Lernkulturen für das Ehrenamt
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- Eleonora Adenauer
- vor 7 Jahren
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1 Lernkulturen für das Ehrenamt Ich bin eingeladen, zum Thema Lernkulturen für das Ehrenamt zu sprechen. Damit stehen gleich zwei erklärungsbedürftige Begriffe zur Diskussion. Wenn man mit Weinert unter einer Lernkultur die Gesamtheit der für eine bestimmte Zeit typischen Lernformen und Lehrstile sowie die ihnen zugrundeliegenden anthropologischen, psychologischen, gesellschaftlichen und pädagogischen Orientierungen versteht (Weinert 1997, S. 12) so wird schon klar, dass - auf das Ehrenamt bezogen mit den Lernformen und Lernstilen Aspekte angesprochen ist, die für die ehrenamtlich Tätigen nicht im Zentrum des Interesses steht. Es gibt viele gute Gründe sich ehrenamtlich zu betätigen; der Wunsch zu lernen steht für die meisten Menschen nicht im Vordergrund! Ich werde später darauf zurückkommen. Zunächst möchte auf den Begriff des Ehrenamts eingehen. Dann werde ich der Frage nachgehen, was ehrenamtliche Arbeit mit Lernen zu tun hat: Ich frage: - was gibt es im Ehrenamt zu lernen - was kann, soll muss man für das Ehrenamt lernen - wie kann man Ehrenamt lernen Ehrenamt was ist das eigentlich? Wenn wir über Ehrenamt sprechen haben wir es mit einer Vielfalt unterschiedlicher Menschen und Tätigkeitsbereiche zu tun: Zunächst ist zu denken an die Freiwilligen Feuerwehren, den Malteser Hilfsdienst, das DRK und viele andere Rettungsdienste Ehrenamtlich engagieren sich viel Menschen in Schulen oder Bibliotheken als Vorleser oder als Lesepaten In machen Gemeinden gibt es sogenannte Bürgerbusse, die sicherstellen dass auch Menschen, die kein eigenes Auto besitzen, mobil sind Natur- und Umweltschutz ist das Anliegen vieler Freiwilliger jeden Alters Es gibt Engagierte, die andere in schwierigen Lebenslagen begleiten: Telefonseelsorge, Aidshilfe, Hospizbewegung Und es gibt noch viele Engagementbereiche und Einsatzgebiete mehr der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt.
2 Interessanter Weise haben wir im Deutschen, anders als in anderen Sprachen gleich drei Bezeichnungen für freiwillige gemeinwohlorientierte Tätigekeiten: Der Begriff Ehrenamt ist die klassische Bezeichnung für Tätigkeiten, deren Lohn die Ehre ist. Das Amt wird meist durch Wahl, Berufung oder Beauftragung eingenommen und umfasst in der Regel einen bestimmten Verantwortungsbereich. Typischer Weise wir der Begriff Ehrenamt verwendet für Positionen in Gremien (Gemeindeparlament, Vereinsvorstand u.ä.) für die Tätigkeit als Schöffe oder Vormund oder in Bereichen, in denen Engagement in gewisser Weise als selbstverständlich angenommen wird. Möglicher Missbrauch dieser Form des Ehrenamts lässt sich auf den Punkt bringen mit dem Slogan Viel Amt aber wenig Ehre Freiwilliges Engagement oder Freiwilligenarbeit hat sich seit einigen Jahren in Anlehnung an den englischen Begriff volunteering auch in Deutschland durchgesetzt. Für viele bezieht sich diese Bezeichnung auf das Freiwillige soziale oder ökologische Jahr, auf Jugendgemeinschaftsdienste, Versöhnungsarbeit oder das Engagement im Naturschutz. Durch die Freiwilligenzentren und Freiwilligenagenturen, die sich in allen Bundesländern und in vielen Städten und Gemeinden etabliert haben, hat sich der Begriff freiwilliges Engagement als Sammelbegriff für alle Formen freiwilliger unentgeltlicher Tätigkeit für andere entwickelt. Zum Dritten gibt es noch den Begriff des bürgerschaftlichen oder Bürgerengagements. Diese Bezeichnung findet sich in Publikationen des Bundestages und der politischen Parteien. Gemeint ist der Einsatz für das Gemeinwohl als unverzichtbare Bedingung für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.
3 Eine Enquetekommission die von 2000 bis 2004 zur Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements gearbeitet hat, nennt fünf Aspekte, um das breite Feld des Engagements zu beschreiben und einzugrenzen. freiwillig Nicht auf materiellen Gewinn ausgerichtet Gemeinwohlorientiert Öffentlich bzw. im öffentlichen Raum In der Regel gemeinschaftlich / kooperativ Mit dieser breiten Umschreibung meint bürgerschaftliches Engagement sowohl die Mitarbeit in einem gemeinnützigen Verein, Verband, Gewerkschaft oder Partei als auch die freiwillige unbezahlte Mitarbeit in karikativen oder gemeinwohlorientierten Einrichtungen oder die direkt-demokratische Beteiligung bei Volksbegehren und Volksentscheiden und die Beteiligung an Bürgerinitiativen und sozialen Bewegungen Ehrenamtliche Tätigkeit ist in Deutschland keine Randerscheinung: Es gibt Befragungen zum ehrenamtlichen Engagement den sogenannten Freiwilligensurvey, der 1999 und 2004 durchgeführt wurde. Dieser zeigt: Mehr als 1/3 der Bevölkerung ist ehrenamtlich engagiert und es gibt ein erhebliches Potential an Personen, die zum Engagement bereit sind.
4 Was hat ehrenamtliche Arbeit mit Lernen zu tun? Die Ergebnisse des Freiwilligensurvey zeigen, dass das Lernen für ehrenamtlich Tätige nicht im Vordergrund ihres Interesses steht. Der Wunsch nach Spaß und Geselligkeit und das Motiv, für andere Menschen oder die Gesellschaft einen Beitrag zu leisten, rangiert weit vor der Erwartung, die eigenen Kenntnisse und Erfahrungen zu erweitern. Dass die ehrenamtliche Tätigkeit auch für die berufliche Tätigkeit und die Arbeitsmarktchancen einen Nutzen hat, sehen Ehrenamtliche nur in geringem Maß. Man spricht gerne vom Eigensinn des Ehrenamts. Denn es geht hierbei nicht um zielgerichtete Tätigkeiten, sondern um ein Konglomerat an Bedürfnissen und Wünschen, das schwer zu steuern ist und wohl auch nicht gesteuert werden sollte. Denn immerhin: Ehrenamtliche sind freiwillig aktiv! Lernen im Ehrenamt Lernen im Ehrenamt hat einen eigentümlichen Charakter. Der Frage, ob man durch die Tätigkeit Fähigkeiten erworben habe, die für einen persönlich wichtig seien, stimmen die meisten Freiwilligen zu. Es zeigen sich hier allerdings erhebliche Alternsdifferenzen ein Hinweis, darauf, dass es hier hauptsächlich um Erfahrungslernen geht, das zwangsläufig in jüngeren Jahren überwiegt.
5 Den eigentümlichen Charakter des Lernens im Ehrenamt möchte ich (in Anlehnung an O. Schäffter 2001) an drei mit Beispielen versehenen Thesen erläutern: 1. Lernen im Ehrenamt ist pragmatisch ausgerichtet Frau G. ist Vorstandsmitglied in einem Verein und für die Pflege der Mitglieder zuständig. Mit Unterstützung einer Freundin lernt sie, Mitgliederrundbriefe ansprechend zu formulieren auch ihre Rechtschreibung hat sich erheblich verbessert. Hätte man ihr vorgeschlagen, hierfür einen Kurs an der Volkshochschule zu besuchen hätte sie das empört zurückgewiesen. Das Lernen im Ehrenamt ist inkonsistent Herr M hilft einem minderjährigen Flüchtling sich in der Bundesrepublik zurecht zu finden. Da der Junge von Abschiebung betroffen ist, kniet er sich in das Ausländerrecht und kennt sich bald so gut aus, dass er auch anderen Jugendlichen helfen kann. Seine juristischen Kenntnisse bleiben aber unzusammenhängend und unsystematisch. Auf seine Fragen hätte er in einem Seminar zum Ausländerrecht wahrscheinlich zur Antwort bekommen: Das kommt auf den Einzelfall an! Das Lernen im Ehrenamt erfolgt beiläufig Die Vorleserin S. erwirbt im Laufe ihrer Tätigkeit einen Überblick über die aktuelle Kinderliteratur - das hatte sie sich vorher nicht vorgenommen. Dieses Wissen hat sich bei ihr beiläufig entwickelt und wenn sie es nicht erworben hätte, hätte sie subjektiv kein Wissensdefizit empfunden. Lernen im Ehrenamt ist alltagsgebundenes Lernen: Es ist verknüpft sich mit den Kompetenzen, die die Ehrenamtlichen mitbringen und bestätigt wissen wollen. Sie erweitern ihre Kompetenzen durch
6 Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung und sie möchten nicht unbedingt mit der Nase auf einen vermeintlichen oder tatsächlichen Lernbedarf hingewiesen werden. Wenn man sich die Erwartungen, die die Menschen an das Ehrenamt richten, vor Augen hält, ist das auch nachvollziehbar. Fortbildungsveranstaltungen, die sich an ehrenamtlich Aktive richten, ohne auf deren spezifische Bedürfnisse einzugehen, scheitern oft. Sie kommen schlicht nicht zustande, weil sich keiner anmeldet. Lernen für das Ehrenamt Es gibt große Bereiche ehrenamtlicher Tätigkeit, in denen es für die Tätigkeit essentiell ist, dass die Freiwilligen ihre Kompetenzen kontinuierlich erweitern. Hierzu möchte ich drei Beispiele anführen: Anleitung und Training: Im Bereich der Sanitätsdienste sind ein hohes Maß von Wissen sowie Fähigkeiten und Fertigkeiten erforderlich, um in akuten Notsituationen sachgerecht und verantwortungsvoll Menschen zu retten und Verletze zu versorgen. Wenn neue Freiwillige gewonnen werden, stehen Anleiter zur Verfügung, die das notwendige Wissen praxisnah vermitteln. In regelmäßigen Einsatzübungen werden die erforderlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten kontinuierlich geübt und erweitert. Einführung, Begleitung und Supervision: Mit Einführungsveranstaltungen und teilweise verpflichtender Supervision werden bei der Aidshilfe oder in der Hospizbewegung Freiwillige für die anspruchsvolle Tätigkeit ausgewählt, vorbereitet und begleitet. Schulung; Vereine finanzieren beispielsweise ihren Vorständen, Kassenwarten etc häufig Kurse in Buchführung, Rechtsfragen, in denen praxisnah Wissen erworben oder aufgefrischt werden kann. Wichtig ist für alle Bildungsveranstaltungen, die sich an ehrenamtlich Aktive richten, dass sie praxisnah ausgerichtet sind, Spaß machen und man nicht selbstverständlich davon ausgehen kann, dass Ehrenamtliche neben ihrer Zeitspende auch eine Geldspende in Form der Kursgebühr leisten. Fortbildung für Hauptamtliche die mit EA arbeiten Inzwischen hat sich auch in Deutschland die Erkenntnis verbreitet, dass Hauptamtliche, die mit Ehrenamtlichen zusammenarbeiten spezielle Fortbildung, insbesondere im Management benötigen. Noch wird solches Wissen selten an den Fach- und Hochschulen der Sozialen Arbeit vermittelt, obwohl das ehrenamtliche Engagement in Wohlfahrtsverbänden und von den Kirchen getragenen Einrichtungen eine lange Tradition hat und heute beispielsweise eine qualitativ angemessene Versorgung alter Menschen oder die Unterstützung Behinderter ohne ehrenamtliche Tätigkeiten nicht mehr denkbar sind. In den USA, England und den Niederlanden, die über eine ganz andere Tradition des freiwilligen Engagements verfügen, liegen vielfältige Erfahrungen, wirksame Konzepte und Methoden für die Arbeit mit Freiwilligen vor. Lehrgänge zur Freiwilligenkoordination und zum Freiwilligenmanagement, die sich an den internationalen Standards orientieren, bilden den Schwerpunkt der Angebote der Akademie für
7 Ehrenamtlichkeit. In unseren Lehrgängen vermitteln wir grundlegende Kenntnisse des Freiwilligenmanagements in Theorie und Praxis. Mit unserem Kurs- und Beratungsangebot unterstützen wir Vereine, Projekte, öffentliche Einrichtungen und gemeinnützige Organisationen bei der Gewinnung von Freiwilligen, bei der Einsatzplanung und Koordination, bei Fragen zur Kooperation zwischen Hautund Ehrenamt und dabei, adäquate Formen der Anerkennung und des Danks jenseits von Entlohnung zu entwickeln. Für dieses Fortbildungsangebot ist die Zusammenarbeit mit den überall in Deutschland vorhandenen Freiwilligenbörsen, mit den lokalen und regionalen Bürgernetzen und dem Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement besonders hilfreich. Ehrenamt lernen Ein weiterer Bereich des Lernens rund um das Ehrenamt betrifft die Tatsache, dass die Bereitschaft und Fähigkeit sich für das Gemeinwohl zu engagieren, nicht immer zum selbstverständlichen Repertoire junger Menschen und der erwachsenen Bürger gehört. Hier ist der breite Bereich der politischen Bildung angesprochen, dem die Aufgabe zukommt, Wissen und Methoden zu vermitteln, wo und wie sich BürgerInnen aller Altersgruppen engagieren können. In Schulen ist dieses Thema unter dem Stichwort Servicelernen aktuell und wird in Form von Schulprojekten, bei denen sich Schülerinnen und Schüler für Aufgaben des Gemeinwohls einsetzen, umgesetzt. Ich habe ihnen nun viel über die Freiwilligenkultur erzählt und wenig darüber, wie eine Lernkultur für Freiwillige gestaltet werden soll. Hierfür möchte ich Ihnen zu guter letzt gerne 3 Dinge mit auf den Weg geben: Ehrenamtlichen engagieren sich freiwillig bringen vielfältige Kompetenzen mit und wollen Bestätigung und Spaß Literatur: Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend: Freiwilliges Engagement in Deutschland 1999 und Download im Internet: Schäffter, Ortfried: Lernen in der Transformationsgesellschaft. Zur Grundlegung einer Theorie der Institutionalisierung. In: Grundlagen der Berufs- und Erwachsenenbildung Band 25, Baltmannsweiler (Schneider Verlag Hohengehren) 2001 Weinert, Franz E.: Lernkultur im Wandel. In: Beck, Erwin; Guldimann, Titus; Zutavern, Michael (Hrsg.): Lernkultur im Wandel. Tagungsband der Schweizerischen Gesellschaft für Lehrerinnen- und Lehrerweiterbildung in der Schweizerischen Gesellschaft für Bildungsforschnung (UVK). S hoffmann@ehrenamt.de
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