Zum Einfluß von MHS-Genotyp und Genkonstruktion auf komplexe quantitative Merkmale der Mast- und Schlachtleistung sowie Fleischqualität beim Schwein
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- Gerhardt Klemens Sauer
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1 Arch. Tierzucht (Dummerstorf) 1994, 37: Aus dem Institut für Grundlagen der Nutztierwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin Zum Einfluß von MHS-Genotyp und Genkonstruktion auf komplexe quantitative Merkmale der Mast- und Schlachtleistung sowie Fleischqualität beim Schwein ARMIN SCHOLZ und TORSTEN HARDGE Einleitung Seit der ersten Beschreibung des Malignen Hyperthermie-Syndroms des Schweins (MHS) durch HALL et al. (1966) bestehen vielfältige Anstrengungen praktischer Züchter und wissenschaftlicher Arbeitsgruppen die fatalen Folgen dieser erblichen Krankheit für Tiergesundheit und Fleischqualität zu begrenzen bzw. ihre Ursachen zu erkennen. Die Entwicklung des Halothan-Feldtestes (EIKELENBOOM and MINKEMA, 1974) schaffte die züchterischen Voraussetzungen für eine Selektion gegen das Defektallel. Der autosomal rezessive Erbgang mit unvollständiger Penetranz für die Sensitivität gegenüber Halothan (OLLIVIER et al., 1975; MINKEMA et al., 1977; MABRY et al., 1981) sowie Selektionsprogramme die wahrscheinlich streßstabile aber heterozygote Tiere begünstigten (SIMPSON and WEBB, 1989), limitierten den nachhaltigen züchterischen Erfolg der "Halothansanierung". Mit der Aufklärung der porcinen cdna-sequenzen für den sogenannten Ryanodin-Rezeptor von homozygot streßstabilen bzw. streßanfälligen Schweinen konnte die für den Aminosäureaustausch verantwortliche Mutation identifiziert werden (FUJII et al., 1991). Inzwischen haben molekulargenetische Testverfahren (FUJII et al., 1991; BRENIG and BREM, 1992; OTSU et al., 1992), die eine eindeutige Typisierung der drei Genvarianten (NN, Nn und nn) erlauben, Eingang in die Züchtungspraxis gefunden. Damit ist eine gezielte Reduzierung der unerwünschten Genvarianten in den Schweinebeständen möglich. In der vorliegenden Untersuchung soll auf der Grundlage von Prüfstationsdaten der Einfluß von MHS-Genvarianten und genetischer Konstruktion auf Merkmale der Mast- und Schlachtleistung sowie der Fleischqualität kritisch diskutiert werden. Material und Methodik Tiermaterial Aus einem in Brandenburger Zuchtbetrieben erhobenen Gesamtmaterial von 2345 Schweinen wurden zufallsmäßig an 23 Schlachttagen 234 Proben aus Muskel- oder Milzgewebe von weiblichen Prüftieren der LPA Ruhlsdorf zur Analyse des MHS-Genotypes erfaßt. Diese Stichprobe bestand aus 7 reinrassigen (Deutsche Landrasse -DL, Deutsches Edelschwein -DE, Sattelschwein -Sa, Leicoma -Lc, Duroc -Du, Landrasse B -LB, und Pietrain -Pi) sowie 19 verschiedenen Kreuzungs-Genkonstruktionen. Unter den Hybridtieren überwogen die Kombinationen zwischen DE*DL sowie Pi*Mutterrassen bzw. Hampshire*Pi und Pi*LB. Die in Tabelle 1 dargestellten günstigen Frequenzen des für die Streßstabilität verantwortlichen Allels N in den Rassen DL, DE und Lc sind Resultat der langjährigen, konsequenten Zuchtarbeit auf der Grundlage des Halothan-Masken-Testes in Brandenburg. Tabelle 1
2 2 MHS-Allelfrequenzen (N/n) der Deutschen Landrasse, des Deutschen Edelschweins sowie der Rasse Leicoma aus Brandenburger Zuchtbetrieben (MHS-allele frequencies -N/n- of German Landrace, German Large White and Leicoma from Brandenburger breeding stocks) Deutsche Landrasse n = 1209 Deutsches Edelschwein n = 102 Leicoma n = 1034 N n 0,74 0,26 0,96 0,04 0,76 0,24 Die Parameter für die Mast- und Schlachtleistung sowie für die Fleischbeschaffenheit wurden nach LPA-Normativen ermittelt. Zur Mastleistung gehören: Prüftagszunahme (PTZ), Nettotageszunahme (NZ), Futteraufnahme (FUA), und Futterverwertung (FUV); zur Schlachtleistung: Magerfleischanteil nach FOM-Messung (MFFOM), Magerfleischanteil nach Bonner Formel (MFB), Kotelettfläche (KOT), Rückenspeckdicke (RSP), Fleisch-Fett-Verhältnis (FFV), und Bauchbewertung (BP) sowie zur Fleischbeschaffenheit: die Kotelett-pH-Werte 45 min. und 24 h post mortem (ph1k bzw. ph2k), die Kotelett- Leitfähigkeitswerte 45 min. bzw. 24 h p.m. (LF1K bzw. LF2K), Fleischfarbe bzw. -helligkeit (FF) und die subjektive Benotung der Kotelett-Marmorierung (MARM). Zusätzlich ist der intramuskuläre Fettgehalt (IMF) des Musculus longissimus dorsi zwischen 13. und 14. Brustwirbel mittels Nah-Infrarot-Transmissionsspektroskopie (INFRATEC) unter Verwendung einer optimierten Kalibrierungsfunktion des Institutes für Tierzucht und Tierverhalten der FAL - Mariensee bestimmt worden. Die Rohmittelwerte sowie Standardabweichungen der Merkmale sind in Tabelle 2 zusammengefaßt. MHS-Gentest DNA-Präparation: Muskelgewebe Für die Freisetzung der DNA wurden etwa 0,5 g Gewebe aus dem Musculus longissimus dorsi 3 h bei 56 C in Proteinase K-Lösung (100 µg/ml Proteinase K, 10mM EDTA, 0,5% SDS, ph=7,8) inkubiert. Es erwies sich als zweckmäßig, anschließend eine Phenol/Chloroform-Extraktion durchzuführen und die DNA nach Präzipitation mit 96%igem Alkohol in 50 µl bis 100 µl TE zu lösen. Für die PCR-Reaktion wurden 10 µl bis 20µl DNA- Lösung verwendet. Milzgewebe Etwa 0,5 g zerkleinertes Milzgewebe wurde über Nacht in Milz-Lysis-Puffer (10 mm Tris, 400 mm NaCl, 2 mm EDTA ph 8,0) mit 0,5 mg/ml Proteinase K bei 56 C inkubiert. Nach anschließender Phenol/Chloroform-Extraktion der Eiweiße wurde die DNA mit Isopropanol präzipitiert und in 3 ml TE-Puffer gelöst. Für die PCR-Reaktion wurden 100 ng DNA eingesetzt. PCR-Reaktion Für die Amplifikation eines 134 bp-fragments der Ryanodin-Genrezeptor-DNA (BRENIG und BREM, 1992) wurden 100 pm Primer, 200 µm dntps, 2,5 mm MgCl 2 sowie 1,2 U Taq-
3 3 Polymerase (Serva) in 1 x PCR-Puffer in einem Thermo-Cycler (Appligene) inkubiert. Der verwendete Zyklus bestand aus: 1. Anfangsdenaturierung 94 C für 3 min; Zyklen 94 C für 1 min; 55 C für 1 min; 72 C für 1 min und 3. Abschlußzyklus 94 C für 1 min; 55 C für 2 min; 72 C für 5 min. Typisierung Die DNA-Fragmente in 20 µl der PCR-Suspension wurden unter Verwendung des Restriktionsenzyms CfoI geschnitten, in einem 3%igen Agarose-Ethidiumbromid-Gel aufgetrennt und auf einem UV-Tisch typisiert. Tabelle 2 Rohmittelwerte und Standardabweichungen für die Merkmale der Mast- und Schlachtleistung sowie der Fleischqualität (Raw means and standard deviations for traits of fattening performance, carcass value and meat quality) Statistische Auswertung n=234 s Mastleistung PTZ (g) ,76 NZ (g) ,67 FUA (kg/d) 2,84 0,36 FUV (kg/kg) 2,11 0,29 Schlachtleistung MFFOM (%) 54,9 4,61 MFB (%) 57,2 3,59 KOT (cm²) 45,1 7,21 RSP (cm) 2,39 0,46 FFV (1: ) 0,40 0,16 BP 6,32 1,68 Fleischqualität ph1k 5,91 0,42 ph2k 5,47 0,15 LF1K 7,63 6,75 LF2K 7,42 3,49 FF 63,8 12,05 MARM 1,45 0,67 IMF (%) 1,04 0,59 Zur Berechnung der Least-Squares-Mittelwerte (LSM) bzw. für die simultane Schätzung des Effektes der Genkonstruktion, des MHS-Genotyps, des Herkunftsbetriebes und deren Interaktionen sowie des Schlachtdatums auf die Variation in den betrachteten Merkmalen wurde eine General Linear Model (GLM)-Analyse und anschließend eine Maximum Likelihood (ML)-Varianzkomponentenschätzung mit dem SAS-Statistikpaket (1989) durchgeführt. Folgendes allgemeine Modell wurde zur Varianzkomponenetenschätzung genutzt: Dabei bedeuten: Y = µ+ GK + MHS + GK*MHS + BE + GK*BE + MHS*BE + DAT + e
4 4 -Y: Beobachtungswert -µ: Erwartungswert von Y -GK: Effekt der Rasse bzw. Kreuzungs-Genkonstruktion -MHS: Effekt des MHS-Genotyps -GK*MHS: Interaktion Genkonstruktion und MHS-Genotyp -BE: Effekt des Herkunftsbetriebes -GK*BE: Interaktion Genkonstruktion und Betrieb -MHS*BE: Interaktion MHS-Genotyp und Betrieb -DAT: Effekt des Schlachtdatums -e: Restfehler. Für die Schätzung der LSQ-Mittelwerte mittels GLM wurde aufgrund der eingeschränkten Rechnerkapazität und der relativ starken Unbalanciertheit des Materials jedoch nur ein auf die fixen Haupteffekte MHS-Genotyp, Genkonstruktion, Herkunftsbetrieb und Schlachtdatum reduziertes Modell verwendet. Außerdem ist für die Merkmale Rückenspeckdicke, Magerfleischanteil, Kotelettfläche, Marmorierung, intramuskulärer Fettgehalt und Futteraufnahme das Gewicht am Prüfende als Kovariable in das Modell aufgenommen worden. Signifikante Differenzen zwischen den LSQ-Mittelwerten bei p 0,05 werden in den Tabellen mit unterschiedlichen Buchstaben gekennzeichnet. Bei den Ergebnissen aus der ML-Varianzkomponentenschätzung ist zu beachten, daß ML-Schätzer von Varianzen in der Regel nicht "erwartungstreu" sind und häufig zu einer systematischen Unterschätzung der Restvarianz führen, dafür aber immer im theoretisch möglichen Parameterraum liegen. Bei allen Merkmalen führten weniger als 30 Iterationen zur Konvergenz (EPSILON = 1E-8). Ergebnisse Auf die Höhe und Variation der Mastleistungsmerkmale mit Ausnahme der Futterverwertung (FUV) übt der MHS-Genotyp keinen signifikanten Einfluß aus (Abb. 1, Tab. 3). In der Futteraufnahme und der Futterverwertung sind zwar gesicherte Unterschiede zwischen den homozygoten streßstabilen NN-Tieren und heterozygoten Nn-Tieren zu den homozygoten streßanfälligen nn-tieren zu verzeichnen. Doch allein die Variation in der Futterverwertung wird signifikant zu 12,1 % durch den MHS-Genotyp neben geringen GK*MHS- Wechselwirkungen (2,5 %) verursacht (Abb. 1). Weitere GK*MHS-Wechselwirkungen in einer Größenordnung von 10 % treten neben GK*BE-Interaktionen sowie erheblichen Schlachttags-Effekten (SAISON) nur in der Nettotageszunahme auf, wobei die heterozygoten Nn-Genotypen in der Tendenz einen Vorteil gegenüber den homozygoten NN- bzw. nn- Genotypen aufweisen (Tab. 3). Alle Mastleistungsmerkmale unterliegen erwartungsgemäß, statistisch gesichert zwischen 8% und 24% dem Effekt der Genkonstruktion (Abb. 1) Tabelle 3 Least-Squares-Mittelwerte (LSM) und Standardfehler (s.e.) der Mastleistungsmerkmale für die MHS-Genotypen (LSQ-means and standard errors of fattening performance traits by MHS-genotypes) LSQ-Means / s.e. MHS-Genotypen
5 5 Mastleistung NN Nn nn (n=87) (n=84) (n=63) PTZ (g) ,29 13,52 21,44 NZ (g) ,17 5,61 8,89 FUA (kg/d) 2,84 a 2,79 a 2,61 b 0,08 0,06 0,09 FUV (kg/kg) 2,12 a 2,05 a 1,92 b 0,05 0,04 0,07 p 0,05 30,00 25,00 20,00 (%) 15,00 10,00 5,00 0,00 PTZ (g) NZ (g) FUA (kg/d) FUV (kg/kg) MHS GK BE GK* MHS GK* BE MHS* BE DAT Abb. 1: Einfluß von MHS-Genotyp, Genkonstruktion, Herkunftsbetrieb und Schlachtdatum auf die Variation der Mastleistungsmerkmale (Effect of MHS-genotype, breed, farm and date of slaughter on fattening performance) Im Gegensatz zur Mastleistung beeinflußt der MHS-Genotyp die Schlachtleistungsmerkmale ausnahmslos signifikant zwischen 3,5 % für die Rückenspeckdicke und 26,9 % für den Magerfleischanteil Bonner Formel (Tab. 4, Abb. 2). Den weitaus größeren Effekt übt jedoch die Genkonstruktion aus. Die Varianzanteile liegen in einem Bereich von 20 % für die Bauchbewertung bis zu 72 % für das Fleisch-Fett-Verhältnis (Abb. 2). Erwartungsgemäß sind die homozygoten streßanfälligen nn-genotypen in allen Schlachtleistungsmerkmalen signifikant den streßstabileren homozygoten NN- und heterozygoten Nn-Genotypen überlegen. Die einzige Ausnahme bildet die Kotelettfläche, bei welcher der Unterschied zwischen heterozygoten Nn-Genotypen und homozygoten nn-genotypen mit p 0,068 nur geringfügig über der festgelegten Signifikanzgrenze von p 0,05 lag. Überraschend waren die Differenzen der LSQ-Mittelwerte zwischen den homozygoten NN- und den heterozygoten Nn-Genotypen wiederum mit Ausnahme der Kotelettfläche nicht signifikant. Dabei nahmen die heterozygoten Tiere in der Tendenz mit Ausnahme der Rückenspeckdicke und der Bauchbewertung eine intermediäre Stellung zwischen den beiden homozygoten Genotypen ein (Tab. 4). Tabelle 4 Least-Squares-Mittelwerte (LSM) und Standardfehler (s.e.) der Schlachtleistungsmerkmale für die MHS-Genotypen (LSQ-means and standard errors of carcass traits by MHSgenotypes) LSQ-Means/ s.e. MHS-Genotypen Schlachtleistung NN Nn nn
6 6 MFFOM (%) MFB (%) KOT (cm²) RSP (cm) FFV BP p 0,05 53,9 a 54,4 a 56,8 b 0,57 0,51 0,81 56,7 a 57,3 a 59,7 b 0,56 0,44 0,69 42,7 a 45,6 b 47,8 b 0,96 0,86 1,35 2,47 a 2,54 a 2,26 b 0,06 0,05 0,08 0,45 a 0,43 a 0,35 b 0,02 0,02 0,03 6,08 a 6,04 a 6,94 b 0,21 0,19 0,29 (%) 80,00 70,00 60,00 50,00 40,00 30,00 20,00 10,00 0,00 MFFOM MFB (%) KOT (cm²) RSP (cm) FFV BP MHS GK BE GK* MHS GK* BE MHS* BE DAT Abb. 2: Einfluß von MHS-Genotyp, Genkonstruktion, Herkunftsbetrieb und Schlachtdatum auf die Variation der Schlachtleistungsmerkmale (Effect of MHS-genotype, breed, farm and date of slaughter on carcass traits) Ohne Zweifel beeinflußt der MHS-Genotyp am stärksten die Fleischqualität, was die LSQ- Mittelwerte in Tabelle 5 sowie die Darstellung der Varianzkomponenten in der Abbildung 3 eindeutig unterstreichen. So wird die Variation im Kotelett-pH-Wert 45 min post mortem (ph1k) sowie in den beiden Leitfähigkeitswerten (LF1K, LF2K) zu ca. 60 % durch den MHS-Genotyp verursacht. Etwas geringere Werte weisen mit ca. 10% der intramuskuläre Fettgehalt bzw. die Marmorierung und mit 30% die Fleischfarbe auf. Allein der Kotelett-ph- Wert 24 h p.m. (ph2k) und in geringerem Umfang die Fleischfarbe werden maßgeblich durch den Schlachttag variiert (Abb. 3). Insgesamt heben sich die homozygoten streßstabilen NN-Genotypen im Vergleich zu den beiden anderen Genvarianten durch eine hochsignifikant bessere Fleischqualität hervor (Tab. 5). Eine Mittelstellung nehmen wie bereits bei der Mehrzahl der Mast- und Schlachtleistungsmerkmale die heterozygoten Nn-Genotypen ein. Tabelle 5 Least-Squares-Mittelwerte (LSM) und Standardfehler (s.e.) der Fleischqualitätsmerkmale für die MHS-Genotypen (LSQ-means and standard errors of meat quality traits by MHSgenotypes) LSQ-Means / s.e. MHS-Genotypen
7 7 Fleischqualität NN Nn nn ph1k 6,25 a 5,80 b 5,52 c 0,05 0,04 0,07 ph2k 5,46 a 5,41 b 5,42 b 0,02 0,02 0,03 LF1K 3,62 a 5,23 b 17,40 c 0,90 0,76 1,22 LF2K 4,82 a 8,22 b 11,66 c 0,44 0,37 0,58 Fleischhelligkeit 69,3 a 61,6 b 51,9 c 1,60 1,35 2,13 Marmorierung 1,78 a 1,43 b 1,17 b 0,12 0,11 0,17 IMF (%) 1,36 a 1,12 b 0,97 b 0,09 0,08 0,14 p 0,05 (%) 70,00 60,00 50,00 40,00 30,00 20,00 10,00 0,00 ph1k ph2k LF1K LF2K FF MARM IMF (%) MHS GK BE GK* MHS GK* BE MHS* BE DAT Abb. 3: Einfluß von MHS-Genotyp, Genkonstruktion, Herkunftsbetrieb und Schlachtdatum auf die Variation der Fleischqualitätsmerkmale (Effect of MHS-genotype, breed, farm and date of slaughter on meat quality) Diskussion Wie erwartet bestätigen die Ergebnisse, daß der MHS-Genotyp eine entscheidende Wirkung auf die Fleischqualität ausübt. Mit Varianzanteilen von ca. 60 % für ph1k, LF1K und LF2K wird ähnlich wie bei SCHMITTEN (1993) annähernd die gesamte, auf das verwendete multifaktorielle statistische Modell zurückzuführende Varianz durch den Effekt des MHS- Genotyps erklärt. Dabei zeichnen sich die homozygoten streßstabilen NN-Genotypen unabhängig von Rasse bzw. Kreuzungs-Genkonstruktion durch eine überlegene Fleichbeschaffenheit einschließlich Marmorierung bzw. intramuskulärer Fettgehalt im Vergleich zu den heterozygoten Nn- bzw. homozygoten streßanfälligen nn-genotypen aus. Diese Ergebnisse decken sich mit denen von JENSEN and BARTON-GADE (1985), PESCHKE u.a. (1993), SCHMITTEN (1993), SIMPSON and WEBB (1989) sowie WITTMANN u.a. (1993). Insbesondere beim ph-wert am Kotelett 45 min p.m (ph1k) sowie bei den Leitfähigkeitswerten (LF1K, LF2K) heben sich diese Unterschiede stark hervor. Die Ursachen liegen bekanntlich in der durch das n-allel des Ryanodin Rezeptor Genortes
8 8 verursachten Beeinträchtigung der Kalzium-Homöostase im sarkoplasmatischen Retikulum der Muskelzellen in Kombination mit Veränderungen der Muskelmorphologie bei stark bemuskelten Tieren (LENGERKEN u.a., 1992; FEWSON u.a., 1993; FIEDLER u.a., 1993; SCHMITTEN, 1993). Im postmortalen Muskelstoffwechsel führt diese Mutation u.a. zu einer erhöhten Glykolyserate, einem schnell abfallenden ph-wert sowie einem Anstieg in der Phospho- Kreatin-Konzentration (u.a. KOZAK-REISS et al., 1987; UHRIN and LIPTAJ, 1990; LAHUCKY et al., 1993). Unter Belastungssitutationen (Halothanapplikation oder Laufband) bestätigten sich diese Beobachtungen auch am lebenden Tier (GEERS et al., 1992a, b; OTTEN et al., 1993). Dabei wurden u.a. Formen eines katabolen Hypermetabolismus mit einer gesteigerten Konzentration von Kortisol und freien Fettsäuren im Blutplasma festgestellt, wobei nicht nur die homozygoten nn-genotypen sondern auch im Gegensatz zu den Ergebnissen des Halothantestes die heterozygoten n-allel-träger betroffen waren. Die homozygoten Träger des Ryanodin-Rezeptor-Gens (nn) zeigten aufgrund einer latent erhöhten intrazellulären Ca 2+ - Konzentration sogar während der nächtlichen Ruhephase eine gestiegene Plasma- Glukosekonzentration (OTTEN et al., 1993). FINK et al. (1992) fanden bei ihren Untersuchungen an Blutplättchen nach Halothanzufuhr ebenfalls eine signifikant erhöhte Ca 2+ - Durchlässigkeit der Plasmamembran sowohl bei homozygoten nn-schweinen als auch bei den heterozygoten Nn-Tieren im Vergleich zur homozygoten NN-Kontrolle. Daraus läßt sich im Unterschied zu GEERS et al. (1992 b) jedoch nicht ableiten, daß für den in vivo ph-wert und den Phospho-Kreatin-Stoffwechsel die physiologische Reaktion in Bezug auf das defekte n-allel wie beim Menschen einem vollständig autosomalen dominanten Modell folgt. Gleichzeitig scheint aber auch das rezessive Modell wie für die klinische Beobachtung der Reaktion während des Halothan-Masken-Testes bei diesen Merkmalen nicht zuzutreffen. Vielmehr ist sowohl für die Fleischbeschaffenheit als auch für die Muskelstoffwechselparameter, wie bei SIMPSON and WEBB (1989) für das Auftreten von PSE-Fleisch bzw. bei SCHMITTEN (1993) für die Streßanfälligkeit angedeutet, eine intermediäre Genwirkung zwischen den Allelen N und n bzw. eine unvollständige Dominanz des Defekt-Allels (n) anzunehmen. Bei allen Schlachtleistungsparametern mit Ausnahme der Bauchbewertung und der Rückenspeckdicke nehmen die heterozygoten Genotypen eine Mittelstellung ein, was auf eine intermediäre Genwirkung der Allele N und n besonders in Bezug auf die Muskelhypertrophie (Kotelettfläche) hindeutet. Die Varianzanteile des MHS-Genotyps für die Schlachtleistungsmerkmale liegen dabei zwischen 3,5 % und 27 % in der Rückenspeckdicke bzw. dem Magerfleischanteil (Bonner Formel). Den eigenen Untersuchungen gleichgerichtete Resultate für den Effekt des MHS-Genotyps auf den Fleischanteil fanden JENSEN and BARTON-GADE (1985) bei der Dänischen Landrasse, PESCHKE u.a. (1993) bei Pietrain, SIMPSON and WEBB (1989) bei der Britischen Landrasse, SCHMITTEN (1993) bei 7 Hybridherkünften sowie WITTMANN u.a. (1993) bei der Deutschen Landrasse. Widersprüchlich sind die Angaben zur Zunahme bzw. Wachstumsleistung der MHS- Genotypen. JENSEN and BARTON-GADE (1985) maßen die höchsten Zunahmen bei den homozygoten NN-Genotypen. WITTMANN u.a. (1993) ermittelten einen signifikante Überlegenheit der heterozygoten Genotypen. Diese Tendenz war auch bei SIMPSON and WEBB (1989) unter ad libitum Fütterung, aber nicht bei rationierter Fütterung, sowie bei PESCHKE u.a. (1993) zu beobachten, während in der eigenen Untersuchung sowohl für die Prüftagszunahmen (PTZ) als auch für die Nettotageszunahme (NZ) kein signifikanter Einfluß des MHS-Genotyps festgestellt werden konnte. In der Nettozunahme traten jedoch Interaktionen zwischen Genkonstruktion und MHS-Genotyp auf. So zeichnete sich ab, daß z.b. die heterozygoten MHS-Genotypen der Deutschen Landrasse tendenziell höhere Wachstumsraten als die homozygoten Genotypen (NN bzw. nn) erzielten, jedoch bei der Rasse Leicoma die homozygoten NN-Genotypen im Vorteil waren. Für eine statistisch
9 9 gesicherte Aussage zu diesem Komplex werden die GK*MHS-Interaktionen an einem umfangreicheren Material überprüft. Innerhalb der Mastleistungsmerkmale wird allein die Futterverwertung signifikant durch den MHS-Genotyp beeinflußt, wobei die homozygoten streßlabilen nn-genotypen aufgrund ihrer im Vergleich fettärmsten Körperzusammensetzung das aufgenommene Futter am effizientesten in Körpermasse umsetzen. Für die praktische Zucht stellt sich bezugnehmend auf die differenzierten Leistungseigenschaften der MHS-Genotypen die Frage nach der sinnvollsten Selektionsstrategie. Gegenwärtige Zuchtprogramme favorisieren häufig die Erzeugung heterozygoter Mastschweine durch Anpaarung homozygot streßstabiler Sauen mit fleischreichen streßanfälligen Ebern. Im Hinblick auf die klassischen quantitativen Mast- und Schlachtleistungsmerkmale, scheint diese Strategie durchaus berechtigt, da die zumeist nur tendenzielle Minderleistung der homozygot streßstabilen NN-Tiere in der Mast- und Schlachtleistung durch die Wahl eines geeigneten Kreuzungspartners (Nn- oder nn- Hybriden bzw. Rassen) kompensierbar ist. Steht eine tiefgreifende Verbesserung der Fleischqualität im Vordergrund züchterischer Ambitionen, um den Verbraucherwünschen zu entsprechen, kann rasseunabhängig allein die konsequente Nutzung der homozygoten streßstabilen NN-Genotypen sowohl auf der Mutterals auch auf der Vaterseite zum Ziel führen. Damit wird die negative Wirkung des Defektallels (n) umgangen. Gegenwärtig würden aber aufgrund der einseitigen Bezahlung nach Magerfleischanteil wirtschaftliche Einbußen in Kauf zu nehmen sein. Diese Nachteile können jedoch durch geringere Verlustraten und höhere Fruchtbarkeitsergebnisse der NN- Genotypen zumindest teilweise ausgeglichen werden (BAULAIN und GLODEK, 1987; WITTMANN u.a., 1992, FALKENBERG u.a., 1993). In Zukunft ist damit zu rechnen, daß das fleischverarbeitende Gewerbe eine hervorragende Fleischqualität honoriert, so daß mittelfristig die gezielte Erzeugung von NN-Genotypen ökonomischen und kulinarischen Gewinn nach sich ziehen wird. Zusammenfassung Von 2345 Zuchtschweinen wurden mittels PCR die Genvarianten des Ryanodin-Rezeptors bestimmt, die in ursächlicher Beziehung zum Malignen Hyperthermie Syndrom (MHS) stehen. Zur Schätzung der Effekte von MHS-Genotyp und Genkonstruktion auf Merkmale der Mast- und Schlachtleistung sowie Fleischqualität stand eine Zufallsstichprobe von 234 weiblichen Prüfstationstieren zur Verfügung. Die Analyse der Varianzkomponenten mittels Maximum Likelihood ergab für die Schlachtleistung Einflüsse des MHS-Genotyps zwischen 3,5% und 27% sowie Genkonstruktionseffekte von 20% bis 72%. Abgesehen von der Futterverwertung hatte der MHS-Genotyp auf die Variation der Mastleistung keinen signifikanten Einfluß. Unter den Fleischqualitätsmerkmalen wurden der ph-wert am Kotelett (45 min p.m.) sowie die Leitfähigkeitswerte zu ca. 60% durch den MHS-Genotyp variiert. Die Nachteile der homozygoten (NN) Tiere in der Mast- und Schlachtleistung könnten zwar durch die Wahl eines geeigneten Kreuzungspartners (Nn- oder nn- Hybriden bzw. Rassen) ausgeglichen werden, jedoch ist eine verbrauchergerechte Fleischqualität nur durch eine konsequente Erzeugung von streßstabilen Mastschweinen des Genotyps NN zu gewährleisten. Schlüsselworte: Schwein, MHS-Genotyp, Mastleistung, Schlachtleistung, Fleischqualität Summary Title of the paper: Effect of MHS-genotype and breed on fattening performance, carcass value and meat quality
10 10 The gene variants of the ryanodine receptor or the so called Malignant Hyperthermia Syndrome (MHS)-Genotypes were determined by PCR on a total material of 2345 breeding pigs. A random sample of 234 female performance tested pigs was used to estimate the effect of MHS-Genotype on fattening performance, carcass value and meat quality by means of a Maximum-Likelihood method. The traits of the carcass value were affected by MHS- Genotype between 3,5 % - 27 % and by breed between 20 % - 72 %, respectively. Apart from feed efficiency, MHS-Genotype did not significant influence the variation of fattening performance. The highest effect due to MHS-Genotype of approximately 60 % was estimated for the meat quality criteria ph1-m.l.dorsi (45 min p.m.) and electrical conductivity (LF1K and LF2K, 45 min and 24 h p.m, respectively) at the M.l.dorsi. In respect to the fattening and carcass performance, disadvantages of homozygous NNgenotypes can be compensated by using appropriate heterozygous Nn- or homozygous nnanimals of cross- or purebreds in crossbreeding programs. Compared with that, a consumer preferred meat quality can only be produced by directed breeding of homozygous NNgenotypes also in the fattening stage. Keywords: pigs, MHS-genotype, fattening performance, carcass value, meat quality Danksagung Wir danken Herrn Dr. Thomas Paulke und seinen Mitarbeitern (-innen) der LPA Ruhlsdorf (Brandenburg) für die hilfsbereite Unterstützung bei der Material- und Datenerfassung. LITERATUR BAULAIN, U.; GLODEK, P.: Beziehungen zwischen Halothanreaktion und Zuchtleistung bei Sauen verschiedener Populationen. Züchtungskunde 59 (1987), BRENIG, B.; BREM, G.: Molecular cloning and analysis of the porcine "halothane" gene. Arch.-Tierz. 35 (1992), EIKELENBOOM, G.; MINKEMA, D.: Prediction of pale, soft, exudative muscle with a non-letal test for halothane-induced porcine malignant hyperthermia syndrome. Netherlands Journal of Veterinary Science 99 (1974), FALKENBERG, H.; MATTHES, W.; SCHWERIN, M.: MHS- und CK-Tests bei Schweinen, deren Beziehungen zueinander sowie zu weiteren Leistungsmerkmalen. Arch.-Tierz. 36 (1993), FEWSON, D.; RATHFELDER, A.; MÜLLER, E.: Untersuchungungen über die Beziehungen von Fleischanteil, Fleischbeschaffenheit und Streßresistenz bei verschiedenen Schweineherkünften. 1. Mitteilung: Bedeutung der Morphologie des M. longissimus dorsi. Züchtungskunde 65 (1993), FIEDLER, I.; ENDER, K.; WICKE, M.; LENGERKEN, G. VON: Zusammenhänge zwischen der Mikrostruktur des Muskelgewebes bei Schweinen der Landrasse und ihrer Streßempfindlichkeit (Halothanreaktion). Arch. Tierz., Dummerstorf 36 (1993) FINK, S; MAAK, S.; LENGERKEN, G. VON; TILL, U.: Abnormalities in the regulation of blood platlet free cytosolic calcium in malignant hyperthermia II. Pig platelets. Cell Calcium 13 (1992), FUJII, J.; OTSU, K.; ZORZATO, F.; DE LEON, S.; KHANNA, V.K.; WEILER, J.; O'BRIEN, P.J.; MACLENNAN, D. H.: Identification of a mutation in the porcine ryanodine receptor that is associated with malignant hyperthermia. Science 253 (1991), GEERS, R.; DECANNIERE, C.; VILLÉ, H.; VAN HECKE, P.; GOEDSEELS, V.; VANSTAPEL, F.; BOSSCHAERTS, L.; DE LEY, J.; ZHANG, W.; JANSSENS, ST: In vivo muscle 31 P nuclear magnetic resonance spectroscopy during treatment of halothane-
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