Wie Hafenlotsen Tonnen einparken

Transkript

1 Quelle >> Fotomaterial >> NDR Fotograf: Sven Alexander Heine Wie Hafenlotsen Tonnen einparken von Carolin Fromm Mit 1,852 Kilometern pro Stunde schiebt sich die Stahlwand des Containerschiffs der Kaimauer entgegen. Oben, in 55 Metern Höhe, beugt sich Hafenlotse Jan Peter langsam über die Reling der "Santa Rita". Er guckt an dem roten Stahl entlang auf das Wasser des Hamburger Hafens. Es glänzt orange von den Lichtern des Athabaskakais. Keine zehn Meter bleiben zwischen der Mauer und dem Tonnen schweren Containerschiff. In wenigen Minuten soll es dort möglichst geschmeidig anlegen. Hafenlotse Jan Peter lenkt rund 400 Schiffe im Jahr durch den Hamburger Hafen. Im Alter von 13 Jahren arbeitet der Hamburger das erste Mal in den Ferien auf einem Schiff. Nach der Schule macht er sein Kapitänspatent. "Kapitän werden war immer mein Ziel. Ich möchte nie tauschen", sagt der 47-Jährige.

2 Erst einmal beschleunigen Vor über einer Stunde ist Jan Peter aus dem Lotsenboot in die Seite der "Santa Rita" geklettert, bei sechs Knoten - und doch scheint es beim Umsteigen, als würden beide Boote still stehen. Der Erste Offizier begrüßt ihn. Die beiden brauchen keine fünf Minuten durch den Bauch des Schiffes: eine Leiter hoch, durch die Luke, an den grauen Zylinderdeckeln der Maschine vorbei, in den Aufzug, rechts durch die Tür. Es riecht nach Schiffsdiesel. Die Maschine pocht. Peter ist kaum auf der Kommandobrücke angekommen, da hat er schon den Kapitän begrüßt, den Elblotsen verabschiedet und die Jacke ausgezogen. Ein Wort zum bevorstehenden Urlaub des Kapitäns, man kennt sich und ist schnell einig: Erst mal soll die "Rita" auf 7,4 Knoten beschleunigen. "Ein Schiff ist wie ein LKW auf Glatteis" Hafenlotse Peter ist zwei Meter groß, mit seinen gemächlichen Schritten gleitet er fast durch die Brücke. Es sei egal, was auf Deck passiert, der Lotse müsse immer entspannte Stimmung verbreiten, findet der 47-Jährige. Seit elf Jahren dockt der studierte Kapitän Schiffe bei Blohm+Voss ein und navigiert Meeresriesen unter Brücken hindurch in einen der 320 Liegeplätze im Hafen. "Ein Schiff ist wie ein LKW auf Glatteis", beschreibt Peter sein Arbeitsgerät und lächelt. An seinem Handgelenk baumelt ein Lederarmband, zwei große Ringe stecken an einem Finger. Sieben Tage am Stück muss er bereit stehen und sofort seine Roadster starten, wenn der Lotsen-Einteiler anruft. Eine gute Stunde hat er dann Zeit, um zum Lotsenhaus zu fahren - auch nachts. "Es ist hilfreich, wenn man auf Kommando schlafen kann."

3 Kommandos im Sekundentakt NDR Fotograf: Sven Alexander Heine Peters Blick aus der Brücke: Meist steuert der Hafenlotse auf Sicht. "Steuerbord 5. Midschiffs. Stopp Maschine." Peters Kommandos an die Rudergängerin am Steuer der "Santa Rita" kommen im Sekundentakt. Ruhig. Bestimmt. Ein Auge hat Peter auf den vielen Anzeigen. Meist gucken beide aufs Wasser. Wann muss er bremsen? Wie lange wie viel Grad nach rechts fahren? Wie stark soll die Maschine dabei laufen? Er weiß all das aus Erfahrung. Dem Kapitän schlägt er zwei Schlepper vor. "Ohne den Hafenlotsen geht es gar nicht", findet der. 13 Häfen liegen auf der Route der "Santa Rita" - jeder mit ganz anderen Herausforderungen. Alle 49 Tage der gleiche Ablauf Die "Santa Rita" bringt alle 49 Tage Waren aus Südamerika nach Hamburg. Den Fahrplan hat ihre Reederei festgelegt, die Hamburg Süd. Am Vortag hat der Containerriese die Leinen planmäßig in Tilbury bei London gelöst. Damit die "Santa Rita" am Athabaskakai anlegen kann, haben Mitarbeiter der Reederei und ein Schiffsmakler alles Nötige geklärt: die wahrscheinliche Ankunftszeit vom Kapitän erfragt, die Deadline für die Warenannahme bestimmt. Geklärt, dass der Liegeplatz am Terminal frei ist. Lotsen, Schlepper und Festmacher auf die geplante Ankunftszeit bestellt. Der zuständige Schiffsplaner hat festgelegt, wo welcher Container stehen soll, damit das Schiff keine Schlagseite bekommt. Die nautische Zentrale hat dafür gesorgt, dass die "Santa Rita" freie Bahn hat. Und der Kapitän hat dem Zoll und Behörden seine Ladung gemeldet. Wenn er bei Wedel an der Tonne 121 vorbeifährt, funkt er "Hamburg Pilot". Dann muss der Lotse los.

4 299 Meter Schiff umdrehen Auf Höhe des Lotsenhauses gibt Jan Peter den Schleppern das Kommando, sich an Heck und Bug zu spannen. 480 Meter Durchmesser hat der Kreis vor dem Elbstrand, in dem die "Santa Rita" sich drehen soll. Sie ist 299 Meter lang. Am Ende des Manövers muss ihr Bug in Richtung Unterelbe zeigen, so als würde sie Richtung Nordsee fahren. "Halb auf die Bremse. Kräftig auf die Bremse. Maschine zurück." Würde man nicht rausgucken und die Stadt an sich vorbeiziehen sehen, man würde nicht merken, dass sich das Containerschiff quer in die Elbe stellt. Raus in die Brückennock NDR Fotograf: Sven Alexander Heine In dem Brückennock führt der erste nautische Offizier die Kommandos des Lotsen aus. "Stopp Maschine". Peter nimmt seine Jacke, zieht sie auf dem Weg rechts durch die Tür über sein weißes Hemd. Den Wind scheint er draußen in dem Brückennock nicht wahrzunehmen. Auch bei Frost und Sturm steht er hier und navigiert auf Sicht. Jan Peter beugt sich langsam über die Reling. "Bow half to port. Stern half to port." Der erste Offizier bringt mit zwei Hebeln die Bug- und Heckstrahlruder in Position. "Hunte moderat annageln", gibt Peter dem Schlepper durchs Funkgerät. "Wenn ich mir Gedanken darüber mache, was ich alles kaputt machen kann, ist das lebensverkürzend", findet Peter. Nichts wackelt oder rüttelt, kein Schiffsgeräusch stört die Kommandos des Lotsen, als die "Santa Rita" die Abstandshalter an der Kaimauer berührt.

5 Abladen vor dem Festmachen Der Schlepper drückt noch gegen das Schiff, die Festmacher haben noch nicht alle Leinen an Land, da gehen die Containerbrücken runter. In den nächsten 36 Stunden werden sie Container ab- und aufladen. Auch für die Crew der "Santa Rita" wird Hamburg arbeitsintensiv: Es kommt Proviant, die technischen Inspektoren, die Wasserschutzpolizei mit der Sonderabteilung Gefahrgut, das Seemansamt und Besucher für die Azubis an Bord. Jan Peter ist schon wieder auf dem Weg durch den Stahlbauch: Aufzug, Deck, Gänge, Luke, Lotsenleiter, Lotsenboot. Er hat noch eine gute Stunde Zeit. Gegen Mitternacht soll er mit vier Kollegen ein Kreuzfahrtschiff bei Blohm+Voss eindocken.

6 1 von 21 Hafenlotse Jan Peter lenkt rund 400 Schiffe im Jahr durch den Hamburger Hafen. Im Alter von 13 Jahren arbeitet der Hamburger das erste Mal in den Ferien auf einem Schiff. Nach der Schule macht er sein Kapitänspatent. "Kapitän werden war immer mein Ziel. Ich möchte nie tauschen", sagt der 47-Jährige.

7 10 von 21 Danach geht es für die Männer zügig durch den Schiffsrumpf. Als Lotse sollte man fit sein und durch Luken passen: Manchmal muss Peter acht Stockwerke hoch kraxeln. In der "Santa Rita" darf er Fahrstuhl fahren.

8 11 von 21 Der eine geht, die anderen kommen. Der Elblotse begrüßt und verabschiedet sich gleichzeitig von den beiden Hafenlotsen. Er hat die "Santa Rita" ab Brunsbüttel durch die Elbe geleitet.

9 12 von 21 Alle an Deck: Kapitänin Fink, Lotse Peter, die Rudergängerin, der Zweite Nautische Offizier, Kapitän Schwager und der Erste Nautische Offizier.

10 13 von 21 Der Hamburger Hafen liegt der "Santa Rita" zu Füßen. "Man darf nie gegen die Natur arbeiten", sagt Lotse Peter.

11 14 von 21 Lotse Werner Schröter rechnet aus, wo das Schiff genau am Kai anlegen muss. Das Heck soll an die Marke Die Brücke ist 73 Meter vom Heck entfernt. Also muss die Brücke in der Nähe der Marke liegen. Die Zahl schreibt er auf einen Zettel und gibt ihn Lotse Peter.

12 15 von 21 Die "Santa Rita" muss sich einmal in der Elbe drehen. Doch gleich setzt die Flut ein und Peter will noch über Ebbe drehen - gegen den Uhrzeigersinn. Er muss sich beeilen.

13 16 von 21 Die beiden Lotsen und Kapitän Schwager (mi.) gehen während des Manövers raus in die Brückennock. Auf diesen Balkonen auf beiden Seiten der Kommandobrücke steht eine Steuereinheit für Anlegemanöver im Hafen bereit.

14 17 von 21 Gerade noch rechtzeitig: Die "Santa Rita" hat sich um 180 Grad gedreht. Die Flut hat mittlerweile eingesetzt. Peter muss jetzt darauf achten, dass die Strömung das Schiff nicht vom Kai wegdrückt.

15 18 von 21 Die "Hunte" nagelt die "Santa Rita" an. Der Schlepper drückt gegen das Schiff und schiebt es so in Richtung Terminal.

16 19 von 21 Dort stehen die Festmacher schon bereit.

17 2 von 21 Heute soll er die "Santa Rita" an den Athabaskakai navigieren. Das Containerschiff gehört der Reederei Hamburg Süd. Es fährt auf der Linie Europa - südamerikanische Ostküste.

18 20 von 21 Die Leinen sind noch gar nicht fest, da gehen die Containerbrücken schon runter. Sie werden rund Container auf- und abladen.

19 21 von 21 Tschüss "Santa Rita"! Lotse Peter macht sich nach knapp zwei Stunden auf zum nächsten Job. Auf dem Containerschiff herrscht bis zur Abfahrt Hektik: Proviant wird angeliefert, Behörden und Inspektoren haben sich angekündigt.

20 3 von 21 Vor dem Einsatz an Bord kommt Jan Peter hierher: ins Lotsenhaus Seemannshöft. Hier bereiten sich die Hafenlotsen auf ihren Einsatz vor. Es stehen auch Betten für die Männer bereit. Denn wenn sie einmal zur Arbeit bestellt wurden, machen sie drei bis vier Lotsungen hintereinander - egal wie lange diese zusammen dauern.

21 4 von 21 Im Lotsenhaus geht Jan Peter alle wichtigen Fragen durch: Wann kommt das Schiff genau und wo soll es hin? Er kontrolliert, ob der Anlegeplatz frei ist, von wo der Wind kommt und wie hoch die Tide steht.

22 5 von Hafenlotsen arbeiten in Hamburg. Rund 30 von ihnen stehen gleichzeitig eine Woche lang auf der Bereitschaftsliste. Da sich viele Schiffe sehr kurzfristig melden, müssen die Männer innerhalb einer guten Stunde einsatzbereit sein.

23 6 von 21 Thorsten Marquardt teilt die Kollegen ein. Der Hafenlotse hat im Blick, wann welches Schiff ankommt, abfährt oder seinen Liegeplatz wechselt. Dafür ist acht Stunden lang volle Konzentration nötig - ein eher unbeliebter Job.

24 7 von 21 Leinen los: Jan Peter und der zweite Lotse, Werner Schröter, steigen auf das Lotsenversetzboot. Es fährt sie die Elbe runter Richtung Wedel. Bei großen Schiffen müssen zwei Lotsen an Bord sein.

25 8 von 21 Lotsenboot und Containerschiff fahren gleich schnell, damit die Lotsen leicht übersteigen können. Der Pfeil an der Bordwand signalisiert den Schleppern, dass dort der Stahl verstärkt ist. Wollen sie das Schiff schieben, dann drücken sie an diesem Punkt gegen den Containerriesen.

26 9 von 21 An der Lotsentreppe an der Tür wartet schon der Erste Nautische Offizier auf den Lotsen. Zeit für einen Händedruck muss sein.