Ideen erfinden, Produkte entwickeln mit TRIZ

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1 Ideen erfinden, Produkte entwickeln mit TRIZ Bearbeitet von Bernd Gimpel, Rolf Herb, Thilo Herb 1. Auflage Buch. VIII, 178 S. Hardcover ISBN Format (B x L): 15 x 23 cm Gewicht: 338 g schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, ebooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

2 Einführung 1 1 Einführung Gute Ideen als erster zu haben ist eine entscheidende Voraussetzung für den Erfolg. Dies gilt für den einzelnen Entwickler ebenso wie für das gesamte Unternehmen. Nach einer Studie werden in den nächsten zehn Jahren 50 Prozent der verkauften Produkte heute noch nicht entwickelt sein. Denkt man zum Beispiel an die rasanten Fortschritte in der Kommunikationstechnik, dann hätten die wenigsten sich die heutige Realität vor zehn Jahren vorstellen können. Für eine erfolgreiche Innovation werden im Mittel 60 Ideen benötigt. Aber nur 2,4 Prozent dieser Ideen werden zu Verkaufserfolgen. Damit sind sieben von acht Stunden Entwicklungsarbeit erfolglos [1]. Daneben gilt, daß Innovation natürlich nur dann entsteht, wenn die Idee auch realisiert wird. Es stellt sich die Frage, warum manche Menschen hochkreativ oder erfinderisch sind und manche nicht. Wie entstehen Inventionen? Wäre es nicht ein entscheidender Vorsprung, wenn man gezielt und systematisch auf pfiffige Ideen kommen könnte? TRIZ ist die russische Abkürzung kyrillischer Worte, die sich mit Theorie des erfinderischen Problemlösens übersetzen lassen. Häufig findet man in der Literatur auch die Abkürzung TIPS gemäß der englischen Übersetzung Theory of Inventive Problem Solving. TRIZ ist eine Methode, um systematisch Ideen zu finden und zu innovativen Konzepten zu gelangen (Bild 1). Ideen systematisch finden, ist das überhaupt möglich? Ist das nicht ein Widerspruch in sich selbst? Mit systematisch verbindet man die Vorstellung geregelter Abläufe, die zu dem gewünschten Produkt führen. Im Gegensatz hierzu verbindet man Ideen finden mit Kreativität, welches häufig einen unpräzisen, unberechenbaren Prozeß assoziiert. Die TRIZ-Methode stellt Vorgehensweisen zur Verfügung, mit denen Erfinden systematisch durchgeführt werden kann. Im Gegensatz zu üblichen Lösungsverfahren wie Trial-and-Error oder Brainstorming nutzt TRIZ empirische Grundgesetze der technologischen Evolution und hält viele Werkzeuge für eine systematische Problemlösung bereit. Grundlage dieser Theorie stellen die Untersuchungen des Patentexperten Genrich Altshuller (Bild 2) dar. Er wurde 1926 in Russland geboren. Im Alter von 14 Jahren machte er seine erste Erfindung, die zwei Jahre später patentiert wurde. Er entwickelte ein neuartiges Tauchgerät, das flüssiges Wasserstoffperoxid zur Speicherung von Sauerstoff nutzt. Das Gerät hat einen erheblich geringeren Auftrieb im Wasser bei höherer Speicherkapazität.

3 2 Einführung Bild 1: Der Begriff TRIZ Altshuller hat als erster gezielt nach Möglichkeiten gesucht, der innovativen Entwicklung von Produkten eine systematische Form zu geben. In seinem Buch And suddenly the inventor appeared schildert er, wie er das erste Mal mit dem Phänomen Erfinden konfrontiert wurde [2]. Es war in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, und er war noch Schüler. Eines Tages ging er über die Straße und kam an einem Stromtransformator vorbei, der abgebaut werden sollte. Es war ein großes Gerät, das auf einem erhöhten Fundament stand. Die Arbeiter standen ratlos davor und wußten nicht, wie sie ohne Kran den Transformator auf einen Transportwagen herunterlassen sollten. Sie konnten zwar die Steine unter ihm wegbrechen. Aber wie einen Mechanismus konstruieren, der ein sanftes Herablassen ermöglicht. Plötzlich hatte jemand eine Idee. Sie brachen die Steine von der Mitte heraus weg und ersetzten sie durch Eisblöcke, wie sie zu der damaligen Zeit auf Lieferwagen an die Bevölkerung verkauft wurden, da es noch keine Kühlschränke in Rußland gab. So wurde das Fundament Stück für Stück durch diese Eisblöcke ersetzt. Als die Mittagssonne kam, fing das Eis an zu schmelzen, und der Transformator sank langsam und kontrolliert ab. In diesem Moment wurde Altshuller bewußt, daß er soeben Zeuge einer Erfindung geworden war. Was noch viel wichtiger war, er erkannte, daß viele Dinge zu anderen Zwecken gebraucht werden können. Eis wird üblicherweise zum Kühlen benutzt. Doch hier wurde es

4 Einführung 3 Bild 2: Lebenslauf von Genrich Altshuller benutzt, um einen Gegenstand zu bewegen. Altshuller fragte sich, wie viele solcher Möglichkeiten es noch gibt und wie man systematisch auf solche Ideen kommen kann. In den 50er Jahren arbeitete er als Patentassessor bei der russischen Marine und untersuchte eine Vielzahl von Patenten darauf, ob sich Gesetzmäßigkeiten bei der Ideenfindung feststellen lassen. Als Ergebnis dieser Studien entwickelte er allgemeingültige Prinzipien zur innovativen Lösung sich technisch widersprechender Anforderungen machte er einen Vorschlag an Stalin, diese Ideen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der russischen Wirtschaft einzusetzen. Die Reaktion war die Verurteilung zu 25 Jahren in einem Straflager in Sibirien. Altshuller schreibt jedoch, daß dies für ihn ein glücklicher Umstand war, da er dort mit der gesamten intellektuellen Spitze der UdSSR inhaftiert war. In dieser Zeit hat er intensiv an der Entwicklung von TRIZ weitergearbeitet wurde er von Chruschtschow begnadigt. In den 80er Jahren wurde die Methode in der UdSSR auf breiter Basis weiterentwickelt und eingesetzt. Mit der Öffnung des Eisernen Vorhangs in den 90er Jahren emigrierten viele der TRIZ-Spezialisten in die USA. Sie gründeten Consulting- und Softwarefirmen. Derzeitig verbreitet sich die Methode von den USA ausgehend über die ganze Welt. Auch in Deutschland setzen zunehmend große Unternehmen das Verfahren ein. Kleine und mittlere werden

5 4 Einführung ihnen folgen. Dies zeigen die Anfragen von Unternehmen an einen der Autoren, die Beratung und Training im Bereich TRIZ wünschen. Seit den 50er Jahren sind über 2,5 Millionen Patente mit dieser Zielsetzung analysiert worden. Dabei standen folgende Fragen im Mittelpunkt: Gibt es eine allgemeingültige, systematische Vorgehensweise für die Auffindung von innovativen Lösungen? Wie kann Kreativität systematisch gefördert werden? Wie kann man die für eine Erfindung notwendige Zeit reduzieren? In der Tat erkannte Altshuller verblüffende Gesetzmäßigkeiten bei der vergleichenden Durchsicht der Patentschriften. Bei der Analyse der jeweiligen innovativen Lösungen identifizierte er über verschiedene Technologien hinweg gültige wiederkehrende Muster des erfinderischen Problemlösens. Es zeigte sich, daß Produktentwickler aus den unterschiedlichsten technologischen Fachbereichen oft dieselben grundlegenden Prinzipien anwenden, um zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen zu gelangen. Diese Erkenntnis bildete die Grundlage für die Entwicklung der Methode TRIZ. Damit legte Altshuller mit seinen Untersuchungen den Grundstein für eine erlernbare, reproduzierbare Methodik zur Ideenfindung in Form einer Abfolge von festgelegten Schritten. Befragt man heute die Leiter von Entwicklungsabteilungen nach der Aufgabe eines Entwicklers, so hört man häufig die Aussage: Probleme lösen. Dahinter verbirgt sich meist die Auseinandersetzung mit einer komplexen Aufgabenstellung. Da es sich um ein Entwicklungsproblem handelt, hat die geforderte Lösung meist innovativen Charakter. Dies ist genau der Ansatz von TRIZ. Dabei verbindet TRIZ das Problemlösen mit der gezielten Suche nach Informationen. Mehrere Studien von Slotin, Ribaut und Altshuller [3] haben sich mit der Frage beschäftigt, wo die Ursachen für mangelnde Kreativität liegen. Dabei zeigte sich, daß die Kreativität sich im Verlauf eines Menschenlebens ändert (Bild 3). In der frühen Kindheit steigt der Erfahrungs- und Wissenshorizont schnell an. Können und technische Fertigkeiten steigen in jeder Hinsicht. Die Beschäftigung mit Märchen und Fiktionen führt dazu, die Phantasie auszuleben. Das Maximum der Kreativität findet sich im Alter von 14 Jahren. Danach nimmt die Kreativität zunehmend ab. Dies hängt mit unserem Schul- und Ausbildungssystem zusammen. In diesem wird weniger eigenständige Kreativität gefördert, als vielmehr Denken in vorgefertigten Schablonen. In vielen Unternehmen ist es nicht anders. Wie oft hört man Sätze wie: Das haben wir doch immer schon so gemacht. Diese Sätze zeigen den Wunsch nach einer geordneten Realität. Lernen wird als das Reproduzieren vorhandenen Wissens verstanden. Kreativität wird als unbequem, unkonventionell, auffällig, nicht normentsprechend oder unfolgsam aufgenommen. Aus diesem Grund werden hochbegabte Kinder in den meisten Fällen als schlechte Schüler eingestuft. Einstein erging es nicht anders. Man kann es so zusammenfassen: Erziehung, Moral, Routine und Erfahrung helfen im Alltag aber sie stehen der Kreativität im Wege. Mihaly Csikszentmihalyi hat es so formu-

6 Einführung 5 Bild 3: Ergebnisse von Studien über den Zusammenhang zwischen Kreativität und Lebensalter liert: Anerkannt kreative Menschen haben sich ihre kindliche Neugier ein Leben lang bewahrt. [4] Altshuller stellte sich die folgenden beiden Fragen: Wie bringt man grenzenlose kindliche Kreativität mit Wissen und Erfahrung eines langjährigen professionellen Entwicklers zusammen, um gezielt Probleme innovativ zu lösen? Wann und warum entstehen Innovationen überhaupt? Er fand heraus, daß gute Ideen und Innovationen nur dann entstehen, wenn Konflikte oder Widersprüche gelöst werden, die vorher als unlösbar galten. Sehen wir uns an einem Beispiel an, was unter Widersprüchen zu verstehen ist. Wer von Ihnen schon einmal eine Pizza bei einem Lieferservice bestellt hat, kennt das Problem. Die Pizza wird in einem Pappkarton geliefert. Dieser hat die Funktion, die Pizza zu transportieren und warm zu halten. Gleichzeitig stellt man fest, daß die Pizza ihre Knusprigkeit beim Transport verliert. Öffnet man den Karton etwas, so bleibt die Pizza zwar knusprig, wird aber kalt. Damit haben wir den Widerspruch, daß der Karton gleichzeitig offen und geschlossen sein soll. Eine typische Lösung wäre es, den Karton mit Löchern zu versehen. Die Größe dieser Löcher wird dann solange optimiert, bis der beste Kompromiß gefunden wird (Bild 4) [5].

7 6 Einführung Bild 4: Problemstellung auf Basis eines Widerspruchs am Beispiel einer Pizzabox Unter Anwendung von TRIZ gelangt man zu einer anderen Lösung, indem man den Widerspruch auflöst. Eine TRIZ-Analyse der Funktionalität führt schnell zu der Erkenntnis, daß der Karton Wärme speichert, die ihrerseits zur Bildung von Wasserdampf führt. Unter Verwendung der von Altshuller generierten Standardlösungsprinzipien kommt sehr schnell der Vorschlag, ein Objekt zwischen Pizza und Karton aufzubringen, welches den Wasserdampf bindet. Hierzu kann eine Wellpappe verwendet werden, wie sie in Bild 5 dargestellt ist. Diese Lösung ist mittlerweile von der Firma Pizza Hut in den Niederlanden patentiert. Ein weiteres Beispiel ist die Entwicklung eines neuen Bügeleisens. Der Kunde wünscht, daß die Wäsche glatt wird, möchte dies aber ohne große Anstrengung erreichen. Die Kraft, um die Wäsche glatt zu bekommen, wird üblicherweise Bild 5: Problemlösung auf Basis eines Widerspruchs am Beispiel einer Pizzabox

8 Einführung 7 Bild 6: Problemlösung auf Grundlage eines Widerspruchs am Beispiel eines Bügeleisens durch das Gewicht des Bügeleisens realisiert. Dies steht dem ermüdungsfreien Arbeiten entgegen. Damit ergibt sich der Widerspruch, daß das Bügeleisen gleichzeitig leicht und schwer sein soll. Die mit TRIZ gefundene Lösung ist ein dynamisiertes Bügeleisen. Es enthält einen Schwingungserreger, der die Wäsche bei geringem Eigengewicht glatt klopft (Bild 6). Die Beispiele erläutern eines der Elemente von TRIZ, das Finden und Lösen von Widersprüchen. Daneben beinhaltet TRIZ in seiner heutigen Form einen ganzen Werkzeugkasten an Vorgehensweisen zur kreativen Problemlösung. Diese Innovation-Tools kann man in vier Klassen strukturieren, in die vier Säulen von TRIZ (Bild 7). Die erste Säule befaßt sich mit der Systematik. Sie beinhaltet verschiedene Verfahren, um Probleme zu analysieren und Denkblockaden zu überwinden. Die zweite Säule stellt eine Wissensbasis dar, in der das Wissen aus allen möglichen Bereichen einfach recherchierbar zur Verfügung gestellt wird. Die dritte Säule befaßt sich mit Analogien. Hier werden Konflikte und Widersprüche beschrieben und gelöst, indem das Problem auf eine abstrakte Ebene transformiert wird. Für diese Ebene existieren feste Lösungsansätze. Diese bilden die Grundlage für das Finden eigener Ideen. Die vierte Säule beschreibt Trends von Entwicklungen. Sie wird dazu genutzt, um den eigenen Standort zu bestimmen und Visionen für neue Produkte oder Verfahren zu entwickeln. Mit diesem Werkzeugkasten lassen sich eine Vielzahl von Problemen systematisch lösen und auf elegante Weise Ideen für neue Produkte und Verfahren finden.

9 8 Einführung Bild 7: Die vier Säulen von TRIZ