Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie
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- Jörg Simen
- vor 6 Jahren
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1 Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie - Inhalte und Bewertung aus gewerkschaftlicher Sicht -
2 Überblick Regelungen zur Stärkung der Tarifautonomie dieses Gesetzes sind: ein flächendeckender Mindestlohn von mindestens 8,50 /Std. die Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen die Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf alle Branchen die Bündelung des Rechtsweges in der Arbeitsgerichtsbarkeit für Fragen der Rechtmäßigkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung bzw. einer diesbezüglichen Rechtsverordnung 2
3 Ab dem besteht ein Mindestlohnanspruch von 8,50 pro Zeitstunde, der sich direkt aus dem Gesetz ergibt. Stücklohn muss umgerechnet werden. Zeitpunkt der erstmaligen möglichen Anpassung des Mindestlohnes: Bereits in 2016 soll eine Kommission die weitere Anpassung festlegen. Diese Mindestlohnkommission wird alle zwei Jahre über eine Anpassung des Mindestlohnes beraten und sich dabei an der Tariflohnentwicklung der letzten zwei Jahre orientieren. Die Kommission besteht aus VertreterInnen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie beratenden Sachverständigen aus der Wissenschaft. Am Ende befindet die Bundesregierung darüber, ob sie den gefundenen Kompromiss per Rechtsverordnung in Kraft setzt. 3
4 Keine Unterschreitung Der Mindestlohn darf nicht unterschritten werden durch niedrigeren arbeitsvertraglich oder tarifvertraglich vereinbarten Lohn. Ausnahmen gelten nur für spezielle Tarifverträge, die nach dem AEntG oder AÜG alle in- und ausländischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die in der jeweiligen Branche in Deutschland tätig sind, binden (z. B. Leiharbeit, Landund Forstwirtschaft, Gartenbau, Fleischindustrie). Diese Ausnahme ist nur für eine Übergangsfrist bis zum vorgesehen. Im Jahre 2017 müssen diese Tarifverträge aber einen Mindestlohn von 8,50 pro Stunde vorsehen. 4
5 Der Mindestlohn wird spätestens zum Ende des folgenden Kalendermonats fällig. Ab diesem Zeitpunkt kann dann uneingeschränkt die tatsächliche Zahlung des gesetzlichen Mindestlohnes durch die staatlichen Behörden (Finanzkontrolle Schwarzarbeit) geprüft werden. Bei Arbeitszeitkonten gibt es Sonderregelungen zur Fälligkeit: nach 12 Kalendermonaten müssen die Guthaben-Stunden i. H. v. 8,50 ausgezahlt oder genommen sein (andere notwendige Nachbesserungen erfolgen nicht) Arbeitgeber, die Minijobberinnen und Minijobber beschäftigen und in bestimmten Branchen tätig sind, in denen die Schwarzarbeit besonders verbreitet ist, müssen die geleisteten Stunden aufzeichnen und die aktualisierten Aufzeichnungen immer zur Einsicht vorliegen haben. 5
6 Durchsetzung des Anspruchs Jede und jeder kann seinen gesetzlichen Anspruch auf dem Klagewege innerhalb von drei Jahren geltend machen. Es gelten für Lohn i. H. v. 8,50 pro Stunde keine Ausschlussfristen. Verstöße können bei einer geplanten Informations- und Beratungsstelle gemeldet werden. Arbeitnehmer können ihre Mindestlohnansprüche auch vom Generalunternehmer oder dem Nachunternehmer verlangen, wenn der "eigene" Arbeitgeber nicht zahlt. 6
7 An Durchsetzungsmöglichkeiten fehlen: Schutz vor Repressionen bei Meldung von Verstößen an öffentliche Stellen Erleichterungen zur Beweisführung zur Durchsetzung des Mindestlohnanspruchs für Arbeitnehmer ein Verbandsklagerecht für die im Betrieb vertretenen Tarifvertragsparteien 7
8 Persönlicher Geltungsbereich/Ausnahmen vom Mindestlohn Der Mindestlohn soll für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie für Praktikantinnen und Praktikanten nach 26 BBiG gelten. Eine akzeptable Ausnahme sind Praktika, die studien- oder ausbildungsbegleitend sind, ebenso wie Ausbildungsverhältnisse und andere Ausbildungen nach dem BBiG. Ausnahmen vom Mindestlohn für Praktika: Praktika bis zu drei Monaten zur Berufsorientierung oder zur Studienwahl und Praktika begleitend zur Berufs- oder Studienausbildung. Vorgeschrieben ist nun, dass für alle Praktika diese Vertragsinhalte, wie auch Lern- und Ausbildungsziele vom Arbeitgeber schriftlich mitgeteilt werden müssen. Scheinpraktika können durch günstigere Beweisregeln besser entlarvt werden. 8
9 Ausnahme vom gesetzlichen Mindestlohn für alle Jugendliche: Die Ausnahme von Jugendlichen unter 18 Jahren gilt generell, auch für Azubis mit Nebenjob. Sie wird damit begründet, dass sie nicht von einer Berufsausbildung abgehalten werden sollen. Dies ist in der Praxis schon derzeit nicht der Fall und wissenschaftlich nicht nachgewiesen. Im Gegenteil: Studien und Praxis in anderen Ländern machen deutlich, dass Verdrängungseffekte zu Älteren erfolgen und entsprechende Geschäftsmodelle entwickelt werden Die Regelung ist auch verfassungsrechtlich bedenklich. 9
10 Ausnahme vom Mindestlohn für Langzeitarbeitslose: Die Ausnahme von der Vergütungspflicht von 8,50 /Std. bei Langzeitarbeitslosen findet sich in keinem anderen europäischen Staat. Diese Diskriminierung, die zugleich eine Stigmatisierung verschärft, ist falsch. Die Bekämpfung der Probleme Langzeitarbeitsloser, die gering qualifiziert sind, ist durch bessere Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen möglich. 10
11 1. Ausnahme vom Mindestlohn für ZeitungszustellerInnen Sie haben aber Anspruch: ab 1. Januar 2015 auf 6,38 (75% von 8,50 /Stunde) ab 1. Januar 2016 auf 7,23 (85% von 8,50 /Stunde) ab 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2017 auf mindestens 8,50 /Stunde ab 1. Januar 2018 auf Mindestlohn in der von der Mindestlohnkommission bestimmten Höhe 11
12 2. Sonderregelungen für Saisonarbeit: nicht bezüglich Mindestlohn nur im Hinblick auf die sozialversicherungsrechtliche Behandlung, wenn die Tätigkeit nicht berufsmäßig ist und nicht länger als 70 Tage im Jahr dauert (auf 4 Jahre begrenzt bis , dann wieder 50 Tage). 12
13 3. Anspruch auf den Mindestlohn haben auch MinijobberInnen, RentnerInnen, Taxifahrer, wenn Sie in einem Arbeitsverhältnis tätig sind. Ehrenamtliche Tätigkeit ist keine auf Entgelt gerichtete Arbeit, kann aber steuerlich begünstigt werden. 13
14 Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung im TVG Das 50 %-Quorum bzgl. der bei tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigten ArbeitnehmerInnen der Branche wird zukünftig nicht mehr verlangt, aber nunmehr neu ein gemeinsamer Antrag der Tarifvertragsparteien. Im Rahmen der Prüfung des öffentlichen Interesses für die Allgemeinverbindlichkeit soll es zukünftig nur darauf ankommen, 1. ob der Tarifvertrag für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen überwiegende Bedeutung hat; entscheidend ist nunmehr die Reichweite des Tarifvertrages oder 2. ob der Tarifvertrag gegen die Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklungen absichert ist 14
15 Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung Wichtige sozialpolitische Ziele, die durch gemeinsame Einrichtungen der Tarifpartner geregelt werden, werden ebenfalls ohne 50 %-Quorum ermöglicht, ihre Regelungsgegenstände sind aber begrenzt. Sie müssen neben anderen Tarifverträgen, an die der Arbeitgeber gebunden ist, eingehalten werden. Das Gesetz enthält für das Allgemeinverbindlichkeitsverfahren keine Änderungen der Regelungen hinsichtlich des Tarifausschusses nach TVG. Jüngstes Negativbeispiel einer Blockadehaltung der Arbeitgeberverbände war der Antrag für einen Tarifvertrag im privaten Omnibusgewerbe in Bayern, der deshalb nicht zur Anerkennung gelangen konnte. 15
16 Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf alle Branchen Bereits aufgenommene Branchen bleiben explizit aufgenommen. Der Katalog kann erweitert werden. Erweiterung auf alle Branchen, so dass ohne Aufnahme der Branche ins Gesetz, aber mit einem besonderen Verfahren die Erstreckung des Tarifvertrages durch Rechtsverordnung geprüft und gegebenenfalls vorgenommen werden kann. 16
17 Bessere Rechtsklärung Bündelung des Rechtswegs zur Arbeitsgerichtsbarkeit, wenn es um Fragen der Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung geht. Vorteile: Klarheit und Vermeidung von Doppelarbeit bei den Gerichten Die Verkürzung des Rechtsweges von bisher drei auf zwei Instanzen (Reduzierung auf eine Tatsacheninstanz) ist bei den wichtigen Verfahren zur Tariffähigkeit, Tarifzuständigkeit und zur Klärung der Rechtmäßigkeit von Allgemeinverbindlicherklärungen kontraproduktiv. 17
18 Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! 18
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