Die deutsche Mitbestimmung in der Praxis
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- Bella Arnold
- vor 7 Jahren
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1 Die deutsche Mitbestimmung in der Praxis Roland Wolf, BDA
2 Mitbestimmung in der Praxis Stimmen aus der Praxis FAZ v. 6. Juli 2006: Ich kenne kein Unternehmen, dass wegen der Mitbestimmung untergegangen wäre. (...) Es ist nicht korrekt, meinen Respekt vor der Arbeit von Betriebsräten vor allem denen bei Opel zu verwechseln mit einem undifferenzierten Eintreten für die Mitbestimmung Hans Wilhelm Gäb, ehem. Opel- Aufsichtsratschef in einem Leserbrief an die FAZ, die ihn mit der falschen Aussage zitiert hatte: Ich kenne kein Unternehmen, das die Mitbestimmung pflegt, das am Markt nicht erfolgreich gewesen wäre. 2
3 I. Unternehmensmitbestimmung Mitbestimmung deutscher Form ist ein Unikat - Sie läßt sich möglicherweise aus der Verfassung rechtfertigen - Sie ist aber nicht durch die Verfassung geboten. Mitbestimmung wird sich ändern, auch wenn der deutsche Gesetzgeber nichts ändert. 3
4 Systemimmanente Praxisprobleme Personenidentität BR und Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat führt dazu, dass Unternehmensmitbestimmung vielfach zum verlängerten Arm der betrieblichen Mitbestimmung geworden ist. Folge: Sachwidrige Koppelungsgeschäfte Kumulation von Einflussmöglichkeiten - Kritische Stimmen aus den Unternehmen oder Vorständen werden aufgrund von Abhängigkeiten verständlicherweise selten öffentlich geäußert - Alle potentiellen Beweisführer selbst Betroffene sind. 4
5 Europäischer und internationaler Wandel und deutsche Mitbestimmung Die Entwicklung des europäischen Gesellschaftsrechts -SE, - Verschmelzungsrichtlinie und - Sitzverlegung Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Niederlassungsfreiheit Internationale Corporate Governance- Entwicklung Unabhängigkeit der Kontrolleure Gremiengröße 5
6 Unternehmensmitbestimmun g in Europa Keine Unternehmensmitbestimmung: - Großbritannien, Italien, Spanien, Portugal, Irland, Belgien, Griechenland, Litauen, Lettland, Estland, Malta, Zypern Drittelbeteiligung: - Österreich, Luxemburg, Ungarn, Polen, Tschechien, Slowakei, Slowenien Andere Mitbestimmungssysteme, aber unterhalb des deutschen Niveaus: - Skandinavien, Niederlande (ähnlich Drittelbeteiligung) - Frankreich (keine echte Mitbestimmung in Privatunternehmen) 6
7 System der Arbeitnehmerbeteiligung in der SE weitestgehende Mitbestimmung greift, wenn: Parteien dies vereinbaren beim Scheitern der Verhandlungen, wenn bei einer SE-Gründung durch Umwandlung vorher Mitbestimmungsrechte bestanden wenn bei einer SE-Gründung durch Verschmelzung vorher Mitbestimmung bestand und sich auf mindestens 25% der Arbeitnehmer erstreckte wenn bei einer SE-Gründung durch Gründung einer Holding-SE oder Tochter-SE bereits Mitbestimmung bestand und sich auf mindestens 50 % der Arbeitnehmer erstreckte 7
8 System der Arbeitnehmerbeteiligung nach der Verschmelzungsrichtlinie / Sitzverlegung Verschmelzungsrichtlinie (10. RiLi): - Grundsatz: Mitbestimmung des Ziellandes: - Ausnahme: Verhandlung über die Mitbestimmung, wenn ein beteiligtes Unternehmen weitergehender Mitbestimmung als der im Zielland unterliegt und mehr als 500 Arbeitnehmer hat oder Mitbestimmung im Zielland geringer ist, als bei einer der beteiligten Gesellschaften - Auffangregelung beim Scheitern der Verhandlungen, wenn 1/3 aller beteiligten Beschäftigten von Mitbestimmung betroffen sind - (Möglichkeit der Mitgliedstaaten, Arbeitnehmerbeteiligung im Verwaltungsrat auf 1/3 zu begrenzen.) 14. RiLi zu grenzüberschreitenden Sitzverlegungen Auffangregelung wahrscheinlich ähnlich VerschmelzungsRiLi 8
9 Die EuGH-Rechtsprechung Überseering Centros Inspire Art SEVIC Niederlassungsfreiheit erfordert, dass jede in einem Mitgliedstaat wirksam gegründete Gesellschaft ihren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen kann, ohne dadurch zu einer Gesellschaft des Ziellandes zu werden oder werden zu müssen. Gilt auch für die Mitbestimmung 9
10 Das BDA/BDI-Konzept zur Modernisierung der Unternehmensmitbestimmung 1. Gesetzliche Öffnung zur Vereinbarung von Mitbestimmung in Unternehmen angelehnt an das europäische Verhandlungsmodell 2. Vereinbarungsoptionen Gesetzliche Regelbeispiele 3. Auffanglösung 10
11 Gesetzliche Öffnung für Vereinbarungslösungen Verhandlungsfreiheit Individuelle Lösung für jedes Unternehmen und seine Arbeitnehmer Obergrenze: Mitbest
12 Vereinbarungsoptionen gesetzliche Regelbeispiele Mitbestimmungsmodell in Anlehnung an die paritätische Mitbestimmung nach dem MitbestG 1976 Mitbestimmungsmodell in Anlehnung an das Drittelbeteiligungsgesetz Neues Mitbestimmungsmodell des Konsultationsrates: Gremium von Arbeitnehmervertretern außerhalb des Aufsichtsrats 12
13 Auffanglösung Muss tatsächlichen Verhandlungsanreiz bieten. In der dualistischen Unternehmensverfassung (bisher in Deutschland als einzige vorhanden Vorstand und Aufsichtsrat): Drittelbeteiligung In der monistischen Unternehmensverfassung Konsultationsrat 13
14 Weitere mögliche Reformfolgen Verkleinerung des Aufsichts- bzw. Verwaltungsrates Einbeziehung ausländischer Belegschaften durch Verhandlungsoption Abschaffung reservierter Sitze Wahlverfahren erneuern 14
15 II. Betriebsverfassung Vertrauensvolle Zusammenarbeit bestimmt meistens das Verhältnis von Arbeitgeber und Betriebsrat Die sog. Reform der Betriebsverfassung 2001 hat diese verkompliziert, bürokratisiert und verändert Betriebsverfassung muss schneller, anpassungsfähiger, vereinbarungsoffener werden. Betriebsratsarbeit wird an Bedeutung zunehmen. 15
16 Das Konzept für die Modernisierung der betrieblichen Mitbestimmung Strukturen der Betriebsverfassung flexibilisieren und für betriebliche Vereinbarungen öffnen Legitimation der Betriebsräte gewährleisten und Wahlverfahren demokratisieren Mitbestimmungsverfahren beschleunigen und Missbräuche verhindern Betriebsverfassung straffen und Schwellenwerte anheben Betriebsverfassung insgesamt entbürokratisieren 16
17 Strukturen der Betriebsverfassung flexibilisieren und betrieblichen Vereinbarungen öffnen betriebliche Regelungen über Betriebsratsstrukturen ermöglichen (Abschaffung des Tarifvorbehalts) betriebliche Regelungen über vom Gesetz abweichende Arbeitnehmervertretungen ermöglichen 17
18 Legitimation der Betriebsräte Kein BR gegen den Willen der Belegschaftsmehrheit Einrichtung eines Betriebsrates von der Erreichung eines Wahlquorums Mindestwahlbeteiligung von einem Drittel Kein Zwang zum vereinfachten Wahlverfahren, in Betrieben mit bis zu 100 Arbeitnehmern allenfalls freiwillig Elektronische Stimmabgabe ermöglichen 18
19 Mitbestimmungsverfahren beschleunigen Einführung einer Beschleunigungsvorschrift, die dem Arbeitgeber vorläufige Entscheidungen ermöglicht Beschleunigung der Einigungsstellenverfahren durch die Einführung von Fristen und vorläufige Durchführungsmöglichkeit nach deren Ablauf Wahrung der Rechte des BR durch die Möglichkeit der nachträglichen gerichtlichen Überprüfung Begrenzung der Einigungsstellenkosten durch Gebührenordnung 19
20 Betriebsverfassung straffen Rücknahme der Novellierung von 2001 (Kosten BR- Arbeit 1998 ca. 265 pro Beschäftigtem, 2003: 338 ) Anhebung und Vereinheitlichung von Schwellenwerten, Verhandelbarkeit Berücksichtigung von Teilzeitbeschäftigten bei der Berechnung von Schwellenwerten nur anteilig entsprechend ihrer Arbeitszeit (pro-rata-temporis- Grundsatz) Förderung der Ausbildungsbereitschaft durch Herausnahme von Azubis aus der Schwellenwertberechnung; keine Übernahmeverpflichtung für Azubis, die Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung sind 20
21 Betriebsverfassung entbürokratisieren Rückführung von im Ansatz allgemeinpolitischen Regelungskomplexe wie Zuständigkeiten für Umweltpolitik, Chancengleichheit etc. Hinzuziehung externer Beraters nur nach Rücksprache mit dem Arbeitgeber Beschleunigung des Interessenausgleichs- und Sozialplanverfahrens Abschaffung des Initiativrechts des BR hinsichtlich Weiterbildungs- und Schulungsmaßnahmen und der Pflicht zur kostenintensiven Soll-Ist-Analyse Kein bürokratisches Verfahren bei Vorschlägen des BR zur Beschäftigungssicherung, kein Zwang zur schriftlichen Ablehnung bei mehr als 100 Beschäftigten 21
22 Reform einzelner Mitbestimmungsrechte (Auszug) Korrektur der Rechtsprechung des BAG, wonach sich Mitbestimmungsrecht des BR nach 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht nur auf die Arbeitszeit, sondern auch auf die Betriebsnutzungs- bzw. Ladenöffnungszeit bezieht Ergänzung des Mitbestimmungsrechts nach 87 Abs. Abs. 1 Nr. 3 BetrVG zur Mehrarbeit für Eilfälle Anordnung ohne BR-Beteiligung beim Vorliegen betrieblicher Gründe Abschaffung des Mitbestimmungsrechts über die Grundsätze der Durchführung von Gruppenarbeit in 87 Abs. 1 Nr. 13 BetrVG, wegen Beeinträchtigung der Gruppenautonomie, innovativer Entwicklungen und Zusammenwirken zwischen Arbeitgeber und Arbeitsgruppen 22
23 Reform der Betriebsverfassung Keine Konkretisierung von Arbeitsschutzvorgaben durch den BR im Rahmen der Mitbestimmung beim Gesundheitsschutz, weil dies Aufgabe der Berufsgenossenschaft ist und anderenfalls bürokratische Doppelzuständigkeit entsteht Nur unterlassene und nicht die fehlerhafte Anhörung des Betriebsrates sollte zur Unwirksamkeit einer Kündigung führen können. 23
24 Wachsende Verantwortung der Betriebsräte Zukunftsfähigkeit der Tarifautonomie und des Branchentarifvertrages erfordert Erweiterung der betrieblichen Gestaltungsspielräume im Rahmen der Tarifautonomie. Dazu müssen auch auf betrieblicher Ebene betriebliche Bündnisse für Arbeit zur Sicherung und zum Ausbau von Beschäftigung ermöglicht werden - Bündnisse durch Öffnungsklauseln ermöglichen - Günstigkeitsprinzip klarstellen - Tarifvorrang bewahren. 24
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