Durchgehende Betreuung durch Schulische Heilpädagogin und pädagogische Assistentinnen Therapieangebote in der Schule Klassengrösse 6 Kinder Marc, 12 Jahre, Diagnose High Functioning Autismus, Schüler einer privaten Tagessondersonderschule für Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten Betreuung durch Schulische Heilpädagogen Kleinklasse mit 10 Kindern 8
5 III. Vielfalt schulischer Förderorte Marta, 10 Jahre, Diagnose Atypischer Autismus, Integrierte Sonderschülerin an einer Primarschule Sechs Lektionen Betreuung durch Schulische Heilpädagogin der Heilpädagogischen Schule Besuch des wöchentlichen Sozialtrainings an der HPS Klassengrösse 20 Kinder Philipp, 17 Jahre, Diagnose Asperger Syndrom, Schüler eines Gymnasiums Niederfrequente sonderpädagogische Betreuung innerhalb der Schule Besuch einer Gruppentherapie für Jugendliche mit dem AS Klassengrösse 25 Jugendliche 9 III. Vielfalt schulischer Förderorte Aktuelle Diskussion: Integration versus Separation? => Individuelle Entscheidung, abhängig von Faktoren wie den individuellen Kompetenzen und Förderbedarfen des Kindes dem (sonder)pädagogischen Konzept der Schule Rahmenbedingungen wie Klassengrösse, Räumlichkeiten, Personalschlüssel dem Engagement der Lehrpersonen der guten Erreichbarkeit der Institution den Bedürfnissen der Eltern...
6 IV. Gelingensbedingungen Fachdiskussion und Publikationen im deutschsprachigen Raum -zahlreiche Erfahrungsberichte, praxisbezogene Ratgeber und Handreichungen -einzelne wissenschaftliche Untersuchungen zu Teilbereichen wertvolle Tipps für die schulische Praxis fehlende Systematisierung von Gelingensbedingungen IV. Gelingensbedingungen Tipps für die schulische Praxis: Strukturierung der Umgebungen und Aufgaben Klarheit / Eindeutigkeit der Sprache Nutzung von Visualisierungen Schaffung von Vorhersehbarkeit Kleinschrittigkeit bei Lernprozessen Wiederholung und Ritualisierung Arbeit mit Motivationssystemen Anwendung von Nachteilsausgleichen Verstärktes Vermitteln sozialer Regeln Aufgreifen von Spezialinteressen... 12
7 IV. Gelingensbedingungen Fachdiskussion und Publikationen im englischsprachigen Raum Evidenzbasierte Studien, Metaanalysen Six core elements of effective educational practice systematic instruction individualized supports structured and comprehensive learning environments specialized curriculum features functional approach to problem behavior family involvement (Dunlap, Iovannone & Kincaid 2008) IV. Gelingensbedingungen Rahmenmodell der schulischen Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Autismus-Spektrum-Störungen Zusammenführung der Fachdiskussionen Leitfaden für die (Weiter-)Entwicklung und Evaluation schulischer Förderangebote Basis für Forschungsaktivitäten
8 IV. Gelingensbedingungen (Eckert & Sempert 2012) 15 IV. Gelingensbedingungen Förderdiagnostik, Unterrichtsplanung, Zielformulierung, Dokumentation, Evaluation, Bedeutsamkeit der Lernziele und -schritte Individualisierung, Bedürfnis- und Bedarfsorientierung, Nachteilsausgleich, spezifische Förder- und Unterstützungsangebote 16
9 IV. Gelingensbedingungen Strukturierung von Raum und Zeit, Visualisierung, Kleinschrittigkeit, Hilfen zur Selbstorganisation, Vorhersehbarkeit Triade autismusspezifischer Beeinträchtigungen, Förderangebote in den Bereichen Kommunikation, soziale Interaktion, Interessen und Aktivitäten 17 IV. Gelingensbedingungen Umgang mit herausforderndem Verhalten, Verhaltensanalyse, Entwicklung von Verhaltensalternativen, Krisenkonzept Eltern als Experten, Elternpartizipation, Gesprächsangebote, gegenseitiger Austausch, Gleichberechtigung, Bedürfnisorientierung 18
10 IV. Gelingensbedingungen Umgang mit Verschiedenheit, Peer-Interaktionen, Aufklärung, Sozialtraining Konzeptionelle Verankerung, Ressourcenorientierung, autismusspezifisches Fachwissen, Kooperation, Interdisziplinarität, Rollenklärung 19 IV. Gelingensbedingungen Untersuchungsergebnisse: Befragung von 121 Schulischen Heilpädagoginnen und Heilpädagogen mit Autismuserfahrung 20
11 IV. Gelingensbedingungen 21 IV. Gelingensbedingungen Als besonders wichtig bewertete Bereiche Strukturierte Lernumgebungen Spezifische Lehrplananteile Professionalität der Fachkräfte Grösste Diskrepanzen zwischen Ist und Soll Berücksichtigung der Peerbeziehungen Funktionaler Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten Professionalität der Fachkräfte
12 IV. Gelingensbedingungen Handlungsbedarfe auf konkreter Ebene Erweiterung des schulweiten Basiswissens zum Themenbereich der Autismus-Spektrum-Störungen Bereitstellung verbesserter infrastruktureller Rahmenbedingungen (Zeitkontingente, Räumliche Rückzugsmöglichkeiten, Fachpersonal) Entwicklung von Krisenkonzepten Kooperation beteiligter Fachpersonen 23 Aussage einer Schulleiterin Was muss man bei uns können? Einerseits muss man sehr sensibel auf die Kinder eingehen. Gut spüren: Wo steht jetzt das Kind? Auch bereit sein, sehr individuell das Kind dort abzuholen, wo es steht. Auf der anderen Seite muss man sich sehr gut organisieren können. Man muss sehr klare Strukturen bringen können. Man muss dem Kind auch Klarheit entgegensetzen können. Das brauchen unsere Kinder. Und ich denke, ja, lieb oder konsequent, man muss beides sein. Und das ist eine anspruchsvolle Mischung. Dass man wirklich bei beidem, find ich, top sein muss, um wirklich ein autistisches Kind zu fördern. 24
13 Aussage eines Vaters Nur das Fachwissen alleine, das ist Theorie. Das muss in der Ausbildung natürlich den Leuten schon bewusst sein, dass das das Fundament ist. Und da drauf kommt dann eine Schicht Empathie, Einfühlungsvermögen. (...) Da ist es für mich als Vater manchmal fast wichtiger, das Menschliche zu spüren. (...) Ich spüre eigentlich vor allem die menschliche Schicht. Aber ich kann vertrauen, dass darunter das Fachwissen vorhanden ist. 25 Weiterführende Literatur Autismus Deutsche Schweiz (2009): Schulische Integration Theorie und Alltag. Eigenverlag Bundesverband Hilfe für das autistische Kind (Hrsg.) (2005): Asperger- Syndrom - Strategien und Tipps für den Unterricht. Hamburg: Eigenverlag Bundesverband Hilfe für das autistische Kind & VDS (2003): Autismus macht Schule. Hamburg: Eigenverlag Dunlap, G., Iovannone, R. &; Kincaid, D. (2008): Essential Components for Effective Autism Educational Programs. In: Luiselli, J. u.a. (Hrsg.) Effective practices for children with autism. Educational and behavioral support interventions that work. New York: Oxford University Press, S Eckert, A. & Sempert, W. (2012): Kinder und Jugendliche mit Autismus- Spektrum-Störungen in der Schule Entwicklung eines Rahmenmodells der schulischen Förderung. In: VHN, Heft 2 (im Druck) 26
14 Weiterführende Literatur Eckhart, M. & Neff, R. (2011): Schulische Integration von Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen Hinweise fu r den integrativen Unterricht. In: Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik. Jahrgang 17, Heft 5, S Sautter, H., Schwarz, K. & Trost, R. (Hrsg.): Kinder und Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störung. Neue Wege durch die Schule. Stuttgart 2012 Schirmer, B. (2010): Schulratgeber Autismus-Spektrum-Störungen: Ein Leitfaden für LehrerInnen. München: Reinhardt Tuschel, G. & Mörwald, B. (Hrsg.) (2007): miteinander 2 - Möglichkeiten für Kinder mit autistischer Wahrnehmung in Wiener Schulen. Wien: Echomedia Verlag 27 Danke für Ihre Aufmerksamkeit! 28
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