Tarifautonomiestärkungsgesetz und Erfahrungen aus anderen Ländern mit der Umsetzung und Kontrolle von Mindestlöhnen

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1 Tarifautonomiestärkungsgesetz und Erfahrungen aus anderen Ländern mit der Umsetzung und Kontrolle von Mindestlöhnen Nils Böhlke Mindestlohn und wie weiter? SPD-Dortmund AK Zukunft der Arbeit Dortmund, 1. Oktober 2014 Inhalt Tarifautonomiestärkungsgesetz Umsetzung und Kontrolle von Mindestlöhnen in Europa Studie im Auftrag der Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung in NRW Erfahrungen aus Frankreich, Niederlande und Großbritannien Erfahrungen mit branchenspezifischen und regionalen Mindestlöhnen in Deutschland Fazit und Perspektiven 1

2 Tarifautonomiestärkungsgesetz Artikelgesetz Mindestlohngesetz Änderungen Arbeitsgerichtsgesetz, Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, Nachweisgesetz, Verdienststatistikgesetz, Tarifvertragsgesetz, Arbeitnehmer-Entsendegesetz, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, SGB III, SGB IV, SGB X, Gewerbeordnung, Vergabeverordung Verteidigung und Sicherheit, Beitragsverfahrendverordnung, Aufhebung bisherigen Rechts Inkrafttreten, Außerkraftreten Mindestlohngesetz - MiLoG Ab ,50 Euro je Zeitstunde 2

3 Mindestlohnkommission Alle fünf Jahre erfolgt eine Neuberufung Sieben stimmberechtigte Mitglieder und zwei beratende Mitglieder Ein Vorsitzender (auf gemeinsamen Vorschlag der Tarifparteien oder alternierend nach jeder Beschlussfassung) Drei Arbeitgebervertreter Drei Arbeitnehmervertreter Zwei beratende Mitglieder aus der Wissenschaft Je einer auf Vorschlag der AG und der AN Sitzungen sind nicht öffentlich Anpassungsrhythmus des Mindestlohns Erster Beschluss bis zum 30. Juni 2016 Wirkung ab 01. Januar 2017 Danach alle zwei Jahre Entscheidungsgrundlage: Angemessener Mindestschutz Faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen Keine Beschäftigungsgefährdung Nachlaufende Orientierung an der Tarifentwicklung Ständige Evaluierung 3

4 Beschlussfassung Beschluss mit einfacher Mehrheit Zunächst muss der Vorsitzende sich der Stimme enthalten und bei Stimmengleichheit einen Vermittlungsvorschlag machen. Bei Uneinigkeit übt der Vorsitzende sein Stimmrecht aus. Kontrolle Zuständig ist die Zollverwaltung (FKS) Die Regelungen entsprechen denen bei der bisherigen Kontrolle der Mindestlöhne nach dem AEntG/AÜG Der Zollverwaltung ist es gestattet Einsicht in alle Unterlagen zu nehmen, die Auskunft über die Einhaltung geben Neueinstellungen geplant Bußgeld Bei Verstößen gegen das MiLoG können Geldbußen bis zu Euro verhängt werden (auch bei Verstößen durch Nachunternehmer) Bei mangelhafter Kooperation mit den Kontrolleuren darf das Bußgeld bis zu Euro betragen. 4

5 Ausnahmen Grundsätzlich ausgenommen sind PraktikantInnen im Rahmen der Ausbildung oder einer Einstiegsqualifikation nach SGB III Jugendliche unter 18 Auszubildende Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten Ausgenommen bis zu sind Beschäftigte, für die ein Tarifvertrag gilt oder eine Regelung nach dem AEntG oder AÜG (ab mindestens 8,50 Euro) Zeitungszusteller haben ab dem Anspruch auf 75 % und ab dem auf 85 % des Mindestlohns. Ab dem beträgt deren Mindestlohn 8,50 Euro. Fazit Deutschland hat ab 01. Januar 2015 einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro Mit zweijährigem Anpassungsrhythmus, der sich an der Tarifentwicklung orientieren soll. Mit Generalunternehmerhaftung Mit Ausnahmen International übliche Ausnahmen: Praktikanten in der Ausbildung, Auszubildende Unübliche Ausnahmen: Jugendliche (Mindestlohn 0 Euro), Langzeitarbeitslose (Definition?), Zeitungszusteller, Praktikanten nach der Ausbildung Kein Ersatz für branchenbezogene und regionale Mindestlöhne 5

6 Ergebnisse der Studie: Erfahrungen aus UK, Frankreich und den Niederlanden Verstöße gegen den Mindestlohn sind kein großes öffentliches Thema Anzahl der Verstöße sind begrenzt Es gibt insgesamt eine hohe Akzeptanz des Mindestlohns (auch auf Seiten der Wirtschaft) Der Mindestlohn stellt weitgehend eine sich selbst-durchsetzende Regelung dar 6

7 Umgehungsstrategien Kalkulation des Mindestlohns Die Kalkulation der Arbeitszeit unvergütete Arbeitszeit führt faktisch zu Stundenlohn unterhalb des Mindestlohnsatzes Bezahlung nach Stücklohn Regelung von Bereitschaftszeiten Einsatz von (Schein-)Selbstständigen und Werkverträgen Offen illegale Beschäftigung Kontrolle Spezielle Abteilung einer nationalen Arbeitsinspektion unter der Leitung des Arbeitsministeriums Frankreich (Inspection du travail) und die Niederlande (Inspectie SZW) Unterabteilung des Zoll Großbritannien (HMRC Compliance Unit) und Deutschland (FKS) 7

8 Kontrolle Empfehlung der ILO (2006): 1/ Regel: 1 Arbeitsinspektor pro Beschäftigte Beschäftigtein 1000 Arbeitsinspektoren Arbeitsinspektor pro Beschäftigter Frankreich Großbritannien* Niederlande Deutschland *ausschließlich Kontrollen des Mindestlohns Mindestlöhne in Deutschland Branchenspezifische Mindestlöhne auf der Grundlage des AEntG bzw. AÜG Regionale Mindestlöhne auf der Grundlage von Landesvergabe- und Landesmindestlohngesetzen Branche West Ost Abfallwirtschaft 8,68 Bauhauptgewerbe 11,10/13,95 10,50 Bergbau-Spezialgesellschaften 11,92/13,24 Aus- und Weiterbildung 13,00 11,65 Dachdeckerhandwerk 11,55 11,55 Elektrohandwerk (Montage) 10,00 9,10 Fleischindustrie 7,75 7,75 Gebäudereinigerhandwerk 9,31/12,33 7,96/10,31 Gerüstbauerhandwerk 10,25 10,25 Maler- und Lackiererhandwerk 9,90/12,50 9,90/10,50 Pflegebranche 9,00 8,00 Steinmetzhandwerk 11,25 10,66 Wach- & Sicherheitsgewerbe 7,50-8,90 7,50 Wäschereidienstleistungen 8,25 7,50 Forstliche Dienstleister 10,78 10,78 Leiharbeit 8,50 7,86 8

9 Kontrolle von Mindestlöhnen in Deutschland Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) Mindestlöhne nach dem Arbeitnehmer- Entsendegesetz (AEntG) Rentenversicherung Allgemeine Betriebsprüfungen Vergabestellen/ Landeskontrollbehörden Mindestlöhne nach Landesvergabe- und Landesmindestlohngesetzen Zusätzliche Behörden mit möglichen Kontrollfunktionen Arbeits- und Gesundheitsschutz, Arbeitsagenturen Formen der Kontrolle von branchenspezifischen Mindestlöhnen Anlass der Kontrollen: Hinweise aus der Bevölkerung (Nachbarn, Konkurrenten. Beschäftigten, Gewerkschaften) Branchenbezogene Schwerpunktkontrollen (nationaler, regionaler und lokaler Ebene) Verdachtslose Kontrollen Verlauf der Kontrollen Unangemeldeter Besuch von Betrieben/Baustellen Personenbefragungen Überprüfung der Betriebsunterlagen 9

10 Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) Anzahl der Prüfungen durch die FKS Quelle: Zoll : Mindestlohnprüfungen nach AEntG Ermittlungsverfahren wegen wegen Ordnungswidrigkeiten 16,7 Millionen Euro an Ordnungsgeldern 60,0 50,0 40,0 30,0 20,0 10,0 Anteil der Mindestlohnprüfungen nach AEntG an der Gesamtzahl der Prüfungen in % 32,3 38,6 47,2 53,6 55,0 Quelle: Zoll 0, Formen der Kontrolle von regionalen Vergabe-Mindestlöhnen Dezentraler Ansatz: Kontrolle durch Vergabestellen Einforderung von Mindestlohnerklärungen Routinemäßige Prüfung der Unterlagen (ungewöhnlich niedrigen Preisen) In der Regel keine Überprüfung der Einhaltung von Mindestlöhnen Ausnahme lokale Kontrollstellen (z.b. Vergabeamt Köln) Zentraler Ansatz: Kontrolle durch landeseigene Kontrollbehörden Personelle und logistische Überforderung (vor allem bei Flächenstaaten) Verbindung von zentraler und dezentraler Kontrolle Modell Bremen: Landesstelle unterstütz Kontrollen der Vergabestellen an und ordnet diese an 10

11 Fazit und Perspektiven Notwendige Voraussetzungen zur erfolgreichen Umsetzung des Mindestlohns Definition des Mindestlohnbegriffs Kontrollierbare Regelung des Verhältnisses von Mindestlohn und Arbeitszeiten Effiziente Kontrollinstitutionen und verfahren Gangbare Verfahren zur Geltendmachung der Mindestlohnansprüche Gesellschaftliche Akzeptanz!!! Definition Mindestlohn Berücksichtigung Keine Berücksichtigung Unklar Grundgehalt Trinkgelder Überstundenzuschläge Einmalzahlungen Leistungszulagen die sich auf Normalarbeit beziehen (z.b. Bauzulage) Nacht-, Samstags-und Sonntagszuschläge Leistungszulagen für Arbeit über die Normalarbeit hinaus Urlaubs- und Weihnachtsgeld Entschädigungen zur Kompensation zusätzlicher Kosten Kosten für Unterkunft und Verpflegung Vermögenswirksame Leistungen Betriebliche Altersversorge Sachleistungen 11

12 Verhältnis von Mindestlohn und Arbeitszeit Umgehungsformen Unbezahlte Mehrarbeit Ungeregelte Arbeitszeit Unkorrekte Vergütung besonderer Arbeitszeiten (Bereitschaftsdienste, Anfahrts-, Wege- und Wartezeiten) Notwendig ist eine korrekte Erfassung der Arbeitszeit Kontrolle Aufstockung um Planstellen angekündigt Über einen Zeitraum von fünf Jahren Sanktionsmöglichkeiten Bis zu Euro bei mangelhafter Kooperationsbereitschaft Bis zu Euro, wenn der Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig gezahlt wird 12

13 Durchsetzung von Ansprüchen Keine neuen Rechte zur Durchsetzung von Mindestlohnansprüchen Geringe Klagequote bei sittenwidrigen Löhnen oder Mindestlöhnen nach dem AEntG Klagen oft nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnis Klagen durch die Arbeitsagenturen Stärkung kollektiver Klagemöglichkeiten durch Einführung eines Verbandsklagerechtes für Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften Akzeptanz des Mindestlohns Erfolge in anderen Ländern sind in erster Linie mit der hohen Akzeptanz des Mindestlohns zu erklären Self-enforcing-law In Deutschland eine starke Gegenkampagne der Wirtschaft Insbesondere in UK spielte die LPC eine wichtige Rolle, um Kampagne zu entschärfen In Deutschland können Branchenbündnisse eine ähnliche Rolle spielen 13

14 Weitere Infos 14