Internetbasierte Interventionen bei Angststörungen und Depression. Thomas Ein Überblick Berger, Universität Bern
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- Claus Salzmann
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1 Internetbasierte Interventionen bei Angststörungen und Depression. Thomas Ein Überblick Berger, Universität Bern Thomas Berger Universität Bern
2 Was denken Therapeuten über psychologische Interventionen via Internet? «interessiert mich nicht» «möchte ich nicht» «glaube nicht, dass das funktioniert» «funktioniert vielleicht, aber sicher nicht bei meinen Patienten» Wells et al. (2007); Mora et al. (2008)
3 Forschung im Bereich E-Mental-Health / Internet Interventionen in Deutschland und der Schweiz 2008
4 Forschung im Bereich E-Mental-Health / Internet Interventionen in Deutschland und der Schweiz 2013
5 Internetbasierte Interventionsansätze Internet als... Kommunikationsmedium Interventionsansatz -, Chat- Beratung/Therapie, Therapie via Skype... Therapeutengeleitete Selbsthilfe (guided self-help) (Selbsthilfeprogramm & meist wöchentlicher Kontakt mit Th.) Informationsmedium Ungeleitete Selbsthilfeprogramme (ohne Input von Klinikern)
6 Vorläufer Internetbasiert -, Chat- Beratung/Therapie via Skype... Vorläufer Telefon-, Schreibtherapie /Beratung Therapeutengeleitete Selbsthilfe (Selbsthilfebuch & z.b. Telefonkontakt) Ungeleitete Selbsthilfeprogramme Selbsthilfebücher, -videos, - audios
7 Frühe therapeutengeleitete Selbsthilfeansätze Metaanalyse: Guided Self-help vs. Face-to-Face Therapie bei Angststörungen und Depression (Cuijpers et al., 2010) Guided Self-Help bei Angststörungen und Depression gleich wirksam wie Face-to-Face Therapie
8 Fallbeispiel (Frau Siegfried) Internetbasiertes geleitetes Selbsthilfeprogramm bei verschiedenen Angststörungen
9 Fallbeispiel (Frau Siegfried)
10 Fallbeispiel (Frau Siegfried) Anmeldung auf dem Postweg: Halloechen
11 Nicknamen Beispiel Art Was dahinter stecken kann meier1972 t.berger maiglöckchen, schlumpfinchen DingDong33 ohmmmxl powerseller-567 Linux-Hacker Tokyohotel4ever hertha_bsc1 Hackfresse, dumme-sau Nickname setzt sich aus biografischen Angaben zusammen Nickname enthält verniedlichende Worte Namen, die mit Wortklängen spielen Namen, die auf fachbezogene Qualifikationen hinweisen z.b. Starnamen, jugendsprachliche Ausdrücke Provokative Nicknamen Seriöse erwachsene User, die aus praktischen Gründen im Internet unterwegs sind; vertrauenswürdige Geschäftspartner Überwiegend weibliche, harmoniebedürftige, soziale User, denen privater Austausch wichtig ist Meist männliche User, die sich kontaktfreudig, offensiv und mit Humor im Netz bewegen Überproportionaler Männeranteil, starkes Kompetenzgebaren für Wissensbereich; User mit festen Meinungen, hoher Autonomie Meist junge User In der Regel wenig harmoniebedürftige User (siehe auch Knatz, 2008)
12 Fallbeispiel (Frau Siegfried) Kofi Annan und Adolf Ogi in Kandersteg
13 Fallbeispiel (Frau Siegfried) Gründe für die Teilnahme an einer internetbasierten Intervention: kein Psychotherapeut in der Nähe kann nicht alleine nach Frutigen, Spiez oder Thun fahren ist Lehrerin und hat Angst vor Stigmatisierung möchte lieber psychologisch als medikamentös von Hausarzt behandelt werden
14 Allgemein: Gründe für die Teilnahme an internetbasierten Interventionen Betroffene möchten eigentlich in eine traditionelle Psychotherapie, können aber nicht (ca. 30%) Kein Therapeut verfügbar (vor Ort oder lange Wartelisten); Hemmungen einen Therapeuten aufzusuchen, Vermeidungsverhalten, Angst vor Stigmatisierung Betroffene möchten nicht in eine traditionelle Therapie (30%) Betroffene wären sonst nicht auf die Idee gekommen, eine Therapie aufzusuchen; keine Zeit; Internetansatz ist bequemer; arbeiten lieber selbständig; schlechte Meinung von Psychotherapie Betroffene waren schon in einer traditionellen Therapie (40%) Betroffene möchten einen anderen Ansatz ausprobieren; schlechte Erfahrungen mit Therapie/Therapeuten; geben an, dass sie nun stärker selbst die Verantwortung für die Veränderung übernehmen wollen
15 Fallbeispiel (Frau Siegfried) Fragebogen Abklärung (Online)
16 Fallbeispiel (Frau Siegfried) Diagnostisches Interview (SKID telefonisch durchgeführt) Frau Siegried erfüllt die Kriterien der Sozialen Angststörung und der Panikstörung mit Agoraphobie Abklärung Suizidalität und Erarbeiten eines individuellen Notfallplans
17 Internetbasierte therapeutengeleitete Selbsthilfe Hauptkomponente Selbsthilfeprogramm Patienten werden therapeutische Inhalte und Übungen vermittelt, die meist auf kognitiv-verhaltenstherapeutischen Methoden basieren - Psychoedukation - Kognitive Umstrukturierung - Entspannungsübungen - Akzeptanz / Achtsamkeit - Aufmerksamkeitstraining - Verhaltensaktivierung - Anleitung zu Expositionen - Problem lösen - Soziale Kompetenz -...
18 Internetbasierte therapeutengeleitete Selbsthilfe 2. Komponente: Therapeutische Unterstützung Wöchentliches motivierendes Feedback via Beantworten von Fragen der Patienten via Wenig zeitintensiv für Therapeuten Im Schnitt beträgt der therapeutische Aufwand pro Patient 2-3 Std. in einer 10-wöchigen Behandlung Zeitintensive Behandlung für Patienten Im Schnitt verbringen Patienten ca. 20 Stunden mit dem Selbsthilfeprogramm in einer 10-wöchigen Behandlung (z.b. Berger et al., 2011)
19 Fallbeispiel (Frau Siegfried) «Massgeschneidertes» Selbsthilfeprogramm Panikstörung Soziale Angststörung Panikstörung GAD-Symptome Panik-, GAD-Symptome
20 Sitzung 3
21 Liebe Halloechen Ich habe mich gefreut zu sehen, dass Sie Sitzung 1 durchgearbeitet haben. Ihre Einträge in das Protokoll «Angstauslösende Situationen» sind gut nachvollziehbar! Das ist eine sehr gute Voraussetzung für die weiteren Sitzungen. Machen Sie weiter so. Wichtig wäre, dass Sie beginnen auch die Entspannungsübung regelmässig durchzuführen. Gerne können Sie dann auch mit Sitzung 2 beginnen und bei Fragen stehe ich hier gerne zur Verfügung. Liebe Grüsse Thomas Berger Wöchentliches relativ standardisiertes Feedback
22 Plus: Beantworten von Fragen Beispielfrage: Hallo Herr Berger Ich fühle mich grad TOTAL schlecht. Ich schaffe einfach nicht, was ich mir vorgenommen hatte bzw. was wir in der letzten besprochen hatten. Es ist einfach nur SCHRECKLICH! Die Übungen habe ich nicht gemacht, im Haushalt habe ich nichts erledigt, für das Studium habe ich nichts gemacht und die 3 x Sport habe ich auch nicht geschafft. Und mein Freund sagt, dass sei ja nicht so schlimm. Inzwischen beklagt er sich über mein Jammern. Ich bin grad demotiviert und alles ist zu viel. Ich glaube nicht, dass ich die Übungen nächste Woche schaffe. Liebe Grüsse Halloechen
23 So würden wir nicht zurückschreiben... Liebe Halloechen Vielen Dank für Ihre . Das ist nicht so schlimm, dass Sie die Uebungen nicht geschafft haben. Ihre Motivationsprobleme gehen bestimmt vorüber und den Haushalt können Sie ja auch mal ruhen lassen. Toll fände ich, wenn Sie nächste Woche die Übungen trotzdem versuchen durchzuführen. Bitte schreiben Sie mir doch kurz, wenn Sie die Übungen durchgeführt haben. Das schafft vielleicht auch etwas Verpflichtung. Ich freue mich über diese s. Liebe Grüsse Thomas Berger werde ernst genommen vermeide überfordert zu werden
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25 Austausch zwischen Patienten in Diskussionsforen 18
26 Empirische Evidenz Internetbasierte Ansätze bei Angststörungen und Depressionen Behandlungsansatz -, Chat-Therapie Geleitete Selbsthilfeprogramme Ungeleitete Selbsthilfeprogramme Empirische Erkenntnisse Geringe Zahl an kontrollierten Studien Depression (Vernmark et al.; Kessler et al.) Vielversprechende Resultate Grosse Zahl an kontrollierten Studien Versch. Störungen (v.a. Angstst.) Sehr homogene Ergebnisse Sehr vielsprechende Resultate Beachtliche Zahl an RCTs Oft Depression (depressive Sympt.) Heterogene Ergebnisse Im Schnitt: Kleine bis mittlere Effekte Oft sehr hohe Dropout-Raten
27 Welche Rolle spielt der therapeutische Kontakt? Effektstärken im Vergleich zu Wartelisten (Cohen s d; ITT Analysen) Guided Self-Help - Therapie Reine Selbsthilfe Anzahl Stunden Therapeutenaufwand in 10-wöchiger Intervention
28 Qualifikation der Therapeuten? -, Chat-Therapie keine Studien mit NICHT qualifizierten Psychotherapeuten es braucht gut ausgebildete psychologische Psychotherapeuten Geleitete Selbsthilfeprogramme vergleichbare Effekte auch mit wenig ausgebildeten Coaches (Titov et al., 2009; 2011) wenig ausgebildete Coaches werden aber von gut ausgebildeten Psychotherapeuten supervidiert (insbesondere bei schwierigen Fällen wichtig) Ungeleitete Selbsthilfeprogramme keine Therapeuten involviert
29 Wichtige Einschränkung bei vielen Studien Probanden werden über Medien aus der Bevölkerung rekrutiert Selbstselegierte Stichproben: Probanden möglicherweise besonders motiviert und geeignet für internetbasierte Ansätze Efficacy-Studien ( Laborstudien in universitären Settings) Funktionieren internetbasierte Interventionen auch in der Regelversorgung?
30 Bei freier Wahl zwischen Internet- und Face-to-Face Therapie wählen ca. 50% die Internettherapie
31 Internetbasierte Guided Self-Help in der Routinepraxis - Internetpsychiatrie Stockholm Patienten werden von Hausärzten überwiesen oder suchen Hilfe in der Psychiatrie 126 diagnostizierte SozialphobikerInnen (Hedman et al., 2011) Sozialphobische Symptomatik - LSAS Fremdeinschätzung Gruppentherapie Guided Self-Help
32 Mögliche Integration ins bestehende Versorgungssystem Stepped Care Ansatz Internetbasierte Interventionen als Vorbereitung auf eine Psychotherapie (für Patienten auf Wartelisten) Internetbasierte Nachsorge / Rückfallprävention (Arbeitsgruppe Kordy, Heidelberg; D. Ebert, Marburg) Internetbasierte Interventionen als Teil einer Psychotherapie ( blended treatments; siehe nächste Folie)
33 Blended treatments Theorien der Medienwahl Beispiel Media Richness Modell von Reichwald et al. (2000)
34 Managementwissen abgeleitet aus dem Media Richness Modell (Reichwald et al., 2000) Reiche Medien (Face-to-Face-Kommunikation) geeignet für... Aufgaben, bei welchen es um das Erarbeiten eines gemeinsamen, geteilten Ad-Hoc-Verständnisses eines Problems geht, dessen Ergebnis unsicher, offen und unvorhersehbar ist und zu neu konstruierten, der Situation angepassten Handlungen führt. Ärmere Medien geeignet für... Aufgaben, bei welchen das Verständnis eines Problems klar definierten Regeln folgt, dessen Ergebnis vordefinierten, bereits bekannten Kategorien zugeordnet werden kann und zu vorhersehbaren, geplanten und relativ standardisierten Aktionen führt.
35 Therapiebeziehung Defizitorientierte Sicht: Problem «Physische Distanz» Problem «Sinnreduzierter Austausch» (kein Bild, keine non- und paraverbalen Signale, keine Hinweise, die zur Bestätigung oder zum Infragestellen verbaler Informationen dienen) Problem «Keine Unmittelbarkeit des Austausches» (bei asynchroner Kommunikation wie )
36 Aussagen von Patienten zur Therapiebeziehung in einer Online Therapie «Ich glaube nicht, dass das eine Beziehung war. Was ich bräuchte wäre jemand zu dem ich von Angesicht zu Angesicht sprechen könnte. Über das Internet entsteht einfach nicht die gleiche Nähe, wie wenn man sich gegenüber sitzt.»
37 Typische Aussagen von Patienten zur Therapiebeziehung in einer Online Therapie «Ich war überrascht, wie schnell ich mich in der Beziehung zur Therapeutin wohl gefühlt habe. Ich hatte sehr rasch das Gefühl, dass ich die Therapeutin sehr gut kenne, als würde ich ihr gegenüber sitzen, und ich merkte auch, dass sie mich gut versteht.».
38 Telepräsenz (virtuelle Therapeutin wird als präsent wahrgenommen) Viele Online-Patienten machen sich ein Bild von ihren Therapeuten Imagination/ Vorstellung bezüglich TherapeutIn und Therapiebeziehung in Online Therapien wichtiger als in face-toface Therapien Wechselseitige Idealisierung der Kommunikationspartner im Internet (aufgrund der Absenz eines physischen Bildes und zeitverzögerter Kommunikation; Walther, 1996)
39 Aussagen von Patienten zur Therapiebeziehung in einer Online Therapie
40 Besonderheiten der Therapiebeziehung Höheres Mass an Offenheit, Aufrichtigkeit und Intimität (Enthemmungseffekt; «Patienten kommen schneller auf den Punkt»; Suler, 2001) Mehr Selbstbestimmung durch Patienten (bezüglich Themenauswahl bzw. inhaltliche Schwerpunktsetzung; Tempo und Intensität der Arbeit; Frequenz und Länge der Kontaktaufnahme) Patienten und Therapeuten können ausführlich über Korrespondenz/Reaktion reflektieren (auch neue Möglichkeiten der Supervision)
41 Fazit Viele Hinweise, dass internetbasierte Interventionen bei Angststörungen und Depressionen wirksam sind (v.a. Angebote mit therapeutischem Kontakt) Wir sollten mehr wissen über... Prädiktoren und Wirkmechanismen? Bei wem und wie wirken internetbasierte Ansätze? Wirksamkeit in der Regelversorgung? Wie können internetbasierte Ansätze mit traditionellen Face-to-Face-Ansätzen optimal kombiniert werden? Sinnvolle nachhaltige Implementierung ins Versorgungssystem?
42 Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! Guten Morgen! An was möchten Sie heute arbeiten?
43 Liebe Halloechen Vielen Dank für Ihre . Ich habe verstanden, dass Sie sehr belastet sind, momentan alles zu viel ist und ich finde es gut, dass Sie mir das so offen schreiben. Beim Lesen Ihrer Nachricht kam mir zunächst das Bild eines sehr grossen Berges von Dingen, die zu erledigen sind oder die Sie erledigen möchten. Und mit den Übungen und Aufgaben, die wir letzte Woche besprochen und die Sie sich vorgenommen haben, haben wir zusätzlich zu diesem Berg beigetragen. Was Sie mir geschrieben haben ist wichtig und Sie sollten mir auch in Zukunft schreiben, wenn ich Sie mit den Aufgaben überfordere. Kann ich darauf zählen, dass Sie mir auch weiterhin sofort schreiben, wenn ich Sie mit einer Aufgabe überfordere? Auch für nächste Woche ist wichtig, dass Sie zu grosse Schritte vermeiden. "Kleine Schritte" sind wichtig. Könnten Sie sich vorstellen zu überlegen, was realistische kleine Schritte wären? Liebe Grüsse Thomas Berger
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