7/2010. Juli. DeutscherAnwaltVerein. DeutscherAnwaltVerlag

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1 DeutscherAnwaltVerein Aufsätze Stobbe: Lücken in der Berufshaftpflicht 449 Ewer: Pro Informationsfreiheitsgesetz 455 Rapp: Contra Informationsfreiheitsgesetz 460 Kommentar Thoenneßen: Anwalts-GmbH 469 Magazin Arbeitnehmerdatenschutz Deutscher Anwaltstag Ewer: Verschwiegenheit stärken 475 Leutheusser-Schnarrenberger: Grußwort 478 Reding: Recht und Kommunikation in der EU 481 Berufsrechtsausschuss: Anwaltsethik 490 Mitteilungen N. Schneider: Reisekosten 512 Haftpflichtfragen Bräuer: DL-InfoV 523 Rechtsprechung OLG Nürnberg: Zertifizierung 529 7/2010 Juli DeutscherAnwaltVerlag

2 MN Editorial Kommunikation, Europa... und Haftung Dr. Peter Hamacher, Köln Rechtsanwalt Herausgeber des Anwaltsblatts Kommunikation, das Motto des diesjährigen Anwaltstags, hält nicht nur Leib und Seele sondern auch Gesellschaften zusammen. Da Anwälte und Anwältinnen nicht zuletzt für solchen Zusammenhalt arbeiten, war das Motto eine punktgenaue Vorlage. Es passt auch zum Ort des Anwaltstags. Aachen ist nach geographischer Lage, Geschichte und Aktualität eine Drehscheibe europäischer Kommunikation und überdies eine schöne, lebendige und anregende Stadt. In Zeiten schleichender Re-Nationalisierung der europäischen Staaten und des bedenklichen Kopfwiegens nationaler Verfassungshüter ist die Kommunikation des europäischen Rechts, seiner überragenden Bedeutung und Dynamik für eine gedeihliche Entwicklung des Kontinents von allergrößter Bedeutung. Viviane Reding, neue und erste EU-Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft (am 1. Juli gibt es die entsprechende neue Generaldirektion), außerdem Vizepräsidentin der Europäischen Kommission erbrachte mit ihrem Festvortrag eine Kommunikationsleistung ersten Ranges (in diesem Heft zu lesen ab Seite 481). Das europäische Recht und manche aktuellen Projekte von Kommission und Rat: Verstärkung von Aus- und Fortbildung der europäischen Juristen im Europarecht, Fremdsprachen und fremde Rechtsordnungen, Internet- Handling des Europarechts, Rechte des Beschuldigten im Strafverfahren, gegenseitige Anerkennung von Gerichtsurteilen ohne Exequatur, (optionales) europäisches Vertragsrecht wurden mit souveräner und ansprechender Geste so präsentiert, dass man sofort wieder zum Zweck der Verdichtung der europäischen Rechtsgemeinschaft Walter Hallsteins die Ärmel aufkrempeln möchte. In diesen Rahmen stellten sich in bestem Zusammenspiel die Bundesministerin der Justiz Sabine Leutheusser- Schnarrenberger (ihre Rede ab Seite 478) und der Präsident des Deutschen Anwaltvereins Prof. Dr. Wolfgang Ewer (seine Rede ab Seite 475), indem sie tatkräftige Unterstützung der europäischen Projekte versprachen. Sie setzten freilich, wie es sich gehört, auch einige Akzente für die nationale Rechts- und Anwaltspolitik. Dazu zählt beiderseits die Abschaffung des 160 a StPO, der nicht nur die Rechtsanwälte in Strafverteidiger und sonstige zugelassene Rechtsanwälte aufspaltet, sondern den unabdingbaren Schutzraum zwischen Anwalt und Mandant aufhebt. Der DAV-Präsident forderte eine Stärkung der anwaltlichen Verschwiegenheit und der Revision des 522 Abs. 2 ZPO und natürlich gab es den nachdrücklichen Hinweis auf eine Anhebung der seit 15 Jahren stecken gebliebenen Anwaltsgebühren. Dem Hinweis trat die Bundesministerin der Justiz mit Verständnis gegenüber. Sie betonte als alsbald anstehende Schwerpunkte ihrer Rechtspolitik, die Stärkung der Rechte des Beschuldigten im Strafverfahren durch europäische Standards auf hohem Niveau, die Wahrung der Bürgerund Freiheitsrechte in und gegenüber dem wabernden Ausgreifen elektronischer Kommunikation, die Reform der Sicherungsverwahrung, die sorgfältige Beobachtung dessen, was man jetzt als Litigation-PR bezeichnet. Viel gab es außerdem auf dem Anwaltstag zu hören und zu sehen. Viel steht davon in diesem Heft, das man lesen sollte. Hinzukommt ein kleiner Schwerpunkt zu den Informationsfreiheitsrechten (mit Beiträgen von Prof. Dr. Wolfgang Ewer, Dr. Angela Rapp, Dr. Thomas Lüttgau, Dr. Andreas Geiger, alles ab Seite 455), der zeigt, was heute bei der Kommunikation mit der Verwaltung im Kampf ums Recht möglich und was nach wie vor nicht möglich ist. Ein besonderes Augenmerk verdient im Aufsatzteil der Vortrag von Dr. Ulrich Stobbe Lücken in der Berufshaftpflichtversicherung der Anwälte (ab Seite 449). Der Autor greift damit eine Problematik auf, die der DAV-Entwurf zur Änderung der BRAO 2006 (vgl. zuletzt AnwBl 2007, 679, 685, 695 f.) als lösungsbedürftig qualifiziert und bearbeitet hatte. Vom großen Europa und dem herrlichen Anwaltstag zu den subtilen Fragen der anwaltlichen Haftung und Versicherung schreitet das Heft. So ist es schön. AnwBl 7 / 2010 I

3 Anwaltsblatt Jahrgang 60, 7 / 2010 Im Auftrag des Deutschen Anwaltvereins herausgegeben von den Rechtsanwälten: Felix Busse Dr. Peter Hamacher Dr. Michael Kleine-Cosack Wolfgang Schwackenberg Redaktion: Dr. Nicolas Lührig (Leitung) Udo Henke Manfred Aranowski Rechtsanwälte I IV VI VIII Editorial Kommunikation, Europa... und Haftung Rechtsanwalt Dr. Peter Hamacher, Köln Herausgeber des Anwaltsblatts Berichte aus Berlin und Brüssel Strafverschärfungen und Friedenspfeifen Dr. Joachim Jahn, Berlin EU-Kommission: Generaldirektion Justiz kommt Eva Schriever, Berlin/Brüssel Aktuelles Aufsätze 449 Lücken in der Berufshaftpflichtversicherung der Anwälte Rechtsanwalt Dr. Ulrich Stobbe, Hannover 455 Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz und ihre Grenzen Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer, Kiel 460 Vom Recht auf Akteneinsicht zum Jedermann-Recht auf Information Rechtsanwältin Dr. Angela Rapp, Berlin 462 Informationsfreiheit als Mittel unzulässiger Recherche? Rechtsanwalt Dr. Thomas Lüttgau, Köln 464 Das Umweltinformationsrecht der EU und seine Umsetzung in Deutschland Rechtsanwalt Dr. Andreas Geiger, München Kommentar 469 Wer weiter denkt, sieht die Vorteile der Anwalts-GmbH Rechtsanwalt Axel Thoenneßen, MBA, LL.M., Düsseldorf Magazin 470 Schutz vor Spionage am Arbeitsplatz Sven Rebehn, Osnabrück 61. Deutscher Anwaltstag 474 Die anwaltliche Verschwiegenheit stärken Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer, Kiel Präsident des Deutschen Anwaltvereins 478 Verzögerungsrüge mit Entschädigungsklage soll kommen Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz 481 Recht und Kommunikation Viviane Reding, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, EU-Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft 487 DAV-Rednerwettstreit: Die 10 Verbote Rechtsanwältin Simone Hiesgen, Hattingen 489 DAV-Pressemitteilungen: Anwaltsgeheimnis / Überlange Gerichtsverfahren / Sicherungsverwahrung / Erscheinenspflicht für Zeugen 489 RDG: Alles halb so schlimm 490 Anwaltsethik im Einzelfall: So viele Positionen wie Köpfe 490 Kein moralisches Diktat für Anwälte Zwischenruf von Rechtsanwalt Dr. Michael Streck, Köln 492 Kontrolliert die Presse die Justiz? 493 Pressearbeit der Staatsanwaltschaften 494 Ligitation-PR Alter Wein in neuen Schläuchen? 495 Fachanwälte sind glücklicher und verdienen mehr 495 Körper und Sprache: Hilfe zur Selbsthilfe 496 Sprache und Recht, international 497 Die juristische Dimension der Zivilcourage 498 Compliance: Viele Fragen ungeklärt 498 Compliance: Was machen Bosch und Siemens? 499 Haftung für Bergschäden 500 Personalien: Hans-Dahs-Plakette / Walter- Oppenhoff-Medaille / Ehrenzeichen Aus der Arbeit des DAV 502 Tätigkeitsbericht der DAV-Geschäftsführung 503 Präsident des BVerfG im DAV-Haus 503 Kein Sonderrecht für Soldaten 504 AG Verkehrsrecht: Richard-Spiegel-Preis 505 DAV Brüssel: Jahresempfang 506 DAV-Gesetzgebungsausschüsse: Stellungnahmen 506 AG Strafrecht: Frühjahrssymposium 508 AG Bank- und Kapitalmarktrecht: Tagung 509 Mitgliederversammlungen 510 Deutsche Anwaltakademie: Nachrichten 511 Ansbacher Anwaltsverein: Ausbildung für alle 511 Personalien: u.a. Eberhard Haas 75 Gastkommentar 473 Kreatives Störpotenzial aus Straßburg Wolfgang Janisch, Süddeutsche Zeitung II AnwBl 7 / 2010

4 Mitteilungen Anwaltsvergütung 512 Reisekosten des auswärtigen Anwalts Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen Anwaltsrecht 518 Fachanwalt: Wenn die Kammer nach dem Antrag trödelt... Rechtsanwalt Philipp Wendt, Berlin Soldan Institut für Anwaltmanagement 519 Werbeausgaben und Werbecontrolling der Rechtsanwälte Prof. Dr. Christoph Hommerich, Bergisch-Gladbach und Rechtsanwalt Dr. Matthias Kilian, Köln Bücherschau 521 Kostenfinanzierung Rechtsanwalt Dr. Matthias Kilian, Köln Haftpflichtfragen 523 DL-InfoV Der Anwalt muss informieren Assessorin Jacqueline Bräuer, Allianz Versicherung, München Rechtsprechung Anwaltsrecht 526 BVerwG: Informationsfreiheitsgesetz 528 BVerwG: Transparenz in Bundestag 528 BGH: Keine jährlichen Vorstandswahlen 529 BFH: Kein Zusatz Fachberater 529 OLG Nürnberg: Keine Zertifizierung Anwaltshaftung 532 BGH: Empfangsbekenntnis 532 BGH: Ausdruckpflicht bei EDV-Fristen-Kalender Anwaltsvergütung 533 BGH: Addition von Streitwerten 533 OLG Stuttgart: 15a RVG 533 OLG Naumburg: 15a RVG Prozesskostenhilfe 533 BGH: PKH für Berufungsbeklagten Kostenrecht 536 OLG Stuttgart: Business Class 536 OLG Köln: Business Class quotal 536 OLG Köln: Inländischer Hausanwalt 536 Fotonachweis, Impressum XIX Stellenmarkt des Deutschen Anwaltvereins XXVI Bücher & Internet XXXIV Deutsche Anwaltakademie Seminarkalender Schlussplädoyer XXXVI Nachgefragt, Comic, Mitglieder-Service

5 MN Bericht aus Berlin Strafverschärfungen und Friedenspfeifen An der Frühjahrskonferenz der Innenminister kommen die Rechtspolitiker nicht vorbei. Mit am Tisch sitzen durften sie natürlich nicht, als Hamburgs Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) seine Ressortkollegen an der Alster empfing. Selbst Bundesinnenminister Thomas de Maizière (ebenfalls CDU) konnte traditionellerweise nur mit Gaststatus teilnehmen. Doch kam etwa Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) nicht umhin, dem Ruf der Innenpolitiker nach schärferen Strafen für Gewalt gegen Polizeibeamte nachzugeben. Gewalt gegen Polizisten Nachdem sie zunächst mit allgemeinen Warnungen ( Ein besserer Schutz lässt sich nicht an Paragraphen festmachen ) auf Abwehr gegangen war, ließ sich die Ressortchefin alsbald eine Erhöhung des Strafrahmens von zwei auf drei Jahren abringen. Nicht genug, befand de Maizière: Wir wollen nicht nur Vollstreckungshandlungen, sondern alle Diensthandlungen erfasst haben, also zum Beispiel auch den Streifendienst. Das Gesetz solle zudem auch für Feuerwehr- und Rettungskräfte gelten. Leutheusser-Schnarrenberger hingegen verwahrte sich gegen ein Zweiklassenstrafrecht, das die Unversehrtheit von Polizisten höher bewerte als die von Bauarbeitern oder Bankangestellten. Aus diesem Anlass stellte mit Christian Pfeiffer (SPD) ein führender Kriminologe und einstiger Innenminister von Niedersachsen erste Ergebnisse einer Studie über Gewalt gegen Polizeibeamte vor, die die Ressortchefs in Auftrag gegeben hatten. Pfeiffer kam übrigens auch zu dem Schluss, dass besonders religiöse Zuwanderer auf Grund ihrer Machokultur signifikant häufiger straffällig würden. Dies gelte selbst dann, wenn man andere Faktoren wie Jugendalter und Schichtzugehörigkeit heraus rechne, die bekanntlich auch bei Menschen ohne Migrationshintergrund einen höheren Anteil an der Kriminalstatistik begünstigen. Wenig beeindruckt zeigten sich die Innenminister von dem Friedensschluss, der eigens vor ihrer Konferenz von Hells Angels und Bandidos inszeniert worden war. Die Anführer der beiden Rockerbanden rauchten in der Kanzlei eines hannoverschen Anwalts die Friedenspfeife, um einer Auflösung wegen ihrer Nähe zum gesamten Spektrum der Rotlichtkriminalität zuvor zu kommen. Die Anwendung des Vereinsrechts i. V. m. 129 StGB über kriminelle Vereinigungen soll nun auf der Herbsttagung wieder auf die Tagesordnung ebenso wie Prügeleien, die Fans und Hooligans chronisch nach Fußballspielen anzetteln. Die massive Einschränkung der Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten durch das Bundesverfassungsgericht könnte dort ebenfalls ein Thema werden: Die Fahndung nach dem Entführer (und Mörder) einer Bankiersfrau soll dadurch erschwert worden sein. Sicherungsverwahrung Auch sonst war plötzlich so viel los in der Rechtspolitik, dass sich die Ereignisse nur telegrammmäßig vermelden lassen. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof bestätigte mit seiner Großen Kammer das Verdikt, die nachträgliche Verlängerung einer Sicherungsverwahrung verstoße gegen das Rückwirkungsverbot, weil sie als Strafe anzusehen sei. Künftig solle die Maßnahme direkt bei der Verurteilung eines Straftäters geprüft und angeordnet (oder auch unter Vorbehalt ausgesprochen) werden, sagte daraufhin Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger auf dem 61. Deutschen Anwaltstag in Aachen. Unterschiedlich urteilten Gerichte über die Frage, ob nach diesem Spruch aus Straßburg auch andere Straftäter auf der Stelle freigelassen werden müssten. Denn noch immer nicht ausdiskutiert ist die Frage, welche Rangordnung die Europäische Menschenrechtskonvention im deutschen Recht hat. Noch wenig herum gesprochen hat sich übrigens, dass mit dem Lissabon- Vertrag auch die Grundrechtecharta der Europäischen Union in Kraft getreten ist mit erheblichen Ausstrahlungen auf das innerstaatliche Recht der Mitgliedsländer. Auch die Bundesländer haben ein paar Initiativen ergriffen. So soll die Bundesnotarkammer von Amts wegen sämtliche Testamente registrieren. Bislang wird dort nur verzeichnet, wer dies von sich aus beantragt. Der Präsident der Länderkammer, der Bremer Regierungschef Jens Böhrnsen (SPD), vertritt derzeit Ex-Bundespräsident Horst Köhler (CDU), seit dieser fluchtartig das Schloss Bellevue verlassen hat. Besonders wilde Verschwörungstheorien in der Hauptstadt gehen davon aus, dies habe mit seiner Unterzeichnung der schwindelerregenden Milliardenhilfen für den Euro zu tun, nachdem die Rettung des überschuldeten Griechenland die Währung ins Visier so genannter Spekulanten gebracht hatte. Diverse Verfassungsbeschwerden gegen beide Finanzspritzen haben die Karlsruher Richter zumindest im Hauptsacheverfahren noch zu prüfen. Auch auf Englisch soll vor Gericht künftig verhandelt werden können, fordert der Bundesrat weiterhin. Schöffen sollen hingegen so ein weiterer Vorstoß ordentlich Deutsch können müssen. Hamburgs Justizsenator Till Steffen (Bündnisgrüne) brachte einen Vorstoß ein, die umstrittenen Street- View-Aufnahmen des Suchmaschinenbetreibers Google gesetzlich zu reglementieren. Und da wir gerade im Internet sind: Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) trat wegen mangelnden Datenschutzes demonstrativ aus dem sozialen Netzwerk Facebook aus. Nun kann sie dort niemand mehr als seine Freundin eintragen. Der Runde Tisch gegen Kindesmissbrauch, dem immerhin drei veritable Bundesministerinnen angehören darunter Kristina Schröder (CDU) erwog unterdessen ein Duschverbot für Pädagogen. Eine Anzeigepflicht soll hingegen nicht eingeführt werden, wie Leutheusser-Schnarrenberger bekräftigte (wiewohl sie unlängst die katholische Kirche massiv wegen Nichteinschaltung der Staatsanwaltschaften gerügt hatte). Dr. Joachim Jahn, Berlin Der Autor ist Wirtschaftsredakteur der F.A.Z. und Lehrbeauftragter der Universität Mannheim. Sie erreichen den Autor unter der -Adresse autor@anwaltsblatt.de. IV AnwBl 7 / 2010

6 MN Bericht aus Brüssel EU-Kommission: Generaldirektion Justiz kommt Es ist erreicht. Zum 1. Juli 2010 wird es endlich eine eigenständige Generaldirektion Justiz (DG Justice) in der Europäischen Kommission gebe. Das beschloss die Kommission am 2. Juni Damit hat die Kommission eine langjährige Forderung u.a. des Deutschen Anwaltvereins nach einer echten Trennung des Innen- vom Justizressort erfüllt. Mit Beginn der zweiten Amtszeit von Kommissionspräsident Barroso im Februar hatte dieser zunächst die Zuständigkeit für die bisher von einem Kommissar verantworteten Bereiche Inneres und Justiz auf zwei Kommissare verteilt und so die jetzt erfolgte administrative Aufspaltung in zwei Ressorts vorbereitet. Forderung der Anwälte seit 2004 Ende 2004 wurde die seit 1999 bestehende Generaldirektion JAI (Justice et Affaires Interieures, Justiz und Inneres) umbenannt in JLS (Justice, Liberté, Sécurité), nach dem im Amsterdamer Vertrag angelegten Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Lange Zeit standen jedoch vor dem Hintergrund der Terroranschläge seit dem 11. September 2001 die Sicherheitsinteressen des Staates vor den Interessen der Freiheit. Dies beklagte bereits im Jahr 2004 der derzeitige DAV-Vizepräsidentent Rechtsanwalt Prof. Dr. Hans-Jürgen Hellwig als damaliger Präsident des europäischen Dachverbandes der Anwälte CCBE in einem Gespräch mit dem damaligen Justizkommissar António Vitorino, in dem er seine Sorge zum Ausdruck brachte, dass in verschiedenen Bereichen der europäischen Gesetzgebung Stichwort Geldwäscherichtlinien den Freiheitsrechten der Bürger, etwa hinsichtlich des Rechts eines jeden Bürgers, sich frei mit seinem Anwalt beraten zu können, nicht mehr in notwendigem Maße Rechnung getragen werde. Hellwig forderte in einem Brief an Vitorino schon damals einen Fürsprecher für juristische und rechtsstaatliche Aspekte der in den verschiedenen Generaldirektionen anfallenden Themen. Auch der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments, Klaus-Heiner Lehne, hat diese Forderung schon früh erhoben. Nach Resolutionen von CCBE und DAV im Jahr 2009 hat der DAV die Entscheidung für einen eigenständigen Justizkommissar Anfang diesen Jahres ausdrücklich begrüßt. Gleichzeitig blieb jedoch das Ziel einer eigenständigen Generaldirektion. Das wurde zunächst auf einer gemeinsamen Podiumsdiskussion des DAV mit dem Land Berlin Ende März 2010 mit Dr. Martin Selmayr, dem Kabinettschef der für Justiz zuständigen Kommissionsvizepräsidentin Viviane Reding (siehe S. 481 in diesem Heft), und dann auch auf dem Deutschen Anwaltstag in Aachen durch den DAV-Präsidenten Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer (siehe Seite S. 475) eingefordert. Eine Stimme für die Justiz in Europa Die Kommission trägt mit ihrer Entscheidung vom 2. Juni 2010 der Entwicklung Rechnung, dass der Vertrag von Lissabon und das Stockholmer Programm den Weg zu neuen politischen Herausforderungen im Justiz- wie auch im Innenressort bedeuten. Durch die Trennung wird eine transparente Abwägung zwischen legitimen Sicherheitsinteressen des Staates und Verfahrens- und Grundrechten des Bürgers bereits bei der Entstehung des Gesetzgebungsvorschlags durch zwei organisatorisch und hierarchisch separate Bereiche innerhalb der Kommission ermöglicht. Auf diese Weise verbleibt es nicht alleine auf der Ebene des Europäisches Parlaments und Rates als Mitgesetzgeber und schließlich der des europäischen Gerichtshofs diese schwierige Balance herzustellen. Mit einer eigenständigen Generaldirektion und Kommissarin kann die Justizpolitik darüber hinaus als Korrektiv in anderen Rechtsbereichen der Kommission, die Auswirkung auf den Rechtsstaat haben wie etwa in verfahrensrechtlichen Fragen, die durch Binnenmarktinstrumente ausgelöst werden wirken. Letztlich trägt die Trennung auch dem Grundsatz der Gewaltenteilung Rechnung. Denn auch die gegenseitige Kontrolle von unterschiedlichen Einrichtungen der Exekutive ist Ausdruck der Gewaltenteilung und der Eigenständigkeit der Justiz (so der Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen im Jahr 1999). Änderungen ab dem 1. Juli 2010 Für den Innenbereich (Home Affairs) wird zukünftig der Jurist Stefano Manservisi, vormals Generaldirektor der Generaldirektion Entwicklung, verantwortlich zeichnen. Die Generaldirektion Justiz wird von der Französin Françoise Le Bail übernommen, die aus der Generaldirektion Unternehmen wechselt und vor ihrer dreißigjährigen Laufbahn in der Kommission auch als Anwältin tätig war. Die Generaldirektion Justiz und Inneres wurde 1999 aus einer Task Force mit gerade einmal 80 Bediensteten gegründet. Die seitdem stark gestiegene Bedeutung beider Themen kann man daraus ersehen, dass die Generaldirektion JLS nun zum Zeitpunkt der Aufspaltung bereits ca. 600 Beschäftigte aufweist, wobei davon allerdings der größere Teil im Bereich Inneres tätig ist. Wer das Interesse von Frau Reding für ihr neues Portfolio und der Vermittlung seiner Bedeutung an den Bürger kennt, kann erahnen, dass die nun entstandene Generaldirektion Justiz weiter wachsen dürfte. Fazit Festzuhalten bleibt: Durch die Trennung werden die Abwägungs- und Entscheidungsprozesse in der Kommission transparenter. Die Justiz kann nun ihre Stimme für die Grundrechte innerhalb der ganzen Kommission nicht nur durch eine Kommissarin, sondern auch durch eine Generaldirektorin hören lassen. Dies gilt sowohl in der Kommunikation innerhalb der Kommission als auch in der Kommunikation nach außen. Für den Justizbereich, für die Grundrechte und auch für die Bürger kann dies nur eine Stärkung bedeuten. Eva Schriever, LL. M., Berlin/ Brüssel Die Autorin ist Rechtsanwältin und Geschäftsführerin des DAV. Sie erreichen die Autorin unter der -Adresse VI AnwBl 7 / 2010

7 MN Aktuelles Berufsrecht Frankreich: Werbeverbot für Wirtschaftsprüfer europafest? Das Verbot von Direktwerbung für Wirtschaftsprüfer in Frankreich stellt nach Auffassung von Generalanwalt Ján Mazák in seinen Schlussanträgen vom 18. Mai 2010 (Rs. C-119/09) keinen Verstoß gegen Artikel 24 Abs. 1 Dienstleistungsrichtlinie dar. Auf Vorlage des Conseil d État muss der EuGH erstmals die Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt auslegen. Fraglich ist, ob mit dem streitgegenständlichen Verbot von Direktwerbung ein Totalverbot einer Form von Werbung aufgestellt wird (was nach Art. 24 Abs. 1 untersagt wäre) oder ob die Regelung darauf abzielt, bestimmte Modalitäten von Werbung gem. Art. 24 Abs. 2 der Dienstleistungsrichtlinie auszugestalten. Der Generalanwalt kommt zu dem Ergebnis, dass Art. 24 Abs. 1 der Dienstleistungsrichtlinie so auszulegen sei, dass er einer nationalen Regelung wie der streitgegenständlichen (Art. 12 Abs. 1 Code de deóntologie des professionnels de l expertise comptable) nicht zwingend entgegenstehe. Eine Regelung, die Wirtschaftsprüfern jede nicht erbetene Werbung mit dem Ziel, Dritten ihre Dienste anzubieten, verbietet wäre folglich gemäß Art. 24 Abs. 2 europarechtskonform. Anwaltsrecht Bundesrat: Neben StPO auch BKA-Gesetz ändern Der Bundesrat hat am 4. Juni 2010 den Gesetzentwurf der Bundesregierung Zur Stärkung des Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu Rechtsanwälten im Strafprozessrecht beraten. Dieser soll die Spaltung der Anwaltschaft in Strafverteidiger und sonstige Anwälte aufheben. Der Bundesrat fordert jetzt eine Anpassung des 20 u BKA-Gesetz für den präventiven Bereich. 20 u BKA- Gesetz enthält eine dem bisherigen 160 a StPO vergleichbare Regelung. Absoluten Schutz vor polizeilichen Maßnahmen der Gefahrenabwehr haben nur Geistliche, Verteidigern und Abgeordnete. Der DAV hat von Anfang den 20 u BKA-Gesetz als unpraktikabel abgelehnt. Anwaltsrecht Keine Mindestgebühren für griechische Anwälte Rechtsanwälte in Griechenland stehen möglicherweise vor einer grundlegenden Änderung ihrer Einkommensstruktur. Die EU-Kommission fordert Griechenland in Form einer mit Gründen versehenen Stellungnahme nach Art. 258 AEUV auf, seine Rechtsanwaltsgebührenordnung zu ändern. Die Normen schreiben allen im Land tätigen Anwälten vor, dass sie für ihre Tätigkeit feste Mindestgebühren berechnen müssen. Hiervon gibt es keine Ausnahme. Die Kommission sieht in der griechischen Mindestgebührenregelung einen Verstoß gegen die Niederlassung- und Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 bzw. 56 AEUV), der nicht durch Verbraucherschutz- oder Qualitätserwägungen gerechtfertigt sei. Ein verbindliches Preissystem führe nicht zur Verbesserung der Dienstleistungsqualität. Antwortet Griechenland nicht binnen zwei Monaten zur Zufriedenheit der Kommission, droht ein Verfahren vor dem EuGH. Die griechische Regelung unterscheidet sich vom deutschen RVG. Mindestgebühren kennt das RVG nur im gerichtlichen Verfahren. Sie sichern hier den Zugang zum Recht, weil eine solche Gebührenordnung ein System der Kostenerstattung ermöglicht. Juristenausbildung Anzahl der Absolventen sinkt Das Bundesamt für Justiz hat die Juristenausbildungsstatistik für das Jahr 2008 veröffentlicht. Insgesamt haben Absolventinnen und Absolventen die erste juristische Prüfung abgelegt. Im Jahr 2007 waren es noch Im zweiten Staatsexamen waren es im Jahr erfolgreiche Kandidaten. Hier ist die Zahl im Vergleich zu 2007 konstant geblieben. Die Quote der weiblichen Absolventen lag in beiden Prüfungen bei über 50 Prozent. Die vollständige Ausbildungsstatistik finden Sie unter Anwaltsrecht Grenzen bei der Beratung durch Syndikusanwalt Die Syndikusanwälte der Deutschen Bahn AG dürfen das Konzernunternehmen DB Netz AG in Fragen des Netzzugangs und der Wegeentgelte nicht beraten und nicht vertreten. Das hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 18. Mai 2010 (3 C 21.09) entschieden. Das Gericht bestätigte damit eine Verbotsverfügung des Eisenbahnbundesamtes als Aufsichtsbehörde. Die DB Netz AG betreibt einen Großteil der Eisenbahnschienenwege in Deutschland. Ihre Gesellschaftsanteile werden von der Deutschen Bahn AG ihrer Konzernmutter gehalten, an die sie auch durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag gebunden ist. Für ihre Konzerntöchter hält die Deutsche Bahn AG verschiedene zentrale Servicefunktionen vor, unter anderem eine zentrale Rechtsabteilung. Diese berät und vertritt alle Gesellschaften des Konzerns, so auch die DB Netz AG in Regulierungssachen unter anderem gegenüber der Bundesnetzagentur. Das Eisenbahnbundesamt hatte der DB Netz AG untersagt, die Dienste dieser Konzernjuristen bei Entscheidungen über den Netzfahrplan, bei der sonstigen Zuweisung von Zugtrassen und bei Entscheidungen über die Wegeentgelte in Anspruch zu nehmen. Darin sah das Amt einen Verstoß gegen den Grundsatz, die Unabhängigkeit der Betreiber von Schienenwegen in netzzugangsrelevanten Entscheidungen sicherzustellen. Das Bundesverwaltungsgericht sah das genauso. Es genüge nicht, dass die DB Netz AG durch eigene Organe handele. Erforderlich sei auch, dass die Vorbereitung dieser Entscheidungen von jeglicher Einflussnahme im Interesse des Mutterunternehmens oder eines verbundenen Verkehrsunternehmens freigehalten werde. Der DB Netz AG sei deshalb zuzumuten, auf die Beauftragung der Syndikusanwälte der Deutschen Bahn AG zu verzichten und stattdessen auf eigene Syndikusanwälte zurückzugreifen oder aber selbständige Rechtsanwälte einzuschalten. Quelle: Pressemitteilung des BVerwG Nr. 38/2010 VIII AnwBl 7 / 2010

8 MN Aktuelles Leserreaktion Strafverteidiger ist kein Beruf Bei den drei strafrechtlichen Beiträgen im Juni-Heft des Anwaltsblatt war bei einem Beitrag in der Autorkennung am Ende der Hinweis aufgenommen, dass die beiden Autoren Rechtsanwalt und Strafverteidiger seien. Im Rahmen meines Beckmesser-Hobbys möchte ich auf folgendes aufmerksam machen: Mit Recht, Nachdruck und angeblich auch mit Erfolg hat die Anwaltschaft auf allen Kanälen darauf hingewiesen, dass die Unterscheidung zwischen Strafverteidigern und anderen Rechtsanwälten sachlich undurchführbar und vom Selbstverständnis der Berufsangehörigen her unsäglich ist (vgl. statt vieler Filges, BRAK-Mitteilungen 6/2009 (Editorial). Dann ist es aber genauso unsäglich, wenn im Juni- Heft des Anwaltsblatts zwei Autoren jeweils als Rechtsanwalt und Strafverteidiger bezeichnet werden. Strafverteidiger ist kein eigener Beruf wie Notar (vgl. Rechtsanwalt und Notar ). Die Anwaltsorganisation selber erweckt aber in ihrem Leib- und Magenblatt genau diesen Eindruck. Das ist kontraproduktiv und umso unnötiger, wenn im Abspann nichts verlautbart wird, was nicht im Vorspann bereits mit dem Hinweis auf die Eigenschaft Rechtsanwalt vorkommt. Rechtsanwalt Friedrich Wörlen, Nördlingen Anmerkung der Redaktion: Herr Wörlen hat recht. Korrektur In dem Bericht Burkhard Hirsch: Die Freiheit des Anwaltsberufs verteidigen über den Landesanwaltstag in Thüringen im Juni-Heft des Anwaltsblatts (AnwBl 2010, 408) ist aufgrund eines Versehens der Redaktion Rechtsanwalt Dr. Burkhard Hirsch als ehemaliger Richter des Bundesverfassungsgerichts bezeichnet worden. Burkhard Hirsch war Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen und Bundestagsvizepräsident. Die Redaktion dankt Rechtsanwalt und Notar Dieter Schütte aus Paderborn für den Hinweis. Die Redaktion Magdeburger Anwaltverein 9. Landesanwaltstag in Wernigerode Am 27./ richtet der Magdeburger Anwaltverein in Wernigerode, der Bunten Stadt am Harz, bereits den 9. Anwaltstag des Landes Sachsen- Anhalt aus. Geplant ist eine vielfältige, kommunikative Veranstaltung, bei der Fortbildung und kollegialer Austausch im Vordergrund stehen. Für die aktuellen Themen aus den Bereichen Arbeitsrecht, Familien- und Erbrecht, Gebührenrecht, IT-Recht, Sozialrecht, Strafrecht, Verkehrsrecht, Versicherungsrecht und Verwaltungsrecht wurden wieder namhafte Referenten gewonnen. Bei der Themenauswahl wurde Wert auf die Eignung nach 15 FAO gelegt. Eine festliche Abendveranstaltung auf dem Wernigeroder Schloss rundet die Veranstaltung ab. Auskünfte und Anmeldungen: Magdeburger Anwaltverein, Halberstädter Str.8, Magdeburg, Tel./Fax: 0391/ , Das Programm finden Sie auch in diesem Heft auf Seite XIV. Veranstaltung 2. Deutsch-chinesisches Seminar Der Deutsche Anwaltverein veranstaltet sein 2. deutsch-chinesisches Anwaltsseminar vom 9. bis 11. September 2010 in Berlin in Zusammenarbeit mit der Tianjin Bar Association. Thematischer Schwerpunkt ist: Neue Herausforderungen für die Anwaltschaft: Der Anwalt im deutsch-chinesischen Rechtsverkehr. Rechtsexperten beider Länder werden zu Fachthemen, wie z. B. Investitionsrecht, Wirtschaftsrecht, Wirtschaftsstrafrecht und Berufsrecht, referieren und diskutieren. Das 1. Deutsch-chinesische Anwaltsseminar fand 2008 in Tianjin in China statt. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an den Deutschen Anwaltverein, Annegret Seiffert, Littenstr. 11, Berlin, Tel. 030/ , Veranstaltung 3. Europäisches Anwaltsforum in Köln Am 16./17. September 2010 veranstaltet der Kölner Anwaltverein (KAV) gemeinsam mit der Rechtsanwaltskammer Köln in den Räumlichkeiten des Oberlandesgerichts Köln das 3. Europäische Anwaltsforum. Diese Tagung hat das Ziel, Kolleginnen und Kollegen aus dem In- und Ausland im Rahmen einer mehrtägigen Fachveranstaltung zusammen zu führen. In diesem Jahr ist als Schwerpunktthema das internationale Familienrecht vorgesehen mit Vorträgen zum Scheidungsrecht einschließlich Scheidungsfolgen im deutschen, türkischen, italienischen, islamischen, französischen, niederländischen Recht sowie im Recht der nordischen Staaten. Weitere Themen sind das Schadens- und Deliktsrecht in ausgewählten europäischen Ländern (unter Einbeziehung der Besonderheiten des Straßenverkehrsunfalls) sowie das internationale Medienrecht. Nähere Informationen hierzu sowie zur gesamten Veranstaltung erhalten Sie beim KAV unter 0221/ sowie unter AG Agrarrecht 1. Sommertagung Die Arbeitsgemeinschaft Agrarrecht hält vom 19. bis ihre erste Sommertagung auf einem Gutshof im Saarland ab. Das 1 1/2-tägige Fachprogramm behandelt unter anderem folgende Themen: Der enttäuschte Hofnachfolger (Rechtsanwalt Deuringer, Augsburg), Der Landwirt als Genosse (Rechtsanwalt Dr. Schuhmacher, Münster), Das Verfahren in Landwirtschaftssachen nach der FFG-Reform mit kostenrechtlichen Aspekten (Rechtsanwältin Kindermann, Bremen) und Die Mitgliedschaft in der Landwirtschaftlichen Alterskasse (Rechtsanwältin Grass, Bonn). Weitere Informationen zur Tagung und Anmeldung finden Sie unter arbeitsgemeinschaften/agrarrecht/aktuelles oder direkt über dr.halm@halm-presser.de. Informationen zum Tagungsort: X AnwBl 7 / 2010

9 Anwaltsblatt Jahrgang 60, 7 / 2010 Im Auftrag des Deutschen Anwaltvereins herausgegeben von den Rechtsanwälten: Felix Busse Dr. Peter Hamacher Dr. Michael Kleine-Cosack Wolfgang Schwackenberg Redaktion: Dr. Nicolas Lührig (Leitung) Udo Henke Manfred Aranowski Rechtsanwälte Lücken in der Berufshaftpflichtversicherung der Anwälte Die Kongruenz von Deckungskonzept und Haftungssystem ein vergessener Grundsatz? * Rechtsanwalt Dr. Ulrich Stobbe, Hannover Sie ist Segen und Alleinstellungsmerkmal zugleich: Die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung ein Erfolgsmodell seit Ende des 19. Jahrhunderts wurde 1994 für Anwältinnen und Anwälte zum Schutz ihrer Mandanten zur Pflichtversicherung. Doch während in der Vergangenheit die Anpassung des Deckungskonzeptes an Risikoveränderungen bei den Anwälten im Großen und Ganzen gelungen sind, gibt es nun einen Bruch: Die Rechtsfähigkeit der BGB-Außengesellschaft hat zu einem Haftungssystem geführt, bei dem es im Deckungskonzept Lücken gibt. Versicherer und Anwaltschaft haben noch keinen Weg gefunden, sie zu schließen, weil das so der Autor grundlegende Prinzipien des Deckungskonzepts tangiert und nicht systemimmanent zu bewerkstelligen ist. Er plädiert für ein Umdenken. I. Leitsätze 9 Versicherungsschutz und Haftung können sich nur im Teilbereich versicherbarer berufstypischer Haftungsrisiken decken, die aus der fahrlässigen Verletzung von Pflichten resultieren, die dem mandatierten Anwalt obliegen oder für die er, soweit sie Dritten unterlaufen, einzustehen hat. 9 Die Gewährleistung des darauf beschränkten Versicherungsschutzes ist ein am Gemeinwohl orientiertes rechtsund berufspolitisches Postulat, zu dessen Erfüllung die Anwaltschaft, die Versicherungswirtschaft und der Gesetzgeber aufgerufen sind. 9 Die Änderung der Haftungsverfassung der Sozietät durch die Rechtsprechung des BGH hat zu Lücken im Versicherungsschutz geführt, deren Schließung bisher nicht gelungen ist und die im Falle der interprofessionellen Sozietät eine Anpassung der einschlägigen Berufsrechte erfordert. II. Kongruenz Grundsatz oder Postulat Kongruenz von Deckungskonzept und Haftungssystem kann nur bedeuten, dass die Berufshaftpflichtversicherung Versicherungsschutz für alle Haftungsfälle bietet, die sich aus der anwaltlichen Tätigkeit ergeben können. Einen Grundsatz dieses Inhalts bringen weder das Versicherungsvertragsgesetz, noch das anwaltliche Berufsrecht noch das Bedingungswerk der Berufshaftpflichtversicherer zum Ausdruck. Er lässt sich auch dogmatisch nicht begründen. Das Haftungsrisiko des Rechtsanwalts findet seinen Grund und seine Begrenzung in den tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des Haftungsrechts oder der haftungsrechtlichen Zuordnungsnormen, soweit eine Einstandspflicht des Anwalts für Dritte in Betracht kommt. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, wird die Haftung nur noch durch die Höhe des Schadens begrenzt. Auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des haftpflichtigen Rechtsanwalts kommt es nicht an. Das Leistungsversprechen des Versicherers richtet sich dagegen nach versicherungswirtschaftlichen Kriterien. Der Versicherer kann nur eine Risikoübernahme anbieten, die auf der Basis statistischer Eintrittswahrscheinlichkeit ungewisser Ereignisse, des Risikoausgleichs innerhalb der versicherten Gefahrengemeinschaft, versicherungsmathematischer Berechenbarkeit, und eines dem Risikotransfer entsprechenden Prämienaufkommens kalkulierbar und insoweit zwangsläufig begrenzt ist. Das führt in der Berufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwälte insbesondere 9 zur Beschränkung des Versicherungsschutzes auf Risiken, die sich aus fahrlässig fehlerhafter Berufsausübung ergeben und sich in einem Vermögensschaden realisieren, 9 zur Beschränkung der Risikoübernahme auf die Versicherungssumme bzw. ihre Maximierung, * Der Beitrag beruht auf einem Vortrag des Verfassers unter dem Titel Die Kongruenz von Deckungskonzept und Haftungssystem ein vergessener Grundsatz? in einer Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht und des Ausschusses Versicherungsrechts des DAV auf dem 61. Deutschen Anwaltstag in Aachen am 14. Mai Lücken in der Berufshaftpflichtversicherung der Anwälte, Stobbe AnwBl 7 /

10 MN Aufsätze 9 um Ausschluss atypischer oder jedenfalls für atypisch gehaltener Risiken. Schon diese Gegenüberstellung zeigt: Die sich aus dem Haftungsrecht ergebenden Risiken anwaltlicher Berufsausübung sind zahlreicher und vielfältiger als die Risiken, deren Deckung der Versicherer versprechen kann. Haftungssystem und Deckungskonzept sind begriffsnotwendig inkongruent. Haftung und Versicherungsschutz verhalten sich, bildlich gesprochen, wie zwei über einander liegende Kreise, wobei der den Versicherungsschutz umfassende Kreis nur einen Teil des die Haftungsrisiken des Anwalts umschließenden Kreises überdeckt. III. Die Anpassung des Versicherungsschutzes an die Veränderung der Haftungsrisiken Wenn wir dennoch Kongruenz zwischen Deckungskonzept und Haftungssystem oder anders ausgedrückt, zwischen dem Angebot an Versicherungsschutz und den aus dem Haftungssystem folgenden Haftungsrisiken fordern, haben wir etwas anderes im Sinn. 1. Rückblick Eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Rechtsanwälte und Beamte wurde erstmals in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts vom Allgemeinen Deutschen Versicherungsverein in Stuttgart angeboten. Statistisches Material gibt es seit dem Der 14. Deutsche Anwaltstag 1899 in Mainz beschäftigte sich mit dem damals neuartigen Versicherungsprodukt, das nicht nur in der öffentlichen Meinung und vom kaiserlichen Aufsichtsamt sondern auch in der Anwaltschaft kritisch, zum Teil sogar abfällig beurteilt wurde. Der Deutsche Oekonomist sprach in seiner Ausgabe vom von einer Liederlichkeitsversicherung, die der Demoralisation Vorschub leisten werde. 2 Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein gehörten die Rechtsanwälte in Deutschland nach ihrer Ausbildung und ihrer Funktion innerhalb des Rechtswesens zu den Justizjuristen. Sie waren ganz überwiegend forensisch tätig. Das originäre Betätigungsfeld der Anwaltschaft war damit klar abgegrenzt, die anwaltliche Berufsausübung weitgehend homogen. Das typische Berufsrisiko ergab sich aus der Haftung für Vermögensschäden, die durch fahrlässig pflichtwidrige Vertretung des Mandanten in streitigen Auseinandersetzungen verursacht wurden. Dafür bot die Haftpflichtversicherung Versicherungsschutz im Rahmen der zu vereinbarenden Versicherungssumme, eines aus Erziehungsgründen hohen Selbstbehalts 3 und gewisser Ausschlussklauseln. Versicherungsschutz und das mit der Berufsausübung verbundene typische Haftungsrisiko waren in diesem Rahmen kongruent. In den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts verlagerte sich der Schwerpunkt der anwaltlichen Berufsausübung auf die vorsorgende Rechtsberatung und Rechtsgestaltung. Die Berufsausübung wurde dadurch stärker als je zuvor dem Wandel der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ausgesetzt. Außerdem ging mit dieser Entwicklung eine sich ständig fortsetzende Ausweitung der anwaltlichen Tätigkeitsfelder einher. Die Grenzen zwischen typischer und atypischer anwaltlicher Tätigkeit wurden fließend. Die Abgrenzung anwaltlicher von wirtschaftlicher, kaufmännischer oder unternehmerischer Tätigkeit, freiberuflicher von gewerblicher Tätigkeit wurde zum Problem. 2. Veränderung der Haftungsrisiken und des Schutzbedürfnisses Dementsprechend änderten sich die Haftungsrisiken anwaltlicher Tätigkeit. Das von der Regressrechtsprechung entwickelte Pflichtenprogramm, das der Anwalt bei der Mandatserfüllung zu beachten hat, gilt zwar in seiner abstrakten Ausgestaltung für die forensische ebenso wie für die rechtsberatende und rechtsgestaltende Tätigkeit. Die mit der konkreten Erfüllung dieses Pflichtenprogramms verbundenen tatsächlichen Risiken haben sich jedoch verändert und vervielfältigt. Die Anpassung des Versicherungsschutzes an diese Veränderungen wurde zur ständigen Aufgabe, der sich nicht nur im Einzelfall der Anwalt und sein Versicherer sondern auch generell die Anwaltschaft und die Berufshaftpflichtversicherer zu stellen haben. Zu verwirklichen war sie bis zum Inkrafttreten der Berufsrechtsnovelle vom nur im Rahmen privatautonomer Vertragsgestaltung. IV. Versicherungsschutz und Schutzbedürfnis unter dem Aspekt der Pflichtversicherung 1. Einschränkung der Privatautonomie Mit dieser Novelle wurde die Berufshaftpflichtversicherung zur Pflichtversicherung im Sinne des 113 Abs. 1 VVG. Indem er nicht nur den Abschluss und die Vorhaltung einer Berufshaftpflichtversicherung während der gesamten Dauer der Berufstätigkeit zur sanktionsbewehrten Berufspflicht machte, sondern auch den Gegenstand der Versicherung, die Mindestversicherungssumme, die zulässigen Deckungsausschlüsse sowie die Grenzen des Selbstbehalts bestimmte, beschränkte der Gesetzgeber den Freiraum privatautonomer Gestaltung des Versicherungsverhältnisses auf den Versicherungsschutz, der über den durch die Pflichtversicherung garantierten hinausgeht. 2. Übernahme des herkömmlichen Deckungskonzeptes Bei der Bestimmung der zu versichernden Risiken beließ es der Gesetzgeber in bewusster Anlehnung an 19 a BNotO 4 bei der unbestimmten Formulierung in 51 Abs. 1 S. 1 BRAO, die Berufshaftpflichtversicherung habe die sich aus der Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren zu decken. Was zur anwaltlichen Berufstätigkeit gehört, ließ er offen. 51 Abs. 2 S. 1 BRAO schreibt lediglich ergänzend vor, der Versicherungsvertrag habe Versicherungsschutz für jede einzelne Pflichtverletzung zu gewähren, die gesetzliche Haftpflichtansprüche privatrechtlichen Inhalts gegen den Rechtsanwalt zur Folge haben könnte. Die Bestimmung knüpft an das an, was 1 I 1 AVB seit je als Gegenstand des Versicherungsschutzes umschreibt. Im Ergebnis übernahm der Gesetzgeber der BRAO Novelle damit das Konzept der im Markt eingeführten Vermögensschaden Haftpflichtversicherung für Rechtsanwälte. 1 Suchsland JW 1899, 619 ff. 2 Zitiert nach Suchsland ebda. S Gräfe/Brügge Gräfe, Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, D. Rn BT-Drucks. 12/4993, S AnwBl 7 / 2010 Lücken in der Berufshaftpflichtversicherung der Anwälte, Stobbe

11 MN Aufsätze 3. Anwaltliche Tätigkeit ein unbestimmter Rechtsbegriff In 1 AVB heißt es: Der Versicherer bietet dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für den Fall, dass er wegen eines bei der Ausübung beruflicher Tätigkeit von ihm selbst oder einer Person, für die er nach 278 oder 831 BGB einzustehen hat, begangenen Verstoßes von einem anderen auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts für einen Vermögensschaden verantwortlich gemacht wird. Was zur Ausübung der beruflichen Tätigkeit gehört, lässt auch diese Klausel offen. Das Bedingungswerk der Versicherer umgeht das Definitionsproblem auf zwei Wegen, einmal durch negative Ausgrenzung vom Versicherungsschutz in Gestalt der in 4 AVB und in Teil A 2 der besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen aufgelisteten Versicherungsausschlüsse und zum anderen durch die positive Auflistung der mitversicherten Tätigkeiten in Teil B der Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen. Dieser Katalog ist zwar abschließend, jedoch ebenso wie die Versicherungsausschlüsse Vertragsbedingung und damit grundsätzlich verhandelbar. Beide sind auch im Laufe der Zeit an Veränderungen im anwaltlichen Betätigungsfeld angepasst worden, der Katalog zum Beispiel durch die Aufnahme der Mediation. Was über die originäre forensische Anwaltstätigkeit im weitesten Sinne und über die reine Rechtsberatung und Rechtsgestaltung hinaus zur versicherbaren Tätigkeit gehört, unterliegt deshalb weiterhin privatautonomer Vertragsgestaltung. Daran hat die Pflichtversicherung nichts geändert. 4. Der Zweck der Versicherungspflicht Die Pflichtversicherung dient vorrangig dem Schutz des rechtsuchenden Publikums. Sie soll im Interesse des Gemeinwohls so heißt es in der Begründung des Regierungsentwurfs gewährleisten, dass jeder Rechtsanwalt im Haftungsfall erfolgreich in Anspruch genommen werden kann. 5 Dass dies nur in den aufgezeigten Grenzen der Versicherbarkeit geschehen kann, verschweigt die Begründung. Aus diesem Zweck der Pflichtversicherung wird man allerdings ableiten können, dass Versicherer und Anwaltschaft gehalten sind, dem Schutzbedürfnis des rechtsuchenden Publikums gerecht zu werden und den Freiraum privatautonomer Vertragsgestaltung durch Anpassung des Versicherungsschutzes an veränderte oder neue Gefahrenlagen zu nutzen. Eine rechtsverbindliche Verpflichtung kann dies jedoch nicht sein. Normadressat des 51 BRAO ist ausschließlich der Rechtsanwalt. Pflichten der Versicherer können nach Abs. 6 der Bestimmung nur vertraglich im Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer begründet werden. Aber auch dem Rechtsanwalt obliegt keine Berufspflicht, den Versicherungsschutz Veränderungen seiner Berufsrisiken anzupassen. Eine solche Berufspflicht ließe sich nur durch Auslegung des 51 BRAO konkretisieren. Der Rechtsanwalt kann jedoch nicht für die Versäumung einer Berufspflicht verantwortlich gemacht werden, die sich nicht unmittelbar aus 51 BRAO ergibt. 51 BRAO ist Teil des Disziplinarrechts. Verstöße gegen 51 BRAO können gemäß 113 BRAO geahndet werden. Auch für das Disziplinarrecht gilt nach der Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 103 Abs. 2 GG, dass sich eine Pflicht, deren Verletzung disziplinarrechtlich geahndet werden kann, tatbestandsmäßig konkret unmittelbar aus dem Gesetz ergeben muss, ohne dass es einer Auslegung des Gesetzes bedarf Versicherungsschutz und Schutzbedürfnis ein notwendiger Anpassungsprozess Die Anpassung des Versicherungsschutzes an veränderte oder neue Haftungsrisiken ist deshalb auch unter dem Aspekt der Versicherungspflicht nur ein Postulat, zu dessen Erfüllung die Anwaltschaft, die Versicherungswirtschaft und der Gesetzgeber aufgerufen sind. Versäumnisse beeinträchtigen das Schutzbedürfnis des rechtsuchenden Publikums vor dem Insolvenzrisiko ebenso wie das des haftpflichtigen Anwalts vor ruinöser Haftung und diskreditieren die Versicherungswirtschaft, deren unternehmerisches Interesse darauf ausgerichtet sein sollte, ein diesem Schutzbedürfnis genügendes Versicherungsprodukt anzubieten. In der Vergangenheit ist die Anpassung des Deckungskonzeptes an Risikoveränderungen im Großen und Ganzen gelungen. In jüngerer Zeit tun sich Versicherer und Anwaltschaft jedoch schwer, inzwischen überfällige Anpassungen an Veränderungen der Haftungsrisiken aus der Sozietät zu vollziehen. Der Grund liegt augenscheinlich darin, dass diese Anpassungen grundlegende Prinzipien des Deckungskonzepts tangieren und nicht wie alle vorangegangenen systemimmanent zu bewerkstelligen sind. V. Zur Neuausrichtung des Deckungskonzepts an die Haftungsverfassung der Sozietät 1. Die Haftungsverfassung der Sozietät Die Rechtssprechung des II. Senats des BGH zur Rechtsfähigkeit der erwerbsgerichteten Außengesellschaft bürgerlichen Rechts hat zu einer grundlegenden Änderung der Haftungsverfassung auch der Sozietät geführt. 7 Für die Scheinsozietät gilt das Gleiche. Dieser rechtsfortbildenden Rechtsprechung ist das Deckungskonzept der Berufshaftpflichtversicherung bisher nicht angepasst worden, obwohl die Änderung der Haftungsverfassung Haftungsrisiken zur Folge hat, die durch die Berufshaftpflichtversicherung nicht gedeckt werden. Die Leitsätze des BGH-Urteils vom lauten: 8 9 Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts muss sich zu Schadensersatz verpflichtendes Handeln ihrer (geschäftsführenden) Gesellschafter entsprechend 31 BGB zurechnen lassen. 9 Die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts haben grundsätzlich auch für gesetzlich begründete Verbindlichkeiten ihrer Gesellschaft persönlich und als Gesamtschuldner ich ergänze: nach dem Prinzip der Akzessorietät einzustehen. 5 BT-Drucks. 12/4993, S BVerfGE 60, 215 ff., 233 f. 7 BGH II ZR 331/00 = BGHZ 146, 341 ff. = NJW 2001, 1056 ff. = VersR 2001, 510 ff. Zu den Auswirkungen der BGH-Rspr. auf die Sozietätshaftung näher Hartung in Henssler/Prütting BRAO 3. Aufl. Rn. 55 ff. m. w. N. 8 BGH ZR 385/99 = BGHZ 154, 88ff.; BGH II ZR 56/02 = BGHZ 154, 370 ff. Lücken in der Berufshaftpflichtversicherung der Anwälte, Stobbe AnwBl 7 /

12 MN Aufsätze Der IX. Senat hat diese Rechtsprechung des II. Senats für die Anwaltssozietät zunächst nur im Ansatz übernommen, 9 in weiteren Entscheidungen aber systematisch konsequent ausgebaut. 10 In der Begründung seiner Entscheidung vom zur Scheinsozietät stellt er fest: 9 Für berufshaftungsrechtliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft kann keine Ausnahme bei der Anwendung des 31 BGB anerkannt werden. 9 Das in 128 HGB zum Ausdruck kommende Haftungsprinzip trifft auch auf die berufshaftungsrechtlichen Verbindlichkeiten einer Anwaltssozietät zu. 11 Dies gilt grundsätzlich. Einzelfragen, insbesondere zur Haftung des in eine Sozietät Eintretenden und zur interprofessionellen Sozietät, hat der BGH bisher nicht entschieden. Aus den vorliegenden Entscheidungen ergibt sich jedoch die Tendenz des Gerichts, im Interesse systematischer Klarheit und der daraus folgenden Rechtssicherheit kein Sozietäts- Sonderrecht für berufshaftungsrechtliche Verbindlichkeiten zu schaffen. Der überwiegende Teil des Schrifttums befürwortet dies, 12 aus meiner Sicht zu Recht. 2. Ziel der Neuausrichtung Da die Erledigung der Altfälle, denen noch der Schutz des Vertrauens in die frühere Rechtslage zugute kommt, 13 nur eine Frage des Zeitablaufs ist, und der Gesetzgeber keine erkennbaren Anstalten zur Novellierung des 51 BRAO trifft, sollten Anwaltschaft und Versicherer sich der Aufgabe annehmen, das Deckungskonzept für die Sozietät darauf auszurichten, dass 9 die Sozietät eine rechtsfähige Berufsträgergesellschaft ist, für deren Haftungsverfassung das Recht der OHG entsprechend gilt. 9 der Sozietät schuldhafte vertragliche Pflichtverletzungen der Sozien analog 31 BGB zugerechnet werden und sie dafür selbst mit dem Sozietätsvermögen einzustehen hat, 9 die Sozietät für schuldhaftes Verhalten ihrer Angestellten bei der Erfüllung vertraglicher Pflichten gemäß 278 BGB einzustehen hat, 9 jeder Sozius analog 128 HGB akzessorisch persönlich und unbeschränkt für Verbindlichkeiten der Sozietät haftet, 9 der in eine Sozietät Eintretende analog 130 Abs. 1 HGB auch für berufshaftungsrechtliche Verbindlichkeiten haftet, die vor seinem Eintritt begründet wurden. VI. Defizite des herkömmlichen Deckungskonzeptes aufgrund der Änderungen des GbR-Gesellschaftsrechts 1. Mangelhafter Versicherungsschutz der Sozietät Das gegenwärtige Deckungskonzept der Berufshaftpflichtversicherung beruht ebenso wie die pflichtversicherungsrechtlichen Vorschriften des 51 BRAO auf der bis zum Januar 2001 ständigen auf der Doppelverpflichtungstheorie beruhenden Rechtsprechung, derzufolge die Sozietät ein nicht rechtsfähiger Verbund der gesamtschuldnerisch haftenden Sozien ist. Träger des Mandats waren im Regelfall die Sozien. Die Mandatierung eines einzelnen Sozius bildete die Ausnahme. Die Sozien hafteten für die schuldhafte Schlechterfüllung eines Mandats als Gesamtschuldner sowohl mit dem Sozietätsvermögen als auch mit ihrem Privatvermögen und hatten für ihre angestellten Mitarbeiter, deren sie sich bei der Erfüllung des Mandats bedienten, nach 278 BGB einzustehen. Der in eine Sozietät Eintretende haftete für Altverbindlichkeiten grundsätzlich nicht. Dem entspricht der durch die Berufshaftpflichtversicherung bis heute in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle gebotene Versicherungsschutz. Er deckt im Rahmen der Durchschnittsleistung nach 12 Abs. 2 AVB ausschließlich die Risiken der Sozien aus ihrer gesamtschuldnerischen Haftung für schuldhafte vertragliche Pflichtverletzungen, die einem oder einigen von ihnen unterlaufen sind, sowie die Risiken aus der Einstandspflicht der Sozien nach 278 BGB für Erfüllungsgehilfen. Die Sozietät selbst ist bisher nur in Ausnahmefällen versichert. Dass die Sozietät nach der neuen Rechtsprechung des BGH in der Regel der Träger des Mandats ist und primär für schuldhafte vertragliche Pflichtverletzungen ihrer Gesellschafter analog 31 BGB und der angestellten Mitarbeiter gemäß 278 BGB einzustehen hat, haben bisher weder die Anwaltschaft noch die Versicherungswirtschaft noch den Gesetzgeber veranlasst, für Versicherungsschutz der Sozietät zu sorgen. Da für die Sozietät im Unterschied zu den Rechtsanwaltsgesellschaften i. S. des 59 c BRAO keine Versicherungspflicht besteht und diese aus den genannten verfassungsrechtlichen Gründen auch nicht durch analoge Anwendung der BRAO-Vorschriften begründet werden kann, begnügte man sich mit der leichtfertigen Annahme, die Haftungsrisiken der Sozietät aus ihren Einstandspflichten nach den 31 und 278 BGB seien durch die Versicherung der gesamtschuldnerischen Haftung der Sozien nach 128 HGB mit gedeckt. Tatsächlich deckt die Versicherung jedoch ausschließlich die Haftungsrisiken der Sozien gemäß 128 HGB im Rahmen der Durchschnittsleistung des 12 Abs. 2 AVB. Die Sozietät selbst hat, wenn sie nicht versichert oder mitversichert ist, für ihre primäre Haftung keinen eigenen Versicherungsschutz. Die Erklärung der Versicherer, sie seien bereit, die Versicherung der Sozietät als durch die Versicherung der Sozien abgedeckt zu sehen, schafft zwar zunächst Abhilfe, verfestigt den unbefriedigenden Zustand jedoch, statt ihn dauerhaft zu beseitigen. Als rechtsfähige Berufsträgergesellschaft sollte die Sozietät ihre Haftungsrisiken eigenständig versichern und die Haftungsrisiken ihrer Sozien mitversichern. Das würde der sich in den BGHEntscheidungen ergebenden Haftungsverfassung der Sozietät entsprechen. So einfach, wie dies klingt, ist es allerdings nicht zu verwirklichen. Auf die mir lösbar erscheinenden Detailprobleme kann ich im Rahmen dieses Vortrags jedoch nicht eingehen. 9 BGHZ 157, 361 ff. 10 BGH IX ZR 218/05 = ZAP EN-Nr. 604/2007; BGH IX ZR 145/05 = BRAK-Mitt 2008, 209 f. = VersR 2008, 1394 ff.; BGH IX ZR 18/07 = AnwBl 2009, 461 ff. = NJW 2009, 1597 ff. zur Partnerschaftsgesellschaft BGH IX ZR 12/09 = AnwBl 2010, 216 ff. = NJW 2010, BGH IX ZR 218/05 = ZAP EN-Nr. 604/ S. die Nachweise in BGH ebda. amtl. Ausdruck S BGH II ZR 56/02 = BGHZ 154, 370 ff. = NJW 2003, 1803 ff. 452 AnwBl 7 / 2010 Lücken in der Berufshaftpflichtversicherung der Anwälte, Stobbe

13 MN Aufsätze 2. Die Deckung der akzessorischen Haftung der Sozien Die akzessorische Haftung der Sozien für Verbindlichkeiten der Sozietät aus der Schlechterfüllung eines Mandats analog 128 HGB wird durch die Berufshaftpflichtversicherung in ihrer derzeitigen Ausgestaltung gedeckt. Sie gehört zum Gegenstand des Versicherungsschutzes i. S. des 1 Abs. 1 AVB. Die Sozien haften daran ändert das Prinzip der Akzessorietät nichts letztlich für einen Verstoß, den einer von ihnen begangen hat, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts. Primär wird die Haftung für den Verstoß zwar entsprechend 31 BGB der Sozietät zugeordnet. Sie haftet, ohne dass die Haftung darauf beschränkt ist, mit dem Sozietätsvermögen. Für Verbindlichkeiten der Sozietät aus eben dieser Haftung haben jedoch die Sozien analog 128 HGB als Gesamtschuldner mit ihrem Privatvermögen einzustehen. Abgesehen davon, dass die Haftung mit dem Sozietätsvermögen der Sozietät zugeordnet wird, diese also als insoweit Haftender hinzutritt, hat sich die Haftung der Sozien im praktischen Ergebnis nicht geändert. Geändert hat sich lediglich ihre gesellschaftsrechtliche Begründung. Dass 128 HGB in 51 Abs. 1 S. 2 BRAO und in 1 Abs. 1 AVB nicht erwähnt wird, ist deshalb unerheblich und hat außerdem lediglich historische Gründe. Für den Gesetzgeber der BRAO-Novelle von 1994 ergab sich die Haftungsverfassung der Sozietät allein aus der auf der Doppelverpflichtungstheorie beruhenden Rechtsprechung. Das verkennt, wer die Verweisung auf die 278 und 831 BGB in 51 Abs 1 BRAO sowie in 1 Abs. 1 AVB für relevant oder sogar für ausschließlich hält. 3. Mangelnder Versicherungsschutz des Eintretenden gegenüber Altverbindlichkeiten der Sozietät Nicht gedeckt wird von der Berufshaftpflichtversicherung in ihrer derzeitigen Ausgestaltung die Haftung des in eine Sozietät Eintretenden für Verbindlichkeiten aus haftungsbegründenden Verstößen, die vor seinem Eintritt von einem oder einigen der Altsozien begangen wurden ( 130, 128, 129 HGB analog). Die Versicherung des Eintretenden gewährt Versicherungsschutz für Verstöße, die der Eintretende selbst oder ein anderer, für den er nach den 278 oder 831 BGB einzustehen hat, während der Dauer seiner Versicherung begangen hat. Die Altsozien können im Verstoßzeitpunkt weder Erfüllungs- noch Verrichtungsgehilfen des Eintretenden gewesen sein. Nach 12 Abs. 1 AVB gilt zwar der Versicherungsfall auch nur eines Sozius als Versicherungsfall aller Sozien. Diese Fiktion gilt jedoch nach bisherigem Verständnis für die Zusammensetzung der Sozietät zur Zeit des Verstoßes. Dem Eintretenden nutzt sie nicht. 4. Zum Verstoßprinzip Das Verstoßprinzip ist ein essentialer Bestandteil der Berufshaftpflichtversicherung. Es gewährleistet den vereinbarten Versicherungsschutz für alle während der Dauer des Versicherungsvertrages begangenen Verstöße unabhängig davon, wann der Schaden erkannt oder geltend gemacht wird, und damit den für den Geschädigten wie für den Haftpflichtigen unverzichtbaren Spätschadensschutz. So richtig dies ist, so wenig führt eine versicherungsrechtliche Lösung des Haftungsrisikos für Altfälle, dem der in eine Sozietät Eintretende ausgesetzt ist, zwangsläufig zur Aufgabe oder Aushöhlung dieses Prinzips. Zu denken wäre z. B. an eine Ausweitung der Fiktion des 12 Abs. 1 AVB, derzufolge der Versicherungsfall auch nur eines Sozius als Versicherungsfall aller Sozien gilt, auch auf die Sozien, die zur Zeit der Schadensfeststellung der Sozietät angehören. Für den Eintretenden blieben freilich die Risiken, die sich aus seiner Versicherungssumme und aus der Durchschnittsleistung des Versicherers gemäß 12 Abs. 2 AVB ergeben können. Im Übrigen würde eine risikoangemessene Versicherung der Sozietät das Haftungsproblem des Eintretenden für die Zukunft zwar nicht beseitigen, aber doch entschärfen. 5. Lücken im Versicherungsschutz der interprofessionellen Sozietät Die größte Herausforderung stellt die Anpassung des Versicherungsschutzes an die Risiken dar, die sich aus dem Prinzip der Akzessorietät für die Sozien einer interprofessionellen oder gemischten Sozietät ergeben. Dem Zwiespalt, der daraus folgt, dass einerseits das Mandat grundsätzlich der Sozietät erteilt wird, 14 andererseits zur Mandatswahrnehmung nur berechtigt ist, wer berufsrechtlich dazu befugt ist, konnte die frühere Rechtsprechung dadurch lösen, dass sie das Mandat auf diejenigen Sozien beschränkte, die berufsrechtlich zur Mandatswahrnehmung befugt waren. Diese Lösung ist mit der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der BGBAußengesellschaft nicht mehr vereinbar. 15 Die Sozietät wird nunmehr im Regelfall selbst Vertragspartner des Mandanten. Für die interprofessionelle Sozietät kann nichts anderes gelten. Der zutreffende Gesichtspunkt, dass der Mandant sich mit seinem Anliegen an eine Sozietät wendet, weil er sich die in ihr vereinte Kompetenz der Sozien zu Nutze machen will, gilt für die interprofessionelle Sozietät eher noch ausgeprägter als für die reine Anwaltssozietät. Die berufsrechtlichen Restriktionen der Sozien betrachtet er nicht als sein Problem, falls er sie überhaupt kennt. Dass er ein berufsrechtlich wirksames Mandat erteilen und deshalb nur diejenigen Sozien mandatieren will, die zur Mandatswahrnehmung berufsrechtlich befugt sind, will, ist eine lebensfremde Hypothese. Die Berufsrechte der sozietätsfähigen Berufe tragen dem nicht Rechnung. Ein Mandat zur Hilfeleistung in Steuersachen darf die interprofessionelle Sozietät nicht entgegennehmen. Sie gehört nicht zum Kreis der Berechtigten, die nach 3 Nr. 1, 2 und 3 StBerG vom zur Hilfe in Steuersachen befugt sind, 17 und eine analoge Anwendung der Erlaubnisnorm auf die Sozietät kann nach einer Entscheidung des IX. Zivilsenats des BGH vom nur in Betracht gezogen werden, wenn sämtliche Sozien in eigener Person nach 3 StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt sind. Darauf könne, so der BGH, nicht verzichtet werden, weil bei einer GbR nach 709 Abs. 1 BGB 14 Koch/Kilian Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, B Rn. 877 m. w. N. 15 Kilian ebda. Rn. 893 m. w. N. 16 BGBl 2000 I, BGH IX ZR 225/04 = BGH NJW-RR 2006, 1071 f. Lücken in der Berufshaftpflichtversicherung der Anwälte, Stobbe AnwBl 7 /

14 MN Aufsätze die rechtliche und tatsächliche Verantwortung für die Erfüllung des Mandats grundsätzlich bei den zur gemeinschaftlichen Geschäftsführung befugten Sozien liege ( 709 Abs. 1 BGB). Nach 3 Nr. 2 RBerG bedurften Rechtsanwaltsgesellschaften einer ausdrücklichen Zulassung zur Rechtsberatung und Rechtsbesorgung. Das Rechtsdienstleistungsgesetz hat diese Regelung nicht übernommen und schließt deshalb auch nicht aus, dass die Sozietät selbst Träger eines Rechtsbesorgungsmandats sein kann. Die BRAO enthält Zulassungsregelungen nur für den Einzelanwalt ( 3 Abs. 1 BRAO) und die Rechtsanwalts-GmbH ( 59 c ff. BRAO). 59 a BRAO erkennt die Sozietät jedoch als zulässige Berufsausübungsgemeinschaft von Rechtsanwälten, Patentanwälten, Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern an. Dies würde konterkariert, wollte man einer Sozietät, der neben einem Rechtsanwalt Träger anderer sozietätsfähiger Berufe angehören, die nicht zur Rechtsbesorgung befugt sind, verbieten, ein Rechtsbesorgungsmandat entgegenzunehmen. Allerdings wird sie das Mandat nur von den ihr angehörenden Rechtsanwälten ausführen lassen dürfen. Die Sozietätsverträge interprofessioneller Sozietäten sollten diese vom Regelfall der gemeinschaftlichen Geschäftsführung abweichende Handhabung klarstellen. Ist auch die gemischte Sozietät grundsätzlich Träger des Mandats, haftet sie analog 31 BGB für den Schaden, der durch Schlechterfüllung ihres Mandats entstanden ist, und haften alle ihre Sozien analog 128 HGB ohne Rücksicht auf ihre berufsrechtlichen Befugnisse für diese Verbindlichkeit der Sozietät akzessorisch persönlich als Gesamtschuldner. 18 Für eine Beschränkung der akzessorischen Haftung auf die berufsrechtlich legitimierten Sozien oder erst recht auf die handelnden Sozien fehlt die Rechtsgrundlage, wenn die Sozietät von der Haftungsbeschränkungsmöglichkeit nach 51 a Abs. 2 BRAO keinen Gebrauch gemacht hat. Eine dem 8 Abs. 2 PartGG entsprechende Regelung gibt es für die Sozietät nicht und eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf die Haftungsverhältnisse in einer gemischten Sozietät halte ich für unzulässig. Die akzessorische Haftung beruht allein auf der Zugehörigkeit zur Sozietät. Sie setzt keine irgendwie geartete Mitwirkung an dem Mandat voraus, dessen Wahrnehmung zum Versicherungsfall geführt hat. Sie ist vielmehr, so der BGH, 19 das notwendige Gegenstück zum Fehlen jeglicher Kapitalerhaltungsregeln. 8 Abs. 2 PartGG ist eine auf diese Gesellschaftsform zugeschnittene, vom Prinzip der Akzessorietät abweichende Ausnahmeregelung. Der Sozietät steht es frei, eine dem 8 Abs. 2 PartGG vergleichbare Haftungsbeschränkung zu vereinbaren. Dieser vom Gesetzgeber geschaffenen Möglichkeit bedürfte es nicht, wäre 8 Abs. 2 PartGG auf die Sozietät entsprechend anwendbar. Dies reißt eine Lücke in den Versicherungsschutz der Sozien. Die strikte Anwendung des Akzessorietätsprinzips hat zur Folge, dass zum Beispiel der Rechtsanwalt für einen Schaden zu haften hat, den der Wirtschaftsprüfersozius bei Wahrnehmung eines ihm berufsrechtlich vorbehaltenen Mandats durch schuldhafte Pflichtverletzung verursacht hat. Dafür bietet die Berufshaftpflichtversicherung dem Anwaltssozius keinen Versicherungsschutz. Sie deckt nur Haftpflichtgefahren, die sich aus der anwaltlichen Berufstätigkeit ergeben. Darüber hilft auch die Fiktion des 12 Abs. 1 AVB, derzufolge der Versicherungsfall eines Sozius als Versicherungsfall aller Sozien gilt, nach dem bisherigen Verständnis dieser Klausel nicht hinweg. Eine Ausweitung der Fiktion wäre mit den berufsrechtlichen Restriktionen nicht zu vereinbaren. Eine Harmonisierung der Berufsrechte dürfte deshalb Voraussetzung für die Lösung des Problems sein. Dazu ist der Gesetzgeber aufgerufen. Dr. Ulrich Stobbe, Hannover Der Autor ist Rechtsanwalt. Sie erreichen den Autor unter der -Adresse autor@anwaltsblatt.de. 18 Henssler, AnwBl 2009, 670 ff., 672 m. w. N. 19 BGH II ZR 56/02 amtl. Ausdruck S. 8 = BGHZ 154, 370 ff. = NJW 2003, 1803 ff. 454 AnwBl 7 / 2010 Lücken in der Berufshaftpflichtversicherung der Anwälte, Stobbe

15 MN Aufsätze Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz und ihre durch öffentliche Belange bestimmten Grenzen Wenn jeder (fast) alles bekommen kann, stärkt das den Rechtsstaat * Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer, Kiel Es hat sich noch immer nicht überall herumgesprochen: Jedermann kann Einsicht in die Akten des Bundes und vieler Länder nehmen. Die Informationsfreiheitsgesetze machen es möglich. Das vor fünf Jahren vom Bund verabschiedete Informationsfreiheitsgesetz trat am in Kraft. Der Autor stellt die Ansprüche und ihre Durchsetzung vor. Er kommt, anders als Rechtsanwältin Dr. Angela Rapp (ab Seite 460), zu einem positiven Fazit. Von dem amerikanischen Prognostiker und Zukunftsforscher John Naisbitt stammt der Ausspruch: Die neue Quelle der Macht ist nicht mehr Geld in der Hand von wenigen, sondern Informationen in der Hand von vielen. Damit kommt der Grundgedanke und Zweck aller Informationsfreiheitsansprüche des Bürgers gegenüber dem Staat treffend zum Ausdruck. Nur durch möglichst uneingeschränkten Zugang zu staatlichen Informationen ist es der Öffentlichkeit möglich unabhängig von Wahlen eine wirksame Kontrolle der Staatsgewalt vorzunehmen. Vor diesem Hintergrund kann es allenfalls erstaunen, dass es zum überwiegenden Teil erst in der letzten Dekade im Bund und in den Ländern zum Erlass von Informationsfreiheitsgesetzen gekommen ist, die diesen Gedanken der Kontrolle durch Gewährung von Informationszugangsansprüchen für die Öffentlichkeit umsetzten. I. Der Informationszugangsanspruch Der Ausgangspunkt bzw. die Grundnorm aller Informationsfreiheitsansprüche ist in allen Informationsfreiheitsgesetzen dem Sinne nach gleich geregelt. In 1 des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes (IFG) 1 heißt es hierzu: Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. 1. Zweckfreiheit des Anspruchs Schon aus dem Wortlaut ergibt sich, dass der Anspruch nicht davon abhängt, dass der Anspruchsteller die begehrte Information für einen spezifischen Zweck etwa den der Kontrolle der Verwaltung durch die organisierte Öffentlichkeit (NGOs) benötigt. Es ist daher anerkannt, dass der Informationszugangsanspruch nach 1 IFG auch demjenigen zusteht, der den Zugang zu amtlichen Informationen allein zu dem Zweck anstrebt, diese Informationen zur Untermauerung zivilrechtlicher Ansprüche gegen einen Dritten zu verwenden. 2 Entsprechend kann der Anspruch etwa auch von einem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden Berechtigte und Verpflichtete Wer ist jeder im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes? Neben natürlichen Personen kann auch eine juristische Person des privaten Rechts jeder i. S. d. 1 IFG sein. Denkt man an die mit dem Informationsfreiheitsrecht intendierte Öffentlichkeitskontrolle, so gibt es keinen Grund, um den Begriff auf natürliche Personen eingeschränkt auszulegen. Insbesondere ist denkbar, dass juristische Personen aufgrund besonderer Kompetenz in bestimmten Bereichen diese Kontrollfunktion sogar effektiver als Naturalpersonen wahrnehmen können. Konsequenterweise wird die Berechtigung juristischer Personen des Privatrechts in einigen Landesgesetzen auch ausdrücklich normiert, beispielsweise in 4 IFG SH. 4 Unterfallen dem Begriff jeder auch juristische Personen des öffentlichen Rechts? Der Gesetzeswortlaut ist insoweit unklar, schließt es aber zumindest nicht ausdrücklich aus. Zudem gibt es auch durchaus Gründe, zumindest einen Teil der juristischen Personen des öffentlichen Rechts in den Kreis der Anspruchsberechtigten nach 1 IFG aufzunehmen. Im Hinblick auf die Kontrollfunktion der Öffentlichkeit dürfte wohl zumindest denjenigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts die Jeder -Eigenschaft zuzubilligen sein, die so verselbstständigt und mit eigenen Kompetenzen ausgestattet sind, dass auch sie ein Kontrollinteresse gegenüber der unmittelbaren Staatsverwaltung haben. 5 Zu denken ist insofern an die auch aus der Grundrechtsdogmatik bekannte Trias aus öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, Kirchengemeinden und Universitäten. 6 Denkbar erscheint beispielsweise, dass eine Universität die der Öffentlichkeit zugedachte Kontrollfunktion z. B. in der Weise ausfüllen kann, dass sie vom zuständigen Ministerium Auskunft über das Verfahren zur Vergabe von Fördermittel im Rahmen der Excellence- Cluster-Programme verlangt. Es ist zumindest nicht erkennbar, dass oder inwiefern eine Universität in diesem Fall weniger schutzwürdig sein könnte oder ein weniger legitimes Interesse an der Offenlegung von Informationen haben könnte als ein Bürger, der seinerseits Informationen hinsichtlich anderer staatlicher Entscheidungen zur Vergabe öffentlicher Fördermittel begehrt. 1 Abs. 1 Satz 1, 2 und 3 IFG definiert den Kreis der Anspruchsverpflichteten unter Einbeziehung von 9 Behörden ( 1 Abs. 1 Satz 1 IFG), 9 sonstigen Bundesorganen und Bundeseinrichtungen, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen ( 1 Abs. 1 Satz 2 IFG), und 9 natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts, soweit eine Behörde sich dieser Person zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgabe bedient ( 1 Abs. 1 Satz 3 IFG). * Der Beitrag geht zurück auf einen Vortrag, den der Autor auf dem 59. Deutschen Anwaltstag 2008 in Berlin in einer vom Verwaltungsrechtsausschuss des DAV mitorganisierten Veranstaltung gehalten hat. 1 Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz IFG) vom , BGBl I 2005, 2722; in Kraft getreten am VGHKassel,Beschlussvom A1684/08-,zit.n.juris. 3 OVG Münster, NVWBl. 2008, 59 f. 4 Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Schleswig- Holstein (Informationsfreiheitsgesetz für das Land Schleswig-Holstein IFG-SH) vom GVBl SH 2000, BVerfGE 7, 99, 104; 12, 205, 246; 31, 314, 329; BT-Drs. 15/4493 S. 6 f.; vgl. für Ansprüche aus dem UIG BVerwG, NVwZ 2008, 791 f.; VGH Kassel, UPR 2007, Schoch, IFG, 2009, 1 Rn. 58 ff. Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz und ihre Grenzen, Ewer AnwBl 7 /

16 MN Aufsätze Der Kreis der ersten beiden Verpflichteten ist klar umrissen. Doch wer ist von 1 Abs. 1 Satz 3 IFG umfasst? In jedem Fall dürfte dies der Beliehene sein. Da dieser Behörde ist, lässt sich dieser allerdings auch bereits unter Satz 1 fassen. Satz 3 ist daher meines Erachtens auf nicht beliehene natürliche oder juristische Personen zu beziehen. Hierbei dürften neben Verwaltungshelfern auch sonstige Drittbeauftragte im Sinne von Werkunternehmern erfasst sein. Im Übrigen ist der Wortlaut des 1 Abs. 1 Satz 3 IFG insofern etwas missglückt, als er natürliche und juristische Personen des Privatrechts als Anspruchsverpflichtete bezeichnet. Aus dem Zusammenhang mit 7 Abs. 1 Satz 2 IFG ergibt sich nämlich, dass derartige natürliche oder juristische Personen nicht wirklich Antragsgegner bzw. Verpflichtete sein sollen. Vielmehr scheint es auch wenn dies an dieser Stelle falsch untergebracht ist nur darum zu gehen, dass ein Zugangsanspruch auch bezüglich Informationen besteht, die bei derartigen natürlichen oder juristischen Personen vorhanden sind. Einen echten Anspruch gegen Private gewährt das IFG hingegen nicht Gegenstand des Anspruchs Gegenstand des Anspruchs sind nach 1 Abs. 1 Satz 1 IFG amtliche Informationen. Hierunter fällt nach der Legaldefinition in 2 Nr. 1 Satz 1 IFG jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Diese Formulierung spricht für eine weite Auslegung des Anspruchsgegenstandes. Problematisch bzw. eng auszulegen dürfte indes die in Satz 2 enthaltene Einschränkung sein. Hiernach gehören nicht zum Gegenstand des Informationsanspruchs Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen. Diese Norm darf keinesfalls dazu genutzt werden, den Informationsanspruch zu einem stumpfen Schwert der Öffentlichkeit werden zu lassen; insbesondere darf sie von Behörden oder sonstigen Verpflichteten nicht dazu verwandt werden, um durch ausufernde Deklarierung von Schriftstücken als Entwürfe oder Notizen bestimmte Schriftstücke dem Zugang des Bürgers zu entziehen. Im Übrigen muss auch im Informationsfreiheitsrecht der Aktenbegriff des Verwaltungsverfahrensrechts gelten. Dieser ist umfassend zu verstehen und umfasst insbesondere alle Unterlagen wie Schriftsätze, Gutachten, Randbemerkungen zu Schriftsätzen und Aktenvermerke. Dabei wird nicht nur beschriebenes oder bedrucktes Papier erfasst, sondern auch Fotos, Karten, Filme, Ton- oder Videobilder oder ähnliches, insbesondere auch Datenträger. Gegenstand des Anspruchs können auch Informationen über privatrechtliche Vorgänge der Behörde, wie etwa Cross-Border-Leasing-Verträge, die sich auf Anlagen einer Kommune beziehen, 8 sein. Hat sich die Behörde der betreffenden Akte oder maßgeblichen Aktenbestandteiles nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft und endgültig entledigt, so ist ein entsprechender Anspruch nicht mehr gegeben, 9 ohne dass es darauf ankommt, ob diese in rechtlicher Hinsicht noch über die Aktenbestandteile verfügen, d. h. sie trotz der aus ihrer Sicht endgültigen Weggabe wiederbeschaffen könnte Ausgestaltung des Anspruchs Zwar räumt 1 Abs. 2 Satz 1 IFG der Behörde zunächst ein Ermessen darüber ein, ob sie Auskunft erteilen, Akteneinsicht gewähren oder Informationen in sonstiger Weise zur Verfügung stellt. Indessen wird dieses durch 1 Abs. 2 Satz 2 IFG eingeschränkt, wonach einem vom Antragsteller geäußerten Wunsch nach einer bestimmten Art des Informationszugangs Folge zu leisten ist und die Behörde sich nur aus wichtigem Grund für eine andere Art des Informationszugangs entscheiden darf. Gemäß 1 Abs. 2 Satz 3 IFG gilt als ein solcher wichtiger Grund insbesondere ein deutlich höherer Verwaltungsaufwand. Hierbei ist in erster Linie auf den Gesichtspunkt der Funktionsfähigkeit der Verwaltung abzustellen. Würde diese beeinträchtigt werden, weil etwa die drei einzigen Beamten einer kleinen Baubehörde zum Herausfiltrieren bestimmter Einzelangaben aus einer Vielzahl von Akten für mehrere Wochen nur mit dieser Aufgabe beschäftigt wären, darf die Behörde den Antragsteller auf die Möglichkeit von Akteneinsicht oder andere Formen des Informationszugangs verweisen. II. Das Verwaltungsverfahren 1. Antragserfordernis Aus 7 Abs. 1 IFG folgt, dass ein Informationszugang nach dem IFG nur auf Antrag gewährt wird. Zu fordern ist dabei eine hinreichende Bestimmtheit oder zumindest Bestimmbarkeit des Antrags hinsichtlich der begehrten Informationen oder der Daten bzw. Dokumente, in die Einsicht genommen werden soll. 11 Ein Meistbegünstigungsgrundsatz, wie er im Sozialrecht gilt, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Vielmehr besteht lediglich die verwaltungsverfahrensrechtliche Pflicht der Behörde, auf eine gegebenenfalls erforderliche Präzisierung des Antrags hinzuwirken. 12 Von institutionellen Antragstellern, insbesondere den bereits erwähnten juristischen Personen, wird man allerdings verlangen dürfen, dass sie konkret bezeichnen, was sie wollen bzw. welche Informationen sie begehren. Wenn also beispielsweise die Redaktion einer Tageszeitung, die mit der Gewinnung und dem Umgang von Informationen vertraut ist, zunächst gestützt auf das IFG Einzelauskünfte verlangt, die auch erteilt werden, und wenn die Tageszeitung anschließend ausdrücklich Einsicht in ein bestimmtes Schriftstück fordert, ist nur dieser Einsichtsanspruch dann auch Gegenstand des neuerlichen Verfahrens. Nicht hingegen sind davon auch andere Auskünfte erfasst, die der Antragsteller nicht näher bezeichnet hat, obwohl er dies als Sachkundiger ohne weiteres hätte können. 2. Kein Schriftformzwang Die Form des Antrags wird im Gesetz nicht ausdrücklich bestimmt. Insbesondere ist keiner Norm des IFG das Erfordernis einer schriftlichen Antragstellung zu entnehmen. Zwar dürfte dies in den meisten Fällen, auch zur Herstellung der nötigen Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit des Antrags zweckmäßig sein. Ausgeschlossen ist eine mündliche Antragstellung indes nicht. Dasselbe gilt für die Begründung des Antrags gemäß 7 Abs. 1 Satz 3 IFG. Hiernach ist der Antrag zu begründen, wenn er Daten Dritter betrifft. Auch diese Begründung muss jedoch nicht zwingend schriftlich 7 BT-Drs. 15/4493, S. 8; Rossi, IFG, 2006, 1 Rn. 70; Schoch, IFG, 2009, 1 Rn. 121; 8 OVG Münster, Beschluss vom a F 31/09 -, zit.n.juris. 9 OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom OVG 12 B 41.08, zit.n.juris. 10 Vgl. OVG Schleswig, NordÖR 2005, S Rossi, IFG, 2006, 7 Rn. 11; ders. DVBl 2010, 554, 557; Schoch, IFG, 2009, 7 Rn. 18; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22 Rn BT-Drs. 15/4493, S. 14; siehe auch 25 VwVfG; Rossi, IFG, 2006, 7 Rn. 12; Schoch, IFG, 2009, 7 Rn. 18 f. 456 AnwBl 7 / 2010 Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz und ihre Grenzen, Ewer

17 MN Aufsätze abgegeben werden. Ebenso denkbar ist zumindest, auch wenn dies praktisch kaum jemals vorkommen dürfte, dass die entsprechende Begründung der Behörde gegenüber mündlich abgegeben wird und diese anschließend die Begründung in schriftlicher Form dem betroffenen Dritten zur Stellungnahme i. S. d. 8 Abs. 1 IFG zuleitet. 3. Beteiligung Dritter 8 Abs. 1 normiert insofern, dass einem Dritten, dessen Belange durch den Antrag auf Informationszugang berührt sind, schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats zu geben ist, sofern Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann. Das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs dürfte bereits dadurch indiziert werden, dass seine Belange durch einen Antrag auf Informationszugang tangiert werden. An das Vorliegen von Anhaltspunkten für ein schutzwürdiges Interesse sind daher keine hohen Anforderungen zu stellen. Beispielsweise kann ein schutzwürdiges Interesse bestehen, wenn die Behörde das Vorliegen von geistigem Eigentum 13 oder Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen nicht eindeutig bewerten kann. 14 Ebenso ist eine Person auch als Dritter i. S. d. 8 Abs. 1 IFG zu beteiligen, wenn Zugang zu Informationen beantragt wird, die bei ihr vorhanden sind, soweit sich die Behörde ihrer, also der betroffenen Person, zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient, also ein Fall des 1 Abs. 1 Satz 3 IFG gegeben ist Entscheidung In 1 Abs. 2 Satz 1 IFG heißt es: Die Behörde kann Auskunft erteilen, Akteneinsicht gewähren oder Informationen in sonstiger Weise zur Verfügung stellen. Entgegen der insoweit etwas missverständlichen Formulierung steht der Behörde indessen kein Entschließungsermessen hinsichtlich der Gewährung des Zugangs zu den begehrten Informationen zu. Vielmehr wird durch das Wort kann nur ein Auswahlermessen hinsichtlich der Art der Gewährung des Informationszugangs eingeräumt. Insoweit ordnet 7 Abs. 3 Satz 1 IFG an, dass Auskünfte mündlich, schriftlich oder elektronisch erteilt werden können. Die Entscheidung, ob der Zugang gewährt wird, ist mithin eine gebundene Entscheidung. Sofern die wenigen Voraussetzungen des Zugangsanspruchs erfüllt sind, hat die Behörde diesen daher auch zu gewähren. Bedeutsam erscheint in diesem Zusammenhang die Regelung in 7 Abs. 2 IFG. Besteht ein Anspruch auf Informationszugang zum Teil, ist danach dem Antrag in dem Umfang stattzugeben, in dem der Informationszugang ohne Preisgabe der geheimhaltungsbedürftigen Informationen oder ohne unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand möglich ist. Entsprechendes gilt, wenn sich der Antragsteller in den Fällen, in denen Belange Dritter berührt sind, mit einer Unkenntlichmachung der diesbezüglichen Informationen einverstanden erklärt. Soweit die Behörde den Antrag ganz oder teilweise ablehnt, hat sie nach 9 Abs. 2 IFG mitzuteilen, ob und wann der Informationszugang ganz oder teilweise zu einem späteren Zeitpunkt voraussichtlich möglich ist. 5. Entscheidungsfrist 7 Abs. 5 IFG normiert die Pflicht der Behörde, dem Antragsteller im Falle der Erfüllung der Voraussetzungen des Zugangsanspruchs die begehrten Informationen unter Berücksichtigung seiner Belange unverzüglich zugänglich zu machen. 7 Abs. 5 Satz 2 IFG konkretisiert dies dahingehend, dass der Informationszugang innerhalb eines Monats erfolgen soll. Entsprechend den zu Soll -Vorschriften entwickelten Grundsätzen 16 ist davon auszugehen, dass die Behörde nur in atypischen Ausnahmefällen, insbesondere bei extrem umfangreichen Informationsgesuchen, berechtigt ist, eine längere Frist in Anspruch zu nehmen Ablehnungsgründe Da sich 1 Abs. 1 IFG entnehmen lässt, dass die Gewährung des Informationszuganges den Regelfall darstellt, kommt eine Ablehnung nur bei Vorliegen eines der gesetzlich normierten Gründe in Betracht. Derartige Ablehnungsgründe können zum einen nach 6 und 7 IFG im Hinblick auf den Schutz der Interessen und Rechte Dritter bestehen. Da diese Thematik Gegenstand eines anderen Beitrags in diesem Heft ist, soll an dieser Stelle von näheren Ausführungen hierzu abgesehen werden. Stattdessen sollen hier einen Informationszugang hindernde öffentlich-rechtliche Belange angesprochen werden. Nach 3 und 4 IFG können dem Informationszugangsantrag auch öffentliche Belange entgegenstehen. Wie aus der Formulierung... haben kann in 3 IFG zu folgern ist, ist es dabei nicht zwingend notwendig, dass die Gewährung des Informationszuganges einen der in 3 IFG normierten Ablehnungsgründe sicher erfüllt. Somit kann im Einzelfall schon die mögliche Beeinträchtigung öffentlicher Belange im Sinne dieser Norm den Informationsanspruch ausschließen. 18 Aus Gründen des beschränkten Raums können an dieser Stelle nicht die insgesamt 15 Ablehnungsgründe näher erörtert werden. Exemplarisch soll jedoch auf den Ablehnungsgrund nach 3 Nr. 1 lit. g IFG eingegangen werden. Hiernach besteht ein Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn dieser nachteilige Auswirkungen haben kann auf die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitsrechtlicher oder disziplinarischer Ermittlungen. Dies ist besonders bemerkenswert, weil hierdurch nicht nur staatliche Interessen am Funktionieren der Organe Justiz und der Strafverfolgungs- bzw. Disziplinarbehörden geschützt werden, sondern dieser Schutz der Funktion staatlicher Stellen mit den Verfahrens-Rechten hiervon betroffener Dritter verknüpft wird. Diese Norm hat daher eine interessante Doppelfunktion. 13 Ohly, JZ 2003, 545, 546; Lenski, NordÖR 2006, 89; Dreier/Schulze UrhG, 3. Aufl. 2008,Einl.Rn.1ff.und 2Rn.6ff. 14 Vgl. Definition der Rspr.: alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge..., die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat; Betreibsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen, BVerwG, NVwZ 2010, 189, 192; unter Verweis auf BVerwG, NVwZ 2009, 1113 und BVerfGE 115, 205, 230f.; vgl. auch OVG Schleswig, NVwZ 2009, 1113f.; Rossi, IFG, 2006, 8 Rn. 10; Schoch, IFG, 2009, 8 Rn BT-Drs. 15/4493 S. 15; Rossi, IFG, 2006, 1 Rn. 71 ff; Schoch, IFG, 2009, 1 Rn. 112 ff. 16 BVerwGE 42, 29; 12, 285; 16, 226; 20, 118; 49, 23; 56, 223; 62, 242; 64, 323; 68, 242; 78, 105; 84, 220, 232; 88, 8; 90, 93, 278; Schmitz/Jastrow, NVwZ 2005, 984, Rossi, IFG, 2006, 7 Rn. 44; Schoch, IFG, 2009, 7 Rn. 106 m.w.n. 18 VGH Kassel, NVwZ 2009, 60, 61. Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz und ihre Grenzen, Ewer AnwBl 7 /

18 MN Aufsätze Nach 3 Nr. 2 IFG ist der Anspruch ausgeschlossen, wenn das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit gefährden kann. Dieser Ausnahmetatbestand vor dem Hintergrund der Wichtigkeit des Regelfalles der Informationsgewährung ist im Zweifel eng auszulegen. Er sollte lediglich zur Anwendung kommen, wenn im engeren Sinne durch die Informationsgewährung eine Gefährdung 9 der Unversehrtheit der Rechtsordnung oder 9 der grundlegenden Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates sowie 9 von Gesundheit, Ehre, Freiheit, Eigentum und sonstigen Rechtsgütern der Bürger hervorgerufen werden kann. 19 Bemerkenswert ist, dass der Zugang zu Informationen gemäß 3 Nr. 7 IFG auch nicht besteht bei vertraulich erhobenen oder übermittelten Informationen, soweit das Interesse des Dritten an einer vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags noch fortbesteht. Dieser Ablehnungsgrund zielt darauf ab, die Glaubwürdigkeit des Staates gegenüber dem Dritten auf die Zusicherung der Vertraulichkeit zu schützen und damit auch die u. U. zukünftig weiter bestehende Möglichkeit des Staates, über den Dritten an vertrauliche Informationen zu gelangen. 20 Indessen wird durch diesen Ablehnungsgrund Behörden kein Freibrief ausgestellt, möglichst viele Informationen auf vertraulichem Weg zu erhalten und so u. U. berechtigte Informationsansprüche zu vereiteln. Dies folgt schon daraus, dass das IFG gerade dazu dient, der Öffentlichkeit möglichst eine umfassende Kontrolle staatlichen Handelns zu ermöglichen. Die Existenz eines für den Staat geschützten Arkanbereichs ist einer demokratischen Gesellschaft eigentlich fremd. 21 Anders als nach 3 IFG, der den Informationsanspruch ausschließt, normiert 4 Abs. 1 IFG lediglich, dass der Informationszugang abgelehnt werden soll, wenn er sich auf Entwürfe bezieht zu Entscheidungen sowie Arbeiten und Beschlüsse zu deren unmittelbarer Vorbereitung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. Im Vordergrund steht daher weniger der dauerhafte Schutz staatlicher Handlungen wie bei 3 IFG, sondern eher eine zeitliche Komponente. Staatliche Stellen sollen solange vor dem Informationszugangsanspruch des Bürgers geschützt werden, bis sie eine Entscheidung oder Maßnahme treffen konnten, deren Vornahme die betreffenden Informationen dienen. 22 Der interne Verwaltungsablauf wird geschützt, weniger dessen Ergebnis, das dem Informationsanspruch zugänglich ist. Auch diese Norm sollte indes eng ausgelegt werden. Dies ergibt sich zum einen schon aus dem Wortlaut selbst, der davon spricht, dass nur solche Informationen geschützt sind, die unmittelbar der Vorbereitung behördlicher Entscheidungen dienen. Schließlich gibt es noch einen Ablehnungsgrund, der zwar nicht ausdrücklich im IFG kodifiziert ist, sondern sich unmittelbar aus dem Verfassungsrecht ergibt. Dieser folgt aus dem Gebot des Schutzes des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung. 23 Der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung beinhaltet daher einen nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Regierung. Dieser erfasst insbesondere die Willensbildung der Regierung und wirkt auch hinein in die Vorbereitung von Kabinett- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und ressortinternen Abstimmungsprozessen vollzieht. 24 Er erfasst im Grundsatz auch bereits abgeschlossene Vorgänge. 25 Auch wenn der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung im IFG nicht ausdrücklich erwähnt wird, folgt das Bestehen eines diesbezüglichen Ablehnungsgrundes schon daraus, dass der Kernbereich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sogar zu Beschränkungen der Tätigkeit parlamentarischer Untersuchungsausschüsse führen kann. 26 Wenn aber schon die Verfassungsorgane darstellende Parlamente des Bundes und der Länder den Kernbereich beachten müssen, so muss dies erst recht bei verfassungsrechtlich nicht geschützten Informationsansprüchen wie solchen nach dem IFG gelten. Auch die Definition des Kernbereichs ist eher eng auszulegen. Eine Berufung hierauf stellt jedenfalls keinen Blankoscheck für die Exekutive dar, entsprechende Informationszugangsanträge pauschal abzulehnen. Daher ist zu verlangen, dass die Regierung zumindest eine schlüssige Begründung für die Ablehnung eines Antrags liefert, die im Streitfalle eine gerichtliche Überprüfbarkeit ermöglicht, ob der Kernbereichsschutz zu Recht in Anspruch genommen wurde. Schließlich ist noch hinzuweisen auf 9 Abs. 3 IFG, wonach der Zugang zu Informationen mit der Begründung verweigert werden kann, dass der Antragsteller bereits über die begehrten Informationen verfügt oder sich diese in zumutbarer Weise aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen kann. Diese Vorschrift zielt auf eine Abwehr von Missbräuchen des Informationszugangsrechts Bekanntgabe und Vollzug der Entscheidung Die behördliche Entscheidung hat nach 8 Abs. 2 IFG schriftlich zu ergehen. Im Falle der Betroffenheit eines Dritten ist sie auch diesem gegenüber bekannt zu geben. Der Vollzug einer stattgebenden Entscheidung wirft im Falle eines lediglich bipolaren Verhältnisses zwischen der Behörde und dem Antragsteller keine rechtlichen Probleme auf. Sofern ein Dritter durch die Informationsfreigabe betroffen ist, darf gemäß 8 Abs. 2 Satz 2 IFG der Informationszugang erst erfolgen, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. 28 Hierdurch soll dem Dritten die Möglichkeit eröffnet werden, gegebenenfalls einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, bevor es zu einer naturgemäß irrevisiblen Offenbarung der entsprechen Informationen gegenüber dem Antragsteller gekommen ist. 19 BT-Drs. 15/4493, S. 10; Schmitz/Jastrow, NVwZ 2005, 984, Rossi, IFG, 2006, 3 Rn. 60; Schoch, IFG, 2009, 3 Rn. 183, 186 f.; Schmitz/Jastrow, NVwZ 2005, 984, Dem zustimmend Schoch, NJW 2009, 2987, BT-Drs. 15/4493, S. 12; Schoch, IFG, 2009, 4 Rn Grundlegend zum Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung BVerfGE 67, 100, Zu Kabinettsvorlagen vgl. OVG Schleswig, NVwZ 2000, 341 f. 25 BVerfGE 110, 199, BVerfGE 110, 199, BT-Drs. 15/4493 S Rossi, IFG, 2006, 8 Rn. 26 ff; Schoch, IFG, 2009, 8 Rn. 54 ff. 458 AnwBl 7 / 2010 Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz und ihre Grenzen, Ewer

19 MN Aufsätze III. Rechtsschutz 1. Hauptsacherechtsschutz Der Antragsteller, dessen Antrag auf Informationszugang abgelehnt wurde, hat wie in jedem Verfahren, das auf den Erlass eines begünstigenden Verwaltungsaktes gerichtet ist die Möglichkeit, die ablehnende Entscheidung im Wege des Widerspruchs und ggf. anschließend im Wege der Verpflichtungsklage anzugreifen. 9 Abs. 4 IFG stellt dies sogar ausdrücklich klar. Damit wird gleichzeitig auch klargestellt, dass es sich bei dem Anspruch aus 1 Abs. 1 Satz 1 IFG bzw. um die Informationsgewährung nicht um ein bloßes Verfahrensrecht bzw. eine bloße Verfahrenshandlung handelt. 44a VwGO soll der Durchsetzung des Informationsanspruchs im Klagewege gerade nicht im Wege stehen. 29 Durch 9 Abs. 4 Satz 2 IFG wird eine ausdrückliche Ausnahme von 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO normiert; ein Widerspruchsverfahren ist auch dann durchzuführen, wenn die Entscheidung über den Informationszugang von einer obersten Bundesbehörde getroffen wurde. Ähnliches gilt auch für den Hauptsacherechtsschutz eines Dritten. Der Gesetzgeber selbst bringt dies dadurch zum Ausdruck, dass er in 8 Abs. 2 Satz 3 IFG die entsprechende Geltung des 9 Abs. 4 IFG anordnet. Entsprechend kann dabei nur bedeuten, dass dem Dritten im Falle der Gewährung eines ihn betreffenden Informationszugangs die Möglichkeit des Widerspruchs und der (Dritt-) Anfechtungsklage hiergegen zusteht. 2. Einstweiliger Rechtsschutz Für den Antragsteller dürfte das zumindest theoretisch statthafte Verfahren nach 123 VwGO praktisch keine Bedeutung haben. Jedenfalls dürfte eine gerichtliche Durchsetzung eines Informationsanspruchs nach 1 Abs. 1 IFG kaum denkbar sein. Dies ergibt sich schon aus der Natur der Sache und dem an sich geltenden Verbot der Vorwegnahme 30 der Hauptsacheentscheidung durch das Eilverfahren. Eine Gewährung des Informationszuganges im Eilverfahren wäre irreversibel. Eine Korrektur im Hauptsacheverfahren könnte nicht mehr erfolgen, da einmal beim Antragsteller vorhandene Kenntnisse nicht rückgängig gemacht werden könnten. Aus diesem Grunde geht auch die Rechtsprechung sowohl des Bundesverfassungsgerichts 31 als auch der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit 32 in vergleichbaren Fällen anderer Informationsansprüche davon aus, dass für einstweiligen Rechtsschutz des Antragstellers aufgrund des endgültigen Charakters der Entscheidung in aller Regel kein Raum sein wird. Anders sieht es hinsichtlich der Möglichkeit des Dritten aus, einstweiligen Rechtsschutz gegen eine Entscheidung auf Gewährung von Informationszugang zu erlangen. Statthaft ist das Verfahren nach 80 Abs. 5 VwGO, da der Dritte, wie ausgeführt, in der Hauptsache eine Anfechtungsklage gegen die Entscheidung der Behörde erheben müsste. 33 Da 29 VG Frankfurt a.m. NVwZ 2008, 1384; VG Weimar, ThürVBl 2009, 92; Gurlit WM 2009, 773, 779; Kopp/Schenke, VwGO, 2009, 44a Rn. 4a; 30 Hierzu grundlegend Kopp/Schenke, VwGO, 2009, 123 Rn Vgl. am Beispiel parlamentarischer Auskunftsansprüche BVerfGE 106, 51, 61 f. 32 VG Trier, NVwZ-RR 2009, ; OVG NRW, NWVBl 2009, 60 f.; siehe auch am Beispiel von Ansprüchen nach dem UIG OVG Schleswig, NordÖR 2007, Kugelmann, NJW 2005, 3609, 3613; Kiethe/Groeschke, WRP 2006, 303, 305; Sellmann/Augsberg WM 2006, 2293, das Gesetz jedoch nicht anordnet, dass ein Widerspruch des Dritten gegen eine positive Entscheidung auf Gewährung von Zugang zu Informationen keine aufschiebende Wirkung hat, ist einstweiliger Rechtsschutz eines Dritten auch nur notwendig bzw. zulässig, wenn die stattgebende Entscheidung gemäß 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärt worden ist. Einen Hinweis hierauf gibt auch 8 Abs. 2 Satz 2 IFG. IV. Abschlussbemerkung Der englische Historiker und Kulturphilosoph Arnold Joseph Toynbee ( ) hat einmal formuliert: Werden wir richtig informiert? Ich übertreibe nicht, wenn ich behaupte, dass von der Antwort auf diese Frage die Zukunft der menschlichen Gesellschaft abhängt. In der Tat kann es nicht zweifelhaft sein, dass die Notwendigkeit einer informierten Öffentlichkeit eine elementare und unverzichtbare Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft darstellt. Zudem wird auch die Durchsetzbarkeit der Ansprüche unserer Mandantinnen und Mandanten nicht selten davon abhängen, dass es gelingt, zunächst bestimmte Informationen in Erfahrung zu bringen. Will etwa ein Mandant eine im Ermessen der Behörde stehende Leistung geltend machen, so muss er darlegen, dass das Ermessen der Behörde etwa aufgrund des Gleichheitssatzes und einer ständigen Ermessensübung dahingehend auf Null reduziert ist, dass als rechtmäßige Entscheidung allein die Gewährung der Leistung in Betracht kommt. In einem solchen Fall kann es für die Durchsetzbarkeit des Anspruchs darauf ankommen, ob es gelingt, gestützt auf das IFG von der Behörde Informationen über deren ständige Ermessenspraxis zu erlangen. Das Beispiel macht deutlich, dass die in den letzten 10 Jahren erlassenen Informationsfreiheitsgesetze mit ihrem weitgehenden Individualanspruch auf Zugang zu behördlichen Informationen für die anwaltliche Praxis ein wichtiges Instrument darstellen, von dem noch erstaunlich selten Gebrauch gemacht wird. Prof.Dr.WolfgangEwer,Kiel Der Autor ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Er ist Präsident des Deutschen Anwaltvereins. Sie erreichen den Autor unter der -Adresse autor@anwaltsblatt.de. Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz und ihre Grenzen, Ewer AnwBl 7 /

20 MN Aufsätze Vom Recht auf Akteneinsicht zum Jedermann- Recht auf Information Der Wandel von Informationsrechten im 21. Jahrhundert * Rechtsanwältin Dr. Angela Rapp, Berlin Es war ein Paradigmenwechsel: Vor fünf Jahren wurde das Informationsfreiheitsgesetz verabschiedet. Es trat am 1. Januar 2006 in Kraft. Seitdem kann Jedermann Einsicht in Akten von Bundesbehörden nehmen. Die Autorin untersucht, ob die neuen Informationsrechte auch mehr Freiheit schaffen. Akteneinsichtsrechte und Informationsfreiheit stehen unter dem Thema Freiheit. Wenn ich einige geradezu euphorische Kommentare nach der Verabschiedung des Informationsfreiheitsgesetzes 2005 lese, wonach nun dem vollinformierten Staat der vollinformierte, mündige Bürger gegenüberstehe, liegt bei meinem doch eher historischen Thema die Frage nahe: was eigentlich an Mehr an Freiheit bietet das Informationsfreiheitsgesetz, das die Freiheit bereits in seinem Namen trägt, gegenüber dem althergebrachten Akteneinsichtsrecht? I. Die alten Grundsätze Hierzu bedarf es zunächst eines Blickes auf die Unterschiede zwischen damals und heute. Geht man gleich 200 Jahre weit zurück, begegnet einem eine kleine Schrift des Königsberger Philosophieprofessors Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden, wo es heißt: Alle auf das Recht anderer bezogenen Handlungen, deren Maxime sich nicht mit der Publizität verträgt, sind unrecht. Dies hätte man einem Informationsfreiheitsgesetz fast als Präambel voranstellen können. Aber Vorsicht, einige Sätze weiter heißt es in demselben Kapitel: Es lässt sich [jedoch] nicht umgekehrt schließen, dass welche Maximen die Publizität vertragen, dieselben darum auch gerecht sind. Und genau hier liegt das Problem. Aber zurück ins 20. Jahrhundert, das uns um einiges näher ist, auch was den Gebrauch der Sprache angeht. Beispielsweise im Verwaltungsverfahrensrecht und auf das möchte ich mich hier beschränken, das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) beschränkt sich hierauf nicht besteht schon lange ein Akteneinsichtsrecht für Beteiligte ( 29 VwVfG). Es ist jedoch eingeschränkt, unter anderem, wenn die Behörde ihre Aufgaben dann nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen könnte oder wenn das Bekanntwerden des Akteninhalts dem Wohl des Bundes oder Landes Nachteile bereiten würde. Verwaltungsrechtler sprechen hierbei von der Parteiöffentlichkeit oder der beschränkten Aktenöffentlichkeit. Diese soll das Verfahren für die Beteiligten ich betone Beteiligten transparent und durchsichtig machen sowie eine Waffengleichheit zwischen Behörde und Bürger sichern. Letztlich ist dies eine besondere Ausprägung des Rechtsstaats und rechtlichen Gehörs. Bereits in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde über Umfang und Funktion von Akteneinsichtsrechten diskutiert. Als herrschende Meinung festigte sich der Grundgedanke: Akteneinsicht wird nur gewährt bei berechtigtem Interesse und die Entscheidung darüber steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, wenngleich sich auch das Ermessen je nach Einzelfall reduzieren konnte. 1 Beteiligten wird grundsätzlich Akteneinsicht gewährt, es sei denn besondere Gründe, insbesondere das Wohl des Bundes oder Landes, stehen dem Bekanntwerden des Akteninhalts entgegen. Aber vom Grundsatz her galt bislang: Einsicht in amtliche Akten oder die Erteilung von Abschriften aus solchen kann eine Privatperson [die am Verfahren nicht beteiligt ist] von einer Behörde grundsätzlich nicht verlangen. 2 Eine Entscheidung aus dem Jahr 1980 betraf einen Kollegen, der von der Berliner Senatsverwaltung verlangte, dass sie ihn über nicht veröffentlichte Verwaltungsrichtlinien im Ausländerrecht informiere. Die Behörde verwies ihn darauf, das werde sie erst tun, wenn er einen entsprechenden Fall hätte, aber nicht einfach so. Das Bundesverwaltungsgericht gab der Behörde Recht 3 heute würde die Entscheidung anders getroffen werden, wenn es hierüber überhaupt noch ein Gerichtsverfahren gegeben hätte. Das Bundesverfassungsgericht erläutert die staatliche Zurückhaltung so: Es bedarf keiner näheren Begründung, dass die öffentliche Verwaltung nur dann rechtsstaatlich einwandfrei, zuverlässig und unparteiisch arbeiten kann, wenn sichergestellt ist, dass über die dienstlichen Vorgänge nach außen grundsätzlich Stillschweigen bewahrt wird. 4 Was aber steckt hinter diesem doch recht apodiktisch klingenden Satz? Die Mitarbeiter einer Behörde sollen sicher sein, dass Interna nicht herausgegeben werden, sie sollen die Möglichkeit behalten, sich schriftlich rückhaltlos untereinander auszusprechen, ohne deshalb Gefahr zu laufen, dass diese Meinungsäußerungen zum Anlass von Beschwerden genommen werden. 5 II. Parallelwertung: Judikative und Legislative Das Verständnis, dass interne Abläufe geheim bleiben müssen, besteht auch heute noch, so gibt es unter anderem das gerichtliche Beratungsgeheimnis. Richterliche Beratungen müssen geheim bleiben, damit sie und jetzt taucht das Wort Freiheit wieder auf unabhängig und frei geführt werden können ohne Angst, für falsche oder vielleicht polemische Äußerungen zur Rechenschaft gezogen zu werden. Auch Parlamentsarbeit unterliegt nicht unbeschränkter Öffentlichkeit. Mit Zweidrittelmehrheit kann die Öffentlichkeit einer Bundestagssitzung ausgeschlossen werden, die Debatte hierüber ist nichtöffentlich (Art. 42 GG). Im öffentlichen Wohl, also im Interesse der Gemeinde, des Landes oder des Bundes haben kommunale Parlamente die Öffentlichkeit auszuschließen. Hierüber wird in nichtöffentlicher Sitzung * Der Beitrag geht zurück auf einen Vortrag, den die Autorin auf dem 59. Deutschen Anwaltstag 2008 in Berlin in einer vom Verwaltungsrechtsausschuss des DAV mitorganisierten Veranstaltung gehalten hat. 1 BVerwGE 67, 300, 304; von Köhler, NJW 1956, 1460, BVerwGE 12, 296, BVerwGE 61, 15 ff. 4 BVerfGE 28, 191, von Köhler, NJW 1956, 1460, AnwBl 7 / 2010 Vom Recht auf Akteineinsicht des Beteiligten zum Jedermann-Recht auf Information, Rapp

21 MN Aufsätze entschieden (zum Beispiel 29 KV M-V). Selbstverständlich bezieht sich dies nur auf den Beschlussfassungsvorgang selbst, das Ergebnis desselben, also beispielsweise das Urteil oder ein gemeindlicher Ratsbeschluss ist selbstverständlich öffentlich. Aber dem IFG geht es ja nicht um die Publikation von Verwaltungsrichtlinien oder Entscheidungen, sondern auch und vor allem um die Information über den Entscheidungsfindungsprozess selbst. Nun könnte man natürlich sagen, was für die Legislative und die Judikative gilt, muss nicht für die Exekutive gelten aber es bleibt doch die Frage, warum ein solch umfassendes Informationsfreiheitsgesetz, warum ein Anspruch jedes Einzelnen auf Zugang zu amtlichen Informationen unabhängig davon, ob er selbst konkret in irgendeiner Weise betroffen ist? Warum der Bruch mit Traditionen, die gute Gründe hatten, insbesondere die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Entscheidungsträger in der Verwaltung? III. Die neue Offenheit: Ein Gewinn? Um es kurz zu machen, es waren diesmal nicht die üblichen Verdächtigen: weder das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber dazu verpflichtet, ein Informationsfreiheitsgesetz zu erlassen und auch die Europäische Union war es diesmal nicht diese beschränkt sich auf die Forderung Umweltinformationen öffentlich jedermann zugänglich zu machen das IFG betrifft aber mitnichten nur diese. Vielleicht noch ein kurzer Blick auf die grundrechtliche Lage: Grundrechte sind grundsätzlich Abwehrrechte und nur ausnahmsweise Teilhaberechte. Ein generelles Teilhaberecht an amtlichen Informationen gibt es als verfassungsrechtlichen Grundsatz nicht. Die Ansprüche Beteiligter auf Akteneinsicht lassen sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und aus dem Anspruch auf faires Verfahren ableiten. Denn ohne Kenntnis des Akteninhalts ist oft bereits eine Stellungnahme des Betroffenen gar nicht möglich. Aber das IFG betrifft keine grundrechtlich geschützten Rechte. Ein Anspruch eines jeden auf Zugang zu amtlichen Informationen kann ihnen nicht entnommen werden. Darüber besteht auch Einigkeit. Warum dann aber dieses Gesetz, das anders als vorher grundsätzlich jedem Zugang zu Akten gewähren soll, auch ohne jegliche Betroffenheit. Neugier reicht aus, um auch Behördeninterna zu erfahren. Es bleibt der Blick in die Gesetzesbegründung. Dort heißt es, dass das Gesetz das Verwaltungshandeln des Bundes transparenter gestalten soll. Die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger sollen gestärkt werden. 6 Lebendige Demokratie verlange, dass die Bürger die Aktivitäten des Staates kritisch begleiten, sich mit ihnen auseinandersetzen und versuchen, auf sie Einfluss zu nehmen, denn in der modernen Informationsgesellschaft würden Informations-, Kommunikations- und Partizipationsanliegen der Bevölkerung immer wichtiger. Die neuen Rechte so der Gesetzgeber verbesserten zudem die Kontrolle und die Akzeptanz staatlichen Handelns. 7 Soweit die Gesetzesbegründung, Argumente, die auch in der ein oder anderen Weise umformuliert von den Befürwortern des Gesetzes immer wieder zitiert werden. Dies ist ein Paradigmenwechsel, ohne Frage. Der Staat scheint sich für seine Existenz rechtfertigen zu müssen. Schaut ruhig alle her, dann seht ihr, warum es mich (den Staat) noch gibt. Hier könnte jedoch etwas verloren gehen: die mit guten Gründen immer wieder vom liberalen Rechtsstaat hervorgehobene Trennung von Staat und Gesellschaft. Im Gewirr der Informationen, Kommunikationen und Partizipationen verschwindet der Gegner Staat, und damit auch seine idealerweise neutrale Eigenständigkeit: alles ist nur noch Prozess und auf der Strecke bleiben kann dann sehr schnell das, wozu der Staat eigentlich da ist: gesetzmäßig zu handeln, und zwar ohne Ansehung der Person und frei von Einflüssen Dritter, seien diese auch noch so informations-, kommunikations- und partizipationswillig. Und nach der klassischen Gewaltenteilungslehre achtet über die Anwendung der Gesetze die Judikative, also die Gerichte und nicht der einzelne Bürger. Nun steht es einem Rechtsanwender nicht unbedingt zu, den politischen Willen des Gesetzgebers in Frage zu stellen, aber anscheinend waren selbst die Initiatoren des Gesetzes von ihrem Vorschlag nicht restlos überzeugt, denn der Gesetzesentwurf des IFG der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen enthielt unter 15 eine denkwürdige Regelung. Sie ist im verabschiedeten Gesetz nicht mehr enthalten. Danach wäre das Gesetz automatisch nach sieben Jahren außer Kraft getreten. Der Bundestag hätte nach entsprechender Evaluierung die Weitergeltung des IFG ausdrücklich beschließen müssen. Um mit einem vielleicht ein wenig polemischen Beispiel abzuschließen: Das Land Brandenburg war eines der ersten Länder, das auf Landesebene einen Informationszugang für alle geschaffen hat. Dasselbe in diesem Punkt vorbildliche Land wurde 2007 vom BGH verurteilt. 8 Es ging darum, dass man dem Land vorwarf, sich über grundbuchrechtlich gesicherte Eigentumsrechte einfach hinwegzusetzen. Dies ist in diesem Zusammenhang deshalb erwähnenswert, weil das Land sich damit verteidigte, die Betroffenen hätten sich doch melden und informieren können. Da sie das nicht getan hätten, hätten sie ausgedrückt, an ihren Rechten nicht mehr interessiert zu sein. Der BGH nannte dies wörtlich ein bemerkenswert abwegiges Argument in unserem Zusammenhang bleibt zu hoffen, dass aus der Informationsfreiheit keine Informationspflicht wird. Wenn ich zum Abschluss noch einmal Kant paraphrasieren darf: Publizität alleine schafft noch keine Gerechtigkeit ich ergänze: und auch nicht unbedingt mehr Freiheit. Dr. Angela Rapp, Berlin Die Autorin ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verwaltungsrecht. Sie ist Mitglied im Verwaltungsrechtsausschuss des DAV. Sie erreichen die Autorin unter der -Adresse autor@anwaltsblatt.de. 6 BT-Drs. 15/4493, Seite 1. 7 BT-Drucks. 15/4493, Seite 6. 8 BGH, Urteil vom 7. Dezember 2007, IV VR 65/07. Vom Recht auf Akteineinsicht des Beteiligten zum Jedermann-Recht auf Information, Rapp AnwBl 7 /

22 MN Aufsätze Informationsfreiheit als Mittel unzulässiger Recherche? Informationsrechte vs. unternehmerische Privatsphäre * Rechtsanwalt Dr. Thomas Lüttgau, Köln Das Informationsfreiheitsgesetz verpflichtet nicht nur den Bund zur Offenlegung seiner Akten. Auch die Interessen privater können dadurch berührt sein. Der Autor beleuchtet das Spannungsfeld. I. Kollidierende Interessen: Fallbeispiele Sind das Spannungsfeld zwischen voraussetzungslosem Informationszugang und Schutz der Privatsphäre geschützter Daten und Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zwei Seiten einer Medaille oder zwei Säulen des Rechts der Informationsgesellschaft wie Klöpfer 1 meint? Je nach Sichtweise ist beides richtig: Derjenige, dessen Daten Gegenstand des Informationsanspruchs ist, wird das anders sehen als derjenige, der sich um Transparenz behördlichen Handelns bemüht. Erkenntnisse, die Aufschluss über betriebliche Abläufe und Geheimnisse geben, konnten bisher bereits auch außerhalb des Anwendungsbereichs des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) gewonnen werden. Immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung lassen trotz Kennzeichnung von Betriebsgeheimnissen in den Unterlagen tiefe Einblicke in Betriebsabläufe und Verfahren zu. Die öffentliche Bekanntmachung von Emissionsdaten im Europäischen Schadstoffregister (EPER European Pollutant Emission Register) und seit 2009 im Europäischen Schadstofffreisetzungs- und Verbringungsregister (PRTR Pollutant Release und Transfer Register) geben jedermann die Möglichkeit, sich über Emissionen von Betrieben kundig zu machen. Kundige können hieraus Rückschlüsse auf Produktionsverfahren ziehen. Dass dieses Spannungsfeld hier in den Blick genommen wird, ergibt sich vor allem dann, wenn Private Partner oder Objekte der behördlichen Tätigkeit sind. Die Gerichte betonen, dass die Ausschlussgründe im IFG für den Informationsanspruch abschließend sind. Exemplarisch sollen folgende Fallgestaltungen genannt werden: 9 Zur Substantiierung einer anhängigen Zivilrechtsklage begehrt der Kläger Einsicht in die Unterlagen des der Amtshaftungsklage vorausgegangenen Verwaltungshandelns (1.). 9 Der Anspruchsteller begehrt Auskunft zu den Kosten eines mehrere Mio. Euro teuren Projektes, zu denen neben diversen Positionen Planungs- und Baukosten auch die Aufschlüsselung des Postens Personalkosten zählt (2.). 9 In Zusammenhang mit der Ahndung von Unregelmäßigkeiten bei der Verarbeitung von Lebensmitteln beantragt eine Verbraucherschutzorganisation Auskunft von der zuständigen Überwachungsbehörde über die genauen Verstöße und ihre Verursacher durch Einsichtnahme in die vorliegenden Protokolle (3.). Mit diesen Fällen werden die Bereiche angesprochen, in denen die aus dem IFG resultierenden Informationsansprüche direkt mit Geheimhaltungsansprüchen Dritter kollidieren. 1. Durchbrechung des zivilrechtlichen Beibringungsgrundsatzes? In der ersten Fallgestaltung stellt sich die Frage, ob Informationsansprüche nach dem IFG mit zivilrechtlichen Beweisführungsregeln kollidieren und den im Zivilrecht herrschenden Beibringungsgrundsatz durchbrechen. Das IFG setzt hier zwei Grenzen: Gemäß 1 Abs. 3 IFG gehen Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu Amtlichen Informationen vor; gem. 3 Ziff. 1. lit. g IFG darf der Informationszugang nicht nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung laufender Gerichtsverfahren haben. Zugangsrechte zu Amtlichen Informationen, an die das Fachgesetz engere Anforderungen stellt (etwa Stasi-Unterlagen-Gesetz, Vergabeverfahren 111 GWB 475 ff. StPO) können nicht durch das IFG erweitert werden. In einem Zivilprozess hingegen führt die Anwendung der 421 ff. ZPO über die dort geregelte Vorlagepflicht von Urkunden nicht zur Verdrängung der voraussetzungslosen Informationsanspruchs aus dem IFG 2, da es sich nicht um abschließende Zugangsregelungen handelt. Dieser Anspruch kann in der Regel auch erst geltend gemacht werden, wenn die Klage schlüssig ist. Auch 242 BGB steht nicht entgegen, wonach Auskunftsansprüche nur unter besonderen Voraussetzungen (treuwidrig) bestehen. 242 BGB ist nicht abschließend. 3 Ziff. 1. lit. g IFG dient der störungsfreien Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens als Teil der Rechtspflege, schränkt aber Informationsansprüche einer Prozesspartei gegenüber Amtlichen Informationen nicht ein, die sich aus einer zivilrechtlichen Beziehung ergeben (etwa aus Werk- oder Dienstleistungsverträgen der Behörde mit einem Privaten Dritten). Der prozessuale Grundsatz der Waffengleichheit greift insoweit nicht. Dieser Grundsatz wird durch außerhalb des Prozessrechts bestehende materielle Ansprüche nicht in Frage gestellt. Die damit in Einzelfall verbundene Schieflage der Beweisführung ist gewollt und hat unter Umständen Auswirkungen auch auf rein zivilrechtliche Rechtsverhältnisse (vgl. etwa 839 Abs. 3 BGB). 2. Schutz personenbezogener Daten? Die Fallgestaltung zu 2. wirft das Licht auf den Schutz personenbezogener Daten im Sinne des 5 IFG. Personenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person ( 3 Abs. 1 BDSG). Geschützt sind also etwa die Daten natürlicher Personen wie Namen, Geburtsdaten, Anschrift, Beruf, Konfession (persönliche Verhältnisse) und Grundbesitz, vertragliche Beziehungen zu Dritten etc. (sachliche Verhältnisse). Dieser Schutz ist nicht absolut, sondern unterliegt einer abwägenden Entscheidung der Behörde ( 5 Abs. 1), ob das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige * Der Beitrag geht zurück auf einen Vortrag, den der Autor auf dem 59. Deutschen Anwaltstag 2008 in Berlin in einer vom Verwaltungsrechtsausschuss des DAV mitorganisierten Veranstaltung gehalten hat. 1 Klöpfer in DÖV 2003, 221; DVBl 2005, Vgl. OVG NW Beschluss vom B 589/ AnwBl 7 / 2010 Informationsfreiheit als Mittel unzulässiger Recherche?, Lüttgau

23 MN Aufsätze Interesse des Dritten, dessen Daten Gegenstand des Informationsanspruchs sind, überwiegt. Besondere Arten personenbezogener Daten gem. 3 Abs. 9 BDSG dürfen nur mit Einwilligung des Dritten übermittelt werden. Ein Zweckbindungsgebot wie in 16 Abs. 4 BDSG gibt es nicht und wäre mit dem voraussetzungslosen Informationszugangsrecht des IFG auch nicht vereinbar. Entgegenstehende Rechte des Dritten schreibt das IFG nicht fest, sondern beschränkt ihn auf das Anhörungsrecht des 8 IFG. Die Entscheidung über die Freigabe personenbezogener Daten obliegt abschließend und nur vorbehaltlich einer Überprüfung im gerichtlichen Verfahren der abwägenden Entscheidung der Behörde. Die Verweigerung der Akteneinsicht wegen personenbezogener Daten dürfte selten sein, da Daten geschwärzt werden können ( 3 Abs. 6 BDSG). Das VG Minden hat die Einsicht in die Akte Personalkosten mit der Begründung zugestanden, es liege im besonderen öffentlichen Interesse, etwaige Korruptionen aufzudecken Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen? Anders regelt dies das Gesetz in der dritten Fallgestaltung, in der es um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse (vgl. 17 UWG: Tatsachen, die sich auf den Gewerbebetrieb beziehen und an deren Geheimhaltung der Betriebsinhaber ein schutzwürdiges betriebliches Interesse hat und nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sind) geht. Zugang darf entsprechend 6 S. 2 IFG nur mit Einwilligung des Betroffenen gewährt werden. Anders als etwa in den Landesgesetzen des Landes Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein gilt dieser Ausschlussgrund absolut und ist nicht (wie in den genannten Ländern) etwa einer Abwägung mit öffentlichen Interessen zugänglich oder nur bei zu besorgenden Schäden einschlägig. Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sind als Teil des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb oder als sonstiges vermögenswertes Gut der Eigentumsgarantie des Artikels 14 GG unterstellt. Das einfach gesetzlich geschützte Informationsinteresse der Allgemeinheit tritt hinter die durch das Grundgesetz geschützte Rechtsposition grundsätzlich zurück. Ein berechtigtes Interesse besteht in der Regel bereits dann, wenn die Geheimhaltung für die Tatsache der Wettbewerbsfähigkeit von Bedeutung ist. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich die geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse auf einen rechtswidrigen Vorgang beziehen. So hat das OVG Schleswig in Fall 3 die Einsichtnahme in die Protokolle versagt, in denen die rechtswidrig handelnden Betriebe namentlich aufgeführt waren, weil es sich um einfache Rechtswidrigkeit handelte Sonderfall: Anwaltliche Beratungsschreiben Auch anwaltliche Beratungsschreiben unterliegen insoweit keinem besonderen Schutz. 4 IFG liefert nur zeitlich begrenzten Schutz für die vorbereitenden Arbeiten, also auch die anwaltliche Beratung. Dieser Schutz endet mit dem Abschluss des Entscheidungsvorgangs. 3 Ziff. 3 IFG schützt ebenfalls nur die Beratungen und 3 Ziff. 4 IFG schließt nur besondere (öffentliche) Geheimnispflichten (etwa das Steuergeheimnis) vom Informationsanspruch aus. Dazu gehört grundsätzlich auch die anwaltliche Schweigepflicht. 3 IFG dient insgesamt allerdings nur dem Schutz öffentlicher Belange und nicht dem Schutz der privaten Berater, die ihrerseits über 5 und 6 IFG geschützt sind. Protokolle vertraulicher Beratungen unterliegen dem Schutz der Vertraulichkeit, soweit es sich um behördliche Beratungen handelt, die den Kern der staatsinternen Willensbildung betreffen. Erfasst ist dabei nur der Beratungs- und Abwägungsvorgang, also die Beratung selbst (bis zu ihrem Abschluss), nicht aber die den Beratungen zugrunde liegenden Sachinformationen oder auch die Beratungsergebnisse, wie etwa Gutachten, die tatsächlichen und rechtlichen Entscheidungsgrundlagen zusammenstellen II. Quo vadis Informationsrechte? Es scheint verfrüht zu sein, eine Bewertung der Auswirkungen der Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und den Ländern vornehmen zu können. Möglicherweise sind die Chancen, die durch die Informationsfreiheitsgesetze eröffnet werden noch nicht flächendeckend erkannt worden. Daher ist es auch verfrüht darüber zu urteilen, ob das Recht auf voraussetzungslosen Informationszugang und der Schutz der Privatsphäre nun Gegensatzpaare, also zwei Seiten einer Medaille oder zwei Säulen des Rechts der Informationsgesellschaft sind. Wenn man, wie Klöpfer es tut, sie als Recht der Informationsgesellschaft sieht, dann rechtfertigt dieses Recht auch die Zurückdrängung persönlicher Schutzinteressen. In Zeiten von Public-Private-Partnership und der zunehmenden Privatisierung der Handlungsformen öffentlicher Aufgaben und der Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch Private ermöglicht der Informationszugang zu Amtlichen Informationen auch zunehmend Einblicke in die Privatsphäre, sei es die natürlicher, sei es die juristischer Personen. Nicht selten werden sie genutzt, um Informationen über wirtschaftliche Konkurrenten zu erlangen. Im Zuge der Entkleidung eines Privatens durch öffentliche Zurschaustellung in Internetforen verwundert dies kaum. Bedenklich erscheint indes eine gesetzliche Systematik, die den Schutz persönlicher Daten nur einem einfachgesetzlichen Abwägungsvorbehalt der Behörde unterwirft, den Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen allerdings einem absoluten, auf Art. 14 GG gestützten Abwehrrecht. Dies begegnet jedenfalls verfassungsrechtlichen Bedenken, worauf Klöpfer aber auch Kugelmann 5 zu Recht hinweisen. Dr.ThomasLüttgau,Köln Der Autor ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Er ist Mitglied im Verwaltungsrechtsausschuss des DAV. Sie erreichen den Autor unter der -Adresse autor@anwaltsblatt.de. 3 VGMinden,Urteilv K1965/02. 4 OVGSchleswig,Beschlussvom LB30/04 NuR2006, Kugelmann, NJW 2005, Informationsfreiheit als Mittel unzulässiger Recherche?, Lüttgau AnwBl 7 /

24 MN Aufsätze Das Umweltinformationsrecht der EU und seine Umsetzung in Deutschland Hinweise für die anwaltliche Praxis * Rechtsanwalt Dr. Andreas Geiger, München Der Bürger wird gläserner, aber auch der Staat. Neben dem Informationsfreiheitsgesetz gibt es auch noch das Umweltinformationsrecht. In diesem Bereich hat Deutschland europa- und völkerrechtliche Vorgaben umgesetzt. Der Autor stellt das Instrumentarium vor und erläutert, welche Bedeutung es für die anwaltliche Praxis hat. I. Einleitung Bereits am 14. Februar 2005 ist das neue Umweltinformationsgesetz des Bundes (kurz: UIG-Bund) in Kraft getreten und hat das bis dahin auch für die Ebene der Länder geltende UIG von 1994 abgelöst. Inzwischen sind auch alle Bundesländer ihrer Pflicht nachgekommen und haben eigene Landes-Umweltinformationsgesetze erlassen. Neben der Umsetzung der Vorgaben der Umweltinformationsrichtlinie 2003/4/EG dienen die Umweltinformationsgesetze des Bundes und der Länder auch der Implementation der von der Bundesrepublik Deutschland im Dezember 1998 unterzeichneten sogenannten Aarhus-Konvention. Ich werde zunächst über die völker- und europarechtlichen Vorgaben des Umweltinformationsrechts sowie die Umsetzung in Bund und Ländern berichten. Zum Abschluss meines Vortrags werde ich auf die Anwendung des Umweltinformationsrechts in der anwaltlichen Praxis eingehen. II. Völker- und europarechtliche Vorgaben 1. Erste Umweltinformationsrichtlinie 90/313/EWG vom Die erste Regelung, die ein Umweltinformationsrecht für Bürger vorsah, war die erste EG-Umweltinformationsrichtlinie (UIRL) aus dem Jahr Diese war Grundlage für denn Erlass des ersten deutschen Umweltinformationsgesetzes (UIG) aus dem Jahr Beide Regelwerke werden hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt, da sie inzwischen durch Neuregelungen ersetzt wurden. 2. Aarhus-Konvention Die Aarhus-Konvention ist das am 25. Juni 1998 im dänischen Aarhus unterzeichnete und am 30. Oktober 2001 in Kraft getretene UNECE (d. h. United Nations Economic Commission for Europe)-Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten. 3 Dieses Übereinkommen ist der erste völkerrechtliche Vertrag, der jeder Person Rechte im Umweltschutz zuschreibt, und stellt aus deutscher Sicht eine deutliche Erweiterung des Rechts auf Zugang zu Umweltinformationen dar. Es wurde am 15. Januar 2007 durch die Bundesrepublik Deutschland ratifiziert. Wie aus den Erwägungsgründen der Aarhus-Konvention folgt, war der Zweck der Einführung eines Rechts auf freien Zugang zu Umweltinformationen, den Bürger in die Lage zu versetzen, sich kompetenter an umweltbezogenen Entscheidungen zu beteiligen. 4 Damit sind vor allem Entscheidungen zuständiger Behörden gemeint.es sollen aber auch Kaufentscheidungen des Bürgers durch die Möglichkeit der Einbeziehung von Umweltschutzgesichtspunkten beeinflusst werden. Durch Transparenz, Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen und die Förderung der Beteiligung des Bürgers soll mit der Konvention ein wichtiger Beitrag zum Schutz der Umwelt und zur Verbesserung der Umweltqualität geleistet werden. 5 Inhaltlich setzt sich die Aarhus-Konvention aus drei Säulen zusammen: Die erste Säule regelt den Zugang zu Informationen (Art. 4). Im Vergleich zum alten UIG des Bundes von 1994 erfolgte hier insbesondere eine Ausweitung des Behördenbegriffs auf alle Behörden sowie und hierin liegt eine der weitreichendsten Vorgaben auf bestimmte private Stellen, soweit diese öffentliche Aufgaben im Zusammenhang mit der Umwelt erbringen und unter der Kontrolle von Behörden stehen. Durch die Ausdehnung des Behördenbegriffs sollte der fortschreitenden Privatisierung originär staatlicher Aufgaben Rechnung getragen werden. Die Definition der Umweltinformationen stellt im Vergleich zu der im UIG von 1994 eine Erweiterung dar, die bisher bestehenden Ausnahmegründe wurden eingeschränkt. Die Frist zur Beantwortung von Informationsanfragen wurde grundsätzlich auf 1 Monat festgesetzt, es sei denn, es handelt sich um umfangreiche und komplexe Umweltinformationen. Darüber hinaus ist der Einsatz moderner Informationstechnik sowie die aktive und systematische Verbreitung von Umweltinformationen durch die Behörden vorgesehen. Die zweite Säule der Aarhus-Konvention (Art. 6 bis 8) betrifft die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren zur Zulassung bestimmter Vorhaben mit erheblichen Umweltauswirkungen (insbesondere Industrieanlagen und Infrastrukturmaßnahmen). Dieser Teil betrifft somit nicht das Umweltinformationsrecht im hier erörterten Sinn, so dass ich hierauf nicht weiter eingehe. In der dritten Säule (Art. 9) finden sich verfahrensrechtliche Regelungen: Die Aarhus-Konvention enthält Vorgaben für Widerspruchsverfahren und Klagerechte von Einzelpersonen und Umweltverbänden im Falle der Verweigerung des Informationszugangs, im Hinblick auf Entscheidungen, die der Öffentlichkeitsbeteiligung unterliegen, sowie allgemein bei Verstößen gegen umweltrechtliche Vorschriften. Ziel war es, der betroffenen Öffentlichkeit einen möglichst weiten Gerichtszugang zu gewähren. * Der Beitrag geht zurück auf einen Vortrag, den der Autor auf dem 59. Deutschen Anwaltstag 2008 in Berlin in einer vom Verwaltungsrechtsausschuss des DAV mitorganisierten Veranstaltung gehalten hat. 1 Richtlinie 90/313/EWG vom über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, Abl 1990 Nr. L 158, S. 56 ff. 2 Umweltinformationsgesetz vom , BGBl 1994 I S ff. 3 BT-Drucks. 15/3406, S Vgl. 7. bis 9. sowie 16. Erwägungsgrund der Aarhus-Konvention. 5 Vgl. 9., 16. und 19. Erwägungsgrund der Aarhus-Konvention. 464 AnwBl 7 / 2010 Das Umweltinformationsrecht der EU und seine Umsetzung in Deutschland, Geiger

25 MN Aufsätze 3. Zweite Umweltinformationsrichtlinie 2003/4/EG vom Die Europäische Gemeinschaft, die ebenso wie die Mitgliedstaaten der EU zu den Zeichnern der Aarhus-Konvention gehört, hat zur Anpassung des europäischen Rechts an die Aarhus-Konvention verschiedene Rechtsakte erlassen, wozu u.a. die Richtlinie 2003/4/EG vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (sog. Umweltinformationsrichtlinie UIRL) gehört. 6 Sie war bis zum in innerstaatliches Rechts umzusetzen (Art. 10 UIRL). Neben der Ausdehnung des Behörden-Begriffs sind zusätzlich für zwei Gruppen von Personen des Privatrechts Informationspflichten vorgesehen: Danach fallen wie von der Aarhus-Konvention vorgegeben auch natürliche und juristische Personen des privaten Rechts in den Anwendungsbereich, die aufgrund innerstaatlichen Rechts Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, einschließlich bestimmter Pflichten, Tätigkeiten, oder Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Umwelt, wahrnehmen (Art. 2 Nr. 2 lit. b) UIRL). Zudem fallen solche Personen in den Anwendungsbereich, die unter der Kontrolle einer Stelle der öffentlichen Verwaltung oder einer natürlichen oder juristischen Person, die auf Grund innerstaatlichen Rechts Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, stehen, und im Zusammenhang mit der Umwelt öffentliche Zuständigkeiten haben oder öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen (Art. 2 Abs. 2 lit. c UIRL). Ziel dieser Regelung ist es ausweislich der Begründung des Richtlinienentwurfs der Kommission 7, sicherzustellen, dass auch Private erfasst werden, die traditionell von Behörden wahrgenommene umweltbezogene Aufgaben im allgemeinen Interesse erbringen, wie die Gas-, Elektrizitäts-, und Wasserversorgung sowie Verkehrsdienstleistungen. Der Begriff der Umweltinformation ist die nahezu wortgleiche Wiedergabe der Regelung in der Aarhus-Konvention (Art. 2 Nr. 1 a f UIRL). Gemäß Art. 3 UIRL ist zu gewährleisten, dass die Umweltinformationen allen Antragstellern auf Antrag zugänglich machen, ohne dass diese ein Interesse geltend machen müssen. Mit dem Ablauf der Umsetzungsfrist war sofern ein Mitgliedstaat die Richtlinie nicht oder fehlerhaft umgesetzt hatte von einer Direktwirkung auszugehen, da die Rechte des Einzelnen hinreichend bestimmt und vollzugsfähig sind. Hiervon ging auch VGH Kassel in einem Verfahren betreffend Geltendmachung eines Umweltinformationsanspruchs im Planfeststellungsverfahren zum Ausbau des Frankfurter Flughafens aus. 8 Anders als im alten UIG aus dem Jahr 1994 hat der Bundesgesetzgeber den Anwendungsbereich gemäß 1 Abs. 2 des UIG 9 auf die informationspflichtigen Stellen des Bundes und der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts beschränkt, so dass zusätzlich auch eine Umsetzung durch die Länder erforderlich wurde. 1. Umweltinformationsgesetz des Bundes Da das UIG-Bund die wohl wichtigste und zentrale Regelung ist, stelle ich den Anspruch beispielhaft anhand dieses Regelwerkes dar: a) Umweltinformation Gemäß 3 Abs. 1 S. 1 UIG hat jede natürliche oder juristische Person des Privatrechts unabhängig von ihrer Nationalität einen freien Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen. Dieser Anspruch setzt weder die Darlegung eines besonderen Interesses voraus, noch ist er an ein konkretes Verwaltungsverfahren gebunden. Der Begriff der Umweltinformation ist in 2 Abs. 3 UIG legaldefiniert. Unter den sehr weit gefassten Begriff fallen alle erdenklichen Umweltdaten, u. a. auch Verwaltungsvorschriften, Umweltvereinbarungen, Pläne und Programme, Kosten-Nutzen-Analysen oder sonstige wirtschaftliche Analysen mit Umweltbezug und auch Datenbanken, die einer Anhörungsbehörde im Planfeststellungsverfahren zur Erfassung und Bearbeitung von Einwendungen dienen (VGH Kassel, Urt. v Ausbau Flughafen Frankfurt). Kurzum und pauschalisiert: Wohl alles, was irgendwie einen Umweltbezug haben könnte. b) Informationsverpflichtete Die nach dem neuen UIG Auskunftsverpflichteten sind weiter gefasst: Es werden nicht mehr nur Behörden, die im Bereich des Umweltschutzes tätig sind, sondern die Regierung und alle anderen Stellen der öffentlichen Verwaltung des Bundes mit Ausnahme der Gesetzgebungs- und Rechtsprechungsorgane zur Herausgabe von Umweltinformationen verpflichtet ( 2 Abs. 1 Nr. 1 UIG). Daneben sind natürliche oder juristische Personen des Privatrechts informationspflichtig, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen, die im Zusammenhang mit der Umwelt stehen und dabei der Kontrolle des Bundes oder einer unter der Aufsicht des Bundes stehenden juristischen Person des öffentlichen Rechts unterliegen ( 2 Abs. 1 Nr. 2 UIG). Der Begriff der Kontrolle wird im Gegensatz zur Umweltinformationsrichtlinie in 2 Abs. 2 UIG definiert: Kontrolle ist hiernach entweder in einer besonderen Rechts- oder Pflichtenstellung der Privatperson gegenüber Dritten zu sehen oder in einer Mehrheitskontrolle durch den Bund. III. Umsetzung in der Bundesrepublik Deutschland Die Bestimmungen der Umweltinformationsrichtlinie 2003/4/EG und damit zugleich auch die erste und teilweise die dritte Säule der Aarhus-Konvention wurden für die Bundesbehörden und die weiteren informationspflichtigen Stellen des Bundes durch das Gesetz zur Neugestaltung des UIG und zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel vom 22. Dezember 2004 umgesetzt. 6 Richtlinie RL 2003/4/EG vom über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung von RL 90/313/EWG, Abl 2003 Nr. L 41, S. 26 ff. 7 Vgl. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen v , KOM 2000, 402 endg. 8 VGH Kassel, Urt. v A 1999/06. 9 Umweltinformationsgesetz vom (BGBl I, 3704). Das Umweltinformationsrecht der EU und seine Umsetzung in Deutschland, Geiger AnwBl 7 /

26 MN Aufsätze In diesem Zusammenhang schwierig und bislang nicht geklärt ist die Frage, unter welche Grundlage Beliehene fallen, die aufgrund gesetzlicher Ermächtigung bestimmte Verwaltungsaufgaben in öffentlich-rechtlicher Form wahrnehmen. Bedeutsam ist diese Frage insoweit, als nur 2 Abs. 1 Nr. 2 eine Tätigkeit im Zusammenhang mit der Umwelt fordert. Eine Zuordnung zu Nr. 1 ist vorzuziehen, da Beliehene innerhalb des ihnen übertragenen Aufgabenkreises Behörden i. S. d. 1 Abs. 4 VwVfG sind. Unter die Regelung des 2 Abs. 1 Nr. 2 UIG fallen insbesondere Privatpersonen, die sich aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages mit Aufgaben befassen, deren Erfüllung dem Gemeinwohl dient, also im öffentlichen Interesse liegt. Ein öffentlich-rechtliches Handeln ist demnach nicht erforderlich. In der Gesetzesbegründung wurde als Beispiele für derartige private informationspflichtige Stellen die Deutsche Telekom AG oder die Deutsche Bahn AG genannt. c) Ablehnungsgründe Dem sehr weiten Informationsanspruch stehen in 8 und 9 UIG Gründe entgegen, aus denen die Bekanntgabe der Umweltinformationen abgelehnt werden kann. Im Fall von Streitigkeiten zwischen Antragsteller und der Umweltinformationen vorhaltenden Stelle wird die Auslegung der Ablehnungsgründe eine zentrale Rolle spielen. So ist die Bekanntgabe der Umweltinformation gemäß 8 UIG zum Schutz öffentlicher Belange abzulehnen, wenn diese nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen, die Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, die Vertraulichkeit der Beratungen von informationspflichtigen Stellen, die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitenrechtlicher oder disziplinarrechtlicher Ermittlungen oder den Zustand der Umwelt oder ihrer Bestandteile hätte. Der Antrag ist auch abzulehnen, wenn er offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde oder sich auf interne Mitteilungen der informationspflichtigen Stelle bezieht. Der Antrag ist aus den in 8 UIG aufgeführten Gründen nur dann abzulehnen, wenn das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe nicht überwiegt. Nach 9 UIG ist ein Informationsantrag abzulehnen, soweit durch die Bekanntgabe der Umweltinformationen personenbezogene Daten offenbart und dadurch Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt würden (Nr. 1), durch die Zugänglichmachung Rechte am geistigen Eigentum verletzt würden (Nr. 2.), Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zugänglich gemacht würden oder die Informationen dem Steuer- oder Statistikgeheimnis unterliegen. Abweichungen hiervon sind nur zulässig, wenn die Betroffenen zustimmen oder wie bei den Gründen des 8 UIG ein überwiegendes öffentliches Interesse vorliegt. Vor der Entscheidung über die Bekanntgabe sind die betroffenen anzuhören. Hervorzuheben ist, dass bei Vorliegen eines Ablehnungsgrundes die hiervon nicht betroffenen Informationen zugänglich zu machen sind ( 5 Abs. 3 UIG). Dies kann in der Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten führen, wenn beispielsweise eine mehrere Ordner umfassende Akte Seite für Seite auf Vorliegen von Ablehnungsgründen zu überprüfen ist. d) Modalitäten der Informationsgewährung Der Informationszugang kann durch Auskunftserteilung, Gewährung von Akteneinsicht oder in sonstiger Weise gewährt werden ( 3 Abs. 2 UIG). Die Information ist regelmäßig innerhalb eines Monats zugänglich zu machen, nur wenn die Umweltinformationen umfangreich und komplex sind, gilt eine Frist von 2 Monaten ( 3 Abs. 3 UIG). Gemäß 12 UIG werden für die Übermittlung von Informationen außer bei mündlichen und einfachen schriftlichen Auskünften sowie bei der Einsichtnahme vor Ort Kosten erhoben. Diese müssen so bemessen sein, dass der Informationsanspruch wirksam in Anspruch genommen werden kann. e) Rechtsschutz Mit 6 UIG wurde erstmals eine spezielle Rechtsschutzbestimmung aufgenommen. Diese führt Elemente in das Verwaltungsprozessrecht ein, die auf den ersten Blick systemfremd erscheinen: So ist zur Durchsetzung des Umweltinformationsanspruchs gegenüber privaten informationspflichtigen Stellen der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Vor Klageerhebung ist gegen eine Entscheidung durch eine Stelle der öffentlichen Verwaltung ein Widerspruchverfahren gemäß 68 ff. VwGO durchzuführen ( 6 Abs. 2 UIG). Gegenüber einer informationspflichtigen Person des Privatrechts besteht ein Anspruch auf nochmalige Prüfung ( 6 Abs. 3 UIG). Die Überprüfung ist jedoch nicht Voraussetzung für eine Klage. 2. Umweltinformationsgesetze der Länder Nachdem zum Ablauf der Umsetzungsfrist am noch keines der Bundesländer die Umweltinformationsrichtlinie in Landesrecht umgesetzt hatte, sind inzwischen sind alle Bundesländer ihrer Umsetzungspflicht nachgekommen; als letztes Bundesland erließ das Saarland am ein Umweltinformationsgesetz. Die Umweltinformationsgesetze der Länder unterscheiden sich nicht nur inhaltlich in einigen Punkten, sondern auch hinsichtlich ihrer konzeptionellen Ausgestaltung: a) Konzeptionelle Ausgestaltung Grundsätzlich bestehen drei mögliche Ansätze der konzeptionellen Ausgestaltung: Die eine Regelung verweist im Wesentlichen auf das Umweltinformationsgesetz des Bundes, die andere sieht eine Vollregelung vor. Möglich wäre auch, das Umweltinformationsrecht in bestehende Landesinformationsgesetze wie das Informationsfreiheitsgesetz zu integrieren und die Informationsgesetze so in einer einheitlichen Regelung zusammenzufassen. Ein Verweis des Landes-UIG auf das Bundes-UIG kommt in Betracht, da die Umsetzung der Richtlinienvorgaben sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene erfolgt. Neun Bundesländer haben eine zumindest teilweise Verweislösung gewählt: Hierzu zählen Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern sowie die drei Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen. Die anderen sieben Länder Bayern, Hessen, Rheinland- Pfalz, Sachsen, Thüringen und Schleswig-Holstein haben eine Volltextversion gewählt. 466 AnwBl 7 / 2010 Das Umweltinformationsrecht der EU und seine Umsetzung in Deutschland, Geiger

27 MN Aufsätze In den Bundesländern, in denen es bereits Informationsfreiheitsgesetze (IFG) gibt, hätte die Möglichkeit bestanden, die vergleichbar gestalteten Zugangsrechts zu Umweltinformationen in das jeweilige IFG zu integrieren. Dies ist bisher lediglich in Brandenburg für das Ende diesen Jahres geplant. Berlin hat seine Verweisung auf das UIG des Bundes im Landes-IFG geregelt. b) Inhalt der Regelungen Die Regelungen zum Verfahrensablauf, zur Ablehnung von Anträgen und zur aktiven Verbreitung von Umweltinformationen unterscheiden sich kaum. Inhaltliche Unterschiede bestehen insbesondere hinsichtlich der Behandlung der privaten informationspflichtigen Stellen, des Rechtsschutzes und der Kosten. aa) Private als Informationspflichtige Stelle Alle Bundesländer sind der Pflicht aus Aarhus-Konvention und Richtlinie nachgekommen und haben bestimmt Privatpersonen in den Kreis der Informationsverpflichteten aufgenommen. Die meisten Legaldefinitionen für informationspflichtige Stellen in den Landesgesetzen ähneln in Bezug auf Private inhaltlich dem Bundes-UIG. Häufiger gibt es jedoch Abweichungen hinsichtlich der Definition der Kontrolle durch die öffentliche Hand sowie der Regelungen zur Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des UIG durch Private. Hier sieht die schleswig-holsteinische Regelung eine sehr weitgehende über das Bundesrecht hinausgehende Pflicht Privater vor ( 2 Abs.1 Nr.2 UIG-SH): Deren Pflicht zur Herausgabe ist nicht nur auf Umweltinformationen beschränkt, die bei der Wahrnehmung öffentlicher Zuständigkeiten oder Aufgaben bzw. bei der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Umwelt angefallen sind. Vielmehr sollen sämtliche Tätigkeiten der betroffenen Privaten der Informationspflicht unterzogen werden. Das Bundesrecht hingegen sieht eine Informationspflicht vor, soweit die Privaten bestimmte Aufgaben erfüllen. Bayern hat als einziges Land auf eine Definition der Kontrolle im Sinne des Umweltinformationsrechts verzichtet. Hier sind Schwierigkeiten bei der Feststellung, ob eine Privatperson informationspflichtige Stelle ist oder nicht, zu erwarten. Thüringen hat sich bei der Kontrolle auf eine Mehrheitskontrolle beschränkt. Unternehmen im Privateigentum, die bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben besonderer Pflichten unterliegen wie z. B. Energieversorgungs-, Wasser- und Verkehrsbetriebe wären somit regelmäßig nicht informationspflichtig. Diesbezüglich ist die Richtlinienkonformität fraglich. Hessen und Niedersachsen haben den Kreis der informationspflichtigen Privaten im Vergleich zum UIG-Bund ausgedehnt, indem sie die besondere Rechts- oder Pflichtenstellung nicht auf das Verhältnis zu Dritten beschränkt haben. Damit wären Private auch informationspflichtig, die gegenüber dem Land und seinen Behörden besondere Pflichten haben. bb) Rechtsschutz Grundsätzlich sehen alle Länder-Regelungen wie das UIG des Bundes den Verwaltungsrechtsweg auch für Streitigkeiten mit privaten informationspflichtigen Stellen vor. Unterschiede bestehen hinsichtlich des außergerichtlichen Vorverfahrens, Klagemöglichkeiten gegen die Kontroll- bzw. Überwachungsstellen sowie die Pflicht zur Rechtsmittelbelehrung bei Ablehnungen von Anträgen auf Zugang zu Umweltinformationen. Hinsichtlich des Widerspruchs- bzw. Überprüfungsverfahrens im Fall der Ablehnung eines Gesuchs haben die meisten Länder die Regelungen des UIG-Bund übernommen. In Bayern und Hessen wird das neu geschaffene Überprüfungsverfahren auf alle Informationsverpflichteten angewendet. Sachsen hingegen sieht für alle Streitigkeiten im Rahmen des UIG die Möglichkeit des Vorverfahrens nach 68 ff. VwGO vor, wobei der jeweilige Informationspflichtige über den Widerspruch entscheidet. cc) Kosten Die Bestimmungen zur Kostenerstattung weisen die größte Bandbreite auf. Hier bleibt es wohl der Anwendung überlassen, die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben einzuhalten. c) Würdigung der landesrechtlichen Umsetzung Abschließend ist zu den landesrechtlichen Umsetzungen festzuhalten: Obwohl etwa die Hälfte der Länder bei der Umsetzung eine Verweislösung auf das UIG des Bundes gewählt haben und auch die Volltextversionen weitgehende Übereinstimmung mit dem UIG des Bundes aufweisen, können die bestehenden Abweichungen erhebliche Auswirkungen für den freien Zugang zu Umweltinformationen haben. Die deutlichsten Abweichungen bzw. Eigenheiten weisen die Regelungen Nordrhein-Westfalens und Schleswig-Holsteins auf, wobei an einigen Punkten die Richtlinienkonformität fraglich scheint. Dem UIG des Bundes inhaltlich am nächsten sind die Regelungen Baden-Württembergs und des Saarlandes. Der strittigste Begriff in den UIGs ist der Begriff der informationspflichtigen Stelle und die damit im Zusammenhang stehende Definition der Kontrolle. Hier finden sich die engsten Legaldefinitionen in der bayerischen und thüringischen Regelung, deren Wortlaut die durch die Umweltinformationsrichtlinie gebotene Einbeziehung der privaten Unternehmen der umweltbezogenen Daseinsvorsorge fraglich erscheinen lässt. Hier wird eine weite Auslegung i. S. d. effet utile geboten sein. III. Das Umweltinformationsrecht in der anwaltlichen Praxis 1. Ablehnungsgründe Die Anwendungsmöglichkeiten der Umweltinformationsgesetze sind zahlreich. Dies folgt zum einen aus dem großen Kreis der Informationsverpflichteten, zu dem neben den öffentlichen Stellen zusätzlich bestimmte natürliche und juristische Personen des Privatrechts gehören, sowie dem äußerst weiten Begriff der Umweltinformation. Im Streitfall wird es regelmäßig darum gehen, dass die informationsverpflichtete Stelle sich entweder darauf beruft, Das Umweltinformationsrecht der EU und seine Umsetzung in Deutschland, Geiger AnwBl 7 /

28 MN Aufsätze die begehrte Information habe keinen Umweltbezug, d. h. es handele sich nicht um eine Umweltinformation, oder einer der Ablehnungsgründe in 8 oder 9 UIG liege vor und das öffentliche Interesse der Bekanntgabe überwiege nicht. Die Ablehnungsgründe in 9 UIG personenbezogene Daten, geistiges Eigentum, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden regelmäßig eine Rolle spielen, wenn eine unbeteiligte Dritte Person vom geltend gemachten Umweltinformationsanspruch betroffen ist oder aber dieser gegenüber einer informationsverpflichtete natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts geltend gemacht wird. Die Auslegung der Ablehnungsgründe im Einzelfall wird einige Schwierigkeiten mit sich bringen. Zu denken ist hier z. B. an die Schutzgüter der inneren Sicherheit oder die Urheberrechte sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Diese Gründe wurden beispielsweise in einem Eilverfahren vor dem OVG Münster betreffend einen Anspruch auf Einsichtnahme in das Sicherheitskonzept der Transrapid-Strecke München Hauptbahnhof Flughafen vom beigeladenen Vorhabenträger angeführt. 10 Geeignet als möglicher Auslöser von Rechtsstreitigkeiten ist bereits auch die Frage, ob eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts überhaupt informationsverpflichtet ist. Es ist zu erwarten, dass die Kommunalverwaltungen Adressat der meisten Anträge sein werden. Sie sind vor Ort bürgernah erreichbar und das Auskunftsinteresse der Bevölkerung orientiert sich regelmäßig an ihren persönlichen Bedürfnissen, wie z. B. Trinkwasserqualität, zu erwartende oder bestehende Immissionen benachbarter Anlagen oder Straßen. Wie die Entscheidungen des VGH Kassel zur Bekanntgabe von Informationen nach UIG im Zusammenhang mit dem Planfeststellungsverfahren zum Ausbau des Frankfurter Flughafens und das Verfahren betreffend den Transrapid in München belegen, wird das Umweltinformationsrecht in Planfeststellungsverfahren zur Schaffung von Verkehrsinfrastruktur von deren Gegnern als Instrument aufgegriffen. 2. Grundsatzentscheidung des BVerwG Im Fall des Transrapid kam es im Juni letzten Jahres zu einer Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts 11 hinsichtlich der Frage des zuständigen Gerichts in Verfahren nach dem UIG, In dieser Entscheidung ging es letztlich auch um den Rechtscharakter des Umweltinformationsanspruchs: Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass das Planfeststellungsverfahren einerseits und das Verfahren auf Gewährung freien Zugangs zu Umweltinformationen andererseits gänzlich nebeneinander stehen. Ein von Einwendern im Planfeststellungsverfahren geltend gemachter Umweltinformationsanspruch werde außerhalb des Planfeststellungsverfahrens erfüllt, zuständiges Gericht ist nicht das für das Planfeststellungsverfahren zuständige erstinstanzliche Gericht. Damit widersprach das Bundesverwaltungsgericht dem VGH Kassel, der entschieden hatte, seine erstinstanzliche Zuständigkeit nach 48 Abs. 1 Nr. 6 VwGO umfasse auch Streitigkeit nach dem UIG, wenn Einsicht in Akten begehrt werde, die im Zusammenhang mit einem Planfeststellungsverfahren entstanden sind. Ich gehe davon aus, dass es sich hierbei nicht um die letzte Entscheidung handelt, mit der das Bundesverwaltungsgericht Licht ins Dunkel der Auslegung und Anwendung des Umweltinformationsrechts bringt. Dr. Andreas Geiger, München Der Autor ist Rechtsanwalt. Er ist Mitglied im Verwaltungsrechtsausschuss des DAV. Sie erreichen den Autor unter der -Adresse autor@anwaltsblatt.de. 10 OVGMünster,Beschl.v B922/07,FundstelleJuris;vgl.dazu auch BVerwG, Urt. v C 18.08, Fundstelle Juris. 11 BVerwG, Beschl. v VR 1.07, Fundstelle Juris. 468 AnwBl 7 / 2010 Das Umweltinformationsrecht der EU und seine Umsetzung in Deutschland, Geiger

29 MN Kommentar Vom Einzelkämpfer zum GmbH-Gesellschafter eklatanter Bruch oder logische Konsequenz? Wer gleich zu Beginn seiner beruflichen Karriere beim Forum Start in den Anwaltsberuf in die Lehre gegangen ist, weiss: Ein mangelhaft betreutes Zwangsvollstreckungsmandat mit einem Gegenstandswert von gerade einmal 200 Euro kann zu einem Haftungsfall über mehrere Millionen Euro führen. Dem Anwalt, der zu Beginn seiner Berufstätigkeit vorzugsweise Mandate mit einem Gegenstandswert von 200 Euro bearbeitet, kann solch ein Szenario durchaus schlaflose Nächte bereiten. Auch wenn nicht jedes Mandat ein solches Haftungsrisiko birgt wissen Anwältinnen und Anwälte wirklich, welche Risiken in ihren Schränken schlummern? Also, was tut der Geängstigte nach durchwachter Nacht, wenn er nicht den Kopf in den Sand steckt? Er ruft seinen erfreuten Haftpflichtversicherer an und erbittet eine Erhöhung der ursprünglich vereinbarten Mindestversicherungssumme von Euro auf ein Vielfaches und trifft mit seinen Mandanten eine Haftungsbegrenzungsvereinbarung auf diese Summe. Trotzdem schläft er weiter schlecht (oder sollte es zumindest): Der eingetretene Schaden könnte höher sein als die vereinbarte Summe, das betreute Rechtsgebiet könnte nicht versichert sein, ein Versicherungsfall könnte von der Rechtsprechung als vorsätzlich herbeigeführt angesehen werden, ein Sozius könnte Fremdgeld unterschlagen der Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Der Gesetzgeber und die Rechtsprechung meinen es in Haftungsfragen nicht gut mit uns. Wir alle wissen, Wer weiter denkt, sieht die Vorteile der Anwalts-GmbH Axel Thoenneßen, MBA, LL.M., Düsseldorf Rechtsanwalt, Mitglied des Vorstands des Deutschen Anwaltvereins dass das erkennende Gericht das eine Anwaltskanzlei allenfalls im lange zurückliegenden Referendariat einmal von innen gesehen hat glaubt, die dortigen Abläufe selbst beurteilen zu können, anstatt wie in jedem Haftpflichtprozess üblich einen Sachverständigen, nämlich einen Rechtsanwalt, zu befragen. Es drohen viele Gefahren, die das mühsam Errichtete in Sekundenbruchteilen zerstören können. Also, was hilft? Die wirksame Haftungsbegrenzung durch Gründung einer Rechtsanwaltsgesellschaft. In der GbR und der PartG gibt es keine wirksame Haftungsbegrenzung. Natürlich gibt es Nachteile: 9 Bei der Umwandlung einer GbR oder einer PartG in eine RA-GmbH müssen die offenen Forderungen in einer Schlussbilanz erfasst und versteuert werden. Die Umstellung von der Einahmen-Ausgaben-Rechnung auf eine Bilanz schreckt ab. Allerdings wird in vielen Sozietäten ohnehin bilanziert, um das Eintreten und Ausscheiden von Sozien zu vereinfachen. 9 Eine flexible Kapitalentnahme durch die Gesellschafter ist nicht möglich, Ausschüttungen sind nur bei positiver Ertragslage und entsprechendem Gesellschafterbeschluss möglich, es besteht die Gefahr verdeckter Gewinnausschüttungen und verdeckter Einlagen. 9 Die Rechtsanwaltsgesellschaft hat deutlich mehr Publizität. 9 Die GmbH verursacht höhere Kosten für die Erstellung der Buchführung, des Jahresabschlusses und deren Veröffentlichung, die Prämie der Haftpflichtversicherung, die Mitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer et cetera. 9 Der Mandant könnte über die Haftungsbegrenzung qua Gesellschaftsform irritiert sein. Aber: Vertrauen Sie Ihrem Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer seit 1961 nicht mehr? Dem steht jedoch eine Vielzahl von Vorzügen gegenüber: 9 Die Rechtsanwalts-GmbH bietet (neben der AG) die einzige wirksame Haftungsbegrenzung. 9 Der Eintritt und Austritt von angestellten Anwälten und Gesellschaftern sind haftungs-, gesellschafts- und steuerrechtlich unproblematischer als bei GbR und PartG. Waren Sie schon einmal als Partner oder Berater an der Auseinandersetzung einer Sozietät beteiligt? 9 Die GmbH bietet steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten, so mindern die Gehälter der als Geschäftsführer angestellten Gesellschafter den Gewinn, es können Rückstellungen gebildet werden, die Altersversorgung der Geschäftsführer kann gewinnmindernd erfolgen. 9 Der Nachteil der Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer wirkt sich bei dem einzelnen Gesellschafter kaum aus, wenn er durch entsprechende Gehälter abgemildert wird. 9 Der Mandant ist durch die hohe Versicherungssumme (2,5 Mio. Euro) deutlich besser geschützt als bei dem Berufsversehen des Einzelanwalts oder eines Sozius. Seien wir einmal ehrlich: welcher Rechtsanwalt schafft es bei den heutigen Durchschnittseinkommen zu Lebzeiten, ein Vermögen aufzubauen, das die Mindestversicherungssumme deutlich übersteigt? Wer also nicht auf ewig auf das Dasein eines Einzelanwalts beschränkt sein möchte, um zumindest die Haftung für die Fehltritte seiner Partner auszuschließen, dem bleibt wenig Anderes übrig, als die Gründung einer GmbH. Aber auch der Einzelanwalt sollte den Weg über die GmbH wählen, wenn er die Haftung für Berufsversehen wirklich wirksam begrenzen will. AnwBl 7 /

30 Magazin Schutz vor Spionage am Arbeitsplatz Bundesinnenminister legt Entwurf zum Arbeitnehmerdatenschutz vor

31 Magazin Nach einer Serie von Skandalen um bespitzelte oder durchleuchtete Mitarbeiter bei Bahn, Telekom, Lidl und anderswo ist der Handlungsdruck für die Politik so hoch wie nie zuvor. Was Datenschützer und Gewerkschafter seit einem Vierteljahrhundert fordern, soll nun Realität werden: Bundesinnenminister Thomas de Maizière will den Arbeitnehmerdatenschutz in Gesetzesform gießen. Zwölf neue Paragrafen im Bundesdatenschutzgesetz sollen unzulässigen Fragen an Bewerber, illegalen Gesundheitstests, rechtswidrigen Kameras oder massenhaften Datenabgleichen einen Riegel vorschieben. Die Vorschriften ergänzen eine Generalklausel aus dem Jahr 2009 und orientieren sich eng an der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte. Wie schwer es ist, die widerstreitenden Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern miteinander zu versöhnen, zeigen die ersten Reaktionen auf die Pläne. Das Anwaltsblatt stellt die Kernpunkte des Ende Mai fertig gestellten Entwurfs sowie Lob und Kritik daran vor: Die beiden Leitplanken Ob Videoüberwachung, Telefonkontrolle, Ortung im Außendienst, Fragen im Einstellungsgespräch oder Korruptionsbekämpfung: Der Arbeitgeber ist an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. Die Datenerhebung darf nach Art und Ausmaß nicht unverhältnismäßig sein. Sobald schützwürdige Interessen des Betroffenen überwiegen, müssen Fragen, Tests und Kontrollen unterbleiben. Zweites Prinzip: Der Arbeitgeber muss größtmögliche Transparenz gewährleisten. So hat er die tatsächlichen Anhaltspunkte für den Verdacht einer Straftat oder Verfehlung zu dokumentieren, wenn er darauf eine Datenerhebung stützen will. Das soll nicht zuletzt eine gerichtliche Überprüfung erleichtern. Hinzu kommen eine Reihe von Informationspflichten gegenüber den Beschäftigten. Will der Arbeitgeber zum Beispiel Telefonkontrollen, Ortungssysteme sowie Videobeobachtung einsetzen, muss das mitgeteilt werden. å Die Details Datenerhebung im Einstellungsgespräch Die neuen Vorschriften regeln sämtliche Phasen des Arbeitsverhältnisses einschließlich des Bewerbungsgesprächs. Der Entwurf stellt klar, dass der Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch oder Einstellungstest nur Angaben verlangen darf, die er benötigt, um die Eignung des Bewerbers zu beurteilen. So dürfen Ausbildung, beruflicher Werdegang sowie fachliche und persönliche Fähigkeiten erfragt werden. Weitergehende Auskünfte zum Beispiel über Vermögensverhältnisse, Vorstrafen, Behinderung, sexuelle Identität oder Religion kommen nur infrage, wenn diese Informationen für die angestrebte Tätigkeit entscheidend sind. Gesundheitliche Tests Auch eine Untersuchung ist nur zulässig, wenn und soweit sie unverzichtbar ist, um die Tauglichkeit für eine konkrete Tätigkeit festzustellen. Erlaubt ist es nach diesem Maßstab etwa, von einem Chirurgen einen Bluttest zu verlangen, um übertragbare Krankheiten auszuschließen. Oder bei Piloten und Busfahrern abzuklopfen, ob sie alkohol- oder drogensüchtig ist. Dem Gesundheitscheck muss der Betroffene in jedem Fall zustimmen. Korruptionsbekämpfung/Compliance Ein eigener Paragraf ermächtigt den Arbeitgeber, zwecks Verhinderung oder Aufdeckung von schweren Verfehlungen eines Mitarbeiters Daten zu erheben und zu nutzen. Es gelten aber drei Hürden: Erstens rechtfertigen nur Straftaten, Ordnungswidrigkeiten oder schwerwiegende Vertragsverletzungen, die zur fristlosen Kündigung berechtigen würden, eine Kontrolle. Zweitens muss ein konkret belegter Verdacht einer solchen Verfehlung vorliegen. Und drittens gilt natürlich auch hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Damit ist klargestellt, dass flächendeckende Datenabgleiche ohne stichhaltige Anhaltspunkte nicht erlaubt sind. Videoüberwachung am Arbeitsplatz Eine heimliche Videokontrolle von Mitarbeitern soll nur in extremen Ausnahmefällen möglich sein. Es müssen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht einer Straftat oder einer schwerwiegenden Vertragsverletzung begründen. Paradefall: Ein AnwBl 7 /

32 Magazin Angestellter hat im Betrieb Geld oder Waren gestohlen. Die heimliche Videoüberwachung muss vorab vom betrieblichen Datenschutzbeauftragten gebilligt werden. Kameras in Umkleidekabinen oder Toiletten sind in jedem Fall tabu. Eine offen erkennbare Videokontrolle in Betrieben ist hingegen schon dann erlaubt, wenn sie dem Schutz des Eigentums, der Wahrung des Hausrechts, der Sicherheit der Beschäftigten, der Zutrittskontrolle oder der Abwehr von Gefahren für den Betrieb dient. Ortung von Mitarbeitern durch technische Systeme In dieser Frage betritt der Innenminister Neuland. Der Entwurf stellt klar, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter im Außendienst während der Arbeitszeit durch Ortungssysteme wie GPS ausfindig machen dürfen. Allerdings nur dann, wenn es um deren Sicherheit geht oder darum, den Einsatz der Beschäftigten zu koordinieren, etwa in einer Spedition. Eine heimliche Ortung ist ausgeschlossen. Hintergrund Was lange währt, wird endlich gut? 3 Seit Mitte der 1980er Jahre gibt es Überlegungen, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung für Arbeitnehmer durch ein eigenes Gesetz zu schützen. Bisher kapitulierte aber noch jede Bundesregierung bei dem Versuch, einen rechtlichen Ordnungsrahmen für den Datenschutz am Arbeitsplatz zu setzen. Zu groß waren die Widerstände und Bedenken vor allem in der Wirtschaft. Was CDU-Arbeitsminister Norbert Blüm und seinen SPD- Nachfolgern Walter Riester, Wolfgang Clement, Franz Müntefering und Olaf Scholz nicht gelang, soll nun Bundesinnenminister Thomas de Maizière richten. Er knüpft mit seinem Entwurf an eine Generalklausel an, die die schwarz-rote Bundesregierung im vergangenen September in das Bundesdatenschutzgesetz eingefügt hatte. Mit einem zügigen Gesetzgebungsverfahren ist indes nicht zu rechnen: Sowohl in der CDU/CSU als auch in der FDP gehen die Meinungen über den Entwurf zwischen den beteiligten Fachleuten für Wirtschaft, Arbeit und Datenschutz noch auseinander. Telefon- und -Kontrollen Sofern die Mitarbeiter Telefone und -Dienste ausschließlich beruflich nutzen dürfen, ist eine Verwendung der Verkehrsdaten durch den Arbeitgeber in drei Fällen möglich: Um seine Anlagen und verarbeitete Daten vor Schaden zu bewahren, um angefallene Kosten bestimmten Anschlüssen zuzuweisen oder um mit Stichproben festzustellen, ob tatsächlich nur zu beruflichen Zwecken telefoniert oder g t wurde. Inhalte von Telefonaten dürfen nur erfasst werden, wenn es berechtigte Interessen des Betriebes zu wahren gilt. Zudem müssen der Mitarbeiter und sein Gesprächspartner vorher eingewilligt haben. -Verkehr darf ebenfalls nur bei berechtigten Interessen erfasst werden, insbesondere um Straftaten und Pflichtverstöße aufzudecken oder zu verhindern. Sofern auch private Kommunikation im Unternehmen erlaubt ist, gelten noch höhere Hürden für Kontrollen. Das sagen Experten zum Entwurf Die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) sieht noch Nachbesserungsbedarf. So dürften datenschutzrechtliche Vorschriften nicht dazu führen, dass Unternehmen eine effiziente Kontrolle der Einhaltung anderer gesetzlicher Vorgaben nicht mehr gewährleisten könnten, sagt BDA-Hauptgeschäftsführer Reinhard Göhner gegenüber dem Anwaltsblatt zum Stichwort Compliance. Ferner müsse die Möglichkeit der Einwilligung des Arbeitnehmers als Rechtsgrundlage für eine Datenverarbeitung umfassend erhalten bleiben. Das sieht der Ausschuss für Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein ähnlich. Die Einwilligung des Mitarbeiters muss als Rechtfertigung generell ausreichen, sagt Rechtsanwältin Nathalie Oberthür. Insgesamt bewertet der Ausschuss die neuen Regelungen aber als ausgewogen. Die berechtigten Interessen des Arbeitgebers und die schutzwürdigen Belange der Beschäftigten würden in Einklang gebracht. Der Bundesverband der Arbeitsrichter bezeichnet es zwar als richtigen Schritt, die Vorgaben der Rechtssprechung in Gesetzesform zu gießen. Die angestrebte Transparenz für die Beschäftigten werde aber verfehlt, weil die neuen Vorschriften an versteckter Stelle im Bundesdatenschutzgesetz stehen und teilweise unverständlich seien, sagt Verbandsvorsitzender Joachim Vetter dem Anwaltsblatt. Harte Kritik an den Plänen äußert der Deutsche Gewerkschaftsbund. Der Entwurf hat einen völlig falschen Ansatz, sagte DGB-Arbeitsrechtsexpertin Martina Perreng zum Anwaltsblatt. Zentrales Anliegen der Vorschriften sei es, die Möglichkeiten für Korruptionsbekämpfung und Compliance zu erweitern. Es geht weniger darum, die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer zu stärken. Sven Rebehn, Osnabrück Der Autor ist Assessor und Redakteur bei der Neuen Osnabrücker Zeitung. Sie erreichen den Autor unter der -Adresse autor@anwaltsblatt.de. 472 AnwBl 7 / 2010

33 MN Gastkommentar Kreatives Störpotenzial aus Straßburg Dr. Wolfgang Janisch, Karlsruhe Süddeutsche Zeitung Mit seiner distanzierten Haltung zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Hans-Jürgen Papier selten hinter dem Berg gehalten. Aber beim Festakt anlässlich seines Abschieds als Präsident des Bundesverfassungsgerichts im Mai wurde er deutlicher als sonst. Wenn ein Fall auf nationaler Ebene unter menschenrechtlichen Aspekten hinreichend geprüft worden sei (wenn er also, so vernahm man zwischen den Zeilen, bereits das Bundesverfassungsgericht durchlaufen habe), bedürfe es keiner erneuten Detailprüfung durch die internationale Gerichtsbarkeit, beschied er die Festversammlung. Und weiter: Ist aber eine solche im Mitgliedsstaat gar nicht vorgesehen, ist sie dort systematisch unterentwickelt und defizitär oder gibt es im konkreten Fall Anhaltspunkte dafür, dass der Menschenrechtsschutz auf nationaler Ebene in unvertretbarer oder willkürlicher Art und Weise verwehrt wurde, hat die subsidiäre Schutzfunktion des Konventionsrechts einzugreifen, ihre Ausfallfunktion ist dann unverzichtbar. Sehr viel deutlicher hätte der Präsident a. D. seine Forderung nach Selbstbeschränkung des EGMR nicht formulieren können, jedenfalls nicht innerhalb des gewohnt diplomatischen Sprachkorridors. Die Botschaft an die Kollegen des so ehrgeizigen wie überlasteten Gerichts des Europarats war ohnehin unmissverständlich: Kümmert euch um Russland, Türkei und die Ukraine aber lasst bitte uns mit euren beckmesserischen Urteilen in Frieden! Die Frage ist ja berechtigt: Sollte ein notorisch überlasteter Gerichtshof seine Kapazitäten denn wirklich an einem Staat vergeuden, dessen Verfassungsgericht weltweit als Vorbild eines wirksamen Grundrechtsschutzes dient? Oder sollte es nicht lieber die Verfahren aus jenen Ländern vorantreiben, für deren Bewohner in Straßburg eine Fackel der Hoffnung leuchtet? Dagegen steht zunächst ein strategisches Argument: Wenn der EGMR die Europarats-Mitglieder in Gut und Böse aufteilte, züchtete er sich ein gi- Europaratsmitglieder nicht in Gut und Böse aufteilen. gantisches Akzeptanzproblem heran. Stolze Nationen wie Russland oder die Türkei, aber auch junge Staaten in Osteuropa begegneten einem Gericht, das einen Teil seiner Klientel systematisch schont, vermutlich mit noch größerer Abneigung als bisher. Doch es gibt auch eine egoistische Perspektive, aus der Straßburger Interventionen ins deutsche Rechtswesen wünschbar erscheinen: Ein offensiver EGMR ohne Scheu vor großen Playern kann wertvolle Beiträge zur nationalen Rechtskultur leisten. Man mag das Straßburger Caroline-Urteil mit einigem Recht eine allzu kleinteiligen Eingriff in eine national ausbalancierte Rechtsprechung kritisieren auf das jüngste Urteil zur Sicherungsverwahrung passt diese Kritik nicht, ganz im Gegenteil: Erstens geht es dabei um ein echtes Kern-Menschenrecht, zweitens hat Straßburg damit vielleicht einen Gordischen Knoten zerschlagen. Denn die Geschichte der Sicherungsverwahrung, wie sie sich seit 1998 abgespielt hat, war festgefahren. Der deutsche Gesetzgeber hat im Laufe der Jahre seinen Eifer auf die Schließung angeblicher Schutzlücken verwendet und mit seinen Nachbesserungen ein kaum noch verständliches Paragrafenmonstrum geschaffen. Der Bundesgerichtshof arbeitete sich daran ab, das rechtsstaatliche Unding der nachträglichen Sicherungsverwahrung wenigstens auf ein vertretbares Maß zurückzustutzen. Und das Bundesverfassungsgericht zeigte sich 2004 nicht mutig genug, sich einer Entwicklung entgegenzustemmen, die aus dem Präventionsinstrument faktisch eine im Wortsinn lebenslange Haftstrafe zu machen drohte. Mit dem Straßburger Spruch ist Bewegung in die Angelegenheit gekommen. Das Bundesjustizministerium arbeitet bereits an einer Reform, die zumindest von der nachträglichen Sicherungsverwahrung vermutlich nicht viel übrig lassen wird. Noch wichtiger aber ist, dass Justiz, Rechtspolitik und Öffentlichkeit nun mit einem Problem konfrontiert sind, dessen man sich durch Wegschließen zu entledigen glaubte: Wie geht der Staat mit gefährlichen Straftätern um? Allzu lange wurde die Suggestion genährt, allein durch das Einsperren gefährlicher Täter lasse sich die Sicherheit der Bevölkerung gewährleisten. Das war schon immer eine irreführende Alternativität, auch deshalb, weil die Freiheit der Person eines der elementarsten Grundrechte eine langfristige präventive Inhaftierung eben nur in engen Grenzen erlaubt. Deshalb hätte sich die Rechtspolitik und zwar auch im öffentlichen Diskurs schon längst verstärkt mit dem breiten Spektrum der Prävention befassen müssen, das zum Einsatz kommen muss, weil der Freiheitsentzug irgendwann rechtsstaatlich unvertretbar wird: frühzeitige Therapie schon während der Strafhaft, sinnvolle Vollzugszugslockerungen zur Vorbereitung auf die Freiheit, Ausbau ambulanter therapeutischer Einrichtungen, vernetztes Sicherheitsmanagement. Hinzu kommt die vom EGMR aufgeworfene Frage, wie eigentlich der Vollzug eines Straftäters aussehen muss, der seine Strafe bereits verbüßt hat. Das kreative Störfeuer aus Straßburg hat dazu beigetragen, dass diese Diskussion nun in Deutschland geführt werden muss. Dafür hätte der Gerichtshof eigentlich einen Dankesbrief aus Karlsruhe verdient. AnwBl 7 /

34 MN 61. Deutscher Anwaltstag DAV-Präsident Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer begrüßte die rund Teilnehmer des Anwaltstags. 2 Festrednerin: Viviane Reding, Vizepräsidentin der EU- Kommission und EU-Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft. 3 Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger sprach ein Grußwort. 4 Katja Keul (Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen) mit DAV-Vorstand Andreas Schulte. 5 Nordrhein-Westfalens Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (l.) sprach ein Grußwort, hier mit DAV-Vorstand Edith Kindermann. 6 Die rechtspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Christine Lambrecht mit DAV-Vorstand Arno Schubach. 7 Der ehemalige Präsident der Anwaltskammer (Barreau) Luxemburg Jean Kauffman (l.) mit DAV-Vizepräsident Ulrich Schellenberg. 8 Der Präsident des Verkehrsgerichtstags und ehemalige Generalbundesanwalt Kay Nehm (l.) mit DAV-Vizepräsident Oskar Riedmeyer. 9 Die DAV-Vorstände Prof. Dr. Volker Vorwerk (l.)., Astrid Auer-Reinsdorff und Michael Eckert (r.) mit BGH-Vizepräsident Wolfgang Schlick (2.v.r.). 10 Gitta Greve aus dem Justizministerium Brandenburg und Berlins Justizstaatssekretär Hasso Lieber. 11 Der Präsident des Bundesverbandes der Freien Berufe (BFB) Dr. Ulrich Oesingmann (r.) mit DAV-Hauptgeschäftsführer Dr. Cord Brügmann. 12 Die SPD-Bundestagsabgeordnete Sonja Amalie Steffen mit DAV-Vorstand Svend-Gunnar Kirmes. 13 Im Gespräch: Karin Schubert (ehemalige Berliner Justizsenatorin) mit dem Präsidenten der Bundesrechtsanwaltskammer Axel C. Filges (l.) und Felix Busse (ehemaliger DAV-Präsident und Anwaltsblatt- Herausgeber). 14 Monika Steinbeiß-Winkelmann (Bundesjustizministerium) und der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags Dr. Gerhard Benn Ibler. 15 Der WDR berichtete vom Anwaltstag. Die Bundesjustizministerin wurde interviewt. 16 Die stellvertretende Vorsitzende des Deuschen Richterbunds Astrid Titz und Bundesanwalt Rolf Hannich. 474 AnwBl 7 / 2010

35 MN 61. Deutscher Anwaltstag Anwaltliche Verschwiegenheitstärken Anwaltsollauch bei Entbindung von Schweigepflicht stumm sein dürfen DAV-Präsident Ewer fordert umfassenden Schutz der Kommunikation mit Berufsgeheimnisträgern, eine Anpassung der Anwaltsgebühren und die Sicherung von prozessualen Verfahren Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer, Präsident des Deutschen Anwaltvereins Es ist eine gute Übung: Der Präsident des Deutschen Anwaltvereins spricht jedes Jahr die für die Anwaltschaft wichtigsten Themen in der Zentralveranstaltung des Deutschen Anwaltstags an. Besonders begrüßte Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer die Festrednerin Viviane Reding (ihre Rede ab Seite 481). Sie ist seit Februar diesen Jahres die erste Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft und Vizepräsidentin der EU-Kommission. Ebenso freute sich Ewer über das Kommen der neuen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Sie sprach auf dem 61. Deutschen Anwaltstag in Aachen (ihre Rede ab Seite 478), obwohl zur gleichen Zeit in Karlsruhe der neue Präsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Andreas Voßkuhle in das Amt eingeführt wurde. Das Anwaltsblatt dokumentiert die Rede des DAV-Präsidenten: Sehr geehrte Frau Reding, ich heiße Sie herzlich willkommen. Ihr Amt, das zu schaffen die Anwaltschaft seit Jahren gefordert hat, existiert erst seit wenigen Wochen Sie sind die erste Justizkommissarin der EU. Für Ihre Tätigkeit als Wächterin der europäischen Bürgerrechte wünschen wir Ihnen viel Erfolg. Weil wir auch in Europa eine echte Trennung von Innen- und Justizpolitik brauchen, fordern wir wohl mit Ihnen eine eigene Generaldirektion Justiz (Anmerkung der Redaktion: Die Forderung des DAV ist Anfang Juni erfüllt worden. Ab dem 1. Juli 2010 gibt es eine Generaldirektion Justiz, siehe dazu in diesem Heft den Bericht aus Brüssel auf Seite VI). Der Deutsche Anwaltstag steht unter dem Motto: Kommunikation im Kampf ums Recht. Dieses Motto verleitet zu Missverständnissen. Der Kampf ums Recht sei ein Begriff von Gestern, habe ich gehört. Richtig daran ist, dass der Kampf ums Recht Titel eines Vortrags von Rudolph von Ihering ist, den dieser im Jahre 1872 hielt. Aber: Was meint der Kritiker? Dass wir Anwältinnen und Anwälte nicht ums Recht kämpfen, sondern streitschlichtend bei der Herstellung von Konsens mitwirken sollen? Das ist zwar richtig, aber wir wissen doch auch, dass ein Konsens nicht immer gelingt. Dass ein vergleichsunwilliger Gegner mitunter dann zum Einlenken bewegt werden kann, wenn die andere Seite prozessual gerüstet ist. Und dass schließlich nicht selten scheinbare Problemlösungen bei denen ein eigentlich notwendiger Streit mit Konsenssauce zugedeckt wird nur von kurzer Dauer sind. Manch ein Konflikt muss eben ausgetragen werden, und mit wem gelingt das besser als uns Anwältinnen und Anwälten? Wir kennen die Spielregeln, nach denen der Kampf ums Recht ausgetragen wird. Ohne Kommunikation, die durch unsere Spielregeln sei es die ZPO, die StPO oder die (mir nähere) VwGO kanalisiert wird, kann der Kampf ums Recht nicht gelingen. Insofern ist das Anwaltstags-Motto brandaktuell, und das gilt nicht nur für das einzelne Mandat, sondern ganz besonders auch für die Arbeit des DAV im rechtspolitischen Bereich. Dazu noch ein Hinweis: Den Präsidenten der Bundesrechtsanwaltskammer, Herrn Kollegen Axel Filges, heiße ich willkommen. Wir freuen uns sehr, dass auch Sie heute nach Aachen gekommen sind, anstatt nach Karlsruhe zu reisen. Ich sehe dies zugleich als Ausdruck des Umstandes an, dass sich zwischen der Bundesrechtsanwaltskammer und dem DAV in der letzten Zeit verstärkt eine ausgesprochen gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit entwickelt hat. Dies fördert die Einheit der Anwaltschaft und erhöht ihr Gewicht im Einsatz für die elementaren Belange unseres Berufsstandes und für die Stärkung des Rechtsstaates sowie des Justizgewährungsanspruchs der Bürgerinnen und Bürger. Im Programmheft zum diesjährigen Anwaltstag ist an dieser Stelle nur von einer Begrüßung durch den Präsidenten des DAV die Rede. Ich will daher der Versuchung widerstehen, unter dem Deckmantel einer bloßen Begrüßungsansprache ein umfassendes berufspolitisches Plädoyer zu halten. Gleichwohl will ich stichwortartig einige Themen streifen, die für die Anwaltschaft zurzeit eine besondere Bedeutung haben. Erstens: 160 a StPO Der Deutsche Anwaltverein hat für die Aufhebung der normativen Trennung zwischen Strafverteidigern einerseits und allen übrigen Rechtsanwälten andererseits gekämpft. Wie es aussieht, erfolgreich. Der Regierungsentwurf zur Änderung des 160 a StPO, der aus Ihrem Hause stammt, verehrte Eine Gesellschaft braucht normativ abgesicherte Schutzräume wie das Anwalts- oder das Arztgeheimnis. Frau Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger, wird von uns begrüßt und sollte, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, zügig Gesetz werden. Der Gesetzentwurf trägt zurecht den Titel Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu Rechtsanwälten im Strafprozessrecht. Denn genau darum die Stärkung des Vertrauensverhältnisse zu Rechtsanwälten geht es und nicht um einen Streit über die angebliche Besser- oder Schlechterstellung von Strafverteidigern oder Anwälten generell. Den absoluten Abhörschutz beanspruchen wir nicht um seiner selbst willen, sondern weil rechtsuchende Bürgerinnen und Bürger Schutzräume benötigen, in denen sie mit ihren Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten offen sprechen können, ohne dass sie die Sorge haben müssen, dass Dritte mithören. Nur so lässt sich eine wirkliche Kommunikation zwischen Anwälten und Mandanten gewährleisten, die ihrerseits unverzichtbare Voraussetzung Grußwort, Ewer AnwBl 7 /

36 MN 61. Deutscher Anwaltstag dafür ist, dass Streitigkeiten auf dem Rechtsweg und nicht außerhalb der Rechtsordnung ausgetragen werden. Wer diese Funktion von Anwälten im Rechtsstaat sieht und versteht, muss auch unsere Forderung unterstützen, dass derselbe Schutz auf weitere Vertrauensberufe ausgedehnt wird. Gerade in einer Zeit, in der aufgrund moderner Kommunikationsmedien und aufgrund eines geänderten Bewusstseins über das, was wir Juristen das informationelle Selbstbestimmungsrecht nennen, mehr und mehr zu verschwimmen und letztlich zu verschwinden droht, braucht eine Gesellschaft normativ abgesicherte Schutzräume wie das Anwalts- oder das Arztgeheimnis. Das Argument, die Bürger könnten einen solchen Schutz nicht verlangen, weil sie selbst immer mehr Informationen über sich im Internet preisgeben, ist also grundfalsch! Denn vielen Bürgerinnen und Bürgern ist gar nicht bewusst, in welchem Umfang die Öffentlichkeit Einblicke in ihr Leben gewinnt. Ganz sicher ergibt sich hieraus kein Verzicht auf den rechtlichen Schutz institutionalisierten Vertrauens. Der Bürger muss sich vielmehr gerade sicher sein können, dass besondere Vertrauensbeziehungen zu einem Berufsgeheimnis verpflichteten Personen einem uneingeschränkten Abhörschutz unterliegen. Zweitens: Verschwiegenheitsrecht Für die Möglichkeiten einer vorbehaltlosen Kommunikation zwischen Mandant und Anwalt kommt der Stärkung des Schutzes der anwaltlichen Verschwiegenheit Bedeutung zu. Wir müssen der zunehmend zu beobachtenden Praxis ent- Das anwaltliche Berufsgeheimnis schützt ausschließlich den Mandanten. gegentreten, dass Gerichte, Finanzämter und Staatsanwaltsschaften Bürgerinnen und Bürger auffordern, die für sie tätig gewesenen anwaltlichen Berater von der anwaltlichen Verschwiegenheit zu entbinden, damit dieser als Zeuge aussagen kann und muss. Finanzämter und -gerichte verweisen im Bereich der Steuerverfahren zur Begründung auf die Mitwirkungspflicht des Steuerschuldners. Begleitet wird der Vorgang von der Inaussichtstellung, die zu erwartende Strafe werde niedriger ausfallen. In diesen Fällen kann eine Entbindung von der Verschwiegenheit und die so ermöglichte Zeugenaussage des Anwalts gegen die objektiven Interessen des Mandanten verstoßen. Zudem hat das anwaltliche Berufsgeheimnis nur einen ausschließlich auf den Mandanten ausgerichteten Schutzzweck. Sowohl das deutsche Verfassungsrecht als auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verlangen, dass hier auch objektive Belange des Gemeinwohls zu berücksichtigen sind. Daher müssen unsere Verfahrensordnungen ergänzt werden! Wir wollen Regelungen, die besagen, dass dann, wenn der Rechtsanwalt aufgrund seiner pflichtgemäßen Beurteilung zu dem Ergebnis kommt, dass die Verweigerung des Zeugnisses im objektiven Interesse seines Mandanten liegt und ggf. auch durch sonstige Belange der Rechtspflege geboten ist, keine Zeugnispflicht besteht. Hier ist nicht der Ort für Details. Ich möchte daher nur erwähnen, dass eine solche Aufwertung der anwaltlichen Verschwiegenheit nicht etwa eine überschießende DAV-Forderung ist, sondern dem entspricht, was in verschiedenen Ländern Europas im Wesentlichen schon heute gilt. Drittens: Anwaltsgebühren Das RVG, das vor wenigen Jahren die BRAGO abgelöst hat, ist mittlerweile sechs Jahre alt. Die Gebührensätze haben sich seit 1994 und damit seit über 15 Jahren nicht geändert. Der DAV hält an seiner Forderung nach einer Tabellenanpassung fest, die wie Sie wissen inzwischen auch von der Bundesrechtsanwaltskammer nachhaltig unterstützt wird. Wenn wir ein System gesetzlicher Gebühren haben, dann muss dieses geeignet sein, angewendet zu werden. Aufgrund des Bestehens eines Gebührensystems ist die Rechtspflege in Deutschland im Vergleich mit einer Reihe anderer europäischer Länder vergleichsweise kostengünstig und effizient. Zudem sind die Kosten eines Rechtsstreits für den Bürger berechenbar und damit transparent. Auch diese Transparenz ist ein wichtiger Beitrag zur Kommunikation zwischen Bürger und Anwalt. Diese den Zugang der Bürger zum Recht sichernden Umstände sollten wir nicht dadurch gefährden, dass sich das Gebührensystem mit jedem Jahr ohne Tabellenanpassung von der Wirklichkeit entfernt. Die Schere ist schon weit geöffnet. Es ist höchste Zeit. Viertens: 522 ZPO Der DAV hatte schon im Vorfeld die Einführung des veränderten 522 ZPO kritisiert. Die Wirklichkeit bestätigt die Kritik und zeigt überdeutlich, dass 522 ZPO nachgebessert werden muss: Eine Umfrage des Bundesjustizministeriums hat jüngst gezeigt, dass sich die Berufungsgerichte dieser Vorschrift völlig unterschiedlich bedienen: Während etwa in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern die Quote der Zurückweisungen im Jahr 2006 bei über 50 Prozent lag, betrug sie in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg lediglich etwas über 20 Prozent. Das ist zudem bei einer Vorschrift, die kein Ermessen statuiert, sondern bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Zurückweisung Zurückweisung der Berufung: 522 Abs. 2 ZPO können wir unseren Mandanten nicht erklären. durch Beschluss zwingend vorschreibt nicht nachvollziehbar; wir Anwälte können dies unseren Mandanten nicht erklären. Das ist für den Rechtsstaat und sein Ansehen im Allgemeinen sowie die Akzeptanz der Justiz und ihrer gerichtlichen Entscheidungen im besonderen schädlich. Ich weiß, dass Sie, Frau Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger, sich dieses Thema zueigen gemacht haben. Wir unterstützen Sie und den Gesetzgeber gerne mit Vorschlägen zur Änderung dieses 522 ZPO, damit im Zivilprozess für den rechtsuchenden Bürger wieder ein angemessenes Rechtsschutzniveau hergestellt wird. Fünftens: Gerichtsstand für Soldaten im Auslandseinsatz Ein aktuelles Thema: Die Bundesregierung hat ein Gesetzgebungsverfahren angestoßen, um einen einheitlichen Gerichtsstand für Strafverfahren gegen Soldaten im Auslandseinsatz zu schaffen. Wir kritisieren das. Denn: Es gibt aus unserer Sicht keinen Grund dafür, Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz anders zu behandeln als alle übrigen Bürgerinnen und Bürger. Der Gesetzentwurf behauptet, für solche Verfahren sei die Kenntnis militärischer Abläufe und 476 AnwBl 7 / 2010 Grußwort, Ewer

37 MN 61. Deutscher Anwaltstag Strukturen ebenso erforderlich wie die Kenntnis der rechtlichen und konkreten Rahmenbedingungen der Auslandsverwendung. Das ist richtig. Ich meine aber: Spezialkenntnisse in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht werden allen Gerichten in den unterschiedlichsten Verfahren zugemutet. Es ist eine Errungenschaft unseres Rechtsstaates, Soldaten als Staatsbürger in Uniform zu betrachten. Und der Staatsbürger in Uniform ist zunächst einmal Staatsbürger. Die Uniform kommt erst danach. Gegen Soldaten erhobene Vorwürfe sollten schon deshalb nach allgemeinen Grundsätzen untersucht werden, um den Gedanken an ein Sonderrecht gar nicht aufkommen zu lassen. Der DAV ist nach meiner Überzeugung aber mehr: Er ist auch Anwalt des Rechtsstaats. Mir scheint die Diskussion um diese Gesetzesinitiative besonders erwähnenswert, weil sie manifestiert, dass und wie wir uns auch in Fragen einmischen, die nicht unmittelbar Anwaltsthemen sind. Zwar ist der DAV Anwalt der Anwälte, jedenfalls in erster Linie. Der DAV ist nach meiner Überzeugung aber mehr: Er ist auch Anwalt des Rechtsstaats. Daher wird der DAV im Zweifel immer auf der Seite des Rechtsstaats und der Freiheit stehen. Sechstens: Ausblick Verehrte Anwesende, in der heutigen Begrüßung hätte ich gerne ausführlicher weitere Themen erwähnt: 9 Der Gesetzentwurf zur Stärkung des Rechtsschutzes bei überlangen Verfahren hätte eine Reaktion in dieser Zentralveranstaltung verdient. Das Grundkonzept wird von uns befürwortet, auch wenn wir in einzelnen Punkten Änderungsbedarf sehen. Im übrigen wird sich dort, wo die Justiz objektiv überlastet ist, das Problem überlanger Verfahrensdauer durch keinerlei prozessrechtliche Regelungen aus der Welt schaffen lassen, sondern letztlich nur durch eine ausreichende personelle Ausstattung der Gerichte. 9 Die Reform der Sicherungsverwahrung ist nach der in der letzten Woche ergangenen Entscheidung der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ein Gebot der Stunde. Gemäß ihrem Charakter als Sicherungsmittel soll sie stärker primär angeordnet und auf schwere Gewaltverbrechen beschränkt sowie zudem weitestmöglich durch andere Präventionsmaßnahmen ersetzt werden. 9 Des Weiteren ist zu erwähnen das Vorhaben der Koalition, eine Erscheinenspflicht bei der Polizei zu normieren. Wir halten dies aus rechtsstaatlichen Gründen für völlig verfehlt und lehnen es entschieden ab. Die Staatsanwaltschaft ist im Rechtsstaat Herrin des Ermittlungsverfahrens, nicht die Polizei. So muss es auch bleiben, weil nur so die Verfahrensrechte Betroffener effektiv gewährleistet werden können. 9 Die Anwesenheit der Frau Justizkommissarin und der Frau Bundesjustizministerin legen es nahe, das Thema Datenschutz anzusprechen. Sie, sehr geehrte Frau Reding, wollen den Datenschutz auf europäischer Ebene stärken, und Sie, sehr geehrte Frau Leutheusser-Schnarrenberger, haben das Thema Datenschutz auf die Agenda der Koalition gesetzt. Wir begrüßen das und werden die Diskussion im Herbst 2010 mit einem DAV-Forum Datenschutz begleiten. 9 Im Kontext zum Datenschutz ist festzustellen, dass es aus unserer Sicht nicht hinnehmbar ist, wenn bei Durchsuchungen und Haftprüfungsterminen zeitgleich mit der Staatsanwaltschaft auch schon Kamerateams der Medien anrücken. Bei der Öffentlichkeitsarbeit von Staatsanwaltschaften muss sichergestellt sein, dass der Schutz des Persönlichkeitsrechts und die Geltung der Unschuldsvermutung hinreichend beachtet werden. Auch das ist ein Gebot der Kommunikation im Rechtsstaat. 9 Schließlich setzt eine die Öffentlichkeitskontrolle ermöglichende Kommunikation Stichwort Cicero voraus, dass Journalisten, die Missstände im Bereich des Staates aufdecken, nicht der jederzeitigen Gefahr ausgesetzt werden, wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat verfolgt zu werden. Zwischen dem diesjährigen Deutschen Anwaltstag in Aachen und dem 2011 in Strasbourg stattfindenden Deutschen Anwaltstag werden wir uns weiter mit nationalen, aber unter dem Eindruck des Stockholm-Programms auch zunehmend mit europäischen Themen beschäftigen. Die Rechtsgemeinschaft Europa wird sicherlich ein Leitthema des Strasbourger Anwaltstages sein. Dieser Begriff wurde vom ersten Kommissionspräsidenten und einem der ersten Aachener Karlspreisträger Walter Hallstein geprägt. Ein wichtiger nicht nur: symbolischer Schritt hin zur europäischen Rechtsgemeinschaft ist die Schaffung des Amts eines EU-Justizkommissars. Dieser ist zugleich Ausdruck dessen, dass der Schutz der Grundrechte in der EU zügig voranschreitet. Daher sehe ich Ihrer Rede, sehr geehrte Frau Reding, mit allergrößtem Interesse entgegen. Aber zunächst freue ich mich, der Bundesjustizministerin das Wort zu erteilen. Prof.Dr.WolfgangEwer,Kiel Der Präsident des Deutschen Anwaltvereins sprach auf der Zentralveranstaltung des 61. Deutschen Anwaltstags am 14. Mai 2010 in Aachen. Sie erreichen den Autor unter der -Adresse autor@anwaltsblatt.de. Grußwort, Ewer AnwBl 7 /

38 MN 61. Deutscher Anwaltstag Überlange Verfahren: Eine Verzögerungsrüge mit Entschädigungsklage ist der bessere Weg. Leutheusser-Schnarrenberger fordert Stärkung der Bürger- und Freiheitsrechte Der Deutsche Anwaltverein ist ein ganz wichtiger Partner für das Bundesjustizministerium Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz Wer an der Spitze des Bundesjustizministeriums steht, spricht das ist eine gute Übung in der Zentralveranstaltung des Deutschen Anwaltstags. Für die neue Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger war die Rede in Aachen keine Premiere. Bereits in den 1990er Jahren hatte sie in ihrer ersten Amtszeit auf Anwaltstagen gesprochen. Gleichwohl war der Auftritt am 14. Mai 2010 auf dem 61. Deutschen Anwaltstag keine Selbstverständlichkeit: Gleichzeitig wurde nämlich in Karlsruhe der neue Präsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Andreas Voßkuhle in das Amt geführt. Doch die Ministerin blieb auch am zweiten Tag des Anwaltstags in Aachen. Wie sagte es der DAV- Präsident Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer: Wir wissen das sehr zu schätzen. Meine Damen und Herren, ich freue mich sehr, heute bei Ihnen zu sein, denn Deutschlands Anwältinnen und Anwälte stellen heute neben den Ärzten die größte Einzelgruppe im Kreis der Freien Berufe. Dieser Umstand hat sich im Einfluss der Anwaltschaft innerhalb der Verbände der Freien Berufe niedergeschlagen, lieber Herr Ewer. Dieser Umstand ist aber vor allem Ausdruck eines enormen Anwachsens der Zulassungszahlen; seit meiner ersten Ministerzeit Mitte der 90er Jahre hat sich die Zahl der zugelassenen Anwälte in Deutschland mehr als verdoppelt. Dies hat den Die EU ist zu einer Wertegemeinschaft geworden ist, in der Freiheit und Bürgerrechte an Stellenwert gewinnen. positiven Effekt, dass auch die Zahl der Anwältinnen in dieser Zeit von 20 auf 30 Prozent gestiegen ist; zugleich hat sich aber auch der Anwaltsberuf gewandelt: Wir erleben eine stärkere Durchmischung der Strukturen. Neben dem klassischen Einzelanwalt bestehen immer mehr Großkanzleien nach dem Vorbild der law firms. Mit dieser internationalen Angleichung der Strukturen geht auch eine immer stärkere Europäisierung des Rechts einher. Deshalb war es dringend notwendig und ist es eine richtige Entscheidung gewesen, dass die EU-Kommission erstmals eine eigene Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft hat. Ich freue mich sehr, liebe Frau Reding, dass Sie heute zu den deutschen Anwälten gekommen sind. Ihre Berufung zeigt: In der EU gewinnt der Schutz der Grundrechte immer mehr an Bedeutung. Und es gibt weitere positive Schritte: Mit dem Vertrag von Lissabon ist endlich die Grundrechte-Charta in Kraft getreten, und die EU wird auch der Europäischen Menschenrechtskonvention beitreten. All dies macht deutlich, dass die EU zu einer Wertegemeinschaft geworden ist, in der Freiheit und Bürgerrechte immer mehr an Stellenwert gewinnen. Ich bin mir sicher: In der deutschen Anwaltschaft werden Sie, liebe Frau Reding, stets einen starken Partner für Ihre Projekte finden, zum Beispiel, wenn es um die Stärkung der Beschuldigtenrechte im Strafverfahren durch einheitliche europäische Standards geht. Es ist gut, dass es dafür jetzt eine klare Roadmap gibt; das Recht, mit einem Rechtsanwalt in der eigenen Sprache zu sprechen, auf Dolmetschung im Verfahren und auf die Übersetzung der wichtigsten Dokumente sind ganz wichtige Bausteine für Fairness im Strafverfahren und deshalb müssen wir diese Projekte weiter mit großem Engagement in der EU vorantreiben. Diese Fragen der Dolmetschung und Übersetzung zeigen bereits, dass Rechtsstaatlichkeit, Bürgerrechte und Fairness eine Menge mit Kommunikation zu tun haben. Unser Kommunikationsverhalten hat sich in den letzten Jahren an vielen Stellen drastisch verändert: Die elektronische Kommunikation hat seither enorm an Bedeutung gewonnen gab es in Deutschland ganze Internetnutzer; heute sind es über 50 Millionen. Das hat auch der Anwaltschaft neue Möglichkeiten eröffnet von der Anwaltauskunft des DAV bis hin zur Online-Beratung. Trotzdem haben bewährte Medien ihre Bedeutung behalten. Die Presse, Zeitungen und Fernsehen spielen weiterhin eine wichtige Rolle für unsere freiheitliche Demokratie nicht zuletzt, wenn es um die öffentliche Kontrolle staatlicher Gewalt geht. Das reicht von den Gerichtsreportagen von Gisela Friedrichsen im Spiegel bis zu den kritischen Berichten über Arbeitsgerichtsurteile bei sogenannten Bagatellkündigungen. Drittens schließlich hat die Zunahme der elektronischen Kommunikation auch neue Gefahren für den freien Gedankenaustausch mit sich gebracht. Die Begehrlichkeit des Staates, die Kommunikation seiner Bürgerinnen und Bürger aus Gründen der inneren Sicherheit zu kontrollieren, sind ge- Online-Durchsuchung: Warum brauchen wir dieses Instrument überhaupt? wachsen. Dies hat aus meiner Sicht in der Vergangenheit zu manchen Fehlentwicklungen geführt, zum Beispiel in Gestalt der heimlichen Online-Durchsuchung privater Computer. Erst unlängst hat das Bundeskriminalamt eingeräumt, dass seit Inkrafttreten des BKA-Gesetzes Anfang 2009 noch keine einzige Online-Durchsuchung stattgefunden hat. Da stellt sich für mich dann doch die Frage: Warum brauchen wir dieses Instrument überhaupt? Angesichts dieser Befunde muss mit Blick auf veränderte technische Gegebenheiten die Kommunikation vor staatlicher Überwachung geschützt und ihre Freiheit bewahrt werden. Das gilt zum Beispiel im Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant. Jeder Rechtsuchende muss darauf vertrauen 478 AnwBl 7 / 2010 Grußwort, Leutheusser-Schnarrenberger

39 MN 61. Deutscher Anwaltstag können, dass das, was er seinem Anwalt unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut, auch wirklich vertraulich bleibt. Und die Stärkung des Schutzes vor heimlichen Ermittlungsmaßnahmen wie der Telekommunikationsüberwachung, umfasst natürlich auch die -Kommunikation zwischen Mandant und Anwalt. All dies ist kein Privileg eines Berufsstandes; dieser Schutz gehört zu einer rechtsstaatlichen Rechtspflege und deshalb darf es hier auch keine Aufspaltung der Anwaltschaft in zwei Klassen geben. Die Spaltung der Anwaltschaft in Strafverteidiger, die vor heimlichen Ermittlungen absolut geschützt sind, und allen anderen Anwälten, die nur einen relativen Schutz genießen, ist verfehlt. Sie ist lebensfremd, praxisuntauglich und untergräbt das Vertrauen in die Anwaltschaft insgesamt. Einer der 160 a StPO: Die Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant ist für den Staat grundsätzlich Tabu,... ersten Gesetzentwürfe, den die Bundesregierung auf meine Initiative hin jetzt beschlossen hat, betraf daher die Änderung der Strafprozessordnung. Jetzt kommt die Sache in den Bundestag und ich habe keinen Zweifel: Wir werden die Zwei-Klassen-Gesellschaft bei der Anwaltschaft beseitigen und dafür sorgen, dass jeder die Gewissheit hat: Die Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant ist für den Staat grundsätzlich Tabu; der Staat respektiert die Vertraulichkeit und das Berufsgeheimnis der Anwältinnen und Anwälte.... was die nationale Ausweitung dieser Regelungen auf andere Berufsgruppen betrifft, so prüfen wir auch das. Und weil dieser Aspekt so wichtig ist für ein faires und rechtsstaatliches Verfahren kann ich mir gut vorstellen, dass es hier auch eine Regelung auf europäischer Ebene gibt. Wenn die EU neue Maßnahmen zur gegenseitigen Anerkennung von justiziellen Entscheidungen oder zu Mindeststandards zur Beweisverwertung vorlegen sollte, dann sollte sie zugleich das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant schützen. Was die nationale Ausweitung dieser Regelungen auf andere Berufsgruppen betrifft, so prüfen wir auch das mir war aber wichtig, dass wir in einem ersten Schritt das Vertrauensverhältnis zwischen dem Mandanten und seinem Anwalt stärken und das auch nicht auf die lange Bank schieben. Meine Damen und Herren, in den letzten eineinhalb Jahrzehnten hat sich die Kommunikation nicht nur technisch verändert, sondern, wenn es um die Justiz geht, auch inhaltlich. Wir haben in den letzten Jahren erlebt, wie Beschuldigte vor laufenden Fernsehkameras vor ihrer Haustür verhaftet worden sind, wie Details aus ihrem Privatleben veröffentlicht wurden und Haftprüfungstermine quasi mit Kamerabegleitung stattfanden. Gleichzeitig gewinnt die Litigation-PR immer mehr an Bedeutung, man sieht es am Programm dieses Anwaltstages, und mitunter kann die Medienberichterstattung erheblichen Druck auf ein Gericht ausüben. Alle Akteure die Pressestellen der Justiz, die Anwälte und auch die Medien müssen bedenken: In keinem Fall darf die Gerechtigkeit Schaden nehmen. Sie alle müssen die Unschuldsvermutung beachten und auch die Unabhängigkeit der Gerichte. Urteile ergehen aufgrund von Recht und Gesetz, nicht nach Stimmung des Boulevards. Die Medien bauen aber oft einen enormen Erwartungsdruck gegenüber den Gerichten auf. Damit umzugehen ist bereits für Profis nicht leicht, noch schwieriger dürfte die Situation für Schöffen sein. Bei einer wissenschaftlichen Untersuchung wurden im vorletzten Jahr mehr als 700 Richter und Staatsanwälte befragt. Fast 90 Prozent von ihnen räumten ein, dass die Berichterstattung der Medien über ein bestimmtes Verfahren auch die Atmosphäre im Gerichtssaal beeinflusst und fast 30 Prozent sagten sogar: Ja, Medienberichte haben auch Einfluss auf die Höhe der Strafe. Beim Thema Medien und Justiz ist aber auch die Rechtspolitik betroffen. Es ist nicht immer einfach, eine rationale Politik gegen medial geschürte Stimmungen zu machen. Ein Thema zeigt das besonders: die Sicherungsverwahrung. Die Konsequenzen der jetzt rechtskräftigen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte müssen jetzt Die Sicherungsverwahrung ist auf schwere Straftaten zu beschränken. Staatsanwaltschaften und Gerichte sorgfältig im Einzelfall bewerten. Bereits im vergangenen Herbst hat sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag vorgenommen, dieses schwierige Thema an der Schnittstelle von Freiheitsrechten und rechtsstaatlichen Garantien einerseits und dem Sicherheitsbedürfnis und dem Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern andererseits anzugehen. Die Sicherungsverwahrung soll stärker primär und unter Vorbehalt angeordnet werden anstatt wie immer häufiger in der Vergangenheit nachträglich. Sie ist auf schwere Straftaten zu beschränken. Um sie vom Strafvollzug abzugrenzen, bedarf es Änderungen in der Unterbringung. Dies ist eine große Aufgabe für die Länder. Wir werden dieses sensible Thema sehr verantwortungsvoll behandeln. Ich hoffe sehr, dass dies auch die Medien tun werden. Gerade weil die Medien in der freiheitlichen Demokratie eine so überragend wichtige Rolle spielen, halte ich es auch für richtig, die Pressefreiheit weiter zu stärken auch und gerade gegenüber Staat und Justiz. Die Durchsuchung und Beschlagnahme bei Journalisten durch Polizei und Justiz, die Strafverfolgung wegen der Verletzung von Geheimnissen all dies haben wir in der jüngsten Zeit noch erlebt; der Fall Cicero hat das gezeigt. Solche Maßnahmen erschweren es den Medien, ihre Aufgaben zu erfüllen und Missstände aufzudecken. Der freiheitliche Rechtsstaat darf aber nicht einmal den Anschein erwecken, er würde mit den Mitteln des Strafrechts Journalisten von kritischer Recherche und Berichterstattung abhalten. Deshalb haben wir in der Koalition vereinbart, das Recht zu ändern und die Pressefreiheit zu stärken. Nach meinen Vorstellungen sollen Journalisten in Zukunft nicht mehr wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat verfolgt werden, wenn sie Dienstgeheimnisse, die ihnen zugespielt worden sind, veröffentlichen. Das ist konsequent, denn die Journalisten selbst tragen gar keine Pflicht, bestimmte Informationen geheim zu halten, die trifft nur die jeweiligen Amtspersonen, die die Geheimnisse weitergeben. Auch wenn es notwendig und legitim ist, dass Behörden be- Grußwort, Leutheusser-Schnarrenberger AnwBl 7 /

40 MN 61. Deutscher Anwaltstag stimmte Informationen vertraulich behandeln, ist es nicht in Ordnung, dass der Staat auf der Suche nach dem Leck in den eigenen Reihen den Journalisten verfolgt nur als Mittel zum Zweck, um auf diese Weise an dessen Informanten heranzukommen. So etwas soll es in Zukunft nicht mehr geben und deshalb wollen wir den 353 b StGB, der den Verrat von Dienstgeheimnissen bestraft, entsprechend ändern und klarstellen: Ein Journalist, der geheimes Material erhält, auswertet und veröffentlicht, handelt nicht rechtswidrig. Ein zweiter Schritt, den ich plane, ist der bessere Schutz vor Beschlagnahmen. Schon heute darf Material grundsätzlich nicht beschlagnahmt werden, das Journalisten von Informanten erhalten haben und über deren Herkunft sie jede Aussage verweigern dürfen. Unter engen Voraussetzungen und nach Abwägung mit der Pressefreiheit ist sie derzeit ausnahmsweise doch zulässig. Diese Ausnahme möchte ich deutlich weiter einschränken. In Zukunft soll nicht schon ein einfacher Tatverdacht gegen den Journalisten ausreichen, sondern ein dringender Tatverdacht nötig sein. Indem die Schwelle für solche Beschlagnahmen höher gelegt wird, werden die Gewichte zwischen dem Interesse des Staates an der Strafverfolgung einerseits und Pressefreiheit und Informantenschutz andererseits zu Gunsten der freien Presse verschoben. Das ist nach meinem Eindruck ein richtiger Schritt, um die Freiheit der Kommunikation weiterhin zu sichern. Meine Damen und Herren, im Kampf ums Recht wie das Jhering einst in seinem berühmten Vortrag etwas martialisch formuliert hat findet die Kommunikation natürlich in erster Linie mit Hilfe der Schriftsätze der Parteien und in den Sälen der Justiz statt. In den allermeisten Fällen führt dieser Meinungsstreit schon nach kurzer Zeit zum Recht. Die Zivilverfahren an den Amtsgerichten dauern im Schnitt 4 1 /4 Monate, beim Landgericht als erste Instanz sind es rund acht Monate. Ein zu langes Verfahren durch ein neues Verfahren beschleunigen zu wollen, das ist widersinnig. Trotzdem kommt es in Einzelfällen immer wieder vor, dass Verfahren in allen Gerichtsbarkeiten zu lange dauern und nicht in angemessener Zeit erledigt werden. Deutschland ist hier mehrfach vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt worden. Im Fall Sürmeli dauerte ein Zivilprozess 16 1 /2 Jahre, im Fall Grässer waren es fast 29 Jahre. Das ist nicht nur für die Anwälte ein Ärgernis, sondern das verletzt vor allem den Anspruch der Betroffenen auf effektiven Rechtsschutz. Der Einzelne muss deshalb die Möglichkeit haben, sich gegen überlange Verfahren wirksam zu wehren. Aus diesem Grund habe ich jetzt einen Gesetzentwurf vorgelegt, der für solche Fälle eine Entschädigung vorsieht. Zunächst soll der Betroffene bei dem Gericht, das sich aus seiner Sicht zu viel Zeit lässt, eine Verzögerungsrüge erheben. Damit soll den Richtern Gelegenheit gegeben werden, die Verfahrensgestaltung noch einmal auf hinreichende Beschleunigung hin zu überprüfen. Wenn dies nicht hilft, kann der Betroffene nach drei Monaten eine Entschädigungsklage beim zuständigen OLG einreichen. Wenn er mit seiner Klage durchdringt, bekommt er nicht nur seinen Schaden ersetzt, sondern auch Ersatz für immaterielle Schäden von etwa 100 Euro pro Monat Verzögerung. Der frühere Vorschlag einer Untätigkeitsbeschwerde, den es dazu einmal gegeben hat, war nicht optimal. Ein zu langes Verfahren durch ein neues Verfahren beschleunigen zu wollen, das ist widersinnig. Da ist eine Verzögerungsrüge mit Entschädigungsklage der bessere Weg. Die Länder wissen, dass wir angesichts der Urteile aus Straßburg nicht länger tatenlos bleiben können. Wir müssen handeln. Und der neue Vorschlag ist effektiv und respektiert zugleich die richterliche Unabhängigkeit, denn die Rüge landet genau bei demjenigen, der es in der Hand hat, das Verfahren zu beschleunigen. Gutes Recht ist in der Regel auch schnelles Recht. Ich bin sehr zuversichtlich, dass diese neue Regelung dazu beiträgt, überlange Gerichtsverfahren künftig zu verhindern, und das ist dann auch ein Gewinn für gutes Recht. Dem DAV danke ich für die sehr gute Zusammenarbeit in vielen Bereichen gerade auch in Sachen Datenschutz. So ist uns das Eckpunktepapier des DAV bei unseren Überlegungen für eine neue Stiftung Datenschutz eine ganz wichtige Hilfe. Zur Frage der Organisationsform einer solchen Stiftung und zu den Unterschieden zwischen einem herkömmlichen Produkttest und einer Untersuchung zum Datenschutz hat uns der DAV wichtige Hinweise gegeben uns erneut gezeigt: Der Deutsche Anwaltverein ist ein ganz wichtiger Partner für das Bundesjustizministerium. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Berlin/München Die Bundesjustizministerin und Abgeordnete des Deutschen Bundestags sprach auf der Zentralveranstaltung des 61. Deutschen Anwaltstags am 14. Mai 2010 in Aachen. 480 AnwBl 7 / 2010 Grußwort, Leutheusser-Schnarrenberger

41 MN 61. Deutscher Anwaltstag Recht und Kommunikation beides gehört für eine wirkungsvolle Arbeit der EU-Institutionen zusammen Die Bedeutung einer wirksamen Kommunikation des Europäischen Unionsrechts für die Herausbildung eines starken Europäischen Justizraums Viviane Reding, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, EU-Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft Das Motto des 61. Deutschen Anwaltstags lautete Kommunikation im Kampf ums Recht. Mit einer engagierten, fast schon kämpferischen Festrede warb die erste EU-Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft bei Anwältinnen und Anwälten für das Europäische Unionsrecht. Seit Februar 2010 im Amt machte Reding auch in der Zentralveranstaltung des Anwaltstags deutlich: Dank ihr ist mit dem Recht auch in Brüssel zu rechnen. Sie sprach sich dafür aus, den Bürgern für grenzüberschreitende Vertragsrechtsbeziehungen ein Europäisches Vertragsrecht als 28. Vertragsrechtsystem anzubieten. Es soll freiwillig anstelle einer der 27 nationalen Vertragsrechtssysteme gewählt werden können. I. Sie haben mich eingeladen, heute gemeinsam mit Ihnen über die Bedeutung einer wirksamen Kommunikation des Europäischen Unionsrechts für die Herausbildung eines starken Europäischen Justizraums nachzudenken. Ich habe diese Einladung sehr gerne angenommen! Es ist gerade erst einmal drei Monate her, dass Kommissionspräsident José Manuel Barroso in der Europäischen Kommission in Brüssel das Amt der EU-Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft geschaffen hat. Dies ist für sich bereits ein Stück Kommunikationsarbeit. Denn das neu geschaffene Amt macht deutlich, welche Bedeutung die Justiz in der künftigen Arbeit der Europäischen Kommission einnehmen soll. Es ist auch sicherlich kein Zufall, dass Präsident Barroso mir, als der historisch ersten EU-Justizkommissarin, zugleich die Verantwortung für die Kommunikation der EU-Politiken übertragen hat. Recht und Kommunikation beides gehört für eine wirkungsvolle Arbeit der EU-Institutionen heute praktisch untrennbar zusammen. Vor diesem Hintergrund haben Sie mit dem Thema dieses 61. Deutschen Anwaltstags den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf getroffen. Mich selbst als europäische Politikerin beschäftigt das Verhältnis zwischen Kommunikation und Recht seit vielen Jahren. Unser supranationales europäisches Recht ist gerade einmal 60 Jahre alt und doch nach wie vor von eindrucksvoller Wirkungskraft für die Europäische Union, ihre 27 Mitgliedstaaten und ihre 500 Millionen Bürger. Lassen Sie mich hier an Walter Hallstein, den ersten Präsidenten der EWG- Kommission, erinnern. Als Leiter der deutschen Delegation bei der Pariser Schuman-Plan-Konferenz im Jahr 1950 hatte Walter Hallstein großen persönlichen Anteil am Beginn einer neuen europäischen Epoche. Einer Epoche, die Friedenssicherung durch Vergemeinschaftung der Stahl- und Kohleindustrien und europäische Integration statt ungeteilter nationaler Souveränität bedeutete. Möglich war dies für Hallstein wegen der Schlüsselrolle des Rechts. Hallstein charakterisiert diese Schlüsselrolle des Rechts in seinem Buch Der unvollendete Bundesstaat wie folgt (ich zitiere): Das ist das entscheidend Neue, was sie gegenüber früheren Versuchen auszeichnet, Europa zu einigen. Nicht Gewalt, nicht Unterwerfung ist als Mittel eingesetzt, sondern eine geistige, eine kulturelle Kraft, das Recht. Die Majestät des Rechts soll schaffen, was Blut und Eisen in Jahrhunderten nicht vermochten. Denn nur die selbstgewollte Einheit hat Aussicht auf Bestand, und Rechtsgleichheit und -einheit sind untrennbar miteinander verbunden. 1 In diesen Tagen hat sich die Bedeutung des europäischen Rechts in besonderem Maße gezeigt. Als die Europäische Kommission am vergangenen Wochenende in Brüssel zusammentrat, um darüber zu beraten, wie wir der weltweiten Spekulation gegen den Euro begegnen können, da lagen die europäischen Verträge auf dem Sitzplatz jedes Kommissars. Wir alle wussten, dass nur Maßnahmen, die auf Grundlage der geltenden Verträge getroffen werden, dauerhaft Stabilität und Rechtssicherheit für unsere gemeinsame Währung schaffen können. Grundlage unserer Vorschläge war daher Artikel 122 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, der seit dem Vertrag von Maastricht für solche Notfälle vorgesehen ist. Ich persönlich begrüße es sehr, dass Deutschland in den letzten Tagen unsere Bemühungen in Brüssel so nachdrücklich unterstützt hat. Dies gilt sowohl für die Bundesregierung als auch für die Abgeordneten des Deutschen Bundestags. Ich habe mich in den letzten Tagen vielfach an die Europapolitik von Helmut Kohl erinnert gefühlt, der ganz Europa so viel zu verdanken hat. Der deutsche Beitrag war ganz entscheidend dafür, dass es uns in den vergangenen Tagen gelungen ist, einen stabilen, glaubwürdigen Schutzschirm für den Euro zu schaffen, der getragen wird von der innereuropäischen Solidarität und von der Stärke des Europäischen Unionsrechts. Walter Hallstein hätte am vergangenen Wochenende sicherlich mit Zufriedenheit die europäische Rechtsgemeinschaft am Werk gesehen. Walter Hallstein ist übrigens, wie Sie sicherlich wissen, für seine Verdienste um die europäische Einigung hier in Aachen im Mai 1961 mit dem Karlspreis ausgezeichnet worden. Rechtsgemeinschaft im Hallsteinschein Sinne ist die Europäische Union insgesamt erst seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember des vergangenen Jahres. Denn erst seither gilt der Primat des supranationalen Rechts in allen Bereichen der Unionspolitik, und zwar auch im Bereich der Justiz- und Innenpolitik, die vor Lissabon noch in der so genannten dritten Säule von der richterlichen Kontrolle durch den Europäischen Gerichtshof und die nationalen Gerichte ebenso abgeschirmt war wie von der demokratischen Kontrolle durch das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente. Auch die unabhängige Europäische Kommission die für Walter Hallstein der Motor und Kern der 1 Hallstein, Der unvollendete Bundesstaat, 1969, S. 33 f. Recht und Kommunikation, Reding AnwBl 7 /

42 MN 61. Deutscher Anwaltstag Europäische Rechtsgemeinschaft sein sollte spielte im Bereich der Justiz- und Innenpolitik vor Lissabon nur eine marginale Rolle. Europäische Justiz- und Innenpolitik das bedeutete in der Vergangenheit vielfach nur intergouvernementales Verhandeln durch Minister, meist hinter verschlossenen Türen. Es ist eine gute Nachricht, dass der Vertrag von Lissabon diesen für einen bürgernahen Europäischen Justizraum anachronistischen Zustand nun endlich beendet hat. Das Europäische Unionsrecht ist dabei nach wie vor eine ganz besondere Rechtsordnung. Die Europäische Union schafft praktisch täglich direkt anwendbares Recht, das unmittelbar in die nationalen Rechtsordnungen hinein wirkt und vor Ort vollstreckbar ist. Anders als in den USA ist dabei Rechtsgemeinschaft ist die EU insgesamt erst seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am das Rechtssystem der Europäischen Union vollständig dezentral aufgebaut. Es gibt also keine spezialisierten Unionsgerichte, die die Anwendung des Unionsrechts im gesamten Unionsgebiet lokal sicherstellen, wie dies in den USA die Aufgabe der Bundesgerichte ist, die z. B. in San Francisco Bundesrecht für die Bürger Kaliforniens anwenden, während parallel kalifornische Gerichte kalifornisches Recht sprechen. Das Recht der Europäischen Union ist vielmehr jeweils direkt von den nationalen oder lokalen Gerichten anzuwenden. Es ist integraler Teil der nationalen Rechtsordnungen geworden, also z. B. hier in Deutschland ebenso Recht wie das deutsche BGB, die deutsche Strafprozessordnung oder das deutsche Grundgesetz. Dabei hat das Unionsrecht Vorrang vor nationalem Recht, setzt sich also erforderlichenfalls gegenüber widersprechenden nationalen Normen durch oder erfordert deren Auslegung im Einklang mit dem Europäischen Unionsrecht. Das bedeutet eine enorme Herausforderung für die Praktiker vor Ort. Richter und Rechtsanwälte sind verpflichtet, zusätzlich zu ihrem nationalen Recht das europäische Recht zu kennen, zu verstehen und anzuwenden. Vor Gericht gilt Für den Anwalt können fehlende Kenntnisse im Unionsrecht sogar haftungsrechtliche Konsequenzen haben. der Grundsatz iura novit curia der Richter hat das Recht zu kennen ohne jede Einschränkung auch für das Europäische Unionsrecht. Für den Anwalt können fehlende Kenntnisse im Unionsrecht sogar haftungsrechtliche Konsequenzen haben. Ich bin mir bewusst, dass diese Verpflichtung für den einzelnen Richter und für den Rechtsanwalt einen ganz erheblichen Aufwand bedeutet. Das Europäische Unionsrecht gibt insofern glücklicherweise etwas Hilfestellung. So können einzelne Fragen zur Auslegung und Anwendung des Europäischen Rechts vom nationalen Richter dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg zur Entscheidung vorgelegt werden. Letztinstanzliche Gerichte sind hierzu sogar kraft EU-Vertrags verpflichtet. Doch entbindet auch diese, nicht selten zeitaufwändige prozessuale Möglichkeit den Praktiker nicht davon, das einschlägige Europäische Recht zunächst einmal selbst zu kennen und in seiner Bedeutung für den konkreten Fall zu verstehen. Hier setzten meine Überlegungen zur Bedeutung einer wirksamen Kommunikation des Europäischen Unionsrechts an: Kommunikation bedeutet nach seinem Wortsinn teilen, mitteilen, teilnehmen lassen, gemeinsam machen, vereinigen, und dies letztlich mit dem Ziel der Problemlösung. Und genau darum geht es doch: Wir müssen uns ein fundiertes Wissen über das Recht der Europäischen Union gemein machen, erworbenes Wissen teilen, kurz: Wir müssen unser Wissen wirksam kommunizieren, um einen starken europäischen Rechtsraum aufzubauen, in dem Bürger und Unternehmen nicht nur gute Rechte auf dem Papier haben, sondern um diese auch wissen und verstehen, sie in der Praxis durchzusetzen. Fehlt es an der Kenntnis des Europäischen Rechts, beispielsweise auf Seiten des Richters oder des Rechtsanwalts, dann kann das Recht seine integrative Wirkung für die Europäische Union nicht entfalten. Das Gegenteil dürfte dann der Fall sein, mit Folgen, die dem betroffenen Bürger kaum zu vermitteln sind. Ich erlaube mir, Ihnen hierzu ein Beispiel zu nennen, das ich dem Ort der heutigen Veranstaltung geschuldet aus der deutschen Rechtsprechung gewählt habe, auch wenn es in jedem anderen Mitgliedstaat natürlich vergleichbare Fälle gibt. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte im Oktober vergangenen Jahres zu entscheiden 2, unter welchen Voraussetzungen ein EU-Ausländer gegenüber der deutschen Verwaltung die Rücknahme einer Ausweisungsentscheidung verlangen kann, wenn diese seinerzeit zwar ohne Erfolg gerichtlich angefochten worden war, sich nachträglich aber unter Berücksichtigung des Europäischen Unionsrechts als rechtswidrig erwiesen hat. In der maßgeblichen Entscheidung ging es um einen italienischen Staatsangehörigen. Dieser war in Deutschland geboren und aufgewachsen und hatte zwei Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit. Nachdem er wegen eines Betäubungsmitteldelikts zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden war, wurde der Italiener ausgewiesen. Er klagte gegen diese Ausweisung, welche im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stand. Seine Klage wurde jedoch von den deutschen Gerichten rechtskräftig abgewiesen. Erst später (im Jahr 2004) änderte das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung und passte diese an die ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs an, wonach die Ausweisung in einem solchen Fall einen Verstoß gegen Europäisches Unionsrecht darstellt. Unter Berufung auf diese neue, jetzt Unionsrechts-konforme Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantragte nun der Italiener die Rücknahme der gegen ihn verfügten Ausweisung, die unter Zugrundelegung des Europäischen Unionsrechts klar rechtswidrig war. Doch sowohl die Ausländerbehörde als auch in letzter Instanz das Bundesverwaltungsgericht lehnten den Rücknahmeantrag ab. Das Bundesverwaltungsgericht argumentierte dabei, dass auch im Fall eines Verstoßes gegen Europäisches Unionsrecht ein rechtskräftiges Gerichtsurteil nachträglich nicht mehr korrigiert werden dürfe. Dies ergebe sich aus 121 der deutschen Verwaltungsgerichtsordnung. Auf gut Deutsch: Die negativen Folgen der Nichtberücksichtigung des Europäischen Unionsrechts durch die deut- 2 BVerwG 1 C Urteil vom 22. Oktober AnwBl 7 / 2010 Recht und Kommunikation, Reding

43 MN 61. Deutscher Anwaltstag schen Behörden und Gerichte sind im Ergebnis für den betroffenen Bürger nicht mehr zu überwinden. Man kann rechtlich vielleicht gerade noch nachvollziehen, warum die Richter in Leipzig in dieser Frage so entschieden haben. Das Ergebnis ist allerdings höchst problematisch. Man sieht an diesem Fall, wie sehr die Rechte des Bürgers in der nationalen Praxis Schaden nehmen können, wenn das Europäische Unionsrecht dem Rechtsanwender nicht hinreichend bekannt ist. Die praktische Wirksamkeit des Europäischen Unionsrechts ist also dringend auf seine wirksame Kommunikation in die Mitgliedstaaten angewiesen, in nationale, regionale und kommunale Behörden und bis in jedes Amtsgericht hinein. II. Sehr geehrte Damen und Herren, erlauben Sie mir, Ihnen darzulegen, was aus meiner Sicht getan werden muss, um eine wirksamere Kommunikation von europäischem Recht zu erreichen. Ganz entscheidend sind insofern die aktuellen Bemühungen, die Aus- und Weiterbildung der Rechtspraktiker im Europäischen Unionsrecht zu verstärken. Das Ende vergangenen Jahres von den Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Mitgliedstaaten verabschiedete Stockholmer Programm hat die Europäische Kommission insofern aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um das Niveau europäischer Aspekte der juristischen Aus- und Weiterbildung merklich zu erhöhen. Das Stockholmer Programm macht der Europäischen Kommission dabei sehr ehrgeizige Vorgaben. So sollen wir in den kommenden Jahren Aus- und Fortbildungsmaßnahmen realisieren, die die Hälfte der europäischen Richter und Die Europäisierung der Aus- und Fortbildung in den Rechtsberufen wir nur ein Erfolg, wenn alle mitmachen. Staatsanwälte einbezieht und die Hälfte der sonstigen juristischen Berufe erfasst, die im Bereich europäischer justizieller Zusammenarbeit tätig sind. Es handelt sich demnach um mehr als Richter, Staatsanwälte und sonstige Berufsträger, die in den kommenden fünf Jahren an einer europäischen Aus- oder Weiterbildung teilzunehmen haben. Ganz klar eine Mammutaufgabe! In den letzten fünf Jahren haben gerade einmal Richter und Staatsanwälte an Austauschprogrammen im Europäischen Justiznetzwerk teilgenommen. Als frühere EU-Kommissarin für Bildung bin ich manchmal etwas überrascht darüber, wie sehr in den Mitgliedstaaten in dieser Frage auf die europäische Ebene gesetzt wird. Als ehemaliger Gast auf Tagungen der Kultusministerkonferenz hier in Deutschland weiß ich sehr gut, wie sehr gerade in Bildungsfragen auf die Subsidiarität von EU-Maßnahmen zu achten ist. Natürlich kann Brüssel hier einen wichtigen Beitrag leisten. Erfolgreich wird das Ziel einer Europäisierung der Aus- und Fortbildung in den Rechtsberufen allerdings nur dann sein, wenn sich hier auch und vor allem die Mitgliedstaaten und in Deutschland die Länder, aber auch die Standesorganisationen sehr aktiv einbringen. Letztlich muss dabei auch die Frage geklärt werden, inwieweit neue und zusätzliche Aktivitäten auf nationaler Ebene finanziert werden können; und ob wir vielleicht die Idee des Europäischen Parlaments aufgreifen sollten, eines Tages eine Europäische Richterakademie zu schaffen, welche gezielt der Welterbildung von Richtern im Europäischen Unionsrecht dienen könnte. Inhaltlich sollte aus meiner Sicht bei all diesen Bemühungen ob sie nun auf europäischer, nationaler oder regionaler Ebene stattfinden folgendes Priorität sein: 9 eine Verbesserung der Kenntnis der europäischen Rechtsinstrumente bei Richtern und Anwälten; 9 eine Stärkung der fremdsprachlichen Fähigkeiten von Rechtspraktikern; 9 eine Herausbildung von Verständnis für die Rechtsordnung mindestens eines anderen EU-Mitgliedstaates; 9 im Zivilrechtsbereich, eine Vermittlung des Verständnisses der Grundprinzipien des Europäischen Vertragsrechts, wie sie allen EU-Mitgliedstaaten gemein sind; 9 im Strafrechtsbereich, eine bessere Kenntnis der Rechte der Verfahrensrechte und der Rechte von Opfern, wie sie von der Europäischen Menschenrechtskonvention vorausgesetzt werden und zunehmend auch Eingang in einklagbare Normen des Europäischen Unionsrechts finden. Wenn wir hier und heute über die Bedeutung einer wirksamen Kommunikation des Europäischen Unionsrechts sprechen, dann muss natürlich auch die Rolle des Internets Erwähnung finden. Die Europäische Kommission investiert gezielt in die nutzerfreundliche Verfügbarmachung von Rechtstexten und Rechtsmaterialien über das World Wide Web, um europäisches Recht besser und schneller an Bürger, Unternehmen und Rechtspraktiker zu vermitteln. Nehmen wir zum Beispiel die EUR-Lex-Plattform 3. Sie bietet heute jedermann kostenlosen Zugang zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union und anderen als öffentlichen EU-Dokumenten. Die Website steht in allen 23 Amtssprachen der europäischen Union zur Verfügung und enthält circa 2,8 Millionen Dokumente. Die ältesten davon stammen bereits aus dem Jahr 1951, die aktuellsten sind die Rechtstexte zu den Solidaritätsmaßnahmen im Euroraum vom Anfang dieser Woche. Die EUR-Lex-Datenbank wird täglich aktualisiert und jährlich um etwa Dokumente ergänzt. Ein weiteres Beispiel ist das Projekt N-Lex 4, das sich auf die Vermittlung der nationalen Rechtsordnungen konzentriert. Es befindet sich derzeit zwar noch im Stadium des Experimentellen. Mit seiner Hilfe kann man aber schon auf die offiziellen Rechtsdatenbanken von 24 Mitgliedstaaten der Europäischen Union zugreifen. Und schließlich möchte ich noch das Europäische Justizielle Netz in Zivil- und Handelssachen (EJN) 5 erwähnen. Es wurde 2001 gegründet und ermöglicht einen ganz unbürokratischen, zumeist informellen Informationsaustausch zwischen den im Bereich der rechtlichen Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen tätigen nationalen Behörden. Über seine gerade erst aufgefrischte Webseite stellt das Netzwerk zudem eine immense Zahl Informationen bereit, die gerade für Sie als Anwälte im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr wertvoll sein können. Dazu gehören Informationen zur Entschädigung von Opfern von Straftaten, zur elterlichen Ver- 3 Link: 4 Link: 5 Link: Recht und Kommunikation, Reding AnwBl 7 /

44 MN 61. Deutscher Anwaltstag antwortung oder zu Unterhaltsansprüchen. Sie finden auf dieser Website außerdem Ratschläge zum Einreichen einer Klage vor einem ausländischen Gericht, zu prozessuale Fristen oder zur Zustellung von Schriftstücken. Mit diesen ohne Zweifel sinnvollen Angeboten stoßen wir jedoch mittlerweile auch an die Grenzen des Internets. Wir stellen all diese Information zwar qualitativ hochwertig, nutzerfreundlich aufbereitet und sogar kostenlos bereit. Allerdings müssen die Adressaten auch in der Lage sein, diese Informationen zu finden und sich dort abzuholen. Wenn ich eine große Suchmaschine im Internet nach den in unserem Kontext vielleicht sinnvollen Begriffen +europäisch +recht +rechtstext befrage, bekomme ich heute etwas mehr als Treffer. Es ist einfach ausgeschlossen, mit vertretbarem Aufwand hier auf Anhieb die richtigen Informationen zu finden, abzuholen und dann auch noch zu verstehen. Auf dieses Problem zielt das Europäische e-justiz-portal, das Deutschland 2007 angeregt hat, als es die EU-Ratspräsidentschaft innehatte. Die Absicht dieses Portals ist es, die große Zahl auf europäischer Ebene oder in den Mitgliedstaaten bereits vorhandener Informationen, Erläuterungen oder Werkzeuge besser und gezielter an Bürger, Unternehmen oder Praktiker zu vermitteln. Das e-justiz-portal soll nach und nach eine alleinige Anlaufstelle (ein one-stop shop ) für europäische Rechtsinformationen und -dienstleistungen werden. Die erste Version, an der wir derzeit arbeiten, zielt vor allem auf praktische Information für Bürger, die in unter chiedlichste grenzüberschreitende Verfahren involviert sind. Nach Berechnungen von Eurostat sind dies derzeit mindestens 9 Millionen Menschen. In den vergangenen Monaten haben wir an diesem e-justiz-portal gemeinsam mit den Mitgliedstaaten immense Arbeit geleistet. So wird das Portal in seiner ersten Version die ich im Juli in Laeken bei Brüssel der Öffentlichkeit vorstellen möchte bereits mehr als Seiten Inhalt und Verweise in 22 Sprachen enthalten. Wenn ich beispielsweise als spanischer Bürger während meines Urlaubs in Deutschland Beteiligter eines Unfalls werde, finde ich über das Portal nicht nur blitzschnell Zugang zur offiziellen Publikationsseite des gültigen deutschen Rechts. Ich kann mich genauso rasch in Spanisch über die Grundzüge des deutschen Rechtssystems informieren, erhalte Informationen über die Verfahrenskosten und kann mir schließlich einen geeigneten deutschen Rechtsanwalt suchen. Ich würde mich freuen, wenn Sie, die Anwaltschaft, das ab Juli aktive e-justiz-portal aktiv nutzen würden und der Europäischen Kommission und den nationalen Stellen, die zu diesem Portal tatkräftig beitragen, mit Rat und Tat bei seiner Weiterentwicklung zur Seite stehen würden. III. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Nach dem neuen Artikel 67 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union bildet die Union einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Mit dem Vertrag von Lissabon rückt dabei neben der Verbesserung der Kenntnis des europäischen Rechts die gegenseitige Anerkennung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen der 27 Mitgliedstaaten verstärkt in den Fokus der Europäischen Justizpolitik. Es ist meine feste Überzeugung, dass der Europäische Justizraum nur auf der Grundlage von gegenseitigem Vertrauen, Verständnis und Akzeptanz des jeweils anderen rechtlichen Systems aufgebaut werden kann. Nur dann, wenn ein deutscher oder britischer Praktiker davon überzeugt ist, dass das französische, spanische oder bulgarische Rechtssystem genauso gut ist wie das deutsche oder britische, wird es zu einem reibungslosen grenzüberschreitenden Zusammenspiel in Justizfragen kommen. Nun brauche ich Ihnen als deutschen Juristen nicht zu erläutern, dass dies eine große Herausforderung ist. Denn natürlich ist aus Ihrer Sicht das deutsche Rechtssystem in den meisten Fragen das Beste aller Rechtssysteme. Wenn ich in den nächsten Wochen vor englischen, polnischen, französischen oder portugiesischen Juristen stehe, ist natürlich deren Überzeugung in dieser Frage nicht weniger stark als die Ihre. Ich möchte in diesem Zusammenhang einige Gedanken aufgreifen, die sich vor einiger Zeit Roman Herzog zu diesem Thema gemacht hat. Wie Sie wissen, war Roman Herzog nicht nur Präsident des deutschen Bundesverfassungsgerichts und später deutscher Bundespräsident. Er saß auch 1999 und 2000 dem Europäischen Grundrechtekonvent vor. Dieser Konvent hatte die historische Aufgabe, aus den unterschiedlichen Verfassungsordnungen der EU-Mitgliedstaaten, aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof und aus der Jurisprudenz des Europäischen Menschen erichtshofs eine Charta der Grundrechte zu erarbeiten, die für die Europäische Union Geltung haben könnte. Roman Herzog hat seine Arbeit als Präsident des Grundrechtekonvents später einmal wie folgt beschrieben (ich zitiere): Meine Situation als Präsident des Konvents war immer eine sehr merkwürdige. Ich saß an der Spitze, und es wurde über Dinge gestritten, ob sie gefährlich oder nicht gefährlich sind, ob man so etwas übernehmen könne usw. Und als Deutscher wusste man, wir haben das alles, und es ist überhaupt nichts Schlimmes passiert. Aber man konnte es auch nicht immer sagen, weil es auch in der Europäischen Union noch Nationen gibt, die nicht unbedingt am deutschen Wesen genesen wollen. 6 Mir gefällt dieses launige Resümee. Es beschreibt sehr treffend, was uns in der rechtlichen Zusammenarbeit in Europa oft noch Schwierigkeiten bereitet. Zwar haben wir in den 27 EU-Mitgliedstaaten in vielen Situationen ganz ähnliche Vorstellungen von Werten oder von Recht. Wir teilen schließlich ein gemeinsames historisches Erbe, die gemeinsame Erfahrung mit dem Römischen Recht und eine gemeinsame, durch Christentum, Humanismus und Aufklärung geprägte Werteordnung. Dennoch fällt es Juristen in der Praxis nach wie vor schwer, aus der jeweils anderen Rechtsordnung diese Gemeinsamkeiten auch herauszulesen, technisch unterschiedliche rechtliche Lösungen als gleichwertig anzuerkennen oder auch einmal eine andere Weichenstellung im Rechtssystem als sinnvolle Alternative zu sehen. Ich sehe diese Schwierigkeit, wenn ich in diesen Tagen mit Richtern und Anwälten über die Abschaffung der exequatur innerhalb der Europäischen Union diskutiere. Wie Sie wissen, ist die exequatur ein Verfahren, in dem nachgeprüft wird, ob ein rechtskräftiges ausländisches Urteil im Inland als Titel anerkannt wird. Es wird also im Inland nochmals überprüft, ob ein ausländisches Gericht auch wirklich richtig entschieden hat. Das exequatur-verfahren ist nicht nur aus Kostengründen ein regelmäßiges Ärgernis für Bürger und Unternehmen, die grenzüberschreitend tätig sind. Es ist in- 6 Roman Herzog, Die Grundrechtscharta der Europäischen Union als Nukleus einer europäischen Verfassung?, 16. Sinclair-Haus-Gespräch, 11./12. Mai AnwBl 7 / 2010 Recht und Kommunikation, Reding

45 MN 61. Deutscher Anwaltstag nerhalb der Europäischen Union und innerhalb unseres Europäischen Binnenmarkts sogar ein regelrechter Fremdkörper. Seit mehr als 50 Jahren gilt im Europäischen Binnenmarkt der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung. Ohne weiteres anerkennen wir heute die Entscheidung einer spanischen Lebensmittelbehörde, welche die gesundheitliche Unbedenklichkeit eines Joghurts feststellt, oder einer französischen Arzneimittelbehörde, wenn dieses ein in Frankreich hergestelltes Medikament für europaweit verkehrsfähig erklärt. Bei Verwaltungsentscheidungen akzeptieren wir heute also ohne weiteres die Gleichwertigkeit der Entscheidung einer Behörde eines anderen EU-Mitgliedstaats. Wir verweigern aber Urteilen, die von Richtern in einem anderen EU-Mitgliedstaat gefällt wurden, eine entsprechende Behandlung. Müssten Juristen nicht eigentlich auf Das exequatur-verfahren ist ein regelmäßiges Ärgernis für Bürger und Unternehmen in Europa. dem Standpunkt stehen, dass eine ausländische richterliche Entscheidung eine höhere Richtigkeitsgewähr mit sich bringt als eine ausländische Behördenentscheidung? Müssten Juristen also nicht a fortiori ein Gerichtsurteil aus einem anderen EU-Mitgliedstaat selbstverständlich als Titel anerkennen? Ich stelle jedenfalls aus Sicht der Praxis fest, dass das exequatur-verfahren heute in 95 Prozent aller Fälle zu einer Bestätigung des Gerichtsurteils führt. Sicherlich müssen wir darüber nachdenken, wie wir künftig in den 5 Proeznt der Fälle verfahren, wo es berechtigte Zweifel geben könnte. Ich bin aber überzeugt, dass wir hierfür nicht ein Verfahren brauchen, das den Titelberechtigten allein an Gerichtskosten mehr als Euro kostet. Hier ist nun wirklich von uns allen Bürokratieabbau gefordert. Im Bereich des materiellen Zivilrechts können wir vielleicht sogar noch einen Stück weiter gehen. Natürlich bin ich mir dessen bewusst, dass dies jetzt nicht die Zeit für große Rechtsvereinheitlichungsprojekte ist. Ein Europäisches Zivilgesetzbuch wird sicherlich noch einige Jahrzehnte auf sich warten lassen, auch wenn ich mir sicher bin, dass es eines Tages dazu kommen wird. Fortschritte können wir aber beim Europäischen Vertragsrecht machen. Jeden Tag werden in unserem Europäischen Binnenmarkt zwischen Unternehmen sowie zwischen Unternehmen und Verbrauchern Millionen von Verträgen geschlossen, die einen grenzüberschreitenden Charakter haben. Schon der Kauf eines englischen Fachbuchs über Amazon kann Sie in den Kontakt mit dem Vertrags- und Verbraucherrechts eines anderen EU- Mitgliedstaats bringen. Wissen Sie dabei eigentlich immer, nach welcher Rechtsordnung Sie dabei Ihren Kaufvertrag abschließen? Wissen Sie, welche Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelten? Und welche Rechte Sie als Verbraucher haben? In aller Regel herrscht hierbei eine beträchtliche Rechtsunsicherheit sowohl bei Verbrauchern als auch bei Unternehmen. Denn solche grenzüberschreitenden Verträge finden in einer bunten Gemengelage zwischen inländischem und ausländischem Vertragsrecht, EU-Verbraucherschutzrichtlinien und den europäischen und nationalen Regeln des Internationalen Privatrechts statt. Es gibt zwei denkbare Möglichkeiten, wie für solch grenzüberschreitende Verträge einfachere und klarere Regeln geschaffen werden könnten. Als erste Möglichkeit könnte die Europäische Union das Verbrauchervertragsrecht vollständig harmonisieren. In diesem Fall würden nicht mehr 27 Rechtsordnungen potenziell für einen solchen Vertrag zur Anwendung kommen, sondern nur noch die einheitliche europäische Rechtsordnung. Das Europäische Parlament und der EU-Ministerrat debattieren derzeit darüber, ob dieser Harmonisierungs-Ansatz jedenfalls für einige Teilaspekte von Verbraucherverträgen sinnvoll ist. Festzustellen ist dabei allerdings, dass in vielen Punkten das Schutzniveau in den nationalen Rechtsordnungen noch zu unterschiedlich ist. Und dass es oft an der politischen Bereitschaft zu einer weit reichenden Rechtsangleichung auf der Grundlage eines hohen Verbraucherschutzniveaus fehlt. Dies bringt mich zur zweiten Möglichkeit, in Europa Rechtssicherheit für den grenzüberschreitenden Vertragsschluss zu schaffen. Die Europäische Union könnte den Vertragspartnern ein 28. Vertragsrechtssystem anbieten, die sie freiwillig anstelle einer der 27 nationalen Vertragsrechtssysteme wählen können. Dies wäre aus Sicht der nationalen Rechtsordnungen ohne Zweifel eine schonendere Alternative als die Vollharmonisierung. Denn sie ließe das nationale Vertragsrecht intakt. Diese Lösung entspräche auch dem Grundsatz der Vertragsfreiheit, der sowohl hier in Deutschland als auch in der EU-Grundrechtscharta den Status eines Grundrechts hat. Ich habe erhebliche Sympathie für diesen Ansatz eines 28. Systems, welches die grenzüberschreitenden Vertragsrechtsbeziehungen in Europa auf eine neue, verlässlichere Grundlage stellen könnte. Ich habe daher in diesen Tagen eine Expertengruppe eingesetzt, welche in den kommenden 12 Monaten erkunden soll, ob es möglich ist, aus den 27 nationalen Vertragsrechtssystemen gemeinsame Grundsätze und Regeln zu destillieren, aus welchen sich eines Tages ein optionales Europäisches Vertragsrecht entwickeln ließe. Nicht selten höre ich in diesen Tagen in Brüssel den Einwand, dass dieses Europäische Vertragsrecht doch weit- Europäische Vertragsrecht: Jetzt gibt es eine gute Idee, die aus Deutschland stammt. Wunderbar! gehend ein deutsches Projekt sei, da viele seiner Initiatoren in Wissenschaft und Praxis aus Deutschland kommen. Mir als Luxemburgerin kommt es allerdings nicht so sehr auf die Herkunft einer guten Idee an. Für mich entscheidend ist, dass es eine gute Idee ist. Viele gute Ideen für die Weiterentwicklung des europäischen Rechtsraums sind in den vergangenen Jahrzehnten aus anderen EU-Mitgliedstaaten gekommen. Jetzt gibt es eine gute Idee, die aus Deutschland stammt. Wunderbar! Also nehmen wir diese gute Idee und nutzen sie im Interesse unseres Europäischen Binnenmarkts, unserer europäischen Unternehmen und unserer europäischen Verbraucher. Und im Interesse eines starken Europäischen Justizraums. Ich hoffe sehr, dass es uns gelingt, in den kommenden Jahren mit einem qualitativ hochwertigen optionalen Euro- Recht und Kommunikation, Reding AnwBl 7 /

46 MN 61. Deutscher Anwaltstag päischen Vertragsrechtsinstrument einen wichtigen Schritt zu Rechtssicherheit und Rechtseinheit in Europa leisten zu können. Und so vielleicht sogar weltweit Maßstäbe zu setzen. IV. Ich habe bei Überlegungen Walter Hallsteins zur historischen Bedeutung der Europäischen Rechtsgemeinschaft begonnen. Ich hoffe, ich konnte sie heute ein wenig für die aktuellen Herausforderungen interessieren, vor denen diese Europäische Rechtsgemeinschaft heute steht. Dabei können neue Projekte der Europäischen Justizpolitik ob das e-justiz-portal oder das optionale Europäische Vertragsrecht eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, das Verständnis für das Europäische Unionsrecht zu verbessern und das Zusammenwachsen des Europäischen Justizraums zu erleichtern. Ich habe eingangs auf die zentrale Rolle hingewiesen, die Deutschland in den vergangenen Tagen bei den Solidarmaßnahmen zur Stabilisierung des Euro gespielt hat. Bei der Entwicklung des Europäischen Justizraums ist Deutschland nach meiner Beobachtung dabei, bereits im Frühstadium eine noch zentralere Rolle zu spielen. Ich möchte nur an die zahlreichen deutschen Professoren erinnern, die sich in den letzten Jahren aktiv an den Arbeiten zum Europäischen Vertragsrechts beteiligt haben. Nennen möchte ich auch den deutschen Vorsitzenden des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments, meinen Kollegen Klaus-Heiner Lehne, der die Entwicklung des soeben angesprochen 28. Rechtssystems in den vergangenen Jahren politisch mit Verve und Engagement vorangetrieben hat. Und ganz besonders freue ich mich darüber, dass ich mit der amtierenden deutschen Justizministerin, mit Dir, lieber Sabine, so eng und konstruktiv in der Europäischen Justizpolitik zusammenzuarbeiten kann, ob bei der Stärkung der Verfahrensrechte im Strafprozess oder bei der Schaffung von mehr Rechtssicherheit bei grenzüberschreitenden Scheidungen. Ich würde mich freuen, wenn die deutsche Anwaltschaft die Europäische Union auf diesem Weg begleiten würde. Dem Programmheft dieses Anwaltstags habe ich entnommen, dass Deutschland heute mehr als zugelassene Anwälte zählt. Ich würde es begrüßen, wenn Sie alle zu aktiven Botschaftern des Europäischen Unionsrechts würden. Nicht nur, weil Sie als Anwälte schon zur Vermeidung von Haftungsrisiken zur Kenntnis des Europäischen Unionsrechts verpflichtet sind. Sondern weil Sie auf diese Weise einen maßgeblichen Beitrag zur Stärkung des Grundsteins leisten können, auf welchem unsere Europäische Union seit Walter Hallstein beruht: dem gemeinsamen europäischen Recht Hielt ihre preisgekrönte Festrede (abgedruckt auf den beiden folgenden Seiten) völlig frei in der Zentralveranstaltung: Die Gewinnerin Rechtsanwältin Simone Hiesgen. Viviane Reding, Brüssel Viviane Reding, Brüssel Viviane Reding ist Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und EU-Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft. Ihre Rede hielt sie in der Zentralveranstaltung auf dem 61. Deutschen Anwaltstag 2010 am 14. Mai 2010 in Aachen. 2 Den Georg-Prasser-Preis für die besten Reden verlieh DAV-Vizepräsident Rechtsanwalt und Notar Ulrich Schellenberg (r.) an Simone Hiesgen, Rechtsanwalt Árpád Farkas (2. Platz, 2.v.l.) und Rechtsanwalt Kjell Vogelsang (3.Platz, 2.v.r.). 3 Der Präsident des Deutschen Juristentags Prof. Dr. Martin Henssler (r.) mit DAV-Vizepräsident Rechtsanwalt Prof. Dr. Hans-Jürgen Hellwig am Stand des Deutschen Juristentags auf dem 61. Deutschen Anwaltstag. 4 Prof. Dr. Christian Wolf von der Universität Hannover (l.) mit DAV-Vorstand Rechtsanwalt Anton A. Mertl. 5 Trafen sich in Aachen (v.l.n.r.): Rechtsanwalt Axel Thoenneßen (DAV-Vorstand), Rechtsanwältin Christel Hahne (Versorgungswerk der Rechtsanwälte Sachsen-Anhalt), Michael Jung (Arbeitsgemeinschaft der Berufsständischen Versorgungswerke) und Rechtsanwalt Dr. Joachim Tietz-Bertram (Versorgungswerk der Rechtsanwälte Sachsen). 486 AnwBl 7 / 2010 Recht und Kommunikation, Reding

47 MN 61. Deutscher Anwaltstag DAV-Rednerwettstreit Kommunikation im Kampf ums Recht Die 10 Verbote Rede der Preisträgerin Rechtsanwältin Simone Hiesgen, Hattingen Der anwaltliche Nachwuchs im Rampenlicht: Anwältinnen und Anwälten unter 40 Jahren bietet der Deutsche Anwaltverein seit dem Jahr 2000 ein besonderes Forum. Beim DAV- Rednerwettstreit wird die preisgekrönte Siegerrede in der Zentralveranstaltung des Deutschen Anwaltstags vorgetragen. Den elften Wettstreit gewann Rechtsanwältin Simone Hiesgen. Den Georg-Prasser-Preis erhielt sie vom Jury-Vorsitzenden Rechtsanwalt und Notar Ulrich Schellenberg (DAV-Vizepräsident). Den zweiten Platz belegte Rechtsanwalt Árpád Farkas und den dritten Platz Rechtsanwalt Kjell Vogelsang. Weitere Mitglieder der Jury waren Rechtsanwältin Dr. Lore Peschel-Gutzeit (Ex-Justizsenatorin in Hamburg und Berlin), Rechtsanwalt Prof. Dr. Bernd Hirtz, Rechtsanwalt und Notar Ulrich Scharf und Dr. Thilo von Trotha (Ehrenpräsident des Verbandes der Redenschreiber). Kampf ums Recht ausgerechnet dieser Kampf sollte ein fairer Kampf sein. Fairer Kampf braucht Regeln. Die Wahl der Waffen ist für uns Juristen von Rechts wegen ohnehin bereits eingeschränkt Kommunikation ist das Mittel der Wahl. Kommunikation wiederum funktioniert selbst nur, wenn die Beteiligten sich an Regeln halten. Bei meinem zugegeben etwas hochmütigen Versuch, Gesetzgeber zu spielen und Regeln für diesen Kampf aufzustellen, habe ich mich an dem Musterbeispiel der Gesetzgebungskunst orientiert, den Zehn Geboten. Da ich jedoch nicht Moses bin, sondern Simone Hiesgen, selbständige Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht in Hattingen an der Ruhr, habe ich schon aus einem Rest Demut heraus beschlossen, lieber mit Ver- als mit Geboten zu arbeiten. Es ist immer einfacher, zu sagen was nicht funktioniert, als zu erklären, wie man es richtig macht. Außerdem lieben wir Juristen klare Ansagen. Leider nicht ohne Grund: Am Original, den Zehn Geboten, wird seit mehreren tausend Jahren unterschiedlich ausgelegt und herumkommentiert. Da wir nur zwölf Minuten Zeit haben, erlaube ich mir, Ihnen den ersten Kurzkommentar nach jedem Verbot gleich mitzuliefern. Fangen wir also an: 1. Verbot: Du sollst keine anderen Kommunikationspartner neben Deinen aktuellen haben. Du sollst Dir von ihnen kein Bild machen und keiner Darstellung von irgendjemandem einfach glauben, bevor Du Dich nicht selbst überzeugt hast. 9 Wir kennen das alle bei Gesprächen, aber besonders bei Anrufen: Eigentlich wollen oder müssen wir uns mit etwas ganz anderem beschäftigen, haben den Kopf nicht frei. Der Gesprächspartner erzählt und wir bringen parallel noch den Vermerk vom vorherigen wichtigen Gespräch zu Ende, während wir uns bemühen, durch unbestimmte und vor allem unverbindliche Geräusche wie hmm oder aha Interesse zu heucheln. Hand aufs Herz: Wer von uns glaubt selbst, dass sein Gegenüber das nicht merkt? Wer von uns glaubt, dass dadurch aus einem von uns schon vorab als sinnlos eingeordneten Gespräch ein fruchtbares wird? 9 Wir sitzen im Gerichtstermin und haben wie in einer guten Kochsendung schon etwas vorbereitet, was wir gedanklich immer wieder durchgehen, bevor wir dran sind. Wer von uns glaubt, dass er trotzdem alle wichtigen Signale seiner Kommunikationspartner im Saal mitbekommt? Ungeteilte Aufmerksamkeit ist das, was wir unserem Kommunikationspartner schenken sollten. Wir selbst profitieren am meisten davon, wenn wir offen für die Situation sind. Wenn wir die Informationen nicht schon filtern, bevor sie uns überhaupt gesendet werden, weil wir vorab zu wissen glauben, dass unser Kommunikationspartner nichts Wichtiges zu sagen hat. Weil wir vorab zu wissen glauben, zu welchem Zeitpunkt er für welche Argumentation offen ist. Wir glauben das zu wissen, weil wir ihn ja kennen: Unser Mandant hat ihn uns schließlich geschildert. Ist es eine bekannte Persönlichkeit, so kennen wir sie erst recht. Wir wissen doch, wie er oder sie rüberkommt. Also können wir alles, was von der Person rüberkommt, entsprechend einsortieren und wir wissen genau, wie wir diese Person ansprechen müssen. Gute Kommunikation richtet sich schließlich auf den Adressaten aus. Oder? Stimmt! Genau deswegen dürfen wir nicht darauf hereinfallen, ungeprüft ein von Dritten skizziertes Bild mit unserem Adressaten gleichzusetzen. Je weniger Vorurteile wir mit in die Kommunikationssituation bringen, desto besser können wir die wahre Lage erfassen und für uns nutzen. 2. Verbot: Du sollst Deinen Kommunikationspartner nicht beleidigen und seinen Namen nicht verunglimpfen. Es bedürfte keines Kurzkommentars dazu, wenn dieses Verbot auf plumpe Beschimpfungen reduziert wäre: Bitte beleidigen Sie möglichst auch nicht die Intelligenz des Kommunikationspartners durch die Qualität der Argumentation. Beleidigen Sie ihn nicht dadurch, dass Sie seine Zeit verschwenden, weil Sie nicht auf das Gespräch vorbereitet sind. Nutzen Sie nicht die Presse, um seine Person in ein schlechtes Licht zu rücken. Greifen Sie die Position an, nicht ihn selber. 3. Verbot: Du sollst nicht ohne Pause kommunizieren. Hier ist nicht nur das Sprechtempo gemeint. Hier ist auch und vor allem eine echte Ruhephase gemeint, in der Zeit ist das Gehörte oder Gelesene auch zu verarbeiten. Sich darauf einzulassen, um beim nächsten Gesprächsanlauf oder Briefwechsel darauf einzugehen. Und auch die Zeit für alle Beteiligten, einfach mal komplett abzuschalten. Geistiger Kurzurlaub sozusagen. Nerven beruhigen. Wenn es auch nur für fünf Minuten ist. 4. Verbot: Du sollst nicht Deine Muttersprache verschandeln. Die Gerichtssprache ist deutsch. Nicht Juristendeutsch. Entgegen verbreiteter Ansicht gibt es nämlich keine juristische Fachsprache, sondern die deutsche Sprache kennt juristische Fachbegriffe. Diese sollen für Klarheit sorgen. Wenn wir Juristen miteinander reden ist es also sinnvoll, Fachbegriffe zu benutzen. Nicht sinnvoll ist es, möglichst viele davon in möglichst lange Sätze zu packen. Einem Mandan- DAV-Redenerwettstreit AnwBl 7 /

48 MN 61. Deutscher Anwaltstag ten müssen wir die Fachbegriffe ohnehin übersetzen. Er muss verstehen, was da im Kampf um sein Recht passiert. Er ist Kommunikationspartner, nicht Gegenstand der Kommunikation. Es ist daher kein Zeichen besonderer rechtlicher oder sozialer Kompetenz, einen Text für den Ansprechpartner nahezu unleserlich zu gestalten. Ich gebe zu, Lebenssachverhalte können kompliziert sein. Dem wird ein Jurist nicht gerecht, indem er seine Sprache entsprechend kompliziert gestaltet. Er muss, also wir müssen statt dessen den Sachverhalt sprachlich so einfach schildern, dass die Kommunikationspartner ihn im nötigen Umfang verstehen können. Füllwörter, Passivkonstruktionen, überflüssige Vorsilben, Substantivierungen usw. sind dabei keine Hilfe. 5. Verbot: Du sollst kein Totschlagargument verwenden. außer natürlich, Du kannst nur damit Deiner Partei noch helfen. Dann ist es Notwehr. Immer wieder gern genommen: Dieses Ergebnis kann nicht richtig sein. (Laien würden ungerecht schreien). Auf Richterseite ein Klassiker: Das OLG würde die Entscheidung eh aufheben, wenn ich das anders machte. Dazu fällt mir Prof. Schlüter ein, der uns als Erstsemestern beibrachte: Wenn Ihnen das Ergebnis handgreiflich falsch vorkommt, dann fangen Sie von vorne an zu prüfen. In 90 Prozent der Fälle haben Sie beim ersten Mal falsch subsumiert. Dem Richter möchte ich zu bedenken geben, dass es vielleicht sogar einen guten Grund gibt, warum das Oberlandesgericht eine andere Entscheidung aufheben würde. Mit anderen Worten: Seine Entscheidung ist nicht einfach unausweichlich, sondern richtig. Wenn er dies den Parteien in der Erstentscheidung verständlich erklärt, wollen die das Oberlandesgericht vielleicht gar nicht mehr fragen. Einen Versuch wäre es doch wert. 6. Verbot: Du sollst keine Ehepartner unnötig in den Kampf hineinziehen. außer natürlich, Du brauchst noch Gerichtsverfahren für den Fachanwalt Familienrecht. Nach dem Motto: Viel hilft viel wird gern der Ehegatte als Zeuge benannt für Sachverhalte, die noch gar nicht streitig sind, für Einzelfragen, auf die es noch nicht ankommt oder auch vorsichtshalber als dritter Zeuge von rechts. Das Schicksal nimmt seinen Lauf mit einer Variation des Satzes Du warst doch dabei, das hast Du doch genau gehört/gesehen. Spätestens beim dritten anders wahrgenommenen Detail ziehen die friedlichsten Ehegatten das jeweilige Hör- und Sehvermögen, alternativ die Gedächtnisleistung des anderen in Frage. Wem nützt das? Vielleicht ersetzt der Ehepartner einem Erwachsenen den großen Bruder, den man als Kind zu Hilfe holte. Aber schon damals führte das hauptsächlich dazu, dass sich noch mehr Kinder prügelten in Ruhe schaukeln konnte auf dem Spielplatz keiner mehr. A propos Bruder: Übertragen Sie dieses Verbot abweichend vom Analogieverbot getrost auf Mutter, Onkel, Tochter, Kumpel, Hund, Katze, Maus und nichteheliche Lebensgefährten. Betrachten Sie es als Ihren persönlichen Beitrag zum Weltfrieden. Die Nennung des Urhebers eines Zitats ist nicht nur ein Zeichen von Respekt gegenüber demjenigen, dessen geistige Leistung ich nutze. Es ist vielmehr auch ein Zeichen von Ehrlichkeit gegenüber meinem Kommunikationspartner. Respekt und Ehrlichkeit sind tragende Säulen fairer und fruchtbarer Kommunikation. Wir Juristen haben eine heftige Grundsatz-Diskussion über das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern angezettelt wegen Pfandbons, einer Frikadelle und übriggebliebener Brötchen. Unser eigenes Verhältnis zueinander und zu bestimmten Grundwerten sollte einen ähnlichen Stellenwert haben. 8. Verbot: Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen. (Exodus 20,16 lt. Einheitsübersetzung der Bibel) Dem ist nichts hinzuzufügen. 9. Verbot: Du sollst nicht sein wollen, der Du nicht bist. Kommunikation kann nur gelingen, wenn man sich auf seinen Gesprächspartner einlässt. Ist das Gegenüber nicht echt, sondern nur eine Rollenfigur, ist auch keine echte Kommunikation möglich. Kommunikation folgt keinem vorgegebenen Drehbuch. Falls Sie jedoch eines Tages trotzdem das Gefühl haben sollten, der Kampf ums Recht Ihres Mandanten brauche einen größeren Helden als Sie selbst es sind: Verstoßen Sie nicht gegen das 2. Verbot. Bieten Sie Ihrem Kommunikationspartner nicht das Niveau einer Fernseh-Gerichtsshow. Proben Sie Ihre Rolle so lange, bis Sie sich selbst den Helden abnehmen. Wenn Sie das nicht schaffen, haben Sie zwei Möglichkeiten: Schicken Sie den Mandanten zum passenden Helden oder schicken Sie den Helden gedanklich in die Wüste und ziehen wieder selbst in den Kampf. 10. Verbot: Du sollst nicht begehren Deines Kommunikationspartners Redezeit. In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit und überlasse das Rednerpult dem nächsten Mitstreiter im Kampf ums Recht. Simone Hiesgen, Hattingen Simone Hiesgen, Hattingen Die Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht hat den DAV-Rednerwettstreit auf dem 61. Deutschen Anwaltstag in Aachen gewonnen. 7. Verbot: Du sollst nicht Zitate verwenden, ohne sie als solche zu kennzeichnen und den Urheber zu benennen. Sie dürfen mich in diesem Punkt für extrem konservativ halten: Ich halte auch geistiges Eigentum für schützenswert. 488 AnwBl 7 / 2010 DAV-Redenerwettstreit

49 MN 61. Deutscher Anwaltstag DAV-Pressemitteilung Anwälte fordern Stärkung des Anwaltsgeheimnisses Das Anwaltsgeheimnis bedarf einer Stärkung durch die Erweiterung der Zeugnisverweigerungsrechte der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Diese Forderung erhob der Deutsche Anwaltverein (DAV) anlässlich des 61. Deutschen Anwaltstages in Aachen. Wenn der Mandant den Rechtsanwalt von seiner Verschwiegenheitspflicht befreit, muss gewährleistet sein, dass dies ohne Druck und unter Wahrung der Interessen des Mandanten erfolgt. Der Rechtsanwalt sollte daher immer dann zur Zeugnisverweigerung berechtigt sein, wenn die Zeugnisverweigerung im wohlverstandenen Interesse des Mandanten liegt. Dies sollte auch dann gelten, wenn der Mandant erklärt hat, dass er den Rechtsanwalt von der Verschwiegenheitspflicht entbindet. Die Anwaltschaft stellt fest, dass sich Fälle, in denen beispielsweise in Steuerverfahren der Mandant von staatlichen Stellen aufgefordert wird, den Anwalt von der Verschwiegenheitspflicht zu entbinden, häufen. Zur Begründung für diese Forderung wird auf die Mitwirkungspflicht des Steuerschuldners verwiesen. Quelle: Pressemitteilung DAT 4/2010 DAV-Pressemitteilung Überlagen Gerichtsverfahren: Lob der Anwälte Der Deutsche Anwaltverein (DAV) mahnt seit vielen Jahren Maßnahmen zur Beschleunigung von Verfahren und zur Vermeidung überlanger Verfahren an. Daher begrüßte er beim 61. Deutschen Anwaltstag in Aachen den Referentenentwurf eines Gesetzes, der bei überlangen Gerichtsverfahren eine Verzögerungsrüge mit Entschädigungsrechten vorsieht. In erster Linie komme es aber darauf an, die Ressourcen der Justiz zu stärken, um eine zügige Arbeit der Gerichte zu ermöglichen. Hinsichtlich der Entschädigungshöhe und dem Zeitpunkt, ab wann diese gewährt wird, seien Konkretisierungen erforderlich. Quelle: Pressemitteilung DAT 2/2010 DAV-Pressemitteilung Reform der Sicherungsverwahrung überfällig Spätestens seit der Entscheidung der großen Kammer des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) vom 10. Mai 2010 mit seiner Kritik an der Praxis der Sicherungsverwahrung in Deutschland ist eine Reform des Rechts der Sicherungsverwahrung überfällig. Allein schon das Bild, dass die Sicherungsverwahrung in Deutschland nicht wie vom Gesetzgeber grundsätzlich gewollt als Präventivmaßnahme (Maßregel), sondern als Strafe vollstreckt wird, muss Anlass für Veränderungen sein, so der Deutsche Anwaltverein (DAV) beim Deutschen Anwaltstag in Aachen. Der Anwendungsbereich der Sicherungsverwahrung ist in den letzten Jahren kontinuierlich ausgeweitet worden. Schon daher brauchen wir eine Reform, erläuterte Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer, DAV-Präsident, anlässlich des Deutschen Anwaltstages in Aachen. Auch Bundesverfassungsgericht und Wissenschaft hätten die Sicherungsverwahrung deutlich kritisiert. So werde die Gefährlichkeit der sicherungsverwahrten Personen in der Regel deutlich überschätzt. Quelle: Pressemitteilung DAT 1/2010 DAV-Pressemitteilung Keine Erscheinenspflicht für Zeugen bei der Polizei Auf dem 61. Deutschen Anwaltstag in Aachen kritisierte der Deutsche Anwaltverein (DAV) die Bestrebungen des Bundesrats, eine Erscheinens- und Aussageverpflichtung für Zeugen bei der Polizei einzuführen. Ähnliche Vorschläge finden sich auch im Koalitionsvertrag der Bundesregierung. Dem polizeilichen Zweckdenken muss für den Bereich des Strafrechts ein durch die Staatsanwaltschaft garantiertes Rechtsdenken entgegen gesetzt werden. Eine Verpflichtung des Bürgers, Ladungen der Polizei Folge zu leisten, ist mit seiner Rechtstellung im liberalen Rechtstaat nicht zu vereinbaren, sagte DAV- Präsident Prof. Dr. Wolfgang Ewer. Quelle: Pressemitteilung DAT 3/2010 Ausschuss Rechtsberatung RDG: Alles halb so schlimm gekommen Seit zwei Jahren gilt das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG). Auf dem Anwaltstag zog der DAV-Ausschuss Rechtsberatung eine erste Bilanz. Bei DAV und auch Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) war das Fazit gleich: Die Grenzen des RDG werden kaum ausgetestet, der nichtanwaltliche Wettbewerb ist ausgeblieben. Es hätte schlimmer kommen können, sagte Rechtsanwältin Ulrike Hundt-Neumann, Vorsitzende desjenigen DAV- Ausschusses, der für die Anwaltsvereine in Deutschland mögliche Verstöße gegen das RDG prüft. Nur in einem Bereich haben die Ausschüsse für Rechtsberatung von DAV und BRAK vermehrte Konkurrenz festgestellt: Im Verkehrsrecht hat sich der seit Jahren beobachtete Trend bestätigt, das vor allem Werkstätten Unfallregulierung aus einer Hand anbieten wollen. Das zeigte die Rechtsprechungsübersicht von Rechtsanwalt Dr. Bernd Bürglen, Vorsitzender des BRAK-Ausschusses Rechtsberatung, und die Diskussion. Ein weiterer Trend: Die Rechtsschutzversicherer drängen nach wie vor darauf, ihre Versicherten über selbst ausgewählte Anwälte zu beraten. Rechtsanwalt Dr. Matthias Kilian vom Soldan Institut für Anwaltmanagement und selbst Mitglied im DAV-Ausschuss betonte, dass das RDG keinen nicht-anwaltlichen Rechtsdienstleistungsberuf geschaffen habe. Der wichtigste Einschnitt in das Anwaltsmonopol wenn es denn je existiert hat sei die Annex-Befugnis in 5 RDG gewesen. Aber auch hier drängten zum Beispiel wie die Veranstaltung zeigte die Architekten nicht auf den Markt der Rechtsdienstleistungen. Rechtsanwalt Dr. Nicolas Lührig, Berlin Rechtsanwältin Ulrike Hundt-Neumann. 2 Rechtsanwalt Dr. Bernd Bürglen. 3 Rechtsanwalt Dr. Matthias Kilian. AnwBl 7 /

50 MN 61. Deutscher Anwaltstag Berufsrechtsausschuss Anwaltsethik im Einzelfall: So viele Positionen wie Köpfe? Diskussion des erweiterten Berufsrechtsausschusses Gibt es eine ethische Verpflichtung, bestimmte Mandate anzunehmen? Darf der Anwalt mit allen legalen Mitteln und Tricks arbeiten? Trägt er am Ende auch eine Verantwortung für den schlecht beratenen Gegner? Diese und viele weitere Frage diskutierten 12 Mitglieder des erweiterten Berufsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins untereinander sowie unter Einbeziehung des Auditoriums auf dem 61. Deutschen Anwaltstag in Aachen. Nachdem der Berufsrechtsausschuss bereits auf dem 60. Deutschen Anwaltstag in Braunschweig 2009 unter großer Beachtung über die Anwaltsethik im Allgemeinen diskutiert hatte (siehe AnwBl 2009, 514), wurde die Diskussion auf dem Anwaltstag 2010 nun konkret. Zehn Fallbeispiele, in denen Anwälte vor ethisch bedenkenswerten Entscheidungen stehen, führten zu mitunter äußerst kontroversen Diskussionen. Einigkeit bestand nur in einem Punkt: Die Ethikdiskussion in der Anwaltschaft sollte nicht zu Ethikregeln, Codices und ähnlichem führen. Wie sieht s nun aus mit einer ethischen Verpflichtung, auch weniger lukrative und schwierige Mandate den Rechtsextremisten, den möglichen Terroristen, den etwaigen Kinderschänder anzunehmen oder abzulehnen? Mehrheitlich wurde eine ethische Pflicht zur Mandatsannahme zurückgewiesen. Zwar hätten auch solche Mandanten Anspruch auf anwaltlichen Beistand. Letztendlich müsse jedoch jeder Anwalt die Freiheit haben, für sich selbst zu entscheiden, ob er ein Mandat annehme. Im pro-bono-bereich wird manch einer nicht unbedingt aus einer ethischen, sondern vielmehr aus einer allgemeinen Pflicht der Gesellschaft gegenüber tätig. Die Allgemeinheit habe schließlich die Kosten der Ausbildung des Anwalts getragen nun gelte es, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Andere verwiesen auf die gesellschaftliche Stellung des Anwalts: Zugang zum Recht dürfe keine Frage des Geldes sein. In einigen Beispielsfällen wurde deutlich, dass es sich oft nicht um ethische Fragen, sondern vielmehr um Fragen der Zweckmäßigkeit oder der beruflichen Professionalität eines Anwalts handelt. So war zu hören, der Anwalt habe geradezu die Pflicht, das Zwischenruf Kein moralisches Diktat für Anwälte In der offenen Sitzung des Berufsrechtsausschusses anlässlich des 60. Deutschen Anwaltstags in Braunschweig 2009 wurde diskutiert, ob es angebracht sei, ähnlich den alten Standesrichtlinien einen Ethikkodex zu entwickeln und zu formulieren. Dies wurde einmütig abgelehnt. Neben dem normativen Recht solle es keinen weiteren Katalog von Geboten geben. Es gäbe auch kein Organ, das die Legitimation habe, einen solchen Kodex zu formulieren. In der weiteren Diskussion hat der Berufsrechtsausschuss das Thema jedoch nicht ad acta gelegt, sondern ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es durchaus angebracht sei, Entscheidungssituationen einer Anwältin oder eines Anwalts zu diskutieren, die nicht durch Rechtspflichten aufgelöst werden könnten, sondern möglicherweise durch ethische, durch moralische Gebote. Mit diesem Vorhaben kann sich der Berufsrechtsausschuss auf eine solide wissenschaftliche, das heißt philosophische und soziologische Basis stützen. Niklas Luhmann kommt in dem Beitrag Politik, Demokratie, Moral ( Die Moral der Gesellschaft, 2008) zu dem Ergebnis, dass es eine Ethik als verbindliches Regelwerk der Moral zumindest in demokratischen Staatsstrukturen nicht mehr geben könne. Allerdings kann nicht übersehen werden, dass allüberall und in allen Berufsgruppen über ethische Anforderungen gesprochen wird. Seit einigen Jahren breitet sich die Kommunikation über,ethik geradezu epidemisch aus wie die Masern bei Kindern. Wohl gemerkt: Nicht die Ethik selbst breitet sich aus, sondern nur die Kommunikation über Ethik... (Luhmann, S. 175). Aber auch dieser Diskussion kann Luhmann positive Aspekte abgewinnen. Es werden Probleme erörtert und Lösungen gesucht. (Luhmann, S. 194 f.) Also Kommunikation über ethische Ansätze, aber kein moralisches Diktat. So verstanden gehört Ethik mit zu höherer Amoralität einer demokratischen politischen Kultur. (S. 195). Wir fügen uns durch die Veranstaltung auf dem diesjährigen Anwaltstag in Aachen in dieses System ein. Es bleibt die Hoffnung, dass in dieser Kommunikation hin und wieder ein Stück einer allgemeinen Moral aufblitzt, die auch dieser Diskussion ein festes Gerüst gibt. Die Verantwortung für den Gegner, sei dieser gut, schlecht oder überhaupt beraten, wurde zum Beispiel überwiegend abgelehnt. Allerdings nicht einstimmig und einmütig. Das Gefühl, dass es hier möglicherweise Grenzen gibt, blieb. Der Beitrag von Knöfel/Mock im April-Heft des Anwaltsblatts (AnwBl 2010, 230), zur Verschwiegenheitspflicht macht deutlich, dass das Selbstverständnis der Anwältinnen und Anwälte von dem Recht und der Pflicht zur Verschwiegenheit ein anderes Bild ergibt als die Außensicht und Außenbewertung durch Dritte. Denn die Verfasser jenes Aufsatzes sind Wissenschaftliche Assistenten, keine Anwälte. Und ihre Argumentation, dass das hohe Gut der Verschwiegenheit nicht für Illegales genutzt werden darf, hat etwas gefährlich Eingängiges. Dr. Michael Streck, Köln Der Autor ist Rechtsanwalt und Vorsitzender des Berufsrechtsausschusses des DAV. Er moderierte 2009 und 2010 auf dem Anwaltstag die offenen Sitzungen des Ausschusses zur Anwaltsethik. 490 AnwBl 7 / 2010

51 MN 61. Deutscher Anwaltstag Mandat mit allen ihm zur Verfügung stehenden legalen Mitteln zu führen. Das, was das Gesetz an zulässigen Mitteln vorsehe, sollten Anwälte auch ausnutzen dürfen. Gerade bei der Wahrheitspflicht im Zivilprozess stieß dieses Postulat aber auch auf heftigen Widerspruch. Ein nachlässiges Umgehen mit der materiellen Wahrheit wurde daher auch wenn dem die Prozessordnung nicht entgegen stehe von einigen auch abgelehnt. Es gebe eine übergeordnete Verantwortung des Anwalts mit den gesetzlichen Mitteln vertrauensvoll umzugehen. Vor diesem Hintergrund wurde unter anderem das Fazit gezogen, dass es eben auch professionell sei, wenn ein Anwalt nicht alles wisse oder wissen wolle. Für andere stellte sich in diesem Zusammenhang die Frage, was der Rechtsanwalt dem Mandanten schuldig sei. Schuldet der Anwalt dem Mandanten ein solches Verhalten, stelle sich die ethische Frage nicht. Verantwortung für den Gegner? Wie weit die Bandbreite in der Diskussion reicht, zeigte auch dieses Beispiel: Bemerkt der Anwalt, dass der Verhandlungsgegner schlecht oder gar nicht beraten ist, stellt sich die Frage, inwieweit er diesen im Interesse seines eigenen Mandanten ins Messer laufen lassen muss. Für einige war hier ganz klar die Grenze zum Parteiverrat überschritten. Die Wahl eines inkompetenten Anwalts sei nun einmal ein Risiko des Gegners. Andere forderten wiederum eine differenzierende Betrachtung. Ethische Ausnahmen vom Berufsrecht? Hohe Wellen schlug der Aufsatz von Knöfel/Möck aus dem April-Heft des Anwaltsblatts (AnwBl 2010, 230) zur Verschwiegenheit und Corporate Governance. Die Autoren hatten ausgeführt, dass die anwaltliche Schweigepflicht aufgrund ihrer ethischen Wurzeln nicht zur Rechtfertigung herangezogen werden könnte, um zu rechtswidrigem Verhalten des Mandanten zu schweigen. Das wurde heftig kritisiert. Die Autoren verkennten, dass die Verschwiegenheitspflicht eine gesetzliche Norm sei, die ihren Ursprung im Verfassungsrecht habe. Bei der Schweigepflicht handele es sich um einen ehernen Grundsatz der Anwaltschaft, der grundsätzlich einer Abwägung entzogen sei. Es könne keine ethisch begründeten Ausnahmen geben, gegen die Verschwiegenheitspflicht zu verstoßen. Die Rechtsordnung halte Antworten in Form der Rechtfertigung oder des entschuldigenden Notstands bereit. Fazit Die zweite öffentliche Veranstaltung des Berufsrechtsausschusses zur Anwaltsethik hat gezeigt, dass die Aspekte zur Anwaltsethik äußerst kontrovers diskutiert werden. Das Meinungsbild war mitunter so vielfältig wie es Diskussionsteilnehmer gab und am Ende reichte die Zeit nicht aus, um alle vorbereiteten Fallbeispiele zu diskutieren. Assessorin Jessika Kallenbach, Berlin 1 Rechtsanwalt Dr. Michael Streck moderierte die Podiumsdiskussion des Berufsrechtsausschusses. Er betonte, dass es neben dem normativen Recht keinen weiteren Katalog von Geboten geben dürfe. Ethikregeln lehne der Berufsrechtsausschuss ab. 2 Rechtsanwalt und Notar Eghard Teichmann: Für ihn sind Ethik und Geld eng miteinander verbunden. Würde man diese Frage aus der Ethikdiskussion ausklammern, ginge dies an der Praxis vorbei. 3 Rechtsanwalt Markus Hartung: Es gebe eine Verpflichtung von Anwälten, Mandate, die außerhalb der strategischen Kanzleiausrichtung liegen oder nicht lukrativ sind, anzunehmen. Hierbei handele es sich nicht unbedingt um eine ethische Pflicht, sondern vielmehr um eine allgemeine Pflicht der Gesellschaft gegenüber. 4 Rechtsanwältin Petra Heinicke: Auch schwierige Mandanten mit schwierigen Fällen haben Anspruch auf anwaltlichen Beistand und anwaltliche Beratung. 5 Rechtsanwalt Dr. Joachim Freiherr von Falkenhausen: Jeder Anwalt müsse für sich die Freiheit bewahren, ein Mandat anzunehmen oder abzulehnen, auch wenn es hierfür keinen ersichtlichen Grund gebe. 6 Rechtsanwalt Niko Härting unterstrich den sozialen Aspekt: Für ihn sei es wichtig, dass Anwälte auch solche Mandate annähmen, bei denen die Mandanten nicht über das nötige Geld verfügen, ihre Rechte sonst geltend machen zu können. 7 Rechtsanwalt und Notar Prof. Dr. Hans-Jürgen Hellwig: Ethisch begründete Ausnahmen, gegen die Verschwiegenheitspflicht zu verstoßen, lehne er ab. 8 Für Rechtsanwalt Hartmut Kilger sei es professionell, wenn ein Anwalt nicht alles wisse oder wissen wolle. 9 Rechtsanwalt und Notar a.d. Prof. Dr. Lutz Weipert: Er lehne es beim Spiel mit den Beweislastregeln ab, bewusst nachlässig mit der materiellen Wahrheit umzugehen und habe aus diesem Grund bereits Mandate niedergelegt. 10 Rechtsanwältin Dr. Ute Döpfer: Mit einer Verständigung im Strafverfahren zugunsten ihres Mandanten hättesiekeinproblem.diesstellefürsiekeineethische Frage dar, sondern sei vielmehr eine Frage ihrer Professionalität als Strafverteidigerin. 11 Rechtsanwältin Silke Waterschek sieht eine Pflicht des Verteidigers, das Mandat mit allen ihr zur Verfügung stehenden legalen Mitteln professionell zu führen. 12 Rechtsanwalt Dr. Peter Hamacher: Es gehe darum, wie der Anwalt das Mandat professionell im Sinne des Mandanten führe. Das, was das Gesetz an zulässigen Mitteln vorsehe, sollten Anwälte auch ausnutzen dürfen. AnwBl 7 /

52 MN 61. Deutscher Anwaltstag Schwerpunktveranstaltung Kampf ums Recht: Presse übt keine Kontrolle mehr über die Justiz aus Drei Journalisten, ein Richter und zwei Anwälte diskutieren Augenfällig wird die Kommunikation im Kampf ums Recht, wenn Journalisten und Juristen über das Verhältnis von Medien und Justiz streiten. Auf der prominent besetzten Schwerpunktveranstaltung im Block I Kontrolle der Justiz durch die Presse? war durchaus gegenseitiges Misstrauen zu spüren. Für ein Kontrollverhältnis ist das ja prinzipiell gut. Aber übt die Presse überhaupt noch Kontrolle aus? Als wunderten sich die Teilnehmer des Podiums über das Diskussionsthema, beeilten sich alle zu sagen, dass eine Kontrolle nicht oder nicht mehr stattfindet wenn auch aus sehr unterschiedlichen Gründen. Wir können gar nicht kontrollieren, gab der Journalist Axel Spilcker vom Focus zu bedenken. Es ist schwer, heutzutage Einblick in die Details der Prozesse zu bekommen. Er forderte daher eine bessere Pressearbeit der Gerichte und die Freigabe von Informationen im Ermittlungsverfahren. Der Vorsitzende Richter am OLG Düsseldorf, Ottmar Breidling, der über öffentlichkeitswirksame Fälle wie Kaplan oder die Sauerlandgruppe zu urteilen hatte, formulierte es aus der Sicht des Gerichts: Früher brauchte man die Kontrolle, um Willkür zu vermeiden. Das brauchen wir heute nicht mehr. Zudem kann eine fachliche Kontrolle durch Medienvertreter heute gar nicht mehr geleistet werden. Wir bemühen uns ja schon, wenn die Presse im Saal sitzt, die Vorgänge verständlich zu machen. Da gilt auch die Anforderung an die Richter, die Öffentlichkeit transparent zu informieren, forderte der medienerfahrende Richter. Wenn überhaupt, so Breidling, könnte die Presse atmosphärische Störungen im Verfahren aufdecken und dadurch eine Art Kontrolle ausüben. Strafjustiz als Unterhaltung Der Strafverteidiger Rechtsanwalt Johann Schwenn präzisierte, warum es aus seiner Sicht nicht um Kotrolle gehe. Man kann nur kontrollieren, was man kennt. Heute findet meist nur eine unkundige Berichterstattung statt. Das ärgerte den Bild-Redakteur Dr. Nicolaus Fest, gegen dessen Blatt Schwenns Polemik gerichtet war. Aber anstatt klarzustellen, dass Journalisten nicht immer vom Fach sein müssen, gab er zurück: Schlechte Journalisten? Es gibt auch schlechte Anwälte! Differenzierter formulierte Gisela Friedrichsen, Gerichtsreporterin beim Spiegel, ihre Meinung zur Kontrolle durch die Presse: Ich habe noch gelernt, dass die Presse die vierte Gewalt ist. Aufgabe sollte es sein, die Öffentlichkeit zu repräsentieren und Inhalte zu vermitteln. Leider werden die Stoffe, die die Strafjustiz bietet, nur noch als Unterhaltung aufbereitet. Das hat mit Kontrolle nichts mehr zu tun. Journalisten beeinflussen Gerichtsverfahren Fast unfreiwillig lenkte Fest die Aufmerksamkeit auf einen Themenbereich, der die Runde weit mehr umtrieb: den faktischen Einfluss von Journalisten auf Gerichtsverfahren. Fest sagte, dass es bei der Recherche hin und wieder zu Überschneidungen mit Ermittlungsbehörden kommt. Diese luftige Andeutung der aggressiver gewordenen Recherche war eine willkommene Einladung, über Einflussnahme zu diskutieren. Der Moderator der Debatte, Rechtsanwalt Dr. Ferdinand Gillmeister, erläuterte, dass sich Journalisten vermehrt in Ermittlungen einschalteten und selbst mit Verfahrensbeteiligten sprächen. Diese Art der Pressearbeit hat zunehmend Auswirkungen auf die Aussagen vor Gericht. Breidling stellte klar, dass Aussagen von Zeugen oder Opfern, die der Presse gegenüber erfolgt sind, natürlich im Wege des Vorhalts Teil 1 Axel Spilcker, Journalist vom Focus, forderte eine bessere Pressearbeit der Gerichte und mehr Informationen in Verfahren. 2 Dr. Nicolaus Fest, Journalist bei der Bild-Zeitung: Es gibt nur schlechte Anwälte! 3 Ottmar Breidling, Vorsitzender Richter am OLG Düsseldorf: Er appellierte an die Richter, die Öffentlichkeit transparent zu informieren. 4 Gisela Friedrichsen, Spiegel-Journalistin, kritisierte: Die Justiz stelle Informationen leider nur als Unterhaltung zur Verfügung. Dies führe zu eingeschränkten Berichtsmöglichkeiten. 5 Das bestätigte Rechtsanwalt Johann Schwenn mit dem Hinweis auf eine unkundige Berichterstattung. 6 Rechtsanwalt Dr. Ferdinand Gillmeister moderierte die Podiumsdiskussion. 7 Dr. Joachim Jahn, Wirtschaftsredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, diskutierte mit AnwBl 7 / 2010

53 MN 61. Deutscher Anwaltstag der Zeugenvernahme sind. Schwenn bekräftigte, dass es hier einen deutlichen Einfluss gebe: Die Ermittlungen durch die Presse können die Aussagekraft von Zeugen verzerren und sie sind vom Gericht immer zu beachten. Friedrichsen wies darauf hin, dass Journalisten eine Berichtspflicht hätten und auch Verdachtberichterstattung erlaubt sei, wobei man sich eben in Spannung zu der gerichtlichen Aufgabe der Ermittlungen befinde. Ich bewerte das, was ich höre, aber da greift man nicht in das Verfahren ein. Breidling meinte dazu: Diese Einflussnahme durch eigene Recherchen ist eine Zwickmühle prozessualer Art. Gerichte üben Einfluss auf die Presse aus Mit Blick auf den zunehmenden Schutz von Persönlichkeitsrechten drehte Friedrichsen den Spieß um den Einfluss sogar um. Es gibt mittlerweile eine ausufernde Rechtssprechung bei Persönlichkeitsrechten. Die Gerichte üben mit der massiven Einschränkung der Berichtsmöglichkeiten eher Einfluss auf die Presse aus. Das führt bei den Journalisten zu der Verunsicherung, ob bei einem Text sofort eine Attacke von einschlägigen Kanzleien kommt. Man weiß nie genau, was man in einem speziellen Fall noch schreiben darf und was nicht. Ich finde diese Entwicklung unterirdisch. Dem widersprach Breidling energisch. Die Journalisten wissen ganz genau, wo die Grenzen der Persönlichkeitsrechte sind. Und aus dem Publikum wurde das noch mit dem Hinweis unterstützt, dass Gerichte in solchen Fällen sehr genau und gut abwägen würden. Es scheint, als habe sich die vierte Gewalt bis auf einzelne Ausnahmen aus der Kontrolle der dritten Gewalt verabschiedet. Nunmehr beherrscht die gegenseitige Einflussnahme das Verhältnis von Presse und Justiz. Für die Spannungsfelder von Informationspflicht und Persönlichkeitsrechten oder Ermittlungstätigkeit und Verdachtsberichterstattung ist die letzte Messe noch nicht gelesen. Assessor Dr. Justus von Daniels, Berlin Schwerpunktveranstaltung Pressearbeit der Staatsanwaltschaften in der Kritik Welche Kommunikation verträgt das Strafverfahren? Aufsehen erregende Strafverfahren werden heutzutage doppelt verhandelt: vor Gericht und in den Medien. Auch die Staatsanwaltschaften kämpfen zunehmend um die Deutungshoheit in den Medien, weshalb die Schwerpunktveranstaltung über das gewandelte Selbstverständnis der Staatsanwaltschaften mit Blick auf jüngste Ermittlungsvorgänge an denen die Öffentlichkeit teilhatte ein überaus aktuelles Thema behandelte. Häufiger als früher tauchen Pressesprecher der Staatsanwaltschaften in der Öffentlichkeit auf. In spektakulären Verfahren werden sie als Herrscher über entscheidende Informationen dargestellt und gerieren sich gelegentlich auch so. Stimmt der Vorwurf, dass sich Staatsanwaltschaften als Player aufspielen?, fragte die Moderatorin des Podiums Gudula Geuther vom Deutschlandradio. Kampf um Deutungshoheit Auch die Staatsanwaltschaft ist dem Wandel zur Mediengesellschaft ausgesetzt, stellte Rolf Hannich, Bundesanwalt beim BGH, fest. Medien berichten zunehmend schneller, früher und aggressiver vor allem über Verfahren, an denen Prominente beteiligt sind oder die aufgrund einer besonderen Tat im Mittelpunkt des Interesses stehen, sagte er. Die Verantwortung der Öffentlichkeitsarbeit ist groß, weil schon wenige Informationen genügen können, um einen Verdacht in der Öffentlichkeit in ein Urteil umschlagen zu lassen. Darauf muss die Staatsanwaltschaft mit einer Professionalisierung der Pressearbeit reagieren, forderte Hannich. Der Strafverteidiger Sven Thomas formulierte es drastischer: Die Staatsanwaltschaften befinden sich in einem Kampf gegen die Journalisten und haben natürlich das ureigene Interesse, ihre Sicht der Dinge in der Öffentlichkeit zu platzieren. Auch Staatsanwälte profilieren sich Wenn in den Medien pikante Informationen aus einem Verfahren veröffentlicht werden, ist die Staatsanwaltschaft schnell Opfer des Vorwurfs der Vorverurteilung, so Hannich, gegen die man sich wehren muss. Fälschlicherweise entsteht oft der Eindruck, dass die Behörden selbst Informationen lancieren, beispielsweise bei Durchsuchungen oder Festnahmen, um die eigenen Fahndungserfolge zu präsentieren. Im Ermittlungsstadium pfeifen tatsächlich viele Spatzen etwas von den Dächern, auf die die Staatsanwaltschaften meist nur noch reagieren und zwangsläufig etwa die Identität eines Beschuldigten nicht mehr verheimlichen können. Aber auch mancher Staatsanwalt tarnt sich als Spatz. Der ehemalige Sprecher der Staatsanwaltschaft München I, Oberstaatsanwalt Anton Winkler, bestätigte, dass es in der jüngeren Vergangenheit Fälle gab, bei denen sich einzelne Staatsanwälte profiliert haben. Personen wurden identifizierbar beschrieben, Informationen über staatsanwaltliche Ermittlungen an bestimmte Journalisten weitergegeben. Die Pressesprecher müssen ihre Verantwortung erkennen und der Medienarbeit gewachsen sein, sagte er. Die Teilnehmer des Podiums (v.l.n.r.): Rechtsanwalt Dr. Sven Thomas, Rolf Hannich (Bundesanwalt), Moderatorin Gudula Geuther (Deutschlandradio) und Anton Winkler (Oberstaatsanwalt). AnwBl 7 /

54 MN 61. Deutscher Anwaltstag Winkler rät zu vornehmer Zurückhaltung Die Justiz stößt auf ein starkes Interesse in der Bevölkerung, erläuterte Winkler, daher erhöht sich der Druck der Öffentlichkeitsarbeit auf allen Seiten. Aufgabe der Presseabteilungen der Staatsanwaltschaften ist es, das eigene Handeln verständlich zu machen und möglichst objektiv zu informieren, um Vorverurteilungen zurückzudrängen und Ermittlungsergebnisse nicht zu gefährden. Dazu gehörten auch Hintergrundgespräche, die aber lediglich dem Verständnis des Verfahrens und nicht der Werbung für die eigene Position dienen dürften, stellte Winkler klar. Pressesprecher müssen demnach besser geschult werden, um für die Grenze zwischen Informationsauftrag und der Bedienung von Sensationslust sensibilisiert zu werden. Dabei ist noch viel Fortbildungsarbeit nötig, um für die speziellen Erfordernisse der Massenkommunikation gewappnet zu sein, so Winkler. Ein erster Vorschlag von ihm war, dass sich Pressesprecher bei Anfragen lieber in vornehmer Zurückhaltung üben sollten. Zwar forderte Thomas, dass sich die Staatsanwaltschaft auf kurze öffentliche Statements beschränken und am besten gar keine Pressemitteilungen veröffentlichen sollte, aber bei so viel Selbstkritik der anwesenden Staatsanwälte an der eigenen Zunft blieb ihm auch nicht viel mehr als dieser rhetorische Aufruf, um seine Reputation als streitender Verteidiger nicht zu verlieren. Festzuhalten ist, dass die Staatsanwaltschaften ihre Rolle in der medialen Prozessbegleitung verbessern müssen. Winkler wies dabei auch auf die verstärkte Öffentlichkeitsarbeit der Verteidigung hin die Litigation-PR. Hier wird versucht, über die Medien auf den Prozess Einfluss zu nehmen. Der Kampf um die Deutungshoheit gewinnt damit weiter an Schärfe. Die Staatsanwaltschaften müssen in diesem Kampf ihr Interesse wahren, dabei aber im Auge behalten, dass das Interesse immer unter dem Vorbehalt der Neutralität und dem Schutz aller Beteiligten stehen muss. Assessor Dr. Justus von Daniels, Berlin Schwerpunktveranstaltung Litigation-PR Alter Wein in neuen Schläuchen? Anwaltstag diskutiert ein Trendthema ohne große Kontroverse Komplementär zu dem gewandelten Selbstverständnis der Staatsanwaltschaften befasste sich eine Podiumsveranstaltung im Rahmen des Schwerpunktes zur Steuerung des Strafprozesses durch Kommunikation mit dem Thema Litigation-PR. Doch während die Staatsanwaltsrunde durchweg kritische Töne anschlug, verlief die Diskussion über Litigation-PR recht fruchtlos. Ein Zeichen dafür, dass sich die Aufregung zum Thema langsam legt? Strategische Kommunikation in juristischen Auseinandersetzungen. Auf diese einleitende Definition des aus dem amerikanischen Recht stammenden Begriffs durch die Moderatorin, der Journalistin Ursula Knapp, konnten sich die Podiumsteilnehmer einigen. Litigation-PR ist vornehmlich Gegenstand in Wirtschaftsstrafverfahren. Unternehmen erleiden im Vorfeld und durch die Einleitung von Prozessen schnell einen Imageschaden in der Öffentlichkeit, der zu hohen finanziellen Verlusten führen kann. Ziel dieser Kommunikation ist der Erhalt der Reputation des Unternehmens, erklärte Christian Weyand, Partner bei der PR- Beratungsfirma Brunswick Group. Dies ist mehr als nur klassische Unternehmenskommunikation, sekundierte Rechtsanwalt Laurenz Schmitt von der Kanzlei Linklaters. Der öffentliche Meinungsdruck kann nur durch diese Art der externen Beratung wirklich sinnvoll abgefedert werden. Aus dem Publikum wurde von Rechtsanwalt Martin Huff eingewandt, dass es sich bei dem Label Litigation-PR um nichts anderes als moderne Unternehmenskommunikation handele: Das ist doch alter Wein in neuen Schläuchen, der zuallererst den Beratungsfirmen selbst als Eigen-PR nützt. Auch der Journalist Micha Guttmann übte in einer Wortmeldung Kritik: Litigation-PR ist auf das amerikanische System ausgerichtet, in dem Laienrichter beeinflusst werden sollen. In Deutschland passt es einfach nicht in das Strafverfahren. Schmitt gab sich auf dem Podium gelassen und antwortete, der Stellenwert und die Intensität der Kommunikation bei juristischen Auseinandersetzungen haben zugenommen und für diese Art der Beratung gibt es daher auch hier genug Bedarf. Verteidigungen versuchen zunehmend über die Medien Druck auf die Verfahren auszuüben. Gerade bei Verfahrensverzögerungen wollen wir Gerichte beeinflussen sowie in bestimmten Fällen auch öffentlichen Druck aufbauen, so Schmitt. Auch PR-Berater Weyand sah es als legitimes Interesse an, Informationen zu kanalisieren und im Verfahren massive Kommunikation durch die Verteidigung zu leisten. Verzerrung des Strafverfahrens? Die Folgen dieser Zunahme der versuchten Beeinflussung von Strafverfahren wurden kaum thematisiert. Oberstaatsanwalt Anton Winkler warf dazu aus dem Publikum ein, dass Litigation-PR eine Art fünfte Gewalt wird, die die vierte Gewalt benutzt, um dadurch die dritte Gewalt zu beeinflussen. Für die Medien saß Marcus Rohwetter, Journalist der Zeit, auf dem Podium und zeigte sich davon relativ unbeeindruckt. Journalisten sind gut in der Lage, sich nicht zu willfährigen Helfern der Unternehmen zu machen und können unterscheiden, welche Informationen der subtilen Beeinflussung dienen, erklärte er. Ob er an den Druck vieler Journalisten gedacht hat, neue Informationen schnell zu veröffentlichen? Als Form der Kommunikation ist Litigation-PR mittlerweile auf das Maß einer zeitgemäßen Unternehmenskommunikation zurecht gerückt worden. Inwiefern diese Art der Verteidigungsberatung in der Lage ist, gerade durch subtile Maßnahmen Strafverfahren zu verzerren, blieb am Ende offen. Assessor Dr. Justus von Daniels, Berlin Auf dem Podium diskutierten (v.l.n.r.): Marcus Rohwetter (Wirtschaftsredakteur Die Zeit), Christian Weyand (Brunswick Group), Moderatorin Dr. Ursula Knapp (Journalistin), Rechtanwalt Laurenz Schmitt. 494 AnwBl 7 / 2010

55 MN 61. Deutscher Anwaltstag Soldan Institut für Anwaltmanagement Fachanwälte sind glücklicher und verdienen mehr Neue Studie: Bevorstehender Wandel des Anwaltmarkts? Fachanwälte schätzen sich selbst als glücklich ein. Die Spezialisierung von Fachanwälten nimmt aus guten Gründen zu, denn sie verspricht durchweg Vorteile. Zugleich differenziert sich der Rechtsberatungsmarkt weiter aus. Das haben die Direktoren des Soldan Instituts für Anwaltmanagement, Prof. Dr. Christoph Hommerich und Rechtsanwalt Dr. Matthias Kilian, in ihrer jüngsten Studie zum Thema Fachanwaltschaft herausgefunden. Sie stellten auf dem 61. Deutschen Anwaltstag in Aachen die Ergebnisse einer ausführlichen statistischen Befragung von Fachanwälten vor. Allein seit 2003 hat sich die Zahl der erworbenen Fachanwaltstitel in Deutschland verdoppelt: Bis heute wurden rund Titel von den Rechtsanwaltskammern verliehen. Ein Grund für die starke Zunahme ist die Auffächerung des Titelangebotes. Seit 2005 sind dreizehn weitere Spezialisierungen zu den gerichtswegorientierten Fachanwaltschaften hinzugekommen sind. Geradezu Boomfächer sind dabei das Medizin- und das Sozialrecht. Dies, so Hommerich, ist der gesellschaftlichen Entwicklung geschuldet, da die Expertise in diesen Bereichen deutlich mehr eingefordert wird. Die Fachausbildung im Medizinrecht hat dabei eine außerordentliche Steigerung erfahren; die in diesem Feld ausgebildeten Fachanwälte sind überdurchschnittlich zufrieden mit den Verdienststeigerungen und dem Reputationsgewinn. Andere Spezialisierungen wie das Urheber- und Medienrecht werden diesem Trend folgen, stellen aber bislang noch keine statistisch relevante Gruppe dar, ergänzte er. Insgesamt werden noch 50 Prozent aller Fachanwälte in den klassischen Fächern Arbeits-, Familien- und Steuerrecht ausgebildet. Die meisten befragten Fachanwälte halten mittlerweile eine Sättigung des Titelangebotes für erreicht. Höchstens noch im Ausländer- und Asylrecht oder im Sportrecht hält eine signifikante Zahl Prof. Dr. Christoph Hommerich und Rechtsanwalt Dr. Matthias Kilian vom Soldan Institut für Anwaltmanagement. der Anwälte eine weitere Fachspezialisierung für sinnvoll. 40 Prozent Honorarsteigerung Rechtsanwälte, die die nicht ganz unanstrengende Fachanwaltausbildung auf sich nehmen, geben als Motive für ihre Entscheidung an, dass sie sich sowohl wirtschaftliche Vorteile als auch einen Reputationsgewinn sogar innerhalb der Kollegenschaft versprechen sowie dass sie ihre Spezialisierung offiziell bestätigen wollen, sagte Kilian. Die erwünschten Effekte treten nach der Verleihung des Titels für den Großteil der Befragten auch ein, stellten die Studienleiter fest. Insbesondere Schwerpunktveranstaltung Körper und Sprache: Hilfe zur Selbsthilfe Um die alltägliche Praxis ging es in vier Workshops im Block II: Wie verbessere ich die eigene Kommunikation? Wer sich auf die Referenten einließ, wurde mit einer Fülle von Anregungen belohnt. Die Herausforderung des gegenseitigen Verstehens umriss im Auftaktreferat Stefan Kessen, Mediator und kein Rechtsanwalt, das Ziel des Nachmittags. An Fällen des Alltags belegte er seine Botschaft: Es ist immer der Empfänger, der den Inhalt der einer Nachricht bestimmt. Mit seinen praktischen Tipps gingen die Teilnehmer in die Workshops. Die Bandbreite der Themen war auf anwaltliche Standardsituationen ausgerichtet. Die Kniffe des anwaltlichen Verhandelns stellte Rechtsanwalt Dr. Christian Duve (Vorsitzender des Ausschusses Außergerichtliche Konfliktbeilegung) dar. Zugleich machte er deutlich, dass gutes Verhandeln nicht dazu diene, den Gegner über den Tisch zu ziehen. Nur ein faires Verhandlungsergebnis ist belastbar, sagte Duve. Er teilte Knowhow mit: Wie gehe ich mit unfairen Verhandlungsmethoden ums? Benennen und zurückweisen. So gewann er sein Publikum. Die Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant untersuchte Rechtsanwalt Dr. Rainer Ponschab. Während Duve das rationale Verhandlungsmodell vorstellte, stellte Ponschab die emotionale Seite der Kommunikation heraus: Wie bekomme ich heraus, was der Mandant wirklich will? Wie wichtig die Kommunikation ohne Worte ist, zeigte die glänzende Vorstellung von Rechtsanwalt Karsten U. Bartels. Kompetenz, Übersicht und Souveränität kann ein Anwalt auch durch seine Haltung, seinen Gang und seinen Blick ausdrücken.. Das für viele heikelste Alltagsthema behandelten Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann und Rechtsanwalt und Notar Wolfgang Schwackenberg brilliant: Das Gespräch über das Honorar. Der Anwalt muss wissen, was er wert ist. Rechtsanwalt Dr. Nicolas Lührig, Berlin 1 Mediator Stefan Kessen. 2 Rechtsanwalt Dr. Christian Duve. 3 Rechtsanwalt Dr. Rainer Ponschab. 4 Rechtsanwalt Karsten U. Bartels. 5 Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann. 6 Rechtsanwalt und Notar Wolfgang Schwackenberg. AnwBl 7 /

56 MN 61. Deutscher Anwaltstag eine Steigerung des Honorarumsatzes um 40 Prozent bei fast der Hälfte der Befragten sei ein deutliches Zeichen für den Nutzen des Fachanwaltstitels, wobei sich die wirtschaftliche Besserstellung nach Fachgebieten aufteile: Hohe Umsatzsteigerungen verbuchen Medizin-, Steuer- und Arbeitsrechtler, weniger hoch sind sie bei Miet- oder Bau- und Architektenrechtlern, fand Hommerich heraus. Auch ein Vorurteil gegenüber dem Fachanwaltstitel konnte die Studie widerlegen. Die Befürchtung, dass der Anwalt mit dem Titelzusatz auf dem Briefkopf nur noch als Spezialist wahrgenommen wird und keine Fälle aus anderen Rechtsgebieten erhält, bestätigt sich nicht, gab Rechtsanwalt Kilian zur Entwarnung. Nur dreizehn Prozent der Befragten gaben an, dass durch den Titel Mandate aus anderen Bereichen ausgeblieben sind. Polyzentrischen Kanzleinetzwerken Allerdings intensivieren viele Fachanwälte ihre Tätigkeit in ihrem Spezialgebiet. Das ist einerseits Ergebnis der wirtschaftlichen Vorteile, andererseits könne ein Anwalt dadurch seine Tätigkeit effizienter gestalten, weil er seine Kenntnisse zielgerichteter einsetzen könne. Der Trend zu einer klaren Spezialisierung nimmt zu, sagte Kilian. Beispielgebend sind wieder die Medizinrechtler, bei denen ein überdurchschnittlicher Anteil angibt, sich ganz auf das Spezialgebiet zu verlegen. Die bewusste Profilschärfung bringt nach der Bewertung der Umfrageergebnisse die größten Effekte für den Anwalt, resümierte er. Die Leiter der Untersuchung sehen perspektivisch den Trend zu polyzentrischen Kanzleinetzwerken. Mehr Kanzleien werden sich voll spezialisieren und sich wiederum mit Kanzleien, die andere Spezialisierungen anbieten, vernetzen, vergleichbar mit Fachärzten, die sich in Gesundheitszentren zusammenschließen. Dabei kommen auch ganz neue Herausforderungen hinsichtlich der Führung solcher Kanzleikooperationen auf die Anwaltschaft zu, denn es muss das Zusammenspiel verschiedener Kanzleien koordiniert werden. Der Anstieg der Fachanwälte wäre damit tatsächlich nur der Vorbote eines tiefgreifenden Strukturwandels. Assessor Dr. Justus von Daniels, Berlin Ausschuss Europäisches Vertragsrecht Sprache und Recht, international Auslegung von Verträgen und Vertragstexten der EU Der Anwalt hat nicht mehr als sein Wort, um sein Argument durchzusetzen. So eröffnete Rechtsanwalt Prof. Dr. Graf von Westphalen als Vorsitzender des Ausschusses Europäisches Vertragsrecht die Fachveranstaltung zum Thema Kommunikation und Recht beim Anwaltstag in Aachen. Was aber, wenn, zusätzlich zu den durch den grenzüberschreitenden Charakter oft sehr komplexen kollisionsrechtlichen Fragestellungen, die Tücken der verwendeten Vertragssprache hinzutreten? Dieser Frage wendete sich in einem ersten Referat Rechtsanwalt Dr. Dr. Georg Maier-Reimer aus Köln. Jede Sprache hat ihre eigene Rechtssprache. Jede ihre eigene Systematik und Begrifflichkeit. Keineswegs immer sind die verwendeten Wörter und Begriffe in die jeweils andere Rechtssprache zu übersetzen. Oft bedürfen sie kundiger Übersetzung im wahrsten Sinne des Wortes durch den Anwalt. Dieser muss es schaffen, den jeweiligen Begriff nicht nur sicher an das Ufer des eigenen Rechts, sondern auch in den richtigen Hafen zu bringen. Besonders deutlich treten hier Probleme auf, wenn Englisch als Vertragssprache bei Geltung des deutschen Rechts gewählt wird. Maier-Reimer zeigte an mehreren Beispielen aus der Rechtsprechung die Schwierigkeiten auf, die durch den Import des Bedeutungsgehalts bestimmter englischsprachiger Begriffe bei Geltung des deutschen Rechts entstehen. Eines der Beispiele umfasste die häufig in Verträgen auftauchende Formel, dass der Schuldner sich bereit erklärt, to use his best efforts oder verspricht reasonable efforts einzuhalten, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Auslegung bei Verträgen... Was dann die Parteien wirklich gemeint haben, ist dann wenn denn überhaupt nur durch mühselige Auslegungsprozesse zu klären, die häufig nicht mehr außergerichtlich bewältigt werden können. Hilfreich könne eine allgemeine Vertragsregelung sein, nach der sich die Auslegung nach deutschem Recht richtet. Wo immer bestimmte Rechtsinstitute wie eine Beschaffenheitsgarantie gemeint sind, sei es sinnvoll den entsprechenden Terminus ausdrücklich zu nennen. Noch besser sei es, den Inhalt des gemeinten Begriffs durch einen Klammerzusatz zu umschreiben.... und bei unbestimmten Rechtsbegriffen Über die Schwierigkeiten der Auslegung des sekundären Gemeinschaftsrechts, also insbesondere von Richtlinien und Verordnungen referierte der britische Barrister Hugh Mercer, Queen s Council (London). Zwar sei europäisches Recht ein einheitliches Recht, es gelte aber in 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und alle Sprachen seien nach der Rechtsprechung des EuGH für die Auslegung von Richtlinien/Verordnungen gleichermaßen bedeutsam. Gemeinschaftsrechtsakte seien überdies immer nur im Lichte des Gemeinschaftsrechts auszulegen. Ausgehend von der hier zugrundeliegenden CILFIT-Rechtsprechung des EuGH, stellte Mercer die Schwierigkeiten dar, die sich aus dem Fehlen der Möglichkeit einer grammatikalischen Auslegung aufgrund der unterschiedlichen Sprachfassungen im Europäischen Parlament als Co-Gesetzgeber ergeben. Daher käme es, wie in der Rechtsprechung des EuGH entwickelt, auf die Zielrichtung des Gemeinschaftsrechtsakts an. Welche Schlussfolgerungen konnte der Besucher der Veranstaltung für die anwaltliche Praxis ziehen? Hugh Mercer kam zu dem Schluss, dass man unterschiedliche Sprachfassungen und Unklarheiten in Rechtstexten eher als Chance denn als Bedrohung sehen solle. In zahlreichen Fällen habe er auf diese Weise durch die Heranziehung mehrerer Sprachfassungen eines Richtlinientextes Vorteile für seine Mandantschaft erreichen können. Dies gelte unter der Voraussetzung des Wissens um die kritischen Punkte eines Vertrags auch für die Vertragsgestaltung: In der Hand eines guten Anwalts ist jeder Begriff unbestimmt, so urteilte Teilnehmer Prof. Dr. Carsten A. Salger. Rechtsanwältin Eva Schriever, Berlin/Brüssel 496 AnwBl 7 / 2010

57 MN 61. Deutscher Anwaltstag AG Strafrecht Die juristische Dimension der Zivilcourage Wie der Staat mit dem Strafrecht Zivilcourage fördern könnte Zivilcourage wird gemeinhin als so genanntes weiches Thema wahrgenommen. Der Fall Brunner, bei dem sich ein Mann im vergangenen Jahr gegen die Bedrohung einiger Jugendlicher in München zur Wehr setzte und dabei getötet wurde, steht exemplarisch für Zivilcourage: dass man als Bürger bei Bedrohungen anderer nicht wegschaut, sondern Mut zur Gegenwehr aufbringt. Die Podiumsveranstaltung Zivilcourage im strafrechtlichen Focus: Helfen oder Wegschauen? der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht hat gezeigt, dass Zivilcourage jedoch deutlich mehr Facetten hat und durchaus mehrere juristische Implikationen besitzt. Wenn der Bürger einem anderen bedrohten Bürger hilft, wird das rechtlich als Nothilfe bezeichnet. Unter diesem Aspekt hat die Rechtsanwältin Ines Kilian aus Dresden eine rechtssoziologische Studie zum Thema Zivilcourage erstellt. Sie hat herausgefunden, dass viele Bürger Nothilfe restriktiv verstehen. Sie halten eine Ausweichpflicht für das oberste Gebot und kennen kaum die Dimension der Güterabwägung. Immerhin hatte ein Drittel der Befragten schon Erfahrungen mit Nothilfesituationen. Die Bereitschaft zu helfen und tatsächliche Nothilfe sind weit verbreiteter als uns die Medien glauben machen wollen, folgerte Kilian. Keine Zeit zum Helfen Auch der Kriminologe Helmut Kury hat beobachtet, dass diese Art der Hilfsbereitschaft früher keineswegs besser war, sondern genauso groß oder gering wie heute. Allerdings sieht er einen Trend bei Jugendlichen, dass diese vermehrt Hilfe für andere ablehnen. Keine Zeit, habe bizarrerweise ein besonders häufig genannter Grund für das Fehlen der Hilfsbereitschaft gelautet. Der Journalist Hans Leyendecker von der Süddeutschen Zeitung vermutet dahinter ein gesamtgesellschaftliches Phänomen: Das Kalkulieren ist zum Prinzip geworden. Man will Unannehmlichkeiten vermeiden, so Leyendecker. Kury bestätigte diese Einschätzung: Sich nicht einzumischen ist eine neue kulturelle Haltung. Er hat herausgefunden, dass viele Befragte eher aus Angst vor den Netzwerken der Täter als vor juristischen Konsequenzen Hilfe verwehren. Der Staat bestraft Zivilcourage Einen gänzlich anderen Aspekt der Zivilcourage griff der Strafverteidiger Rechtsanwalt Werner Leitner auf. Er brachte die Begriffe ziviler Ungehorsam und Zivilcourage zusammen und meinte damit das Verhalten des Bürgers gegenüber dem Staat. Zivilcourage ist auch der Mut, sich gegen staatliche Handlungen zu wehren, wenn diese akut rechtswidrig sind. Konkret spielte Leitner auf den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte an. Er mache die Erfahrung, dass die Justiz diese Form der Zivilcourage eher bestrafe als ermutige. Die Justiz geht sehr ambivalent mit der Zivilcourage um: In Nothilfesituationen begrüßt sie die Haltung; dieselbe Haltung des Bürgers gegenüber dem Staat wird jedoch bestraft. Um Zivilcourage bei den Bürgern zu fördern, gehöre auch, dass der Gesetzgeber eine strafrechtliche Verschiebung zum Schutz der Zivilcourage gegenüber dem Staat vornehmen muss, forderte Leitner. Rechtsanwalt Dr. Ulrich Sommer versuchte als Leiter der Diskussion zwischen den Statements immer wieder eine Definition des Begriffs. Zwischenzeitlich resümierte er, Zivilcourage ist das Einstehen des Bürgers für bestimmte Werte und Prinzipien durch Handlungen. Auch Informanten üben Zivilcourage Erweitert wurde der Begriff Zivilcourage schließlich von dem Journalisten Hans Leyendecker, der ein weiteres juristisch brisantes Thema in den Begriff mit einbezog: den Informanten, der die wichtigste Quelle eines investigativen Journalisten ist. Ein Informant, der Missstände aufdeckt und zur Veröffentlichung an Journalisten weiterleitet, verhält sich extrem couragiert, da er den Mut aufbringt, für seine ethische Haltung bestimmte Geheimhaltungspflichten zu verletzen oder seinen Arbeitsplatz aufs Spiel zu setzen. Leyendecker berichtete, dass diese Bürger häufig große persönliche Schäden davon tragen, wenn sie selbst in das Licht der Öffentlichkeit geraten. Dann werden sie schnell Opfer der medialen Inszenierung. Daher müsse man psychologisch und rechtlich sehr behutsam mit Informanten umgehen, um weiterhin diese couragierte Haltung zu fördern. Eine endgültige Definition des Begriffs sprang bei der Diskussion letztlich nicht heraus. Aber die Veranstaltung bewies, dass Zivilcourage nicht nur eine ethische Herausforderung darstellt, sondern dass sie mehrere juristische Dimensionen besitzt, die bisher kaum in einen gemeinsamen Zusammenhang gestellt wurden. Konsequenz der Diskussion wird sein, diesen Zusammenhang nun zu systematisieren und Rechtsprechung und Gesetzgebung dafür zu sensibilisieren. Assessor Dr. Justus von Daniels, Berlin 1 Hans Leyendecker beleuchtete den Begriff Zivilcourage aus journalistischem Blickwinkel: Mit Informanten müsse man behutsam umgehen; sie könnten sonst persönliche Schäden davontragen. 2 Rechtsanwalt Werner Leitner beobachtete: Zivilcourage in Nothilfesituationen wird begrüßt, gegenüber dem Staat werde sie jedoch bestraft. 3 Rechtsanwalt Dr. Ulrich Sommer moderierte die Podiumsdiskussion. 4 Der Kriminologe Helmut Kury sah keinen Unterschied in der Hilfsbereitschaft von heute und früher. Jedoch werde mangelnde Zeit heute als Grund für ablehnende Hilfe häufiger genannt. 5 Rechtsanwältin Ines Kilian: Bereitschaft zur Hilfe größer als die Medien glaubhaft machen AnwBl 7 /

58 MN 61. Deutscher Anwaltstag Ausschüsse Strafrecht und Informationsrecht Compliance: Viele Fragen ungeklärt Interne Unternehmensbefragung und -ermittlung Die Ausschüsse Straf- sowie Informationsrecht beschäftigten sich auf dem 61. Deutschen Anwaltstag mit den internen Unternehmensermittlungen, wie sie bei Siemens, Daimler, MAN, Deutsche Bahn und Deutsche Telekom stattgefunden haben. Alle reden von Compliance. Und zwar so, als ob sie nicht Teil des Rechts, sondern ein neues Ordnungsinstitut neben dem Recht wäre. Die Unternehmen verhalten sich, als gelte es, in vorauseilendem Gehorsam gegenüber den Strafverfolgungsbehörden ihren Rückstand an Kriminalitätsvorsorge durch eine geradezu aufgedrängte Hilfe bei der Ermittlung aufzuholen, schrieb Hamm in der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW 19/2010, Seite 1332 ff.). Die Diskussion auf dem Deutschen Anwaltstag zeigte schnell, dass sich im Zusammenhang mit internen Ermittlungen noch viele ungeklärte strafrechtliche, arbeitsrechtliche sowie datenschutzrechtliche, aber auch berufrechtliche Rechtsfragen stellen. Die Anwesenden diskutierten auch über das im Zusammenhang mit internen Ermittlungen entstandene neue Berufbild des Strafverteidigers, der als Unternehmensanwalt tätig wird. Neues Anwaltsbild? Die Praxis zeigt, dass, kaum bahnt sich ein Skandal an, Anwaltskanzleien für die Ermittlungen zur Hilfe geholt werden. Während früher ausschließlich Polizei und Staatsanwaltschaft für die unangenehmen Durchsuchungen und Hausbesuche sorgten, filzten im Fall Siemens auch private Ermittler die Unterlagen und befragten Mitarbeiter. In diesem Fall entsandt von einer amerikanischen Anwaltskanzlei Deebevoise & Plimpton, die durch einen Partner des Frankfurter Büros auf der Veranstaltung vertreten war, und zwar auf Rechnung des Ermittlungsobjekts Siemens. Das Outsourcing der Strafverfolgung ist derzeit en vogue. Den Anwälten obliegt zunehmend mehr eine Sonderaufgabe, die von ihnen selbst teilweise schon mit Compliance und Forensic Service als bevorzugten Berufsgegenstand beworben wird. Die Standortbestimmung und Rollendefinition des Unternehmensanwalts ist angesichts der gestiegenen und einem Wandel unterworfenen praktischen Bedeutung zu einer zentralen Fragestellung geworden, wenngleich es den Unternehmensanwalt immer schon gab. Problem Selbstbelastung Inzwischen sind jedoch Strafverteidiger, Arbeitsrechtler und Datenschützer auf vielerlei juristische Probleme gestoßen. Dies zeigte die Diskussion auf dem Anwaltstag, bei der die Juristen feststellten, dass die bisherigen Schutzregeln der Strafprozessordnung durch die privaten Ermittlungen ausgehebelt würden, insbesondere hinsichtlich des Schweigerechts. Arbeitsrechtler und Datenschützer bemängelten, dass vor allem die Mitarbeiter ungeschützt seien. Grundsätzlich träfe den Arbeitnehmer eine Verpflichtung, bei der Aufklärung mitzuwirken, so Rechtsanwältin Dr. - Nathalie Oberthür (Köln). Für den Fall, dass der Beschäftigte sich mit seiner Aussage selbst belastet, fordern die Strafverteidiger wenigstens ein Verbot der Aussagenverwertung für ein anschließendes Strafverfahren. Da der Anreiz zur Durchführung interner Ermittlungen übermächtig zu werden drohe und die schützenden Funktionen des Strafrechts außer Kraft gesetzt seien, forderte Rechtsanwältin Dr. Anne Wehnert (Düsseldorf), rechtspolitische Grenzen zu ziehen, um den Unternehmensanwälten bei ihrer hoch verantwortlichen Aufgabe eine Richtschnur an die Hand zu geben. Denkbar sei ein German Corporate Investigation Kodex, für den Wehnert neun Punkte auf der Veranstaltung benannte. Der auf der Veranstaltung auch vertretenen Ansicht, Schweigerecht und Datenschutz der Beschäftigten würden bei internen Ermittlungen gewahrt werden, wollten die anwesenden Juristen überwiegend nicht folgen. Rechtsanwältin Tanja Brexl, Berlin AG Syndikusanwälte Compliance: Was machen Bosch und Siemens? Einblicke in die Unternehmenspraxis für Syndikusanwälte Die Arbeitsgemeinschaft der Syndikusanwälte hat sich auf dem Anwaltstag dem Thema Compliance gewidmet. Compliance, verstanden im weiten Sinne als Modus, der nach Art einer Risikoanalyse durch Organisation, Strukturierung, Auswahl und Durchsetzung von Maßnahmen sicherstellt, dass das Unternehmen groß oder klein im Einklang mit dem Recht und den wohlverstanden technischen und sonstigen Anforderungen im Geschäftsverkehr handelt, vor allem Kartellverstöße und Korruption meidet und sich als Partner eines fairen Wettbewerbs versteht. Es ist dies ein Thema, das die Syndikusanwälte besonders interessiert. Deshalb steht es schon seit vielen Jahren immer wieder einmal auf der Agenda des jährlichen Syndikusanwaltstags im November. In diesem Jahr konnte der Veranstalter auch anknüpfen an das vorzügliche DAV Forum Compliance am 26. März 2010 in Düsseldorf. Dem Veranstalterund Adressatenkreis entsprechend ging es auf dem Anwaltstag vornehmlich um die organisatorischen Probleme und die Rechtsfragen, die sich bei der Einrichtung von Compliance im Unternehmen stellen. Schlanke Organisation oder... Im ersten Teil der Veranstaltung handelte Rechtsanwalt Dr. Heiko Carrie, Chefsyndikus der Robert Bosch GmbH, Stuttgart vom Aufbau einer schlanken Compliance Organisation. Der Anfang seiner Überlegungen ist die These, dass es auch in einem großen Konzern nicht zwingend einer Compliance Organisation mit mehreren hundert Mitarbeitern bedarf, wie das vielfach heute festzustellen ist. Im Einzelfall können solche umfangreichen Systeme durchaus ihre Berechtigung haben, aber es geht auch schlanker. Diesen Weg ist Bosch gegangen, freilich vom Ausgangspunkt, dass keine systematischen Rechtsverstöße und keine Flächenbrände im Unternehmen feststellbar waren. Bei diesem Weg muss aber die Situation des Hauses durchgehend und stets genau beobachtet werden und 498 AnwBl 7 / 2010

59 MN 61. Deutscher Anwaltstag jene Flexibilität in der Compliance Struktur vorhanden sein, die es ermöglicht, auf Änderungen der Situation und auf das Auftreten vieler und größerer Compliance Vorgänge sofort mit starken Kräften in Aufklärung und Verfolgung zu reagieren. Die Organisation muss die Grundlasten selbst stemmen und im Übrigen atmen können, um Spitzenbedarfe aufzufangen und externen Rat heranzuziehen. Die Compliance Struktur stellt sich dar in den drei Säulen: (1) Entwurf und Entfaltung der unternehmensinternen Codices, Richtlinien, Prozesse Definition der Spielregeln, (2) Information und Schulung der Mitarbeiter sowie Beratung im Einzelfall, (3) Entwicklung eines Hinweisgebersystems und Sachaufklärung im Einzelfall. Klammer des Ganzen ist die Compliance Abteilung. Sie macht die Compliance Struktur im Unternehmen bekannt, wählt die geeigneten Mitarbeiter aus (daran darf man nicht sparen) und agiert im engsten Kontakt mit dem Vorstand. Sie integriert schon bestehende compliancerelevante Systeme wie z. B.Datenschutz und Umwelt und hütet auch die Wirtschaftlichkeit. Für einen Konzern mit ca. 40 Milliarden Euro Umsatz und Mitarbeitern an 290 Standorten, der schon deshalb unterschiedliche Jurisdiktionen und unterschiedliche Kulturen auf der Basis eines weltweiten und anspruchsvollen Mindeststandards versöhnen muss, ist die Compliance Organisation in der Spitze durchaus schmal. Das Compliance Committee besteht aus den Leitern Recht und Revision sowie fünf permanenten Mitarbeitern. Hinzu treten 35 Compliance Officers aus und für jeweilige Regionen. Allerdings darf die Truppe, ausgestattet mit vollem fachlichem Weisungsrecht neben Recht, Revision und Personal die jeweils relevanten Fachabteilungen und den Werkschutz in Anspruch nehmen. So gesehen ist sie ganz schön schlagkräftig.... umfassende Strukturen? Den zweiten Teil der Veranstaltung bestritt Rechtsanwalt Dr. Klaus Moosmayer, Compliance Operating Officer und Chief Counsel Compliance & Investigations, Siemens AG mit dem Vortrag Aktuelle Rechtsfragen bei der Implementierung eines Complianceprogramms im Unternehmen. In der Siemens AG gibt es eine groß besetzte Compliance Organisation mit vielen Hundert Mitarbeitern. In der Wertung 1 1 Rechtsanwalt Dr. Heiko Carrie (Bosch). 2 Rechtsanwalt Dr. Klaus Moosmayer (Siemens). der Compliance Aufgaben stimmten die Referenten trotz der Unterschiede in den Volumina grundsätzlich überein. Moosmayer setzte aber umfassendere Akzente und begann mit einer Analyse der Rechtsgrundlagen für Compliance im OWiG ( 130, 9) und in dem neueren 33 WpHG, der Maßnahmen der Compliance in anschaulicher Form aufschreibt. Hauptrisiko bei Complianceverstößen ist der Reputationsschaden für das Unternehmen und dessen Ausschluss von öffentlichen Aufträgen. Der Inhalt der Aufsichtspflicht, die vor allem regelmäßige Kontrolle und Nachverfolgung sowie schließlich Sanktionsdurchsetzung umfasst, wurde erläutert. Die Organisation der Compliance hat als Ziele: Vermeiden, Früherkennung, Reaktion. Diesen Zielen hat die Organisation in dem schon erläuterten Drei-Säulen-Modell zu dienen. Sie ist autonom zu gestalten und hoch aufzuhängen (beim CCO). Der Referent erläuterte die Organisation bei Siemens. Die Übersicht enthielt gewissermaßen die gesamte Compliance-Palette. Von besonderer Bedeutung ist das Profil des Compliance Officers (Vorbildfunktion, Führungserfahrung Change Manager, Erfahrung im Projektmanagement, Kenntnis des Geschäfts, des Rechts und der Unternehmensprozesse). Vor diesem Hintergrund besprach Moosmayer die Entscheidung des BGH vom 17. Juli 2009, in der nach einer Beschreibung des Compliancewesens eine Anknüpfung für die Haftung des Compliance Officers vielleicht gefunden werden mag. Aus der Fülle der angesprochenen Fragen und der Excellenz der Referenten ergab sich eine lebhafte Diskussions- und Fragerunde, die ebenso wie die Einleitung zu dieser trefflichen und informativen Veranstaltung moderiert wurde von dem Verfasser dieser Zeilen. Rechtsanwalt Dr. Peter Hamacher, Köln 2 AG Verwaltungsrecht Wattenscheid, Dillingen, Staufen, Nachterstedt: Haftung für Bergschäden? Die Fachveranstaltung der Arbeitsgemeinschaft für Verwaltungsrecht im DAV Landesgruppe Sachsen/Sachsen- Anhalt/Thüringen auf dem 61. Deutschen Anwaltstag in Aachen galt einem aktuellen bergrechtlichen Thema. Das Bergschadensrecht mit seinen schwierigen Anforderungen an den Kausalitätsbeweis stellt ein Paradebeispiel zum Generalthema des Anwaltstages Kommunikation im Kampf ums Recht dar. Der Anwalt, der für seinen Mandanten einen Bergschadenersatzanspruch erfolgreich durchsetzen will, ist hier in besonderem Maße auf Kommunikation mit verschiedenen Fachleuten angewiesen. Nach einer Einführung durch den zweiten Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft, Fachanwalt für Verwaltungsrecht Prof. Dr. Hans-Jürgen Müggenborg (Aachen), zeigte Univ.-Prof. Dr. Walter Frenz (Leiter des Forschungsgebietes Berg-, Umwelt- und Europarecht der RWTH Aachen) zum Thema Haftung für Gebirgsschläge, Grundwasserwiederanstieg und Geothermiebohrungen die rechtlichen Grundlagen der bergrechtlichen Verantwortlichkeiten in den genannten drei Bereichen auf. Es folgten zwei praktische Vorträge. Dr.-Ing. Klaus Freytag (Präsident des Landesamtes für Bergbau, Geologie und Rohstoffe des Landes Brandenburg, Cottbus) stellte verschiedene bergmännische und technische Ursachen für Bergschäden dar. Anschließend führte Hubert von Grabczewski (Vorstandsvorsitzender des Verbandes wassergeschädigter Haus- und Grundeigentümer, Neuss) Fallbeispiele geschädigter Haus- und Grundeigentümer vor, die das ganze Ausmaß möglicher Bergschäden anschaulich aufzeigten. Um den Haftungsumfang und die Frage, ob Anwohner Unterlassungsansprüche geltend machen können, ging es im Vortrag von Müggenborg. Im abschließenden Vortrag behandelte Fachanwalt für Verwaltungsrecht Prof. Dr. Martin Beckmann (Münster) die Anforderungen an die Standsicherheit im Bergbau. Rechtsanwalt Prof. Dr. Hans-Jürgen Müggenborg, Aachen AnwBl 7 /

60 MN 61. Deutscher Anwaltstag Rechtsanwalt Dr. Dieter Sellner erhielt von DAV-Präsident Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer in der Zentralveranstaltung die Hans-Dahs-Plakette. Sellner sagte zur Laudatio von Ewer: Vielen herzlichen Dank. Es wird schon stimmen. Personalien Dieter Sellner erhält Hans-Dahs-Plakette Auf dem 61. Deutschen Anwaltstag in Aachen wurde Herrn Rechtsanwalt Dr. Dieter Sellner aus Berlin die Hans- Dahs-Plakette verliehen. Sie wird an Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte verliehen, die sich gleichermaßen um die Anwaltschaft und um ihre Verbindung zur Wissenschaft verdient gemacht haben. Sie stellt die höchste Auszeichnung der deutschen Anwaltschaft dar und wird in der Zentralveranstaltung des Anwaltstags vergeben. Die Voraussetzungen werden von Herrn Dr. Sellner geradezu übererfüllt, hob der DAV-Präsident, Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer, in seiner Laudatio hervor. Während seiner Tätigkeit habe sich Sellner insbesondere auch dem Emissionsschutzrecht und dem Umweltrecht allgemein gewidmet. Schon 1992 sei er vom damaligen Bundesumweltminister Prof. Dr. Klaus Töpfer in eine achtköpfige Kommission zur Erarbeitung des Entwurfs eines Umweltgesetzbuches berufen worden. Darüber hinaus habe er auch auf andere Weise die Verbindung von anwaltlicher Praxis und wissenschaftlicher Vertiefung gefördert. Umfängliche und nachhaltige Verdienste um den DAV habe er sich durch langjährige ehrenamtliche Tätigkeiten innerhalb des DAV erworben, beispielsweise als Vorsitzender des DAV-Umweltrechtausschusses. Quelle: DAV-Pressemitteilung Nr. 15/2010 Die 1973 geschaffene Hans-Dahs-Plakette erinnert an den 1972 verstorbenen Rechtsanwalt Prof. Dr. Hans Dahs, der dem Vorstand des DAV von 1955 bis 1971 angehörte. Rechtsanwalt Dr. Hans C. Lühn wurde mit der Walther- Oppenhoff-Medaille ausgezeichnet. Er dankte dem DAV für die Möglichkeit, im internationalen Bereich zu arbeiten: Ich habe begeistert erlebt, was die Freiheit der Advokatur bedeutet. Personalien Walter-Oppenhoff-Medaille an Hans C. Lühn verliehen Die Walter-Oppenhoff-Medaille wurde im Rahmen des 61. Deutschen Anwaltstages in Aachen an Rechtsanwalt Dr. Hans C. Lühn, Münster, verliehen. Mit dieser Medaille werden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ausgezeichnet, die sich in beispielhafter Weise für das Ansehen der deutschen Anwaltschaft in der internationalen Rechtsgemeinschaft eingesetzt haben. Mit Rechtsanwalt Dr. Hans C. Lühn ehrt der DAV einen Menschen, der sich in fast 40 Jahren seiner beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt und Personalien Eckhard Höfle mit Ehrenzeichen geehrt Anlässlich seiner Mitgliederversammlung auf dem 61. Deutschen Anwaltstag in Aachen hat der Deutsche Anwaltverein Rechtsanwalt und Notar Eckhard Höfle aus Groß-Gerau mit dem Ehrenzeichen der Deutschen Anwaltschaft ausgezeichnet. Eckhard Höfle hat sich insbesondere um das Verkehrsrecht und um die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht in besonders hohem Maße verdient gemacht, so Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer, Präsident des DAV, in seiner Laudatio. Es lasse sich kaum schildern, was er für die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht alles getan hat. Durch seinen Esprit und Humor, den alle, die ihn kennen würden, an ihm schätzen, gelinge es Notar durch sein langjähriges Engagement im DAV und im internationalen Bereich um die Anwaltschaft verdient gemacht hat, so Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer, DAV-Präsident, in seiner Laudatio. Ihn würden hohe fachliche Qualifikationen, Geradlinigkeit, kulturelle Vielfältigkeit, Humor und menschliche Wärme auszeichnen. Lühn war von 1991 bis 2009 Vorstandsmitglied des DAV, ab 2002 DAV- Vizepräsident. Er war Mitglied in zahlreichen Ausschüssen und Arbeitsgemeinschaften des DAV. Im Zentrum der Ehrung steht sein Engagement im internationalen und europäischen Bereich. Von 1993 bis 2009 war er Mitglied der deutschen Delegation des Rates der Europäischen Anwaltschaften (CCBE), von 2002 bis Ende 2004 deren Leiter. Seine Expertise konnte er auch in den Berufsrechtsausschuss des CCBE einbringen, so arbeitete er auch am so genannten Code of Conduct, der Berufsordnung des europäischen Dachverbandes, mit. Quelle: DAV-Pressemitteilung Nr. 16/2010 Die Walther-Oppenhoff-Medaille ist nach Rechtsanwalt Dr. Walter Oppenhoff benannt, der wesentlich nach dem 2. Weltkrieg dazu beigetragen hat, die deutsche Anwaltschaft in die Rechtsgemeinschaft aller Staaten zurückzuführen. ihm immer wieder, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. Deshalb ist er auch als Ansprechpartner bei Journalisten sehr beliebt, so Ewer weiter. Eckhard Höfle gehörte dem Geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht von 1999 bis 2010 an. Zuletzt hatte er das Amt des Schatzmeisters inne. Dem DAV-Gesetzgebungsausschuss Verkehrsrecht gehörte er von 1985 bis 2007 an, seit 1990 also 17 Jahre lang als Vorsitzender. Quelle: DAV-Pressemitteilung Nr. 14/2010 Foto: Rechtsanwalt Eckhard Höfle wurde in der Mitgliederversammlung des DAV mit dem Ehrenzeichen der Deutschen Anwaltschaft ausgezeichnet. Er dankte dem DAV-Präsidenten Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer für die Laudatio mit den Worten: Ich muss nicht alles unstreitig stellen, aber ich bestreite lediglich mit Nichtwissen. 500 AnwBl 7 / 2010

61 MN 61. Deutscher Anwaltstag Beim Begrüßungsabend dankte der DAV-Präsident Prof. Dr. Wolfgang Ewer vor allem dem Aachener Anwaltverein für die Gastfreundschaft. 2 Der Vorsitzende des Aachener Anwaltvereins Edgar Joussen freute sich, dass der Anwaltstag nach 1969 zum zweiten Mal in Aachen war. 3 Mitgastgeber des Begrüßungsabends war die Rechtsanwaltskammer Köln. Ihr Präsident Dr. Hubert van Bühren begrüßte die Teilnehmer. 4 DAV-Vizepräsidentin Verena Mittendorf, DAV-Vizepräsident Friedwald Lübbert (l.) und Dr. Friedhelm Kieserling (Vorsitzender des Anwaltvereins Hamm). 5 Ehrengäste aus der Türkei: Die Rechtsanwälte Mehmet Turgoy Bilge und Talay Senol mit DAV- Vorstand Rechtsanwältin Rita Schulz-Hillenbrand. 6 Die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger beim Empfang der FDP-Bundestagsfraktion anlässlich des 61. Deutschen Anwaltstags mit (v.l.n.r.) Dr. Burkhard Hirsch (ehemaliger Bundestagsvizepräsident) und Andreas Schiller (Vorsitzender des DAV-Landesverbandes Thüringen) und DAV-Vizepräsident Ulrich Schellenberg. 7 Die Präsidentin der Rechtsanwaltskammer Berlin Irene Schmid und Markus Hartung (Berufsrechtsausschuss des DAV). 8 Ronald Richter (Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht, l.) und Dr. Karl Bialek. 9 Dr. Kurt Franz (Bundesjustizministerium, l.) und Oliver Sabel (Bundesjustizministerium, r.) mit DAV-Vizepräsident Prof. Dr. Hans-Jürgen Hellwig. 10 Dr. Michael Bücken (Vorsitzender des DAV-Verkehrsrechtsausschuss), Prof. Dr. Jobst-Hubertus Bauer (Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht) und Dr. Thilo Wagner (DAV-Vorstand). 11 In Aachen machte der örtliche Anwaltverein Werbung für die anwaltliche Rechtsberatung. 12 Die Pressekonferenz am ersten Tag des Anwaltstags warsehrgutbesucht. 13 Treffpunkt auf der Advotec: Der Stand des Deutschen Anwaltvereins. AnwBl 7 /

62 MN Aus der Arbeit des DAV Vertrauensberufe brauchen Rahmen, der den Vertraulichkeitsschutz sichert Tätigkeitsbericht der Geschäftsführung auf der Mitgliederversammlung des DAV in Aachen vorgestellt Aus der Arbeit des DAV 502 Tätigkeitsbericht der Geschäftsführung Rechtsanwalt Dr. Cord Brügmann, Hauptgeschäftsführer des DAV 503 Deutscher Anwaltverein Präsident des BVerfG im DAV-Haus 503 DAV-Pressemitteilung Kein Sonderrecht für Soldaten 504 AG Verkehrsrecht Richard-Spiegel-Preis zum ersten Mal an eine Frau verliehen Rechtsanwältin Bettina Bachmann 505 DAV Brüssel Jahresempfang: Neuer Wind in bewährten Segeln Rechtsanwältin Eva Schriever 506 DAV-Gesetzgebungsausschüsse Stellungnahmen 506 AG Strafrecht Dialog von Anwälten und Richtern auf höchstem Niveau Rechtsanwältin Tanja Brexl 508 AG Bank- und Kapitalmarktrecht Wenn Trends auch woanders gesetzt werden... Rechtsanwalt Dr. Kolja Dörrscheidt 509 AG Agrarrecht Mitgliederversammlung 509 AG Versicherungsrecht Mitgliederversammlung 509 AG Familienrecht Mitgliederversammlung 510 Deutsche Anwaltakademie Nachrichten 510 AG Anwältinnen Mitgliederversammlung 511 AG Handels- und Gesellschaftsrecht Mitgliederversammlung 511 Ansbacher Anwaltsverein Ausbildung für alle 511 Personalien Eberhard Haas 75 Rechtsanwalt Felix Busse 511 Personalien Neuer Vorsitzender Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Anwaltvereins Rechtsanwalt Dr. Cord Brügmann (Foto) hat in der Mitgliederversammlung des DAV am 12. Mai 2010 auf dem 61. Deutschen Anwaltstag in Aachen den Tätigkeitsbericht der Geschäftsführung für das Jahr 2009/ 2010 vorgestellt. Der ausführliche Tätigkeitsbericht liegt diesem Anwaltsblatt bei. Das Anwaltsblatt dokumentiert Auszüge. Vor einem Jahr hatte ich an dieser Stelle berichtet, dass 2009/2010 für den DAV kein Jahr der großen, rechtspolitischen Paukenschläge, sondern ein Jahr stiller, konzentrierter Arbeit auf vielen Feldern sein wird. Das hat sich für den Berichtszeitraum (zwischen der Mitgliederversammlung am 20./21. Mai 2009 in Braunschweig und der Mitgliederversammlung auf dem 61. Deutschen Anwaltstag 2010 in Aachen am 12. Mai 2010) bestätigt war Wahljahr und die Arbeit im Bundestag nimmt erst langsam Fahrt auf. In rechtspolitischer Hinsicht stand die Auseinandersetzung der DAV-Ausschüsse mit den Wahlprogrammen und dem Koalitionsvertrag im Vordergrund: Eine Reihe von Ausschüssen hat Stellungnahmen zu Vorhaben des Koalitionsvertrags abgegeben, in denen sie diese aus Sicht der Anwaltschaft bewertet haben. Hier war der DAV nicht nur kritischer Begleiter, sondern auch Anstoßgeber. Mit einem Eckpunktepapier für eine Stiftung Datenschutz hat der DAV die Diskussion bereichert. Spannungsfeld Sicherheit/Freiheit Auch im Berichtsjahr 2009/2010 war das Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Freiheit Thema für den DAV: Nicht zuletzt den nachdrücklichen Bemühungen der Anwaltschaft ist es zu verdanken, dass im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, die normative Trennung der Anwaltschaft in Strafverteidiger einerseits und alle übrigen Anwälte andererseits rückgängig zu machen: Inzwischen hat der vom Bundesjustizministerium vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung von 160 a StPO das Bundeskabinett passiert. Der DAV begrüßt die Änderung. Allerdings muss klar sein, dass es sich hierbei nur um einen ersten Schritt handeln kann weitere Vertrauensberufe brauchen gerade in einer Zeit, in der Vertrauens- Die Mitgliederversammlung des Deutschen Anwaltvereins fand auf dem 61. Deutschen Anwaltstag in Aachen statt. 502 AnwBl 7 / 2010

63 MN Aus der Arbeit des DAV verlust in Staat und Institutionen beklagt wird, Rahmenbedingungen, um den Bürgerinnen und Bürgern den Vertraulichkeitsschutz zu gewähren, der gerade in einer immer offeneren Gesellschaft nötig ist. Das Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften trat am 1. September 2009 in Kraft. Nunmehr ist es möglich, drei anstatt wie bisher zwei Fachanwaltsbezeichnungen zu tragen. Die Regelungen des FGG bei berufsrechtlichen Streitigkeiten wurden durch die des VwVfG und der VwGO ersetzt, womit eine alte Forderung des DAV erfüllt wurde. Der Rechtsanwalts- Ombudsmann wurde Gesetz es ist damit zu rechnen, dass er seine Tätigkeit im Sommer 2010 aufnehmen wird. Mit der Fachanwaltschaft für Agrarrecht wurde die 20. Fachanwaltschaft eingeführt. Im benachbarten Berufsrecht der Notare standen die Arbeiten an der Notarfachprüfungsverordnung im Fokus. Der DAV-Forderung nach einer längst überfälligen Anpassung der Anwaltsgebühren hat sich nunmehr auch die Bundesrechtsanwaltskammer angeschlossen. Die Arbeit der Gesetzgebungs- und Fachausschüsse findet nach wie vor höchste Anerkennung bei Ministerien und in Parlamenten. Dank des unermüdlichen Engagements hervorragender Fachleute aus dem Kreis der DAV-Mitglieder ist der DAV ein gern gesehener Ansprechpartner für die Politik in Berlin und Brüssel. Die Serviceleistungen des DAV wurden weiter ausgebaut. Hier sei nur die DAV-Service-Hotline erwähnt: Unter der Telefonnummer konnten wir eine vierstellige Anzahl von Anfragen zu gebührenrechtlichen Themen beantworten. Deutscher Anwaltverein Andreas Voßkuhle im DAV-Haus Der neue Präsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Andreas Voßkuhle hat Ende Mai den Deutschen Anwaltverein in Berlin besucht. Er wurde im DAV-Haus vom Präsidenten des Deutschen Anwaltvereins Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer begrüßt. Im Mittelpunkt des Gesprächs standen aktuelle rechts- und verfassungspolitische Fragen. Ewer bedauerte, dass er an der Amtseinführung von Voßkuhle am 14. Mai 2010 in Karlsruhe wegen des 61. Deutschen Anwaltstags in Aachen nicht teilnehmen konnte. DAV-Imagekampagne Die Mitgliederversammlung des DAV hat im Herbst 2009 die Fortführung der DAV-Imagekampagne befürwortet. Die Mitglieder des Deutschen Anwaltvereins haben sich mit großer Mehrheit für eine Erhöhung der Mitgliedsbeiträge zur teilweisen Finanzierung dieser Imagewerbung ausgesprochen. Aktuelle Informationen erhalten die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte im DAV weiterhin durch die DAV-Depesche, den Newsletter Europa im Überblick und natürlich das Anwaltsblatt. Auch das Anwaltsblatt Karriere, unser Angebot an Studierende und Referendare, hat sich mittlerweile im Markt fest etabliert: Der DAV-Stellenmarkt und viele Servicethemen vermitteln angehenden Kolleginnen und Kollegen ein positives und modernes Bild des DAV. In den nächsten Monaten wird den DAV neben den erwähnten Themenbereichen das Thema Compliance, zu dem im März 2010 ein mit 400 Kolleginnen und Kollegen hervorragend besuchtes DAV-Forum stattfand, und das Thema Datenschutz beschäftigen. Der DAV wird den Gesetzgeber bei seinen Vorhaben weiter konstruktiv begleiten. Die Arbeitsgemeinschaften im DAV werden weiter wachsen und einen großen Teil der Attraktivität des DAV ausmachen. Die Mitgliedsvereine werden ebenfalls stärker werden und damit den DAV zu einer noch deutlicher vernehmbaren Stimme werden lassen. Der DAV wird Ihnen weiterhin brauchbare Dienstleistungen anbieten. Für jede Rechtsanwältin, für jeden Rechtsanwalt soll sich im Leistungsspektrum des DAV und seiner Vereine ein Angebot finden, das den Mitgliedsbeitrag rechtfertigt. Rechtsanwalt Dr. Cord Brügmann, Hauptgeschäftsführer des DAV Der 36-Seiten starke Tätigkeitsbericht der Geschäftsführung des Deutschen Anwaltvereins liegt diesem Heft des Anwaltsblatts als Beilage bei. Foto: Prof. Dr. Andreas Voßkuhle (r.) mit Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer. DAV-Pressemitteilung Kein Sonderrecht für Soldaten Ein jetzt vorgelegter Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums sieht vor, dass Leipzig der zentrale Standort für Ermittlungen und Prozesse gegen Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz werden soll. Bislang waren in der Regel die Staatsanwaltschaften und die Gerichte an dem Ort zuständig, an dem der Soldat seinen Wohnsitz hat. Nach Ansicht des Deutschen Anwaltvereins ist eine ausdrückliche Zuständigkeitsregelung für Straftaten im Zusammenhang mit Auslandseinsätzen von Soldaten schädlich und wird als unnötiger Aktivismus abgelehnt. Wir brauchen kein Sonderrecht für Soldaten, so Rechtsanwalt Michael Rosenthal vom DAV-Strafrechtsausschuss. Die Behauptung des Entwurfs, für solche Verfahren sei eine Spezialkenntnis der militärischen Abläufe und Strukturen erforderlich, sei übertrieben. Spezielle Kenntnisse in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht würden allen Gerichten in den unterschiedlichsten Verfahren zugemutet. Warum Soldaten eine Sonderbehandlung erfahren sollten, sei deshalb nicht ganz nachvollziehbar. Der Staatsbürger in Uniform ist erst einmal Staatsbürger, die Uniform kommt dann, so Rosenthal weiter. Quelle: DAV-Pressemitteilung Nr. 13/2010 AnwBl 7 /

64 MN Aus der Arbeit des DAV AG Verkehrsrecht Richard-Spiegel-Preis zum ersten Mal an eine Frau verliehen Frühjahrstagung in Mainz Die Verkehrsrechtler haben die ehemalige BGH-Vizepräsidenten Dr. Gerda Müller ausgezeichnet. Die Preisverleihung fand im Rahmen der Frühjahrstagung statt. Die Frühjahrstagung der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht wurde am 23. April 2010 in Mainz mit der Mitgliederversammlung eröffnet. Rechtsanwalt und Notar Eckhard Höfle aus Groß-Gerau, der dem Geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht von 1999 bis 2010 angehört hat, stellte sich nicht zur Wiederwahl. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft, Rechtsanwalt und Notar Jörg Elsner, würdigte Höfle als klugen und wichtigen Ratgeber. Er dankte Höfle für all das, was er für die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht geleistet und erreicht hat. Neu in den Geschäftsführenden Ausschuss wurde Rechtsanwältin Dr. Daniela Mielchen aus Hamburg gewählt. Die Mitgliederversammlung hat beschlossen, eine Juniormitgliedschaft einzuführen. Danach beträgt für Mitglieder, die bei ihrem Eintritt bereits Mitglied im Forum Junge Anwaltschaft des Deutschen Anwaltvereins sind, der Jahresbeitrag 50 Euro für die Dauer der Mitgliedschaft im Forum Junge Anwaltschaft, maximal bis zum Ablauf des dritten Jahres nach Eintritt in die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht. Hierdurch erhofft man sich einen Zuwachs an jungen Mitgliedern. Am nächsten Tag referierten im Rahmen der Tagung Die Rechtsprechung des BGH in Verkehrssachen im Jahr 2009 der Vorsitzende Richter am BGH Wolfgang Ball, die Richterin am BGH Angela Diederichsen und die Vorsitzende Richterin am BGH Dr. Ingeborg Tepperwien über die neueste Rechtsprechung des BGH zum Autokauf- und Autoleasingrecht, zum Haftpflichtrecht und zum Verkehrsstrafrecht und Strafverfahrensrecht. Den Abschluss der Frühjahrstagung stellte ein Doppelvortrag der Rechtsanwälte Dr. Michael Burmann und Dr. Rainer Heß dar. Im anschaulichen Vortrags Die diesjährige Preisträgerin des Richard-Spiegel- Preises Dr. Gerda Müller (BGH-Vizepräsidentin zum Zeitpunkt der Verleihung) und Rechtsanwalt und Notar Jörg Elsner (Vorsitzender der AG Verkehrsrecht). 2 Kay Nehm (Präsident des Deutschen Verkehrsgerichtstages und Generalbundesanwalt a.d.) hielt die Laudatio. 3 Gäste bei der Verleihung: Rechtsanwalt Oskar Riedmeyer (DAV-Vizepräsident, Geschäftsführender Ausschuss der AG) und Ingeborg Tepperwien (Vorsitzende Richterin am BGH des IV. Strafsenats, zum Zeitpunkt der Verleihung). 4 Rechtsanwalt Dr. Frank Häcker (Geschäftsführender Ausschuss der AG) und Angela Diederichsen (Richterin am BGH). 5 Gregor Galke (Vorsitzender Richter am BGH, VI. Zivilsenat, l.) und Rechtsanwalt Dr. Michael Burmann (Geschäftsführender Ausschuss der AG, r.) Rechtsanwalt Dr. Cord Brügmann (DAV-Hauptgeschäftsführer, l.) und Rechtsanwalt Philipp Wendt (Geschäftsführer der Deutschen Anwaltakademie). 7 Zur 9. Verleihung des Richard-Spiegel-Preises waren die bisherigen Preisträger (v.l.n.r.) Präsident des Brandenburgischen OLG a. D. Dr. Peter Macke, Präsident des Saarländischen OLG Prof. Dr. Roland Rixecker, Präsident des Deutschen Verkehrsgerichtstages und Generalbundesanwalt a. D. Kay Nehm, Rechtsanwalt und Notar a. D. Alfred Fleischmann, Professor Dr. (em.) Friedrich Dencker, Rechtsanwalt Rolf-Dieter Beck und Vorsitzender Richter am BGH a. D. Dr. Erich Steffen angereist. 8 Der Geschäftsführende Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft (v.l.n.r.) Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen Oskar Riedmeyer, Bettina Bachmann, Dr. Michael Burmann, Dr. Daniela Mielchen, Dr. Georg Greißinger, Jörg Elsner, Dr. Klaus Schneider, Michael Bücken und Frank Häcker. 504 AnwBl 7 / 2010

65 MN Aus der Arbeit des DAV duett beleuchteten sie unter dem Motto Mehr oder weniger statt alles oder nichts die Quotenbildung nach dem neuen VVG. Als glanzvoller Höhepunkt der Frühjahrestagung wurde am Sonntag der 1994 von der Arbeitsgemeinschaft gestiftete Richard-Spiegel-Preis im kurfürstlichen Schloss in Mainz an Dr. Gerda Müller, Vizepräsidentin des BGH a. D., verliehen. Mit dem Richard- Spiegel-Preis werden Persönlichkeiten ausgezeichnet, die sich um das Verkehrsrecht außerordentlich verdient gemacht haben. In seiner Laudatio würdigte der Präsident des Deutschen Verkehrsgerichtstags und Generalbundesanwalt a. D. Kay Nehm, der selbst auch Spiegelpreisträger ist, die Verdienste Müllers um das Verkehrsrecht. Die neue Preisträgerin habe sich innerhalb und außerhalb ihrer richterlichen Tätigkeit in besonderer Weise für das Verkehrsrecht und dessen Fortentwicklung eingesetzt. Sie habe es verstanden, die aktuellen Probleme der ihr anvertrauten Rechtsgebiete mit hoher juristischer Kompetenz in allen Verästelungen gedanklich zu verarbeiten, nüchtern und offen zu diskutieren und Lösungen zu entwickeln, die über den Tag und über den Einzelfall hinaus Bestand hätten. Müller habe trotz ihrer großen zeitlichen Beanspruchung immer den Kontakt zur richterlichen und anwaltlichen Praxis gesucht und gepflegt. So habe sie mehrfach als Referentin und Arbeitskreisleiterin beim Verkehrsgerichtstag in Goslar fungiert. Auch der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht sei Müller als langjährige Referentin verbunden. Müller führte in ihrer humorvollen Dankesrede aus, dass sie aufgrund ihrer neuen Funktion als Ombudsfrau des Bundesverbandes Deutscher Banken, in der ihr häufig ungefilterte Informationen zugingen, die Tätigkeit der Anwaltschaft noch mehr schätzen gelernt habe. Die Anerkennung, die ihr die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht entgegenbringe, beruhe auf Gegenseitigkeit. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht Elsner bezeichnete Müller als standhafte Hüterin der Rechte des Geschädigten. Er konnte unter den knapp 100 Gästen zahlreiche prominente Vertreter der Justiz, der Anwaltschaft, der Versicherungswirtschaft und der im Verkehrsrecht aktiven Verbände begrüßen. Rechtsanwältin Bettina Bachmann, Berlin DAV Brüssel Jahresempfang: Neuer Wind in bewährten Segeln Welche Chancen bietet die Schaffung des neuen Amtes der Justizkommissarin in der Person von Kommissionsvizepräsidentin Viviane Reding? Brauchen wir neben einer Justizkommissarin auch eine eigene Generaldirektion Justiz? Diese Frage diskutierte der DAV bei seinem diesjährigen Brüsseler Jahrsempfang im Frühjahr in den Räumen der Landesvertretung Berlin. Rund hundert Gästen waren gekommen, darunter zahlreiche Beamte der Kommission, Mitglieder des Europäischen Parlaments, Brüsseler Anwälte sowie Vertreter der Landesvertretungen. Dieses Fazit zog als Hauptredner des Abends der Kabinettchefs der neuen Justizkommissarin Viviane Reding, Dr. Martin Selmayr. Selmayr stellte die wichtigsten Ziele der kommenden Monate und auch die Zusammenarbeit mit der Kommissarin für Inneres, Cecila Malmström, dar. Die Grundrechtecharta zum Kompass ihrer Arbeit als Kommissarin machen, wolle Reding. Erstes Beispiel hierfür sei der Kommissionsvorschlag vom 9. März 2010 zu der bereits durch Ratsinitiative im Dezember auf den Weg gebrachten Richtlinie über das Recht auf Übersetzung und Dolmetschleistung im Strafverfahren. Zentral sind hier aus Sicht der Kommission drei Punkte: Zum einen die Übersetzung der Kommunikation zwischen dem Beschuldigtem und seinem Anwalt, die Verzichtsmöglichkeit auf das Recht auf Übersetzung und Dolmetschleistung nur nach vorheriger Beratung mit dem Rechtsanwalt und das Recht auf Übersetzung aller Beweisdokumente. Die Anwaltschaft nahm diese Antwort auf ihre Forderungen mit Applaus zur Kenntnis. Vorsicht sei für Reding aber ansonsten im materiellen Strafrecht geboten, wo die nationalen Parlamente über ein Vetorecht verfügten. Mehr Ehrgeiz werde die Kommissarin im Zivilrecht an den Tag legen. Hier stünden zunächst alle Initiativen im Vordergrund, mit denen der Verbraucher in Berührung kommt, also zum Beispiel die verstärkte Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Bereich des Scheidungsrechts oder die von der Kommission angestrebte Neuregelung der Pauschalreisen. Besonderes Engagement gelte auch dem gemeinsamen Referenzrahmen im Vertragsrecht. Unter Verweis auf den US Uniform Commercial Code sprach Selmayr die Hoffnung aus, ein solches Werk vielleicht auch für Europa auf den Weg bringen könne. All diese Vorschläge finden sich im Aktionsprogramm der Kommission für den Bereich Justiz und Inneres, das die Kommission mittlerweile am 20. April 2010 verabschiedet hat. Es listet über 170 Einzelinitiativen in diesem Bereich für die kommenden fünf Jahre auf. Trennung auch der Generaldirektionen Zentraler Punkt in der durch den Focus-Journalisten Stefan Borst geleiteten Podiumsdiskussion war die Trennung nicht nur der Kommissare Justiz- und Inneres sondern auch der Generaldirektion. Seit der CCBE-Präsidentschaft von DAV-Vizepräsident Hans-Jürgen Hellwig im Jahre 2004 stand die Forderung der Schaffung eines eigenständigen Justizressorts im Raum. DAV-Vizepräsident Hans-Jürgen Hellwig und der grüne Abgeordnete Jan Philipp Albrecht mahnten an, dass eine vollständige Trennung für die Transparenz in den Entscheidungsprozessen erforderlich sei. Die Forderung ist inzwischen erfüllt (siehe Bericht aus Brüssel in diesem Heft auf Seite VI). Rechtsanwältin Eva Schriever, Brüssel Auf dem Podium diskutierten (v.l.n.r.): Prof. Dr. Hans-Jürgen Hellwig (DAV-Vizepräsident), Stefan Borst (Korrespondent Focus), Dr. Martin Selmayr (Kabinettchef von Vizepräsidentin Viviane Reding, Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft), Axel Voss (Mitglied Europäisches Parlament), Hasso Lieber (Justizstaatssekretär Berlin) und Jan Philipp Albrecht (Mitglied Europäisches Parlament) AnwBl 7 /

66 MN Aus der Arbeit des DAV DAV-Gesetzgebungsausschüsse Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben Der Deutsche Anwaltverein begleitet aktuelle Gesetzesvorhaben auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. 33 Gesetzgebungsausschüsse des Deutschen Anwaltvereins erarbeiten und formulieren Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen. Das Anwaltsblatt weist regelmäßig auf wichtige Stellungnahmen der Ausschüsse hin. Alle Stellungnahmen finden Sie im Internet Interessenvertretung/Stellungnahmen. Ausschuss Ausländer- und Asylrecht 9 Verbesserter Arbeitsmarktzugang (25/2010) Der DAV unterstützt den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Streichung des Optionszwanges aus dem Staatsangehörigkeitsrecht ( 29 StAG, Bundestags-Drucksache 17/542 vom ) und den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts (Bundestags-Drucksache 17/773 vom ). Er spricht sich dafür aus, bei ius-soli-deutschen die Mehrstaatigkeit unbefristet hinzunehmen. Ausschuss Strafrecht 9 Gerichtsstand für Bundeswehr (22/2010) Der DAV lehnt in der Stellungnahme die Pläne für eine zentrale Zuständigkeit der Justiz in Leipzig für Soldaten im Auslandseinsatz ab (siehe Meldung in diesem Heft auf Seite 503). Ausschüsse Zivilrecht und Verwaltungsrecht 9 Überlange Verfahren (26/2010) Der DAV hat in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungen Stellung genommen und begrüßt den Entwuf (siehe Meldung auf Seite 489 in diesem Heft). AG Strafrecht Dialog von Anwälten und Richtern auf höchstem Niveau 13. Strafverteidiger-Frühjahrssymposium im Mai 2010 in Karlsruhe Die Arbeitsgemeinschaft Strafrecht bietet im Frühjahr im Wechsel das Frühjahrssymposium und die Petersberger Tage an. Dieses Jahr kamen zum Symposium dank hochkarätiger Referenten - rund 260 Strafverteidiger, Bundesrichter und Vertreter der Bundesanwaltschaft, um über aktuelle Themen der Revisionsrechtsprechung zu diskutieren. Der Vorsitzende des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft, Rechtsanwalt Werner Leitner, begrüßte die Teilnehmer der ausverkauften Veranstaltung. Generalbundesanwältin Prof. Monika Harms sprach sich in ihrer Begrüßungsrede für den berufsübergreifenden Dialog mit den Strafverteidigern losgelöst vom alltäglichen Druck aus, weite er doch den Blick. Sie kritisierte das Gesetz zu den Absprachen. Es führe zum Ausweichen in informelle Verfahren sowie in die Flucht in den Konsens und in die Mediation. Rechtsanwalt Prof. Dr. Gunter Widmaier stellte in seinem Eingangsreferat die Frage Revision quo vadis?. Bei einem Blick auf die materiell-rechtliche Rechtsprechung der Strafsenate des BGH ergebe sich ein überwiegend positiver Befund. Dieser lasse sich jedoch leider nicht auf die strafprozessuale Rechtsprechung des BGH und auf die materiell-rechtliche Urteilsüberprüfung im weiteren Sinne übertragen. Der revisionsrechtliche Alltag sei im Erleben der Verteidiger trostlos. Nach einer von Armin Nack, Vorsitzender Richter am BGH, für die 1990er-Jahre erstellten Statistik hätten nur etwa ein Prozent der erhobenen Verfahrensrügen Erfolg. Die Erfolgsquote von Verfassungsbeschwerden sei mehr als doppelt so hoch. Sie liege nach einer Statistik des Bundesverfassungsgerichts in den Jahren 2000 bis 2008 bei 2,1 Prozent. Als Hauptursache der geringen Erfolgsquote nennt Herr Prof. Dr. Widmaier das revisionshindernde Eingreifen der verfahrensrechtlichen Rechtsprechung des BGH in das bis dahin fest gefügte Regelwerk der Strafprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgesetz. 153 a StPO in der Revision? Die Vorsitzende Richterin am BGH Prof. Dr. Ruth Risssing-van-Saan sowie Rechtsanwalt Dr. Klaus Leipold referierten zu dem Thema Die Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht. Rissing-van-Saan ging auf die Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht im Kontext eines geänderten Revisionsverständnisses und gewandelter Revisionspraxis ein. Beachtlich sei ihrer Auffassung nach, dass sich die Revision durch richterrechtliche Erweiterung der revisionsrechtlichen Prüfungskompetenz in den letzten 30 Jahren nicht unerheblich verändert habe, was in den 333 ff. StPO kaum Niederschlag gefunden habe. Einer Eröffnung der Einstellungsmöglichkeit nach 153 a StPO auch für das Revisionsgericht erteilte sie eine Absage. Das würde für den Rechtsstaat auf das Ganze gesehen mehr Schaden denn Nutzen nach sich ziehen und sei daher entbehrlich. Rechtsanwalt Dr. Klaus Leipold beurteilte die Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht aus anwaltlicher Sicht. Sein Wunsch an die Bundesrichter sei, dass es eine größere Anzahl von Hauptverhandlungen vor dem Revisionsgericht gäbe, und zwar voller Disputation, voller Rechtsgespräche, aber auch mit einer gehörigen Portion gesundem Menschenverstand gespickt. Gewaltherrschaft des Konsenses? Mit der Strafzumessung in der Revision beschäftigten sich Rechtsanwalt Dr. Gerhard Strate sowie Prof. Dr. Günther Sander, Richter am Bundesgerichtshof. Sander berichtete, dass die Aufhebungen im Bereich der Strafzumessung regelmäßig mehr als ein Drittel der begründeten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ausmachen. Strate stellte fest, dass erfolgreiche Revisionen wegen Fehler bei der Strafzumessung rückläufig seien, u. a. wegen der Einführung des Gesetzes zur Verständigung im Strafverfahren, durch dass das sog. Konsensprinzip seine Gewaltherrschaft angetreten habe. Rechtsanwalt Eberhard Kempf sowie der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Armin Nack setzten sich mit dem Thema Der (zu) späte Beweisantrag und die vom Bundesverfassungsgericht im Oktober 2009 als zulässig erachtete Fristenlösung so- 506 AnwBl 7 / 2010

67 MN Aus der Arbeit des DAV Rechtsanwalt Werner Leitner (Vorsitzender der AG Strafrecht, M.) begrüßte Prof. Monika Harms (Generalbundesanwältin) und Wolfgang Schlick (Vizepräsident des BGH, l.). Schlick kritisierte in seinem Grußwort den vom Bundesministerium der Justiz vorgelegten Entwurf eines Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren. Es sei nicht hilfreich und habe in Bezug auf das im Ausgangsverfahren vorgesehene parallele EntschädigungsverfahreninderRichterschaftdesBGHzugroßenIrritationen geführt. 2 Rechtsanwalt Prof. Dr. Gunter Widmaier referierte zum Thema Revision quo vadis?. Er kritisierte das Eingreifen der BGH-Rechtssprechung in das feste Regelwerk der StPO und des GVG. Bisher gesicherte prozessuale Positionen würden weiter eingeschränkt. 3 Zur Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht sprach Prof. Dr. Ruth Rissing-van-Saan (Vorsitzende Richterin am BGH). 4 Rechtsanwalt Dr. Klaus Leipold forderte mehr Hauptverhandlungen vor dem Revisionsgericht und ein fundiertes Rechtsgespräch. Er betonte die fundamentalen Unterschiede zu Hauptverhandlungen in den Instanzen. 5 Thema des Referats von Prof. Dr. Günther Sander und... wie der bisherigen Rechtsprechung zum Zurückweisungsgrund der Prozessverschleppungsabsicht auseinander. Kempf vertrat die Auffassung, dass die von der Rechtsprechung aus der Taufe gehobene Fristenlösung nur durch den Gesetzgeber entschieden werden dürfe. Die Kritiker der Rechtsprechungslösung sprächen daher begründeterweise von einer dem Gesetz fremden, verkappten Präklusion des Beweisantragsrechts. Durch die Fristsetzung werde der Prozess der Wahrheitsfindung beeinträchtigt und unbestreitbarer Druck auf den Antragsteller ausgeübt. Nach dem Statement des Vorsitzenden Richter am BGH Armin Nack werde spätestens nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts der Einwand der Literatur, die Fristsetzung sei verfassungswidrig und auch mit 246 Abs. 1 StPO unvereinbar, in der Rechtsprechung des BGH nicht durchgreifen. Wie viel Sprengstoff in dieser Thematik liegt, wurde in der Diskussion deutlich, an der sich auch die BGH-Richter beteiligten. Am zweiten Tag der Veranstaltung sprachen zum Unternehmensstrafrecht in der Revision Richter am BGH Prof. Dr. Thomas Fischer sowie Rechtsanwalt Werner Leitner. Leitner stellte fest, dass sich de facto längst ein Unternehmensstrafrecht praeter legem etabliert habe. Ebenso hätten sich der Begriff und die Funktion des Unternehmensverteidigers bereits etabliert. Fischer ergänzte das Referat von Leitner um aktuelle Problembereiche und Entwicklungen des Unternehmensstrafrechts aus dem Blickwinkel des Revisionsgerichts Rechtsanwalt Dr. Gerhard Strate war die Strafzumessung in der Revision: Ein Drittel der Entscheidungen des BGH würden im Bereich der Strafzumessung aufgehoben werden. 7 Rechtsanwalt Eberhard Kempf referierte über den (zu) späten Beweisantrag: Die von der Rechtsprechung contra legem durchgesetzte Fristenlösung breche in die gesetzliche Ordnung des Beweisantragsrechts ein. Durch die Fristsetzung werde der Prozess der Wahrheitsfindung beeinträchtigt. 8 Armin Nack (Vorsitzender Richter am BGH) sagte dazu: Der Strafverteidiger sollte sich, auch wenn ihm das verständlicherweise schwer falle, auf die BGH- Rechtsprechung einstellen. 9 Prof. Dr. Thomas Fischer (Richter am BGH) und Rechtsanwalt Werner Leitner sprachen zum Unternehmensstrafrecht in der Revision: Unternehmerisches Verhalten stehe verstärkt im Fokus des höchst richterlichen Prüfstandes. 11 Stefan Schmandt (Staatsanwalt beim BGH) und Rechtsanwalt Dr. Jürgen Deckers referierten über die höchstrichterlichen Anforderungen an besondere Beweiskonstellationen. 13 Rechtsanwalt Dr. Wilhelm Krekeler (Ehrenmitglied der AG) und Rechtsanwältin Verena Mittendorf (DAV-Vizepräsidentin). Abschließend referierten Staatsanwalt beim BGH Stefan Schmandt sowie Rechtsanwalt Dr. Rüdiger Deckers zu den Höchstrichterlichen Anforderungen an besondere Beweiskonstellationen Aussage gegen Aussage, Aussage von Mitbeschuldigten oder des Kronzeugen. Rechtsanwältin Tanja Brexl, Berlin AnwBl 7 /

68 MN Aus der Arbeit des DAV AG Bank- und Kapitalmarktrecht Wenn Trends auch woanders gesetzt werden... Frühjahrssymposium in London mit viel Rechtsvergleichung Das Ziel wurde erreicht: Informationen aus erster Hand standen beim ersten Symposium der AG Bank- und Kapitalmarktrecht in London im Vordergrund. Ziemlich genau ein Jahr nach dem ersten internationalen Frühjahrssymposium der AG Bank- und Kapitalmarktrecht in Brüssel fand Mitte März 2010 die mit 65 Teilnehmern sehr gut besuchte Folgeveranstaltung in London statt. Sie wurde mit einer Legal London Tour eingelautet. Den Fachteil eröffnete Thomas Huertas. Als Direktor der Abteilung Bankenaufsicht der englischen Financial Services Authority (FSA) berichtete er unter dem Titel Crisis: Cause, Containment and Cure aus erster Hand über die in den vergangenen Jahren erfolgten Verwerfungen an den Kapitalmärkten, die hieraus bereits gezogenen aufsichtsrechtlichen Konsequenzen und die derzeit diskutierten Lösungsansätze. Ausweg Honorarberatung Der Niederlassungsleiter der Quirin Bank AG in München, Dr. Nikolaus Braun, referierte zu dem Titel Produktverkauf vs Honorarberatung. Dabei machte er erwartungsgemäß deutlich, dass bei dem herkömmlichen provisionsbasierten Vertrieb die Falschberatung aufgrund von Interessengegensätzen systembedingt sei. Eine für den Kunden optimale Dienstleistung könne nur durch eine Honorarberatung erreicht werden, die zu Kostentransparenz und einem Interessengleichlauf zwischen Bank und Kunde führe. Braun räumte jedoch ein, dass auch die Honorarberatung ihre Grenzen habe. Insbesondere für den Massenmarkt der Kleinanleger mit Einlagen unterhalb von Euro könne eine Honorarberatung kaum wirtschaftlich angeboten werden. Die Abkehr von der provisionsbasierten Beratung hin zur Honorarberatung hat durch eine Studie der FSA mit dem Titel Retail Distribution Review (RDR) prominente Unterstützung erhalten. Die Essenz dieser Studie besteht im Wesentlichen in drei Verbesserungsvorschlägen der FSA, die den Teilnehmern des Symposiums durch Clifford Smouth (Associate Partner) und Caroline Gardner (Direktorin des Corporate Finance Insurance Strategy Team, beide Deloitte, London) nä- 1 Rechtsanwalt Paul H. Assies (Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht) begrüßte die Teilnehmer. 2 Rechtsanwältin Julia Heise (Geschäftsführender Ausschuss der AG Bank- und Kapitalmarktrecht). 3 Die Veranstaltung fand in der Law Society in London statt. 4 Thomas Huertas (Financial Service Authority) berichtete über das Bankenaufsichtsrecht Englands und die Vorzüge des neuen Banking Act Rechtsanwalt Dr. Nikolaus Braun, Caroline Gardner und 7 Clifford Smout referierten über das Provisionssystem in Großbritannien und die Auswirkungen der britischen Regulierungspläne auf Deutschland. 8 Rechtsanwälte Lachel Burn und Oliver Dreher verglichen das englische und das deutsche Haftungsrecht. 10 Etay Katz und Simon Crown sprachen über Fehlverhalten in der Emittenten- und Vertriebshaftung. 12 Dr. Konstanze von Papp (l.) und Autumn Ellis verschafften einen Überblick über die Rechtsverfolgung im Bankenrecht in England. Auf besonderes Interesse stießen die Ausführungen zu den Disclosure-Regelungen, die deutlich über die 142, 421 ff. ZPO hinausgehen. 13 Auch das Plenum diskutiete mit. 14 Der High Court of Justice in London AnwBl 7 / 2010

69 MN Aus der Arbeit des DAV hergebracht wurden: (1) Verbesserung der Beratungsstandards durch Anhebung der für Berater geltenden minimalen Qualitätsanforderungen und Einführung eines Ethikkodexes, (2) Offenlegung gegenüber dem Kunden, ob der Berater in der Auswahl seiner Produkte beschränkt ist und (3) das Verbot der provisionsbasierten Beratung, sofern die Provisionen vom Emittenten und nicht offen vom Kunden gezahlt werden. Ob diese Vorschläge allesamt umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Im thematischen Anschluss an den Eröffnungsvortrag berichteten Clifford Smouth und Caroline Gardner sodann weiter über Bericht Regulation after the Turner Review, ein Arbeitspapier des FSA, benannt nach dem Chairman der FSA, Adair Turner. Haftungs- und Verfahrensrecht Der zweite Tag des Frühjahrssymposiums begann mit einem Vortrag von Oliver Dreher (Partner Linklaters, Frankfurt) und Lachal Burn (Partner Linklaters, London) mit dem Titel Haftungsrecht: Ein Vergleich zwischen dem englischen und dem deutschen System, der zunächst einen generellen Überblick über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Rechtssysteme gab. Dabei wurde deutlich, dass die Haftungskonzepte trotz Unterschieden im Detail viele Gemeinsamkeiten aufweisen. Diese neu gewonnenen Kenntnisse vertieften Etay Katz (Senior Associate Allen & Overy, London) und Simon Crown (Partner Clifford Chance, London) mit ihren Vorträgen Misconduct: Issuer, Distributors Liability under English law. Katz legte den Schwerpunkt auf die regulatorischen Rahmenbedingungen. Simon Crown beleuchtete im Anschluss bestehende Risiken auf Grundlage des englischen statutory and common law. Zu guter Letzt gaben Rechtsanwältin Dr. Konstanze von Papp und Autumn Ellis (Senior Associate, beide Allen & Overy, London) einen Überblick über die Rechtsverfolgung in England insbesondere im Bankrecht. Es ist zu hoffen, dass diese rundum gelungene Veranstaltung im nächsten Jahr ihre Fortsetzung finden wird. Rechtsanwalt Dr. Kolja Dörrscheidt, Berlin AG Agrarrecht Mitgliederversammlung Die diesjährige 1. Sommertagung findet am 19. und 20. August 2010 im Saarland statt. Tagungshotel ist das Hotel Linslerhof, Überherrn/Saarland ( Dort findet am Donnerstag, 19. August 2010 ab Uhr die Mitgliederversammlung statt, zu der der Geschäftsführende Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Agrarrecht des Deutschen Anwaltvereins seine Mitglieder hiermit herzlich einlädt. Der Geschäftsführende Ausschuss gibt die Tagesordnung wie folgt bekannt: 1. Begrüßung durch die Vorsitzende 2. Rechenschaftsbericht des Vorstands 3. Allgemeine Aussprache, insbesondere über die zukünftige Arbeit der Arbeitsgemeinschaft (Veranstaltungen, Themen, Referenten, Orte) 4. Wahl des Kassenprüfers und seines Stellvertreters für das Jahr Verschiedenes Nach 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung der AG Agrarrecht können Anträge zur Tagesordnung von Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft bis spätestens 21 Tage vor Beginn der Mitgliederversammlung gegenüber der Geschäftsstelle (Deutscher Anwaltverein, Arbeitsgemeinschaft Agrarrecht, Littenstraße 11, Berlin) gestellt werden. Ihnen ist stattzugeben, wenn sie jeweils von mindestens 10 Mitgliedern unterstützt werden. AG Versicherungsrecht Mitgliederversammlung Der Geschäftsführende Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht lädt seine Mitglieder sehr herzlich zur diesjährigen Mitgliederversammlung am 24. September 2010, um 17:30 Uhr, im Hotel Elephant, Markt 19 I, Weimar ein und gibt die Tagesordnung wie folgt bekannt: 1. Eröffnung durch die Vorsitzende 2. Geschäftsbericht des Geschäftsführenden Ausschusses 3. Internet und elektronische Kommunikation zwischen den Mitgliedern 4. Berichte der Arbeitskreisleiter 5. Kassenbericht des Schatzmeisters 6. Allgemeine Aussprache 7. Genehmigung der Jahresabschlüsse 2008 und Entlastung des Geschäftsführenden Ausschusses 9. Wahl des Kassenprüfers und seines Stellvertreters für das Haushaltsjahr Wahl des Geschäftsführenden Ausschusses 11. Verschiedenes Nach 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung der Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht können Anträge zur Tagesordnung von Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft bis spätestens 21 Tage vor Beginn der Mitgliederversammlung gegenüber der Geschäftsstelle (Deutscher Anwaltverein Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht-, Littenstraße 11, Berlin) gestellt werden. Ihnen ist stattzugeben, wenn sie jeweils von mindestens 10 Mitgliedern unterstützt werden. AG Familienrecht Mitgliederversammlung Der Geschäftsführende Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht lädt alle Mitglieder herzlich zur Mitgliederversammlung am Samstag, 27. November 2010 von 10:30 bis 12:00 Uhr, im Kongresshotel am Stadtpark, Clausewitzstraße 6, Hannover ein. Tagesordnung 1. Geschäftsbericht des Geschäftsführenden Ausschusses 2. Bericht des Schatzmeisters 3. Bericht der Kassenprüferin 4. Berichte der Regionalbeauftragten 5. Bericht über die aktuellen Werbemaßnahmen 6. Bericht aus der Arbeit des Familienrechtsausschusses 7. Aussprache 8. Entlastung des Geschäftsführenden Ausschusses 9. Wahl der Kassenprüferin/des Kassenprüfers 10. Beschluss über die Reisekostenabrechnung des Geschäftsführenden Ausschusses (in Ergänzung zu 6 Abs. 5 Ziffer 9 der Geschäftsordnung)* 11. Verschiedenes * Information zu 10/Beschluss über die Reisekostenabrechnung des Geschäftsführenden Ausschusses: AnwBl 7 /

70 MN Aus der Arbeit des DAV Deutsche Anwaltakademie Nachrichten Intensivkurs Arbeitsrecht mit Europaschwerpunkt Der Arbeitsrecht Sommerintensivkurs mit Rechtsanwalt Dr. Ulrich Tschöpe, dem Vorsitzenden Richter am BAG Burghard Kreft und Frau Professorin Monika Schlachter legt in diesem Jahr einen der Schwerpunkte auf europäische Entwicklungen. Für die Teilnehmer des Kurses vom 30. August bis zum 3. September in Trier wird zudem eine Führung durch den EuGH ermöglicht. Weinrechtsseminar Neue Leitung Herr Oberamtsrat Wolfgang Haupt aus dem Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft übernimmt ab 2010 die Leitung des traditionellen Weinrechtsseminars der Deutschen Anwaltakademie. Das Seminar findet in diesem Jahr bereits zum 43. Mal statt und wird sich vom 30. August bis zum 4. September mit Fragen des Weinbaus in der Toskana befassen. Rheinisches Erbrechtsforum Bereits zum dritten Mal in Folge bietet die Deutsche Anwaltakademie mit dem Rheinischen Erbrechtsforum eine Plattform für den regionalen Austausch unter Erbrechtspraktikern. Im Rahmen der Tagung am 24. und 25. September wird der Vorsitzende Richter am OLG Köln Rüdiger Pamp die Auskunfts-, Zahlungs- und Herausgabeansprüche bei Kontoverfügungen im Erbfall behandeln. Erstes Halbjahr 2010 erfolgreich Die Deutsche Anwaltakademie hat über Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Veranstaltungen eingebucht und damit ein sehr erfolgreiches erstes Halbjahr 2010 absolviert. Für den Herbst sind erneut über 370 Seminare, Tagungen und Fachanwaltskurse geplant. Das Programm ist unter abrufbar. Erfolgreicher Anwaltstag Die Kongressabteilung der Deutschen Anwaltakademie hat auch in diesem Jahr wieder für den Deutschen Anwaltverein den Anwaltstag mitorganisiert. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Deutschen Anwaltakademie haben so ihren Beitrag zu einem erfolgreichem Anwaltstag geleistet. Foto: Das Anwaltstags-Team der Deutschen Anwaltakademie in Aachen beim 61. Deutschen Anwaltstag. Der Geschäftsführende Ausschuss schlägt in Ergänzung zu 6 Abs. 5 Nr. 9 der Geschäftsordnung folgenden Beschluss vor: Die Mitgliederversammlung beschließt, dass der Geschäftsführende Ausschuss Reisekosten und Tagegelder entsprechend den DAV-Reisekostenabrechnungen und -formularen in ihrer jeweils geltenden Fassung abrechnet. Die derzeitigen Mitglieder des Geschäftsführenden Ausschusses erklären dazu, dass sie wie bisher auch in Zukunft auf der Grundlage der gültigen Reisekostenabrechnungsformulare des DAV abrechnen werden. Anträge von Mitgliedern sind auf die Tagesordnung zu setzen, wenn sie spätestens 21 Tage vor der Mitgliederversammlung dem Geschäftsführenden Ausschuss schriftlich vorliegen und von mindestens zehn Mitgliedern unterstützt werden. Bitte richten Sie Ihre Anträge an die Anschrift: Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im DAV, Littenstraße 11, Berlin. Wichtig für die Wahl mit Stimmkarten: Bitte beachten Sie, dass die Stimmkarten nicht übertragbar sind und nicht an andere Mitglieder weitergereicht werden können. Die Mitgliederversammlung findet im Rahmen der Herbsttagung 2010 der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht statt (24. bis 27. November 2010). Für Fragen und für Anmeldungen zur Herbsttagung 2010 können Sie sich gerne an die Deutsche Anwaltakademie, Tobias Hopf, Littenstraße 11, Berlin, Telefon: 030 / , Fax: 030 / wenden. AG Anwältinnen Mitgliederversammlung Der Geschäftsführende Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen im Deutschen Anwaltverein lädt ein zu Mitgliederversammlung 2010 am Samstag, den 25. September 2010, um 14:40 Uhr in der Handelskammer Bremen, Haus Schütting, Am Markt 13 in Bremen. Vorschlag zur Tagesordnung: 1. Eröffnung durch die Vorsitzende 2. Genehmigung des Protokolls der Mitgliederversammlung vom Tätigkeitsbericht der Vorsitzenden und Aussprache 4. Bericht der Schatzmeisterin und Aussprache 5. Bericht der Kassenprüferin und Entlastung der Kassenprüferin 6. Genehmigung des Jahresabschlusses für Entlastung des Geschäftsführenden Ausschusses für das Jahr Wahl der Kassenprüferin AnwBl 7 / 2010

71 MN Aus der Arbeit des DAV 9. Wahl des Geschäftsführenden Ausschusses 10. Sonstiges Die Teilnahme an der Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft ist kostenlos. Die Mitgliederversammlung findet im Rahmen der 12. Anwältinnenkonferenz Anwältinnen: Mit allen Wassern gewaschen vom 23. September bis 25. September 2010 in der Freien Hansestadt Bremen statt. Für die Teilnahme an der Konferenz wird ein Teilnahmebeitrag erhoben. Nähere Informationen zur Veranstaltung entnehmen Sie bitter der Homepage der AG Anwältinnen unter AG Handels- und Gesellschaftsrecht Mitgliederversammlung Die Arbeitsgemeinschaft Handels- und Gesellschaftsrecht führt ihre diesjährige Mitgliederversammlung am Freitag, 17. September 2010, 18:00 Uhr, im Rahmen des 5. Deutschen Handelsund Gesellschaftsrechtstages 2010 im Hotel Pullman Berlin Schweizerhof, Budapester Straße 25, Berlin, durch und lädt dazu ihre Mitglieder ein. Vorschlag zur Tagesordnung: 1. Geschäftsbericht des Vorsitzenden 2. Kassenbericht des Schatzmeisters 3. Bericht des Kassenprüfers 4. Entlastung des Geschäftsführenden Ausschusses 5. Allgemeine Aussprache 6. Neuwahl des Geschäftsführenden Ausschusses 7. Wahl eines Kassenprüfers 8. Änderung der Geschäftsordnung: 6 Abs. 5 Ziff. 8 neu 9. Reisekostenregelung 10. Sonstiges Zu 8. und 9. wird mitgeteilt, dass der Vorstand des Deutschen Anwaltvereins die Arbeitsgemeinschaften aufgefordert hat, in ihre Geschäftsordnungen eine Rechtsgrundlage für die Aufwandsentschädigungen der Geschäftsführenden Ausschüsse aufzunehmen. In diesem Zusammenhang sind auch die bestehenden Reisekostenregelungen der Geschäftsführenden Ausschüsse zu bestätigen. Anträge von Mitgliedern zur Tagesordnung sind nach 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung bis spätestens 21 Tage vor der Mitgliederversammlung schriftlich an die Geschäftsstelle des Deutschen Anwaltvereins, Littenstraße 11, Berlin, zu richten. Ansbacher Anwaltsverein Ausbildung für alle Bereits zum 12. Mal informierte der Ansbacher Anwaltsverein zusammen mit der Rechtsanwaltskammer Nürnberg auf der Ansbacher Ausbildungsstellenbörse über den Beruf der bzw. des Rechtsanwaltsfachangestellten. Eine Vielzahl von Schülern der 8. bis 11. Klassen aus der Region interessierten sich für den Lehrberuf. Vor Ort waren am DAV-Stand: Rechtsanwalt Stefan Wolf (Rechtsanwaltskammer Nürnberg), Rechtsanwalt Frank Hussennether (2. Vorstand des Ansbacher Anwaltsvereins), Rechtsanwältin Daniela Rubenbauer (Rechtsanwaltskammer Nürnberg) und Rechtsanwalt Sebastian Gramsamer (1. Vorstand des Ansbacher Anwaltsvereins). Personalien Eberhard Haas 75 Bis heute sieht man es ihm nicht an, aber es stimmt: Am 15. Juni 2010 wurde Eberhard Haas 75. Er war als Präsident der Rechtsanwaltskammer Bremen (1980 bis 1992), Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer (1991 bis 1999) und Vorsitzender der 1. und 2. Satzungsversammlung einer der großen Player in der anwaltlichen Berufspolitik in den von Reformen bestimmten 90er Jahren. Er nahm aber auch an der Arbeit seines Bremischen Anwaltvereins stets aktiv Anteil. Die Arbeit an der Verbesserung der Juristenausbildung war ihm ein besonderes Anliegen. In den 80er Jahren arbeitete er lange Zeit im DAV-Ausbildungsausschuss, später im Aufsichtsrat der Hans Soldan Stiftung mit. Ein von ihm einmal zitierter Ausspruch seines Bremer Kollegen Schackow könnte als Leitsatz über sein Wirken geschrieben werden: Jeder Beruf hat sein Idealbild und seine Wirklichkeit. Mit der Wirklichkeit haben wir uns tagtäglich auseinanderzusetzen. Mühsam genug, aber das Idealbild muss uns stets leiten. Über das Idealbild hatte er zu den vom DAV zur Berufsrechtsreform und zur Juristenausbildung eingenommenen Positionen in einigen Kernfragen eine unterschiedliche Sicht. Er nahm aber nie die Wahrheit für sich in Anspruch. Er vertrat seine subjektive Sicht, ohne seinen Konterparts die Lauterkeit und Ernsthaftigkeit von deren abweichender Meinung streitig zu machen. Für ihn waren deshalb die unter seiner Präsidentschaft beschrittenen abweichenden Wege der Kammern nur ein Beitrag zu einem fruchtbaren Wettstreit um das gemeinsame Ziel, das Beste für unseren Berufsstand zu erreichen. Unter diesem Vorzeichen konnte sich die Anwaltschaft auf beiden Seiten wiederfinden und herrschte wechselseitiges Vertrauen. Das brauchen wir auch in der Zukunft. Herzlichen Glückwunsch, Eberhard Haas. Rechtsanwalt Felix Busse, Troisdorf Personalien Neuer Vorsitzender Rechtsanwalt Dr. Michael Brauch (München) wurde auf dem 61. Deutschen Anwaltstag 2010 zum neuen Vorsitzenden des Geschäftsführenden Ausschusses der AG Internationaler Rechtsverkehr gewählt. Rechtsanwalt Dr. Thomas Miller (Berlin) wurde zu seinem Stellvertreter ernannt. Rechtsanwalt Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen (Köln) hat nach fast zehnjähriger Amtszeit den Vorsitz des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft abgegeben. Er bleibt weiterhin Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses. AnwBl 7 /

72 MN Mitteilungen Anwaltsvergütung Reisekosten des auswärtigen Anwalts Abrechnung Kostenerstattung Prozess-/ Verfahrenskostenhilfe Rechtsschutzversicherung Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen Die Reisekosten des Anwalts werden nicht durch seine Gebühren abgegolten, sondern sind als Auslagen zusätzlich zu zahlen. Auch wenn es sich dabei häufig nur um Kleinbeträge handelt, sollten diese nicht vernachlässigt werden. Am Ende eines Jahres zählt jeder Euro. Während die Anwälte die Postentgelte und auch die Kopiekosten häufig minutiös abrechnen, nehmen sie es mit den Reisekosten nicht so genau. Der Autor zeigt die Möglichkeit dieses Auslagentatbestandes im Einzelnen auf. I. Einleitung Neben seinen Gebühren steht dem Anwalt auch Ersatz der anlässlich des Mandats angefallenen Auslagen zu. Dazu gehören neben der Dokumentenpauschale und den Postentgelten auch die Reisekosten. Häufig werden diese Kosten schon gegenüber dem Mandanten nicht geltend gemacht. Erst recht wird dann übersehen, die Reisekosten zur Festsetzung gegen den unterlegenen Gegner anzumelden. Auch in der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe werden Reisekosten häufig aus Unkenntnis nicht geltend gemacht. Gleiches gilt im Rahmen rechtsschutzversicherter Mandate. Der nachfolgende Beitrag soll das Thema Reisekosten des Anwalts einmal näher beleuchten und dem Anwalt aufzeigen, wie er seine Reisekosten geltend macht und auch durchsetzt. II. Die Reisekosten des Anwalts nach dem RVG 1. Überblick Auslagen für Geschäftsreisen des Anwalts werden nach den Nrn bis 7006 VV RVG vergütet. Erfasst werden hier 9 Fahrtkosten für den eigenen PKW (Nr VV RVG), 9 Kosten für sonstige Verkehrsmittel (Nr VV RVG), 9 Tage- und Abwesenheitsgelder (Nr VV RVG) und 9 sonstige Auslagen, soweit sie angemessen sind (Nr VV RVG). Voraussetzung ist eine Geschäftsreise. Diese liegt nach der Legaldefinition der Vorbem. 7 Abs. 2 VV RVG vor, wenn der Anwalt das Gebiet der politischen Gemeinde, in der er wohnt oder in der er seine Kanzlei hat, verlässt. Auf die Entfernung kommt es dabei nicht an. So fallen selbst bei großen Entfernungen innerhalb derselben Stadt (z. B. Berlin oder Hamburg) keine Reisekosten an und zwar selbst dann nicht, wenn der Anwalt in einen anderen Amtsgerichtsbezirk fährt. Dagegen können bei kürzester Entfernung Reisekosten anfallen, wenn dabei die Grenzen der politischen Gemeinde überschritten werden. 1 Verlegt der Anwalt nach Entgegennahme des Auftrags seine Kanzlei, so kann er seine Reisekosten nur insoweit verlangen, als sie auch vom früheren Kanzleisitz aus angefallen wären (Vorbem. 7 Abs. 3 S. 2 VV RVG). Beispiel 1: Verlegung der Kanzlei Der Anwalt hat seine Kanzlei a) in Köln b) in Bonn und führt für den Mandanten einen Rechtsstreit vor dem LG Köln. Während des Verfahrens verlegt er seinen Kanzleisitz nach Aachen. Es kommt danach zur mündlichen Verhandlung. Im Fall a) kann der Anwalt die anfallenden Reisekosten von Aachen nach Köln nicht geltend machen, da keine Reisekosten angefallen wären, wenn er seine Kanzlei in Köln behalten hätte. Im Fall b) kann der Anwalt die tatsächlich anfallenden Reisekosten von Aachen nach Köln geltend machen, allerdings begrenzt auf die fiktiven Kosten, die angefallen wären, wenn er seine Kanzlei in Bonn behalten hätte. 2. Benutzung des eigenen Kraftfahrzeugs Fahrtkosten für die Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs erhält der Anwalt nach Nr VV RVG vergütet. Um welche Art von Kraftfahrzeug es sich handelt, ist unerheblich. Auch Motorräder und Mofas zählen hierzu, 2 nicht aber Fahrräder. Bei Benutzung eines fremden Fahrzeugs, etwa eines Mietwagens, scheidet Nr VV RVG aus; es ist nach Nr VV RVG konkret abzurechnen. Die Kosten für die Benutzung des eigenen Kraftfahrzeugs sind stets zu erstatten. Der Anwalt kann grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden, er hätte ein günstigeres Transportmittel benutzen können. 3 Die Höhe der abzurechnenden Fahrtkosten beläuft sich auf 0,30 Euro für jeden gefahrenen Kilometer. Vergütet werden sämtliche gefahrenen Kilometer, also sowohl der Hinals auch der Rückweg. Maßgebend ist die tatsächliche Fahrtstrecke 4 und nicht die fiktive Entfernung von Ortsmitte zu Ortsmitte. 5 Aufzurunden ist volle Kilometer. 6 Grundsätzlich muss der Anwalt den kürzesten Weg nehmen. Zweckmäßige Umwege, etwa bei Benutzung einer Autobahn zur Zeitersparnis, sind jedoch zulässig, 7 zumal wenn dadurch ein geringeres Abwesenheitsgeld anfällt Benutzung anderer Verkehrsmittel Bei der Benutzung anderer Verkehrsmittel erhält der Anwalt die tatsächlichen Aufwendungen, soweit sie angemessen sind (Nr VV RVG). Flugreisen sind nach der Rechtsprechung nur angemessen, wenn dadurch erhebliche Zeit erspart wird. 9 Wer eine Bahncard benutzt, darf nach der überwiegenden Rechtsprechung nur die tatsächlichen Kosten abrechnen, 10 nicht anteilig auch die Anschaffungskosten der Bahncard. Die Anschaffungskosten der Bahncard zählen zu den allgemeinen Geschäftskosten nach Vorbem. 7 Abs. 1 S. 1 VV RVG und können nicht auch nicht anteilig neben 1 Kritisch hierzu Reck, Rpfleger 2010, AnwK-RVG/N. Schneider, Nrn bis 7006 VV RVG Rn OLG Hamburg AnwBl 1966, 322; OLG Bamberg JurBüro 1981, 1350; AnwK- RVG/N. Schneider, Nrn bis 7006 VV RVG Rn OLG Celle NdsRpfl 1967, A. A. LG Ansbach NJW 1966, LG Rostock StraFo 2009, 439 = NJW-Spezial 2009, 715 = AGkompakt 2010, LG Rostock StraFo 2009, 439 = NJW-Spezial 2009, 715 = AGkompakt 2010, 51; OLG Hamm JurBüro 1981, 1681; VG Würzburg JurBüro 2000, 77; KG AGS 2004, KG AGS 2004, Nachw. zur Rechtsprechung bei AnwK-RVG/N. Schneider, Nrn VV RVG, Rn OLG Karlsruhe JurBüro 2000, 145 = OLGR 2000, 186 = Rpfleger 2000, 129; AG Ansbach AnwBl 2001, 185; KG AGS 2003, 310 m. Anm. N. Schneider. 512 AnwBl 7 / 2010 Reisekosten des auswärtigen Anwalts, Schneider

73 MN Mitteilungen dem Fahrpreis verlangt werden. 11 Ist der Anwalt sogar im Besitz einer Bahncard 100, muss er also für Einzelfahrten kein gesondertes Entgelt entrichten, kann er danach gar keine Reisekosten gegenüber dem Mandanten abrechnen. 4. Tage- und Abwesenheitsgelder Als Tage- und Abwesenheitsgelder erhält der Anwalt bei einer Abwesenheit von nicht mehr als vier Stunden 20,00 Euro, von vier bis acht Stunden 35,00 Euro und bei mehr als acht Stunden 60,00 Euro (Nr VV RVG). Entscheidend ist die Zeit, die der Anwalt von seiner Kanzlei entfernt ist, also grundsätzlich von der Abreise bis zur Rückkehr, gegebenenfalls einschließlich der Zeit für die Einnahme eines Mittagessens. 12 Erstreckt sich die Abwesenheit über mehrere Kalendertage, so werden die Abwesenheitsstunden für jeden Tag gesondert berechnet. 13 Beispiel 2: Abwesenheit für mehrere Tage Der Anwalt hat am einen Gerichtstermin. Er reist dazu am um Uhr ab und kommt nach dem Termin am um Uhr zurück. Für den erhält er ein Abwesenheitsgeld in Höhe von 35,00 Euro und für den in Höhe von 60,00 Euro. Bei Auslandsreisen kann der Anwalt zu den vorgenannten Beträgen einen Zuschlag in Höhe von bis 50 % berechnen (Anm. zu Nr VV RVG). Übersicht Tage- und Abwesenheitsgelder Abwesenheit Inland Ausland bis zu 4 Stunden 20,00 Euro bis 30,00 Euro 4 bis 8 Stunden 35,00 Euro bis 52,50 Euro über 8 Stunden 60,00 Euro bis 90,00 Euro 5. Sonstige Kosten Darüber hinaus sind dem Anwalt sonstige Kosten anlässlich der Geschäftsreise in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erstatten, soweit sie angemessen sind (Nr VV RVG). Hierzu zählen insbesondere, Parkgebühren, Kosten einer Fähre, Übernachtungskosten u. a. Anzusetzen sind zunächst nur die Nettokosten. Die Umsatzsteuer ist später einheitlich auszuweisen und zu berechnen (s. u.). 6. Umsatzsteuer Auch die Reisekosten unterliegen der Umsatzsteuer. Sie ist vom Auftraggeber zusätzlich zu zahlen (Nr VV RVG). Dies setzt voraus, dass der Anwalt umsatzsteuerpflichtig ist. Hieran fehlt es, wenn der Anwalt Kleinunternehmer i. S. d. 19 Abs. 1 UStG ist. Auch bei Fällen mit Auslandsberührung kann die Tätigkeit des Anwalts umsatzsteuerfrei sein. 14 Soweit in den Reisekosten Umsatzsteuer enthalten ist, etwa bei Parkgebühren, Kosten einer Bahnfahrt, müssen diese Beträge zunächst netto abgerechnet werden. Erst hiernach ist dann die Umsatzsteuer einheitlich auf die gesamte Vergütung zu berechnen. 7. Abrechnungsbeispiele 9 Beispiel 3: Abrechnung Reisekosten PKW Der Anwalt hat seine Kanzlei in Köln. Er fährt zu einem Verhandlungstermin vor dem LG Bonn (einfache Strecke 30 km). Insgesamt ist er zwei Stunden von seiner Kanzlei abwesend. Die Parkgebühren belaufen sich auf 3,00 Euro einschließlich 19 % Umsatzsteuer Fahrtkosten, Nr VV RVG, 2 x 30 km x 0,30 Euro/km 18,00 Euro... Abwesenheitsgeld bis 4 Stunden, Nr Nr. 2 VV RVG 20,00 Euro... Parkgebühren (netto) 2,52 Euro Zwischensumme... Euro % Umsatzsteuer, Nr VV RVG...,.. Euro Gesamt...,.. Euro 9 Beispiel 4: Abrechnung Reisekosten Bahn Der Anwalt fährt mit der Bahn zu einem auswärtigen Termin. Die Bahnfahrkarte kostet 258,00 Euro einschließlich Umsatzsteuer. Der Anwalt ist insgesamt 14 Stunden von seiner Kanzlei abwesend Fahrtkosten, Nr VV RVG, Bahnfahrt (netto) 216,80 Euro... Abwesenheitsgeld über 8 Stunden, Nr Nr. 3 VV RVG 60,00 Euro Zwischensumme... Euro % Umsatzsteuer, Nr VV RVG...,.. Euro Gesamt...,.. Euro 8. Geschäftsreise in mehreren Angelegenheiten Unternimmt der Anwalt eine Geschäftsreise in mehreren Angelegenheiten, so sind die Gesamtkosten nach Vorbem. 7 Abs. 3 S. 1 VV RVG verhältnismäßig aufzuteilen. Dies gilt insbesondere für sog. Rundreisen, bei denen für mehrere Auftraggeber auf einer Reise mehrere Ziele angefahren werden. Jeder Auftraggeber haftet bei einer solchen gemeinsamen Geschäftsreise nur für seinen Anteil und nicht etwa für die Kosten, die entstanden wären, wenn der Anwalt alleine für ihn gereist wäre. Eine Haftung der Auftraggeber als Gesamtschuldner oder nach 7 Abs. 2 S. 1 RVG kommt hier nicht in Betracht, da der Anwalt nicht in derselben Angelegenheit tätig wird. 15 Bei der Berechnung des auf die jeweilige Angelegenheit entfallenden Anteils ist in folgenden Schritten vorzugehen: 9 Zunächst sind die tatsächlichen (erstattungsfähigen) Gesamtkosten zu berechnen. 9 Sodann sind die fiktiven Einzelreise-Kosten zu ermitteln, die angefallen wären, wenn der Anwalt die Reisen für jeden Mandanten einzeln durchgeführt hätte. 9 Schließlich muss noch die Summe der Kosten der fiktiven einzelnen Reisen errechnet werden. 9 Alsdann werden die fiktiven Einzelreisekosten des Mandanten mit der Summe der tatsächlichen erstattungsfähigen Reisekosten multipliziert und durch den Gesamtbetrag aller fiktiven Reisekosten dividiert. Es gilt also folgende Formel Fiktive Einzelreisekosten des Mandanten x tatsächliche erstattungsfähige Gesamtreisekosten Summe aller fiktiven Einzelreisekosten 9 Beispiel 5: Abrechnung mehrerer Geschäftsreisen (PKW) Der Anwalt hat seine Kanzlei in Köln. Für den Mandanten A fährt er zum LG Bonn und anschließend für den Mandanten B zum LG Koblenz. Das LG Bonn liegt 30 km von der Kanzlei entfernt, das LG Koblenz 120 km, die Entfernung zwischen LG Bonn und LG Koblenz beträgt 100 km. Insgesamt ist er sieben Stunden unter- 11 KG AGS 2003, 310 m. Anm. N. Schneider; AnwK-RVG/N. Schneider, Nrn bis 7006 VV RVG Rn 23 m. w. Nachw.; a. A. OLG Frankfurt AGS 2007, 136 u, 155 = NJW 2006, 2337 = JurBüro 2006, 429 = NZV 2006, 663 = OLGR 2007, 344: Erstattungsfähigkeit der Kosten für den Erwerb einer Bahncard 100 bis zu der Grenze der Kosten einer regulären Fahrkarte, wenn der Anwalt darlegt, in welchem Umfang die Bahncard innerhalb der Geltungsdauer genutzt wurde. 12 VG Stuttgart AnwBl 1984, 323 und OLG Düsseldorf JurBüro 1993, 674 = Rpfleger 1993, AnwK-RVG/N. Schneider, Nr VV RVG, Rn 6 ff; ausführlich auch N. Schneider, MDR 2006, AnwK-RVG/N. Schneider, Vorbem. 7 VV RVG Rn 40. Reisekosten des auswärtigen Anwalts, Schneider AnwBl 7 /

74 MN Mitteilungen wegs. Für die Fahrt nach Bonn wäre er insgesamt drei Stunden abwesend gewesen, für die Fahrt nach Koblenz insgesamt fünf Stunden. I. Tatsächliche erstattungsfähige Gesamtreisekosten 1. Fahrtkosten, Nr VV RVG ([ km] x 0,30 Euro/km) 75,00 Euro 2. Abwesenheitsgeld 4 bis 8 Stunden, Nr Nr. 2 VV RVG 35,00 Euro Gesamt 110,00 Euro II. Fiktive Einzelreisekosten a) Mandant A: 1. Fahrtkosten, Nr VV RVG (2 x 30 km x 0,30 Euro/km) 18,00 Euro 2. Abwesenheitsgeld bis 4 Stunden, Nr Nr. 1 VV RVG 20,00 Euro Gesamt 38,00 Euro b) Mandant B: 1. Fahrtkosten, Nr VV RVG (2 x 120 km x 0,30 Euro/km) 72,00 Euro 2. Abwesenheitsgeld 4 bis 8 Stunden, Nr Nr. 2 VV RVG 35,00 Euro Gesamt 107,00 Euro III. Summe der fiktiven Einzelreisekosten 38,00 Euro + 107,00 Euro = 145,00 Euro IV. Anteilige Kosten Mandant A hat zu zahlen: 38,00 Euro x 110,00 Euro / 145,00 Euro = 28,83 Euro Mandant B hat zu zahlen: 107,00 Euro x 110,00 Euro / 145,00 Euro 81,17 Euro Gesamt (Kontrolle) 110,00 Euro III. Kostenerstattung Die Darstellung der gesamten Rechtsprechung zur Kostenerstattung des auswärtigen Anwalts würde hier den Rahmen sprengen. Wichtig sind zwei Grundsätze, die der BGH in ständiger Rechtsprechung aufrecht erhält: 9 Grundsätzlich darf eine Partei immer einen Anwalt an ihrem Sitz oder Wohnsitz beauftragen: Die hierdurch entstehenden Reisekosten sind grundsätzlich erstattungsfähig. 16 Insoweit findet auch keine Vergleichsberechnung statt. Die Reisekosten sind auch dann erstattungsfähig, wenn die Einschaltung eines Terminsvertreters erheblich günstiger gewesen wäre. 17 Eine Vergleichsbetrachtung findet nur im umgekehrten Fall statt, nämlich wenn ein Terminsvertreter eingeschaltet wird. Dessen Kosten dürften nicht höher sein als die ersparten Reisekosten zuzüglich eines Toleranzbereichs von 10 Prozent. 18 Ausnahmsweise sind die Reisekosten eines am Sitz oder Wohnsitz der Partei ansässigen Anwalts nicht erstattungsfähig, nämlich dann, wenn ohne weiteres eine schriftliche Unterrichtung des Anwalts ausreichend wäre und ein persönliches Gespräch mit ihm nicht erforderlich ist. Solche Ausnahmefälle werden von der Rechtsprechung jedoch äußerst selten angenommen. 9 Wird ein Anwalt an einem dritten Ort beauftragt, so sind seine tatsächlichen Reisekosten in der Höhe erstattungsfähig, in der die Kosten eines am Sitz oder Wohnsitz der Partei ansässigen Anwalts erstattungsfähig wären: 19 In Ausnahmefällen bejaht die Rechtsprechung darüber hinaus auch die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines auswärtigen Anwalts am dritten Ort, wenn besondere Gründe bestehen, gerade diesen Anwalt zu beauftragen. 20 IV. Reisekostenerstattung in eigener Sache Nach 91 Abs. 2 S. 3 ZPO erhält ein Rechtsanwalt, der sich in eigener Sache selbst vertritt, die Gebühren und Auslagen erstattet, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts hätte erstattet verlangen können. Dazu zählen auch Reisekosten. Ein Rechtsanwalt ist nicht gehalten, darauf zu verzichten, sich vor einem auswärtigen Gericht selbst zu vertreten und stattdessen einen dort zugelassenen Rechtsanwalt mit seiner Prozessführung zu beauftragen. 21 V. Reisekostenerstattung im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht 1. Gesetzliche Regelung Die Vorschrift des 12 a Abs. 1 S. 1 ArbGG schränkt die Kostenerstattung in arbeitsgerichtlichen Verfahren ein. Dieser teilweise Erstattungsausschluss betrifft aber was häufig verkannt wird nur bestimmte Kostenpositionen. Vom Erstattungsausschluss nicht erfasst sind insbesondere Reisekosten der Partei. Darüber hinaus sind auch Reisekosten des Anwalts erstattungsfähig, soweit dadurch erstattungsfähige Reisekosten der Partei vermieden worden sind. Gem. 12 a Abs. 1 S. 1 ArbGG ist im erstinstanzlichen Urteilsverfahren vor dem ArbG die Kostenerstattung ausgeschlossen 9 wegen der Entschädigung der Partei wegen Zeitversäumnis, 9 wegen der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistandes. 2. Umfang des Ausschlusses Die Vorschrift des 12 a Abs. 1 S. 1 ArbGG weicht für das erstinstanzliche Urteilsverfahren vor dem ArbG von der Grundregel des 91 ZPO ab, wonach notwendige Kosten der Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung erstattungsfähig sind und dazu sowohl die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts ( 91 Abs. 2 S. 1 ZPO) als auch die Kosten für Zeitversäumnis einer Partei infolge der notwendigen Wahrnehmung von Terminen ( 91 Abs. 1 S. 2 ZPO) zählen. Dieser Ausschluss der Kostenerstattung ist mit dem Grundgesetz vereinbar. 22 Die Regelung des 12 a Abs. 1 S. 1 ArbGG soll den arbeitsgerichtlichen Prozess im ersten Rechtszug verbilligen. 3. Kein Ausschluss für Reisekosten der Partei Vom Ausschluss der Kostenerstattung nicht betroffen sind die Reisekosten der Partei, sofern diese notwendig waren. Der Wortlaut des 12 a Abs. 1 S. 1 ArbGG ist insoweit eindeutig. Nur eine Entschädigung für eine Zeitversäumnis ist ausgeschlossen. Im Übrigen ist eine Kostenerstattung möglich. Dies gilt insbesondere für die Fahrtkosten und sonstigen Auslagen anlässlich einer notwendigen Reise. Die Höhe der zu erstattenden Kosten richtet sich gem. 91 Abs. 1 S. 2 ZPO nach den Vorschriften des JVEG und umfasst insbesondere Fahrtkosten nach 5 Abs. 2 Nr. 1 JVEG (0,25 Euro/km) und sonstige Auslagen nach 7 Abs. 1 S. 1 JVEG, also insbesondere Parkgebühren, Kosten einer Fähre etc. 16 BGH AGS 2004, 359; Rpfleger 2007, 286 = DAR 2007, 296 = AnwBl 2007, 466 = NJW 2007, 2048 = MDR 2007, 802 = AGS 2007, 430 = WuM 2007, 159 = FamRZ 2007, 636 = RVGreport 2007, BGH AGS 2008, 204 = FamRZ 2008, 507 = AnwBl 2008, 215 = MDR 2008, 350 = Rpfleger 2008, 227 = ZfSch 2008, 226 = JurBüro 2008, 258 = NJW-RR 2008, 1378 = RVGreport 2008, 112 = BRAK-Mitt 2008, 82; NJW-RR 2005, 1662 = Rpfleger 2006, 39 = AnwBl 2005, 792 = MDR 2006, 296 = JurBüro 2006, 203 = BRAK-Mitt 2005, 279 = FamRZ 2005, 2062 = RVGreport 2005, 476 = NJW-Spezial 2006, BGH AGS 2005, 41 = MDR 2005, 177 = JurBüro 2005, 93 = NJW-RR 2005, 707 = RVGreport 2004, BGH Rpfleger 2004, 316 = NJW-RR 2004, 855 = JurBüro 2004, 431 = VersR 2004, 1150 = MDR 2004, 839 = FamRZ 2004, 618 = RVGreport 2004, BGH VersR 2007, 1289 = MDR 2007, 1222 = NJW-RR 2007, 1561 = Rpfleger 2007, 577 = RVGreport 2007, 349 = JurBüro 2007, BGH AGS 2003, 276 = AnwBl 2003, 371 = JurBüro 2003, 426 = Rpfleger 2003, 321 = MDR 2003, BVerfG NJW 1971, AnwBl 7 / 2010 Reisekosten des auswärtigen Anwalts, Schneider

75 MN Mitteilungen Beispiel 6: Erstattungsfähige Reisekosten der Partei vor dem ArbG Der in A wohnende Kläger erhebt eine Kündigungsschutzklage vor dem ArbG B. An der Güteverhandlung und am späteren Kammertermin nimmt er teil. Die Entfernung zwischen A und B beträgt 40 km; für das Parkhaus zahlt der Kläger 3,00 Euro. Der Kündigungsschutzklage wird stattgegeben; die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt. Der Kläger kann sowohl für die Fahrt zum Gütetermin als auch zum Kammertermin seine Reisekosten zur Erstattung anmelden, und zwar jeweils in Höhe von 2 x 40 km x 0,25 Euro/km = 20,00 Euro Parkgebühren 3,00 Euro Gesamt 23,00 Euro 4. Erstattung der Reisekosten eines Prozessbevollmächtigten in Höhe der fiktiven Kosten der Partei Auch die Reisekosten eines Prozessbevollmächtigten können erstattungsfähig sein. Da 12 a Abs. 1 S. 1 ArbGG nur das Prozessrisiko für die unterliegende Partei begrenzen will, ihr jedoch kein ungerechtfertigter Kostenvorteil verschafft werden soll, sind die durch die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts entstandenen Kosten bis zur Höhe gleichzeitig ersparter Kosten der Partei erstattungsfähig, sofern diese erstattungsfähig gewesen wären. 23 Folglich können tatsächlich entstandene Reisekosten in der Höhe erstattet verlangt werden, die die Partei für eine sonst notwendige Reise aufgewandt hätte. Das können Reisekosten der Partei zwecks Aufnahme der Klage zur Niederschrift der Geschäftsstelle sein, aber auch Reisekosten zum Verhandlungstermin vor dem ArbG. Der Höhe nach sind diese ersparten Reisekosten begrenzt durch die tatsächlich angefallenen Anwaltskosten. Für die Berechnung der ersparten Reisekosten gilt wiederum 91 Abs. 1 S. 2 ZPO i. V. m. den Vorschriften des JVEG. Beispiel 7: Erstattungsfähige Reisekosten des Anwalts vor dem ArbG Wie vorangegangenes Beispiel; jedoch lässt sich die Partei durch einen in A ansässigen Anwalt vertreten. An der Güteverhandlung nimmt die Partei neben ihrem Anwalt teil; den späteren Kammertermin nimmt nur der Anwalt wahr. Für die Teilnahme am Gütetermin kann die Partei wiederum ihre Reisekosten wie im vorangegangenen Beispiel (23,00 Euro) zur Erstattung anmelden. Für den Kammertermin sind keine Reisekosten der Partei angefallen, wohl aber Anwaltskosten (Vorbem. 7 Abs. 2; Nrn ff. VV RVG): 1. 2 x 40 km x 0,30 Euro/km (Nr VV RVG) 24,00 Euro 2. Abwesenheitsgeld (Nr VV RVG) 20,00 Euro 3. Parkgebühren (netto) 2,52 Euro Zwischensumme 46,52 Euro % Umsatzsteuer (Nr VV RVG) 8,83 Euro Gesamt 55,35 Euro Hätte der Kläger keinen Anwalt eingeschaltet, sondern den Kammertermin selbst wahrgenommen, wären Parteireisekosten angefallen, und zwar wiederum in Höhe von 23,00 Euro (s. o.). Daher sind die tatsächlichen anwaltlichen Reisekosten in Höhe der fiktiven (hypothetischen) Reisekosten der Partei erstattungs- und festsetzungsfähig. Insgesamt sind also 2 x 23,00 Euro = 46,00 Euro erstattungsfähig. Hätte der Kläger auch am Kammertermin teilgenommen, so würde sich nichts Abweichendes ergeben. Seine (tatsächlichen) Reisekosten in Höhe von insgesamt 46,00 Euro wären erstattungsfähig. Die Reisekosten des Anwalts wären dagegen jetzt nicht erstattungsfähig, da wegen der eigenen Anreise des Klägers keine Parteikosten erspart worden wären. VI. Reisekosten eines auswärtigen Verfahrensbevollmächtigten in der PKH/VKH 1. Überblick Besondere Probleme treten regelmäßig bei der Beiordnung eines nicht am Gerichtsort ansässigen Anwalts als Prozessoder Verfahrensbevollmächtigten auf. Hier ist zu unterscheiden, ob der Anwalt seine Kanzlei 9 im Gerichtsbezirk unterhält oder 9 außerhalb des Gerichtsbezirks. 2. Der Anwalt hat seine Kanzlei im Gerichtsbezirk Hat der Anwalt seine Kanzlei zwar im Gerichtsbezirk, nicht aber in dem Ort, in dem sich das Gericht befindet ( 27 Abs. 2 BRAO), kommt eine einschränkende Beiordnung nicht in Betracht. Nach 121 Abs. 3 ZPO ist lediglich die Beiordnung eines nicht im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts ausgeschlossen. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass ein im Gerichtsbezirk niedergelassener Anwalt immer beizuordnen ist, selbst wenn dadurch gegenüber einem am Gerichtsort ansässigen Anwalt Mehrkosten in Form von Reisekosten entstehen. 24 Ein im Gerichtsbezirk niedergelassener Anwalt muss daher uneingeschränkt beigeordnet werden. Wird gesetzeswidrig was häufig vorkommt eine Einschränkung vorgenommen, etwa zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts, muss dagegen Beschwerde ( 127 Abs. 3 ZPO) eingelegt werden, da anderenfalls die unzutreffende Beiordnung nach Ablauf eines Monats bestandskräftig wird ( 127 Abs. 3 S. 3 ZPO) und für das spätere Festsetzungsverfahren bindend bleibt. 25 Nach zutreffender Ansicht ist insoweit sowohl der Anwalt 26 als auch der bedürftige Beteiligte 27 beschwerdeberechtigt. 3. Der Anwalt hat seine Kanzlei nicht im Gerichtsbezirk Hat der Anwalt seine Kanzlei nicht im Gerichtsbezirk, so kann er nach 121 Abs. 3 ZPO eingeschränkt beigeordnet werden, wenn dadurch Mehrkosten entstehen, denn ein nicht im Gerichtsbezirk niedergelassener Anwalt soll nur beigeordnet werden, wenn dadurch keine Mehrkosten entstehen. Die Rechtsprechung geht insoweit davon aus, dass ein nicht im Bezirk des Gerichts niedergelassener Rechtsanwalt mit dem Beiordnungsantrag stillschweigend sein Einverständnis zur Beiordnung zu den Bedingungen eines am Gerichtssitz niedergelassenen Rechtsanwalts erteilt. 28 Der Anwalt sollte daher in seinem Antrag klarstellen, dass er die uneingeschränkte Beiordnung beantragt. Bei der Prüfung, ob durch die Beiordnung eines nicht im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts Mehrkosten entstehen, dürfen die Reisekosten des auswärtigen Anwalts nicht stets mit den Mehrkosten gleich gesetzt werden. Zu fragen ist in diesem Zusammenhang nämlich, ob die bedürftige Partei bei Beauftragung eines ortsansässigen Anwalts nicht 23 Zuletzt LAG Hessen, Beschl. v Ta 541/09; LAG Hamburg RVGreport 2010, 33; LAG Schleswig, Beschl. v Ta 31/09; LAG Rheinland- Pfalz, AnwBl 1988, 299; LAG Berlin NZA-RR 2006, OLG Brandenburg FamRZ 2009, 1236; OLG Nürnberg JurBüro 2008, 261 = OLGR 2008, 549; OLG Oldenburg AGS 2006, OLG Düsseldorf AGS 2008, 195 u. 247 = OLGR 2008, 262 = Rpfleger 2008, 316 = JurBüro 2008, OLG Köln AGS 2006, 139 = JurBüro 2005, 429 = MDR 2005, 1130 = FamRZ 2005, 2008; OLG Hamburg OLGR 2000, 282 = FamRZ 2000, 1227; OLG Rostock AGS 2008, 504 = OLGR 2008, 213 = FamRZ 2008, 1356; Kalthoener/Büttner/Wrobel- Sachs Rn 873; a. A. (nur der Anwalt) OLG Stuttgart FamRZ 2007, 1111 = OLGR 2007, OLGSaarbrückenBeschl.v WF43/09 9WF43/09;a.A.OLG Düsseldorf OLGR 2006, 624 = FamRZ 2006, 1613 = MDR 2007, 236 = FuR 2006, BGH AGS 2007, 16 = BGHR 2006, 1548 = NJW 2006, 3783 = FamRZ 2007, 37 = Rpfleger 2007, 83 = FamRB 2007, 41 = JurBüro 2007, 96 u. 164 = ZFE 2007, 82 = MDR 2007, 351. Reisekosten des auswärtigen Anwalts, Schneider AnwBl 7 /

76 MN Mitteilungen nach 121 Abs. 4 ZPO einen Anspruch auf einen Verkehrsanwalt gehabt hätte. Ist das der Fall, dann entstehen durch die Beiordnung eines auswärtigen Verfahrensbevollmächtigten in der Regel keine Mehrkosten. 29 Beispiel 8: Uneingeschränkte Beiordnung des auswärtigen Anwalts bei Anspruch auf Verkehrsanwalt Vor dem AG Köln findet das Scheidungsverfahren statt, da die Ehefrau mit den Kindern dort wohnt. Der Ehemann wohnt in Berlin. Er beantragt Verfahrenskostenhilfe und die Beiordnung eines Berliner Verfahrensbevollmächtigten. Durch die Beiordnung eines Berliner Verfahrensbevollmächtigten entstehen jetzt zwar Reisekosten, da dieser Anwalt von Berlin nach Köln zum Termin reisen muss. Dabei handelt es sich jedoch nicht um Mehrkosten. Hätte der Ehemann einen Verfahrensbevollmächtigten in Köln beauftragt, so hätte ihm nach 121 Abs. 4 ZPO ein Anspruch auf einen Verkehrsanwalt zugestanden. Diese Verkehrsanwaltskosten werden jetzt aber dadurch erspart, dass der Verfahrensbevollmächtigte selbst zum Termin anreist. Folglich sind die Reisekosten in Höhe der ersparten Aufwendungen keine Mehrkosten. Nur in den Fällen die allerdings äußerst selten sind, dass die Reisekosten höher sind als die ersparten Verkehrsanwaltskosten, kommt eine Einschränkung in Betracht. Anders verhält es sich dagegen, wenn der bedürftigen Partei kein Anspruch auf einen Verkehrsanwalt zusteht. Dann darf der Anwalt eingeschränkt beigeordnet werden. Beispiel 9: Eingeschränkte Beiordnung des auswärtigen Anwalts Wie vorangegangenes Beispiel; jedoch wohnt der Ehemann in Bonn (Entfernung 30 km). Infolge der Nähe des Wohnsitzes zum Gerichtsort und der bestehenden öffentlichen Verkehrsanbindungen ist hier ein Verkehrsanwalt nicht erforderlich, so dass der Bonner Verfahrensbevollmächtigte eingeschränkt beigeordnet werden kann. Zu beachten ist allerdings, dass die zulässige Einschränkung der Beiordnung nicht mit der Beschränkung erfolgen darf zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts, sondern nur zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts (s. o.). Das führt dazu, dass der auswärtige Verfahrensbevollmächtigte seine Reisekosten zumindest insoweit aus der Landeskasse erhält, als sie ein im Gerichtsbezirk ansässiger, nicht aber am Gerichtsort wohnender Anwalt ( 27 Abs. 2 BRAO), erhalten würde. 30 Beispiel 10: Reisekosten des eingeschränkt beigeordneten auswärtigen Anwalts Der Antragsgegner wohnt in A und beauftragt dort einen Anwalt. Das Verfahren findet vor dem nahe gelegenen FamG B statt, zu dem ein Verkehrsanwalt nicht benötigt wird. Der Gerichtsbezirk des FamG B umfasst neben der Stadt B noch weitere vier Gemeinden (D, E, F, G). Eine Beiordnung des Anwalts zu den Bedingungen eines in B ansässigen Anwalts wäre unzulässig. Die Beiordnung des Anwalts kann nur dahingehend eingeschränkt werden, dass er zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk B niedergelassenen Anwalts beigeordnet wird. Da zu den im Gerichtsbezirk B niedergelassenen Anwälten auch diejenigen Anwälte gehören, die ihre Kanzleien in den Gemeinden D, E, F, und G haben, kann der in A ansässige Anwalt also seine tatsächlich angefallenen Reisekosten von A nach B insoweit geltend machen, als ein in D, E, F oder G ansässiger Anwalt Reisekosten aus der Landeskasse erhalten hätte, weil ein solcher Anwalt nicht hätte eingeschränkt beigeordnet werden können. Der auswärtige Anwalt kann sich in diesem Fall die höchstmögliche Entfernung eines noch im Gerichtsbezirk ansässigen Anwalts aussuchen. Das kann dazu führen, dass er seine Reisekosten aus der Landeskasse vollständig erhält, nämlich dann, wenn sich im Gerichtsbezirk ein Ort findet, der ebenso weit wie oder gar weiter entfernt liegt als die auswärtige Kanzlei des Anwalts. VII. Reisekosten im Rahmen der Beratungshilfe Auch in der Beratungshilfe sind Reisekosten zu erstatten, es sei denn, sie waren zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich ( 46 Abs. 1 RVG). Reisekosten kommen danach insbesondere bei erforderlichen Terminen vor auswärtigen Behörden in Betracht. 31 VIII. Reisekosten im Rahmen der Pflichtverteidigung Auch der Pflichtverteidiger wird aus der Landeskasse vergütet, so dass für ihn ebenfalls 46 RVG gilt. Auch er erhält seine Reisekosten aus der Landeskasse, soweit sie zur sachgemäßen Durchführung und Angelegenheit erforderlich waren. Wird ein auswärtiger, also nicht am Gerichtsort ansässiger Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger bestellt, so muss die Landeskasse die gesamten Reisekosten zu sämtlichen Terminen der Hauptverhandlung übernehmen, da insoweit die Anwesenheit des Verteidigers immer notwendig ist. Auch die Kosten sonstiger Reisen sind zu übernehmen, soweit sie notwendig waren, also insbesondere zu Haftprüfungsterminen. Darüber hinaus sind einem Pflichtverteidiger auch Reisekosten für die Besuche des inhaftierten Mandanten in der JVA zu erstatten. Hier kommt es mitunter zu Problemen, wenn der Rechtspfleger im Nachhinein meint, ein Besuch in der JVA sei nicht notwendig gewesen. Hier empfiehlt es sich, vorab nach 46 Abs. 2 S. 1 RVG vor Antritt der Reise grichtlich feststellen zu lassen, dass dies notwendig ist. Ergeht eine entsprechende Feststellung, ist diese für das spätere Festsetzungsverfahren nach 55 RVG bindend, selbst wenn die Reise doch nicht notwendig gewesen sein sollte. IX. Reisekosten im Rahmen der Rechtsschutzversicherung 1. Grundsatz Reisekosten sind im Rahmen der Rechtsschutzversicherung grundsätzlich mit versichert, allerdings nach den Versicherungsbedingungen nur, soweit sie auch bei einem gerichtsansässigen Anwalt angefallen wären. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts nie zu übernehmen sind. Abzustellen ist darauf, ob bei einem ortsansässigen Anwalt Reisekosten angefallen wären. Beispiel 11: Reisekosten in der Rechtsschutzversicherung (1) Die in Bonn ansässige Partei beauftragt dort einen Rechtsanwalt, der sie in einem Rechtsstreit vor dem LG Köln vertreten soll. Hätte die Partei in Köln einen Rechtsanwalt beauftragt, wären keine Reisekosten angefallen. Folglich werden vom Rechtsschutzversicherer auch keine Reisekosten übernommen. 29 BGH AGS 2004, 349 u. 384 = BGHZ 159, 370 = FamRZ 2004, 1362 = NJW 2004, 2749 = JurBüro 2004, 604 = Rpfleger 2004, 708 = RVGreport 2004, 356 = VersR 2004, 1577 = MDR 2004, VG Oldenburg AGS 2009, 467 = NJW-Spezial 2009, 460; LAG Hessen, Beschl v Ta 197/09 (zur Veröffentlichung vorgesehen in AGS 2010 Heft LG Bochum JurBüro 1986, 403 = Rpfleger 1986, 155 = AnwBl 1986, 256; LG Hannover JurBüro 1986, AnwBl 7 / 2010 Reisekosten des auswärtigen Anwalts, Schneider

77 MN Mitteilungen Beispiel 12: Reisekosten in der Rechtsschutzversicherung (2) Wie vorangegangenes Beispiel; jedoch beraumt das LG Köln in Bonn einen Ortstermin zur Besichtigung der Unfallstelle an. Hätte die Partei einen gerichtsansässigen Anwalt in Köln beauftragt, dann wären bei diesem Reisekosten Köln-Bonn und zurück angefallen, da er an dem Beweistermin hätte teilnehmen müssen. Bei dem Bonner Anwalt sind für den Beweistermin keine Reisekosten angefallen, wohl aber für die Teilnahme am Termin zur mündlichen Verhandlung. Diese Reisekosten sind jetzt vom Rechtsschutzversicherer zu zahlen, da im Falle der Beauftragung eines Bonner Anwalts dieselben Reisekosten, wenn auch in umgekehrter Richtung, angefallen wären. 2. Ersparter Verkehrsanwalt Liegen zwischen dem Wohnsitz des Versicherungsnehmers und dem Gerichtsort mehr als 100 km, so besteht nach den Versicherungsbedingungen ein weiterer Versicherungsschutz. Zum Teil besteht Versicherungsschutz in diesem Fall auch für Reisekosten, allerdings beschränkt bis zur Höhe der Kosten eines Verkehrsanwalts am Wohnort des Versicherungsnehmers. In diesem Fall können die Reisekosten problemlos abgerechnet werden, solange sie nicht die hypothetischen Verkehrsanwaltskosten übersteigen. Nach anderen Bedingungen werden nur die Kosten eines Verkehrsanwalts am Wohnort des Versicherungsnehmers übernommen. Hieraus folgt unmittelbar keine Verpflichtung des Rechtsschutzversicherers, die Reisekosten eines am Sitz des Versicherungsnehmers niedergelassenen Anwalts zu übernehmen, wenn dieser zur Vermeidung der Verkehrsanwaltskosten zu dem auswärtigen Gericht fährt. Versichert ist nach dem Wortlaut nur ein zusätzlicher Verkehrsanwalt. Wird dieser nicht in Anspruch genommen, sind damit nicht automatisch die Reisekosten vom Versicherer zu übernehmen. Hier ist es in der Praxis jedoch üblich, Vereinbarungen zu schließen. Fragt der Rechtsanwalt rechtzeitig vor dem Termin beim Rechtsschutzversicherer an, ob er die Reisekosten des auswärtigen Anwalts übernimmt, wenn im Gegenzug auf die Einschaltung eines Verkehrsanwalts verzichtet wird, dann wird der Versicherer dem zustimmen, jedenfalls mit der Maßgabe, dass die Reisekosten nicht die Kosten des Verkehrsanwalts übersteigen dürfen. Beispiel 13: Reisekosten in der Rechtsschutzversicherung, ersparter Verkehrsanwalt Die Partei hat ihren Wohnsitz in Köln und muss einen Rechtsstreit vor dem LG Bremen führen. Sie beauftragt einen Kölner Anwalt, der dann nach Bremen reist. Versicherungsschutz besteht nur in Höhe der Kosten eines ortsansässigen Anwalts, so dass die Reisekosten nicht versichert sind. Versicherungsschutz hätte hier zwar auch für die Kosten eines Verkehrsanwalts bestanden. Ein Verkehrsanwalt ist jedoch nicht in Anspruch genommen worden, so dass daraus nichts hergeleitet werden kann. Vereinbart der Anwalt dagegen mit dem Rechtsschutzversicherer, dass dieser seine Reisekosten bis zur Höhe der dadurch ersparten Verkehrsanwaltskosten übernimmt, dann können die Reisekosten kraft Vereinbarung in dieser Höhe beim Versicherer abgerechnet werden. 3. Quotenvorrecht Zu beachten ist ferner das Quotenvorrecht im Rahmen der Rechtsschutzversicherung. Reisekosten fallen ebenso wie die Selbstbeteiligung unter das sog. Quotenvorrecht, so dass im Falle eines Erstattungsanspruchs die vom Versicherer nicht gezahlten Reisekosten vorab aus der Erstattung entnommen werden dürfen. 32 Beispiel 14: Quotenvorrecht in der Rechtsschutzversicherung In einem Rechtsstreit über ,00 Euro wird verhandelt. Der Anwalt fährt (hin und zurück) 50 km zum Gericht. Die Selbstbeteiligung beträgt 150,00 Euro. Es ergeht ein Urteil. Der Gegner trägt 75 % der Kosten, der Mandant 25 %. Der Gegner hat keine Reisekosten. Mit dem Mandanten ist wie folgt abzurechnen: 1. Abrechnung mit dem Mandanten 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr VV RVG (Wert: ,00 Euro) 631,80 Euro 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr VV RVG (Wert: ,00 Euro) 583,20 Euro 3. Fahrtkosten, Nr VV RVG, 50 km x 0,30 Euro/km 15,00 Euro 4. Abwesenheitsgeld, Nr VV RVG 20,00 Euro 5. Postentgeltpauschale, Nr VV RVG 20,00 Euro Zwischensumme 1.270,00 Euro % Umsatzsteuer, Nr VV RVG 241,30 Euro Gesamt 1.511,30 Euro Der Rechtsschutzversicherer ist nach den Bedingungen nicht verpflichtet, die Reisekosten zu übernehmen. Er wird ferner die Selbstbeteiligung abziehen, so dass er lediglich folgenden Betrag zahlt: 2. Zahlung des Rechtsschutzversicherers 1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr VV RVG (Wert: ,00 Euro) 631,80 Euro 2. 1,2-Terminsgebühr, Nr VV RVG (Wert: ,00 Euro) 583,20 Euro 3. Postentgeltpauschale, Nr VV RVG 20,00 Euro Zwischensumme 1.235,00 Euro % Umsatzsteuer, Nr VV RVG 234,65 Euro Zwischensumme 1.469,65 Euro./. Selbstbeteiligung 150,00 Euro Gesamt 1.319,65 Euro Im Rahmen der Kostenausgleichung ergibt sich nunmehr folgender Kostenerstattungsanspruch: 3. Kostenerstattungsanspruch gegen den Gegner Kosten Kläger 1.511,30 Euro Kosten Beklagter 1.469,65 Euro Gerichtskosten 588,00 Euro Zwischensumme 3.568,95 Euro hiervon 75 % 2.676,71 Euro./. eigene Kosten 1.469,65 Euro Rest 1.207,06 Euro Da der Rechtsschutzversicherer bereits gezahlt hat, geht der Erstattungsanspruch auf ihn über. Dies darf allerdings nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geschehen ( 86 VVG). Zu beachten ist, dass hier hinsichtlich der Reisekosten, die in dem festgesetzten Betrag enthalten sind, ohnehin schon kein Forderungsübergang stattfinden kann. Erstattungsansprüche betreffend Kosten, die der Versicherer gar nicht zahlt, können auch nicht auf ihn übergehen. Im Übrigen greift das Quotenvorrecht. Dies führt dazu, dass sämtliche bislang nicht gedeckte Kosten vom Versicherungsnehmer zunächst einmal aus der Erstattung entnommen werden dürfen. 4. Abrechnung Aus dem Kostenerstattungsanspruch darf der Auftraggeber entnehmen: Kosten Kläger 1.511,30 Euro./. Zahlung Rechtsschutzversicherer 1.319,65 Euro Rest 191,65 Euro Der Rechtsschutzversicherer erhält also Kostenerstattung 1.207,06 Euro bevorrechtigte Ansprüche 191,65 Euro Rest 1.015,41 Euro Norbert Schneider, Neunkirchen Der Autor ist Rechtsanwalt. Er ist Mitglied des Ausschusses RVG und Gerichtskosten des Deutschen Anwaltvereins. Sie erreichen den Autor unter der -Adresse autor@anwaltsblatt.de. * OLG Köln NJW 1973, 905 = VerS 1973, 662; AG Köln AGS 2007, 379 = JurBüro 2006, 546 = RVGreport 2007, 19; van Bühren/Plote, ARB, 2. Aufl. 2008, 5 Rn. 172; N. Schneider DAR 2008, 766. Reisekosten des auswärtigen Anwalts, Schneider AnwBl 7 /

78 MN Mitteilungen Anwaltsrecht Fachanwalt: Wenn die Kammer nach dem Antrag trödelt... Rechtsanwalt Philipp Wendt, Berlin Die BRAO wurde zum 1. September 2009 neu gefasst. Seither gelten für das Verfahren vor den Anwaltsgerichtshöfen (AGH) die Regelungen der VwGO. Beim Antrag auf Verleihung des Fachanwaltstitels kann 75 VwGO (Klage bei Untätigkeit der Verwaltung) praktische Bedeutung erlangen. Die Befugnisse der Anwaltsgerichtshöfe nach der VwGO sind weiter als die früheren nach der BRAO. Zum 1. Januar 2010 wurden in den 20 Fachanwaltschaften insgesamt Fachanwaltstitel geführt. Die mit Abstand größten Fachanwaltschaften sind Arbeitsrecht und Familienrecht mit jeweils mehr als geführten Titeln (alle Statistiken sind unter abrufbar). Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits im Jahr 1998 entschieden, dass die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung Bedeutung für die verfassungsgerichtlich gewährleistete Berufsausübungsfreiheit hat (BVerfG, AnwBl 1998, ). Im Jahr der Entscheidung gab es sechs Fachanwaltschaften mit Titeln. Vor dem Hintergrund der heutigen Fachanwaltszahlen gewinnt die Entscheidung des BVerfG noch eine stärkere Bedeutung. Bedenkt man, dass die Antragsteller mit dem 120-Stündigen Lehrgang, 15 Stunden Klausur und langen Falllisten Beachtliches vor der Verleihung des Titels leisten müssen, ist es für sie ärgerlich, wenn die Rechtsanwaltskammer sich mit der Bescheidung des Antrags lange Zeit lässt. Doch das muss der Antragsteller nicht hinnehmen. Der alte 223 Abs. 2 BRAO Noch zur Geltung der früheren BRAO gab es zahlreiche gerichtliche Entscheidungen wegen der Bearbeitungszeiten der Rechtsanwaltskammern bei Fachanwaltsanträgen (AGH Stuttgart, AnwBl 2008, ; AGH München, BRAK-Mitt 1996, ; AGH Jena, BRAK-Mitt 2003, 84 85; AGH Jena, BRAK-Mitt 2003, 137; AGH Stuttgart, BRAK-Mitt 2003, ; AGH Koblenz, AnwBl 2007, ). Gut versteckt bei den Übergangs- und Schlussvorschriften regelte die BRAO bis Ende August 2009 in 223 Abs. 2 BRAO, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung auch zulässig ist, wenn ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund innerhalb von drei Monaten nicht beschieden wurde. Eine wirkliche Waffe gegen langsame Kammern war die Norm nicht. Hatte die Rechtsanwaltskammer ohne zureichenden Grund nicht beschieden, konnte der Anwaltsgerichtshof nach 41 Abs. 4 BRAO a. F. nur aussprechen, dass der Antragsteller zu bescheiden ist. Eine Verpflichtung, den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen, konnte der Anwaltsgerichtshof nicht erteilen. Dies führte dann auch dazu, dass die Antragsteller auf einem Teil ihrer Kosten sitzenblieben, wenn Sie wie im Falle des 113 Abs. 5 VwGO gelernt einen Antrag auf Verpflichtung stellten (AGH Stuttgart, BRAK-Mitt 2003, ). 112 c BRAO und die VwGO Mit der BRAO-Reform gilt nach 112 c BRAO im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof nun die Verwaltungsgerichtsordnung (guter Überblick bei Kleine-Cosack, AnwBl 2009, ). Auch nach 75 VwGO ist die Klage zulässig, wenn über den Antrag ohne zureichenden Grund nicht in angemessener Frist entschieden wurde. Vor Ablauf von drei Monaten nach Antragstellung kann die Klage nicht erhoben werden. Liegt ein zureichender Grund vor, setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm gesetzten Frist aus. Anders als nach 223 Abs. 2 BRAO a. F. wird die Klage nicht abgewiesen, wenn der zureichende Grund vorliegt. Zureichender Grund Nach der bisherigen Rechtsprechung der Anwaltsgerichtshöfe zur BRAO wurde über das Bestehen eines zureichenden Grundes in jedem Einzelfall entschieden (AGH München, BRAK-Mitt 1996, ). Das Überschreiten der Dreimonatsfrist für sich reichte nicht (AGH Koblenz, AnwBl 2007, ). Klar ist aber, dass die Rechtsanwaltskammer die notwendigen organisatorischen Voraussetzungen schaffen muss, um den ihr übertragenen Aufgaben nachkommen zu können. Dazu gehört, dass sie Vertretungsregelungen für die Mitglieder der Fachausschüsse schafft (AGH Stuttgart, BRAK-Mitt 2003, ). Der Umstand, dass die Mitglieder der Ausschüsse ehrenamtlich tätig sind, ändert nichts an dem bestehenden Anspruch auf zügige Entscheidung (AGH Stuttgart, BRAK-Mitt 2003, ). Auch eine große Zahl von Anträgen (AGH Stuttgart, BRAK-Mitt 2003, ), ein Wechsel des Berichterstatters (AGH Jena, BRAK-Mitt 2003, 84 85) oder ein gemeinsamer Ausschuss mit einer anderen Rechtsanwaltskammer (AGH Stuttgart, AnwBl 2008, ) sind kein zureichender Grund. Die Begründetheit der Untätigkeitsklage nach neuem Recht richtet sich nach 113 VwGO. Anders als nach 41 Abs. 4, 223 Abs. 2 BRAO a. F. hat das Gericht nach 113 Abs. 5 VwGO eine Sachentscheidung zu treffen: Das Gericht spricht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantrage Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Die Entscheidung über die Befugnis die Fachanwaltsbezeichnung zu führen, ist eine gebundene Verwaltungsentscheidung. Der Kammer steht weder ein Beurteilungsspielraum noch Ermessen zu. Sind die Nachweise der besonderen theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen erbracht, wird der Anwaltsgerichtshof die Verpflichtung aussprechen. Das stärkt den Antragsteller. Philipp Wendt, Berlin Der Autor ist Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Deutschen Anwaltakademie GmbH Sie erreichen den Autor unter der -Adresse autor@anwaltsblatt.de. 518 AnwBl 7 / 2010 Fachanwalt: Wenn die Kammer nach dem Antrag trödelt..., Wendt

79 MN Mitteilungen Soldan Institut für Anwaltmanagement Werbeausgaben und Werbecontrolling der Rechtsanwälte Ergebnisse der Soldan Studie Wirkungen anwaltlicher Werbung (Teil 3) Prof. Dr. Christoph Hommerich, Bergisch Gladbach und Rechtsanwalt Dr. Matthias Kilian, Köln Das Soldan Institut hat in den Jahren 2008 und 2009 mit Unterstützung des Deutschen Anwaltvereins den ersten Teil einer umfassenden empirischen Untersuchung zur Kommunikationspolitik der Anwälte durchgeführt. Teil 3 der Artikelserie im Anwaltsblatt beschäftigt sich mit den Werbebudgets der Rechtsanwälte und ihren Werbeausgaben. Im Teil 1 ging des um die von den Anwälten verwendeten Werbemittel (Mai-Heft, AnwBl 2010, 355), im Teil 2 um die Einschätzung der Anwälte zur Wirksamkeit dieser Mittel (Juni- Heft, AnwBl 2010, 428). Die Marktkommunikation der Anwaltskanzleien ist nach wie vor weit von professionellem Kommunikationsmanagement entfernt. Dies ist ein wichtiges Zwischenergebnis der im Anwaltsblatt 5 und 6/2010, dargestellten Teilergebnisse der Soldan Studie zu Wirkungen anwaltlicher Werbung. Die Gründe hierfür könnten darin liegen, dass die lange berufsrechtliche Tradition eines Werbeverbots einen systematischen Erfahrungsaufbau im Hinblick auf die Wirkungen anwaltlicher Kommunikationsmaßnahmen zur Anbahnung und Pflege von Mandantenbeziehungen eher verhindert hat. Eine weitere Erklärung könnte auch darin liegen, dass es Anwaltskanzleien immer noch an professionellem Management mangelt, dass also Kanzleien faktisch eher auf der Basis kurzfristiger Alltagserfahrungen gesteuert werden und Kanzleimanagement nicht auf Marktanalyse, klarer Zielbildung und strategischer Ausrichtung sowie einem systematischen Einsatz von Steuerungsinstrumenten basiert. Viele Anwälte werden eher durch ihre Akten gesteuert, unterliegen also dem Diktat des Dringlichen, welches planvolle Kanzleiausrichtung und -kommunikation verhindert. Aktenautismus steht aktivem Management im Wege. Solche Managementdefizite wirken sich negativ auf die anwaltliche Marktkommunikation aus und verhindern eine systematische Auseinandersetzung mit den Besonderheiten der Kommunikation komplexer rechtlicher Dienstleistungen, mit der Wahrnehmung von Kanzleien durch das rechtsuchende Publikum, mit den Schwierigkeiten, dieses Publikum zum jeweils richtigen Zeitpunkt mit notwendigen Informationen zu versorgen, mit den Problemen der Organisation einer dialogischen Kommunikation zwischen Anwälten und ihren Mandanten auch über das Mandat hinaus und schließlich mit den hierzu geeigneten Kommunikationsmitteln. Werbebudgets Es ist von daher weder verwunderlich, dass Anwälte nach ihrer eigenen Aussage häufig solche Kommunikationsmittel einsetzen, deren Wirkungen sie selbst als eher gering einschätzen (AnwBl 6/2010); noch kann es überraschen, dass 90 Prozent der Kanzleien keine festen Werbebudgets einplanen. Wenn es an Zielausrichtung fehlt, werden Budgets eher nach dem Zufall oder nach Gewohnheit oder auch schlicht erst dann bewilligt, wenn externe Dienstleister anfragen, ob Bereitschaft zur Schaltung von Werbeanzeigen ( Gelbe Seiten ) oder zum Ankauf von Werbeartikeln besteht. Treiber des Prozesses wären eher externe Dienstleister als das eigene Kanzleimanagement. Angesichts der hohen Quote der Kanzleien, die gänzlich auf Planung von Werbebudgets verzichten, sind die Erkenntnisse über die Höhe von Werbebudgets nach wie vor eher exploratorischer Art: Es sind eher die größeren Kanzleien, die feste Werbebudgets vorsehen. Dabei ist anhand des Datenmaterials der Soldan Studie erkennbar, dass Budgets umso eher in eine feste Planung einbezogen werden, je höher der Anteil von gewerblichen Mandaten am Gesamtmandatsaufkommen ist. Es wird auch deutlich, dass Wirtschaftsmandanten eher dann erreicht werden, wenn aktive Marktkommunikation stattfindet. Größere Unterschiede in der Werbeplanung ergeben sich auch bei der differenzierten Betrachtung von Spezialisten (Selbsteinschätzung) und Generalisten unter den Anwälten: Anwälte, die sich eher als Generalisten bezeichnen, verzichten nahezu komplett auf Budgetplanung (97 Prozent), während zumindest 12 Prozent der Anwälte, die sich als Spezialisten für bestimmte Rechtsgebiete bezeichnen, ein Werbebudget aufstellen. Soweit sich Anwälte auf bestimmte Zielgruppen spezialisiert haben, steigt dieser Anteil auf 15 Prozent. Aus diesen Tendenzen lässt sich zumindest die Schlussfolgerung ziehen, dass die Generalisten unter den Anwälten in ihrer Werbeplanung besonders unsicher sind, während Spezialisten klarere Vorstellungen entwickeln, mit wem sie kommunizieren wollen, was ihre Werbeplanung erleichtert. Konsistent zu dieser Tendenz verhält sich der Umstand, dass Fachanwälte deutlich häufiger eine Budgetplanung vornehmen (16 Prozent) als Rechtsanwälte, die keinen Fachanwaltstitel erworben haben. Diese Ergebnisse werden in ihrer inhaltlichen Richtung auch durch die aktuelle Fachanwalts-Studie des Soldan Instituts unterstützt, die auf der Grundlage einer Befragung von rund Fachanwälten zu dem Ergebnis kommt, dass durch den Erwerb eines Fachanwaltstitels eine nachdrücklichere Spezialisierung und damit auch klarere strategische Ausrichtung erfolgt. Dennoch bleibt hier festzuhalten, dass es in der Anwaltschaft weit überwiegend an einer systematischen Werbeplanung mangelt. Höhe der Werbeausgaben Wenngleich in den allermeisten Anwaltskanzleien keine systematische Planung der Kommunikationsmaßnahmen einschließlich ihrer Budgetierung erfolgt, wird faktisch mit dem Markt kommuniziert. Im Rahmen der Soldan Werbestudie wurden die Anwälte gebeten mitzuteilen, in welchem Umfang sie Werbeausgaben tätigen. Die Ergebnisse basieren auf Schätzungen der Werbeausgaben durch die befragten Anwälte. Die Ergebnisse zeigen, dass die Ausgaben für Werbung im Gesamtdurchschnitt der an der Untersuchung beteiligten Kanzleien äußerst gering ausfallen: Das arithmetische Mittel liegt bei rund Euro pro Jahr, der Median, also der Wert unter und über dem jeweils die Hälfte der Kanzleien liegt, Werbeausgaben und Werbecontrolling der Rechtsanwälte, Soldan Institut AnwBl 7 /

80 MN Mitteilungen Es zeigt sich, dass Fachanwälte durchschnittlich pro Jahr Euro bewilligen, während der entsprechende Vergleichswert für Nicht-Fachanwälte bei Euro liegt. Es ergibt sich also hier ein krasser Unterschied, was wiederum die These belegt, dass Fachanwälte sich genauer auf ihren Zielmarkt ausrichten. Setzt man die von den Anwälten angegebenen Werbeausgaben in Relation zur Zahl der innerhalb der Kanzleien beschäftigten Anwälte, so ergibt sich ein interessantes Bild: Die durchschnittlichen Ausgaben je tätigem Anwalt liegen bei Einzelkanzleien in einer Größenordnung von rund Euro pro Jahr, in Sozietäten mit bis zu fünf Rechtsanwälten liegen diese Kosten bei rund Euro pro Jahr, Kanzleien mit 6 10 Anwälten geben pro Anwalt noch Euro aus und Kanzleien mit mehr als 10 Anwälten bewilligen pro Anwalt 600 Euro pro Jahr. Dies ist ein Hinweis darauf, dass in den größeren Kanzleien die Werbebudgets nicht einfach mit der Zahl der Anwälte wachsen. Abb. 1: Geschätzte durchschnittliche Ausgaben für Werbemaßnahmen im Jahr beträgt Euro pro Jahr. Der häufigste Wert liegt bei Euro pro Jahr. Lediglich 9 Prozent der beteiligten Kanzleien geben mehr als Euro pro Jahr aus. Diese insgesamt äußerst niedrigen Werte sind vor allem darauf zurückzuführen, dass Einzelkanzleien teilweise nur minimale Beträge für Werbemaßnahmen bewilligen. Sie aber stellen nach wie vor einen Großteil der Kanzleien insgesamt. Es bestätigt sich auch im Zusammenhang mit den getätigten Werbeausgaben die bereits beschriebene Tendenz, dass Spezialisten erheblich mehr für Werbung ausgeben als Generalisten. Gleiches gilt für den Vergleich zwischen Fachanwälten und den Anwälten, die bisher keinen Fachanwaltstitel erworben haben: Abb. 2: Geschätzte durchschnittliche Ausgaben für Werbemaßnahmen im Jahr 2008 nach Fachanwalt Werbecontrolling Angesichts der bisherigen Befunde wäre zu erwarten gewesen, dass Werbecontrolling durch die Kanzleien nur in sehr geringem Umfang betrieben wird. Allerdings zeigt sich, dass lediglich ein Fünftel der befragten Anwälte keinerlei Überprüfung der Wirksamkeit von Werbemaßnahmen vornimmt. Überraschend ist dabei, dass ein Verzicht auf Werbecontrolling vor allem in Kanzleien mit mehr als 10 tätigen Anwälten erfolgt. Aus diesen Kanzleien geben 50 Prozent der Anwälte an, keine Wirksamkeitsprüfung von Werbemaßnahmen durchzuführen. Für kleinere Kanzleien liegen die entsprechenden Vergleichswerte bei ca. 25 Prozent. Die am häufigsten gewählte Methode zur Überprüfung der Wirksamkeit von Werbemaßnahmen ist die Befragung neuer Mandanten. 60 Prozent der befragten Anwälte geben an, eine solche Befragung durchzuführen. 8 Prozent der Befragten Anwälte geben an, alle Mandanten also nicht nur die neuen danach zu befragen, auf welche Werbemittel sie reagieren. Allerdings ergaben sich im Rahmen der Studie Hinweise darauf, dass diese Mandantenbefragungen nur eingeschränkt informativ sind, da Anwälte die Erfahrung machen, dass ihre Mandanten nicht immer im Detail angeben können, aufgrund welcher Hinweise durch Personen oder anderweitige kommunikative Signale sie auf ihre Kanzlei aufmerksam wurden. Anwälte machen auch die Erfahrung, dass es das Zusammenspiel unterschiedlichster Formen der Ansprache ist, welches dazu führt, dass Mandanten ihre Kanzlei aufsuchen. Dennoch ist die Mandantenbefragung wohl ein besonders nahe liegendes Mittel, um die Quellen der Weiterempfehlung von Anwaltskanzleien identifizieren zu können. Eine weitere Informationsquelle für das Werbecontrolling ist die Überprüfung der Zugriffe auf die Internetseiten der Kanzleien. Eine solche Überprüfung wird von 8 Prozent der Anwälte als Mittel des Werbecontrollings benannt. Die Überprüfung der Internetzugriffe ist bei Anwälten am stärksten ausgeprägt, die sich auf ganz bestimmte Zielgruppen spezialisiert haben. Dies ist ein Hinweis darauf, dass mit zunehmender Spezialisierung der Internetauftritt eine besondere kommunikative Bedeutung hat. Spezialisten werden ganz offenkundig häufiger über das Internet gesucht als Generalisten, die vor Ort ausreichend verfügbar sind. Festzuhalten bleibt der zunächst überraschende Befund, dass vor allem die größeren Kanzleien offenbar keine Methoden finden, die Wirksamkeit ihrer Werbemaßnahmen in ihrer gesamten Breite zu überprüfen. Dies hängt damit zusammen, dass sie auf unterschiedlichen Kanälen werben. Im Ergebnis führt dies dazu, dass sie ein Werbecontrolling nur dann sinnvoll betreiben können, wenn ihnen ein entsprechend differenziertes, methodisch insgesamt sehr anspruchsvolles Instrumentarium zur Verfügung steht. Soldan Institut für Anwaltmanagement Prof. Dr. Christoph Hommerich und Rechtsanwalt Dr. Matthias Kilian sind Direktoren des Soldan Instituts für Anwaltmanagement e.v. Informationen zum Soldan Institut für Anwaltmanagement unter Sie erreichen die Autoren unter der -Adresse autor@anwaltsblatt.de. 520 AnwBl 7 / 2010 Werbeausgaben und Werbecontrolling der Rechtsanwälte, Soldan Institut

81 MN Mitteilungen Bücherschau Kostenfinanzierung Rechtsanwalt Dr. Matthias Kilian, Köln Walter Harbauer, Rechtsschutzversicherung ARB Kommentar, Verlag C. H. Beck, 8. Auflage, München 2010, 1205 S., ISBN , 98,00 Euro. 1. Sechs Jahre nach der Publikation der Vorauflage ist der unter dem Titel seines Begründers Walter Harbauer bekannte ARB-Kommentar Rechtsschutzversicherung in neuer, achter Auflage erschienen. Mit ihr hat das Werk einen grundlegenden Umbruch erfahren: Während die Vorauflage noch die ARB75 kommentierte, ist Gegenstand der Neuauflage das Bedingungswerk der ARB2000. Verfügten die Kommentatoren zum Rechtschutzversicherungsrecht lange über eine verlässliche Arbeitsgrundlage die ARB54 und die ARB75 galten jeweils für fast 20 Jahre ist die Halbwertzeit der Bedingungswerke seit Fortfall der Genehmigungspflicht immer geringer geworden. Der Kommentierung die ARB2000 zu Grunde zu legen, ist eine sinnvolle Entscheidung, weichen die jüngeren Bedingungswerke doch nur in geringem Maße von diesen ab. Soweit es Abweichungen gibt, werden diese auf der Grundlage der ARB2009 erläutert. Die ARB75 sind nicht gänzlich aus dem Werk verschwunden, sie werden nach wie vor, wenn auch nur noch auf 200 Seiten kommentiert. Knapp erläutert werden neu auch die RV-spezifischen Bestimmungen des VVG ( VVG). Aktuelle Streitfragen werden im Harbauer mit dem gewohnten Tiefgang und zahlreichen Rechtsprechungsbelegen erläutert, so wird etwa die aktuelle Rspr. des BGH zum Rechtsschutzfall im Arbeitsrecht sehr ausführlich, fast schon im Stil eines Besprechungsaufsatzes, dargestellt. In der Erörterung von Detailfragen liegt zweifellos die Stärke des Kommentars, während grundlegende Fragestellungen zu denken ist etwa an die aktuelle Problematik des Verstoßes einzelner Bestimmungen der ARB gegen das Transparenzgebot bisweilen eher knapp ausfallen. 2. Gregor Samimi, der seit vielen Jahren immer wieder zum Thema Versicherungs- und Vergütungsrecht zur Feder greift, hat nach weniger als Gregor Samimi, Rechtsschutzversicherung, Anwaltverlag, 2. Auflage, Bonn 2010, 325 S., ISBN , 46,00 Euro. zwei Jahren eine Neuauflage seines Werkes AnwaltFormulare Rechtsschutzversicherung vorgelegt Zeichen dafür, dass das bereits in der Vorauflage in der Bücherschau gelobte Werk wohlwollende Aufnahme am Markt gefunden hat. Das Buch ist, wie der Reihentitel indiziert, als Formularsammlung konzipiert. Die einzelnen Formulare werden durch Zwischentexte aber zu einer geschlossenen systematischen Darstellung verknüpft, die auch über den Rechtsschutzversicherungsfall hinausreicht und in kurzen Exkursen den Rechtsschutzversicherungsmarkt in den Blick nimmt. Die Schwerpunktsetzung orientiert sich an den typischen Anforderungen, die ein rechtsschutzversichertes Mandat immer wieder mit sich bringt die hiermit verbundenen Leiden hat Samimi vor einigen Wochen in einem Vortrag skizziert: Die Rechtsschutzversicherung antwortet nicht auf die Deckungsanfrage, der erbetene Vorschuss bleibt aus, die Erfolgsaussichten werden in Frage gestellt, die Kostenübernahme wird abgelehnt oder die Vergütung gekürzt. Ob es Zufall ist, dass dem Thema Deckungsklagen mehr als ein Viertel der systematischen Darstellung gewidmet ist? 3. Einen anderen Ansatz wählt die Neuauflage des 2000 unter dem Titel Anwalt und Rechtsschutzversicherung erschienen Werkes von Herbert Plote. Es heißt nun Rechtsschutzversicherung und zielt neben Anwälten neu auch auf Richter und Mitarbeiter von Versicherungen. Der Umfang hat sich mit fast 380 Seiten davon Helmut Plote, Anwalt und Rechtsschutzversicherung, Verlag C.H. Beck, 2. Aufl., München 2010, 376 S., ISBN , 34,00 Euro. knapp 160 Seiten Anhang mit ARB-Texten annähernd verdoppelt. Der Autor weist darauf hin, dass mit der Neuausrichtung neben einer an dem erweiterten Nutzerkreis ausgerichteten Darstellung vor allem eine Berücksichtigung der neuen Bedingungswerke und des reformierten VVG einher gegangen ist. Dem Thema Anwalt und Rechtsschutzversicherung sind im 2. Teil noch rund 20 Seiten gewidmet, der Schwerpunkt liegt im 1. Teil auf der Rechtsschutzversicherung als solcher, unterteilt in zehn Abschnitte (u. a. Risikoausschlüsse, Produkte, Obliegenheiten, Leistungsumfang). Wer an einer stärker lehrbuchartigen, gleichwohl nicht zu theoretisch ausgerichteten Darstellung der Materie interessiert ist, wird den neuen Plote schätzen. 4. Der Autor dieser Bücherschau hat vor Kurzem gemeinsam mit Christoph Hommerich eine empirische Studie vorgelegt, die sich dem Thema Rechtsanwalt und Rechts- Christoph Hommerich/Matthias Kilian, Rechtsanwälte und Rechtsschutzversicherung, Anwaltverlag, Bonn 2010, 171 S., ISBN , 15,00 Euro. schutzversicherung widmet. Sie behandelt, basierend auf Erhebungen des Soldan Instituts und statistischem Material aus anderen Quellen, verschiedenste Aspekte rund um die Rechtsschutzversicherung. Nach einer Einleitung, die den Markt für und das Produkt der Rechtsschutzversicherung analysiert, werden Einzelfragen behandelt: Welche Bedeutung hat die Rechtsschutzversicherung für Kanzleien, welche Charakteristika weist der rechtsschutzversicherte Mandant auf? Wie ist es um den Versicherungsmarkt und den Versicherungsschutz der Bürger bestellt? Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit von Anwälten und Versicherern auf der Grundlage von Abrechnungsvereinbarungen? Welche Versicherer fallen den Anwälten besonders positiv, welche besonders negativ auf? Verführen Rechtsschutzversicherungen Versicherte zum Risiko? Bücherschau, Kilian AnwBl 7 /

82 MN Mitteilungen Marco Wehling, Finanzierung von Zivilverfahren, Verlag Dr. Kovac, Hamburg2009,542S., ISBN , 128,00 Euro. 5. Ausgangspunkt der in Potsdam als Dissertationsschrift entstandenen Untersuchung Finanzierung von Zivilverfahren von Marco Wehling ist der freilich nur anekdotisch, nicht aber empirisch abgesicherte Befund, dass die Kosten der Rechtsverfolgung viele Bürger von der Wahrnehmung ihrer Rechte abhalten. Die in der Studie aufgeworfene Frage ist, ob aus Kostengründen eine realistische Gefahr für die durch die Rechtsordnung sicherzustellende Verwirklichung materieller Gerechtigkeit besteht. Die Arbeit gliedert sich in zwei große Abschnitte: Zunächst untersucht Wehling den so genannten Finanzierungsgrund. Es geht hier vor allem um typische Verfahrensrisiken, die eine Rechtsverfolgung risikoreich werden lassen können. Zunächst erörtert der Verfasser die Verfahrensrisiken finanzieller Art, die sich aus dem Umfang der Gerichtskosten, der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten und der Prozesskosten ergeben. Sodann wendet sich der Verfasser den verschiedenen Risikofaktoren der Kostentragung zu, namentlich der Pflicht zur Leistung von Kostenvorschüssen und zur Stellung von Sicherheiten, der prozessualen Kostenerstattungspflicht und dem Risiko der Realisierbarkeit von Kostenerstattungsansprüchen. Nachfolgend richtet sich der Blick auf Verfahrensrisiken prozessualer Art, unterteilt u. a. in die Ungewissheit über den Prozessumfang (z. B. Verfahrensdauer, Instanzenzug), Gefahren der Präklusion oder Zweifel am Gerichtsstand. Weitere Abschnitte des ersten Hauptteils behandeln Verfahrensrisiken materieller (z. B. Normenklarheit und Rechtanwendung), substantieller (hier liegt der Schwerpunkt insbesondere auf Beweisschwierigkeiten) und personeller Art sie können aus der Person des Richters, des eigenen Rechtsanwalts, des Verfahrensgegners, aber auch des Antragstellers selbst folgen. Ein kürzerer Abschnitt beleuchtet nach dem Verfahrensrisiko sodann das sog. Realisierungsrisiko, hier geht es insbesondere um die Bonität des Verfahrensgegners. Auf mehr als 150 Seiten fächert der Verfasser somit anschaulich den rechtlichen Hintergrund der alten Volksweisheit Recht haben und Recht bekommen ist zweierlei auf. Auf diese Weise hat der Verfasser die Grundlage für den zweiten Hauptteil seiner Untersuchung gelegt, der sich mit den unterschiedlichen Möglichkeiten der Finanzierung einer Rechtsverfolgung befasst. Zunächst werden die verfassungsrechtlichen Grundlagen analysiert, die bestimmte Formen der Drittfinanzierung einer Rechtsverfolgung determinieren. Vorfrage ist hierbei zunächst, warum der Staat selbst Kostenhürden errichtet, die für die Durchführung eines Zivilverfahrens zu überwinden sind. Anschaulich fächert der Verfasser hier die Finanzierungs-, Steuerungs-, Schutz-, Abschreckungs- und Sicherungsfunktion der Gerichtskosten auf. Folgerichtige Anschlussfrage ist, wie bei einer Kostenpflichtigkeit der privaten Rechtsverfolgung der wirtschaftliche Schutz Bedürftiger sichergestellt werden kann. Hier arbeitet Wehling die Bedeutung des Sozialstaatsprinzips heraus, aufgrund dessen eine weitgehende Angleichung der Rechtsschutzmöglichkeiten von Vermögenden und Bedürftigen, nicht aber ihre völlige Gleichstellung sicherzustellen ist. Zwei große Abschnitte schließen sich an, die die Kostenfinanzierung aufgrund Gesetzes und durch Vereinbarung mit Dritten beleuchten. Bei Fragen der Finanzierung aufgrund Gesetzes geht es zum einen um die Prozesskostenhilfe. Hier hätte sich sicherlich ein kurzer rechtsvergleichender Blick gelohnt, der einige Besonderheiten, man kann wohl auch sagen, Merkwürdigkeiten des deutschen Systems der Prozesskostenhilfe aufgezeigt hätte. Zum anderen befasst sich der Verfasser mit Finanzierungseffekten der Gebührensystematik der Kostengesetze durch die Gebührendegression, den Ermäßigungsmöglichkeiten und der Streitwertsubventionierung. Etwas überraschend verzichtet die Studie auf die Erörterung der Wertabhängigkeit von Rechtsanwaltsvergütung und Gerichtskosten im Zivilverfahren, obschon gerade diese Wertabhängigkeit als Basis der Gebührendegression aus Sicht des historischen Gesetzgebers wesentliches Element der Sicherstellung des Zugangs zum Recht für bedürftige Personen mit präsumtiv niedrigwertigen Streitigkeiten ist. Nach einem kurzen Blick auf das Institut des Prozesskostenvorschusses wendet sich der Verfasser sodann einem interessanten Themenkomplex zu, nämlich der Minimierung von finanziellen Risiken durch die Ausnutzung prozessualer Möglichkeiten (z. B. Teilklage, Stufenklage, Anspruchshäufung, Prozessvergleich) oder alternative Streitbeilegungsverfahren. Danach erläutert Wehling auf weiteren rund 150 Seiten die Möglichkeiten der Finanzierung der Rechtsverfolgung durch Dritte. Den breitesten Raum räumt er hierbei, einer gewissen Mode in Dissertationsschriften folgend, der gewerblichen Prozessfinanzierung ein, obschon diese in der Praxis bislang keine größere Rolle spielt. Hier werden auf rund 75 Seiten die in den letzten zehn Jahren intensiv diskutierten rechtlichen Grundfragen der Prozessfinanzierung abgehandelt. Ein weiterer großer Block befasst sich mit der Rechtsschutzversicherung, behandelt wird insbesondere die Frage, welche Risiken überhaupt versicherbar sind und was die Voraussetzungen der Leistungspflicht des Versicherers sind. Hier ist manches in Bewegung, so dass ein Blick auf aktuelle Entwicklungen reizvoll gewesen wäre. Kürzere Abschnitte befassen sich mit exotischeren Formen der Kostenfinanzierung, etwa durch Verbände und Vereine, öffentliche Einrichtungen, Kreditinstitute und durch den Forderungsverkauf. Trotz der Aktualität des Themas relativ knapp fällt der Abschnitt zur anwaltlichen Kostenfinanzierung durch die Vereinbarung von Erfolgshonoraren aus. Der im Wesentlichen kompilatorische Ansatz der Arbeit bringt es mit sich, dass keine grundlegend neuen Wege beschritten werden. Verdienst der Studie ist es vielmehr, auf mehr als 500 Seiten das System der Finanzierung von Zivilverfahren anschaulich und im Rahmen des einer Doktorarbeit Möglichen mit praktischer Rückbindung systematisch aufzufächern. Mehr als Fußnoten sind Beleg für die große Sorgfalt, die der Verfasser bei der Anfertigung seiner Untersuchung aufgewendet hat. Dr. Matthias Kilian, Köln Der Autor ist Rechtsanwalt und Direktor des Soldan-Instituts für Anwaltmanagement e. V. (Essen). Sie erreichen den Autor unter der -Adresse 522 AnwBl 7 / 2010 Bücherschau, Kilian

83 MN Haftpflichtfragen DL-InfoV Der Anwalt muss informieren Die Mitteilungspflichten über den Versicherungsschutz Assessorin Jacqueline Bräuer, Allianz Versicherung, München Hinter dem Wortungetüm Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung verstecken sich neue Informationspflichten für Anwälte. Sie gelten seit dem Die DL-InfoV hat im Juni-Heft bereits Schons umfassend vorgestellt (AnwBl 2010, 419). Die Autorin greift einen Themenkomplex dieser Verordnung heraus und durchleuchtet ihn: die Mitteilungspflichten über den Versicherungsschutz. 1. Informationspflichten zur Versicherung aus berufsrechtlicher Sicht Seit gibt es die Pflichtversicherung für Anwälte (vgl. 51 BRAO). Aber immer noch besteht keine Verpflichtung des Anwalts, dem Mandanten im Falle der Behauptung eines Regressanspruchs mitzuteilen, wo er versichert ist (vgl. auch LG Tübingen, Beschluss vom T 133/94). Mit dem neuen VVG trat zum ein nur eingeschränkter Direktanspruchs in Kraft ein Direktanspruch gegen den Versicherer besteht gemäß 115 VVG insbesondere dann, wenn der Anwalt in Insolvenz ist oder wenn der Anwalt verschwunden ist. Im Zuge der Schaffung des Direktanspruchs der zunächst umfassend geplant war wurde Mitte 2007 ein Auskunftsanspruch des Geschädigten gegenüber der Rechtsanwaltskammer eingeführt (vgl. 51 Abs. 6 S. 2 BRAO), denn ein Direktanspruch nützt dem Geschädigten wenig, wenn er nicht weiß, gegen wen sich der Anspruch richtet. Der Auskunftsanspruch gegenüber der Rechtsanwaltskammer besteht immer, unabhängig von einem Direktanspruch. In jüngerer Zeit war zu beobachten, dass auch viele Anwälte dem Geschädigten im Haftungsfall bereits freiwillig Angaben über den Versicherungsschutz machten. An dieser berufsrechtlichen Situation ändert sich durch die DL-InfoV nichts. 2. DL-InfoV und anwaltliches Berufsrecht Die DL-InfoV hat systematisch gesehen rein gar nichts mit dem anwaltlichen Berufsrecht zu tun, und genau darin liegt das Problem. Die DL-InfoV ist in der Gewerbeordnung angesiedelt, aber auch auf Anwälte anzuwenden, da Anknüpfungsmerkmal die Erbringung von Dienstleistungen ist. Daher muss seit auch der Anwalt dem (potentiellen) Mandanten vor Vertragsabschluss bzw. vor Erbringung der Dienstleistung Angaben zu seiner Berufshaftpflichtversicherung erteilen, insbesondere Namen und Anschrift des Versicherers und den räumlichen Geltungsbereich der Versicherung ( 2 Ziff. 11 DL-InfoV). Die Angaben müssen im Zeitpunkt der Erteilung der Wahrheit entsprechen, 6 Ziff. 1 DL-InfoV und klar und verständlich sein ( 2 Abs. 1 DL-InfoV) Die zugrundeliegende ursprüngliche EU-Richtlinie RL2005/36/EG vom formuliert in Art. 9 f) Einzelheiten zu einem Versicherungsschutz oder einer anderen Art des individuellen oder kollektiven Schutzes in Bezug auf die Berufshaftpflicht. 3. Zeitpunkt der Erteilung der Angaben Nicht erst anlässlich eines zumindest behaupteten anwaltlichen Fehlers hat der Anwalt dem Mandanten seine Berufshaftpflichtversicherung mitzuteilen, sondern schon bevor das Mandat überhaupt zustande kommt und der Anwalt tätig wird. Streng genommen sind wohl sogar einem nur potentiellen Dienstleistungsempfänger gegenüber die Informationen seitens der Kanzlei zugänglich zu machen, ein Mandat muss danach gar nicht geschlossen werden. Dem Anwalt wird mit der Regelung dagegen nicht aufgegeben, den Mandanten auch ständig im laufenden Mandat mit aktuellen Angaben zu versorgen. Vor dem Hintergrund des im deutschen Anwaltshaftungsrecht geltenden Verstoßprinzips relativiert sich der Nutzen der einmal erteilten Auskünfte u. U. schnell wieder. Die anwaltliche Dienstleistung ist meist per se auf einen längeren Zeitraum angelegt und deshalb mit der Tätigkeit beispielsweise eines Frisörs schwer vergleichbar. Der Anwalt kann im Laufe seines Berufslebens den Versicherer aus den verschiedensten Gründen beliebig oft wechseln; ein Mandat dagegen kann über viele Jahre dauern. Wenn im Mandat ein Fehler passiert, kommt es für die Haftung und damit letztlich auch für die Deckung über die Berufshaftpflichtversicherung nicht auf die Situation vor Mandatsbeginn an. Die einst erteilten Auskünfte könnten also in vielen Fällen zur Folge haben, dass der Mandant sich im vermeintlichen Schadenfall zunächst an einen im Ergebnis unzuständigen Versicherer wendet, was für alle Beteiligten unnötigen Aufwand bedeutet und den Geschädigten effektiv nicht weiter bringt. 4. Wer hat die Angaben zu machen? Bevor man auf die Idee kommt, hier eventuell nach der Außenhaftung oder nach der Rechtsform der Kanzlei differenzieren zu wollen, muss man sich vergegenwärtigen, was Anknüpfungspunkt der Verordnung ist. Gemäß 1 Abs. 1 DL-InfoV gilt die Verordnung für Personen, die Dienstleistungen erbringen. Personen können hiernach natürliche Personen, rechtsfähige Personengesellschaften oder juristische Personen sein (vgl. 2 Abs. 1 DL-InfoV). a) Beim Einzelanwalt ist Dienstleistungserbringer der Anwalt selbst und letztlich auch sämtliche angestellten, wenn auch nicht nach außen auftretenden zugelassenen Rechtsanwälte. Daher wären wohl die Versicherungsdaten aller in der Kanzlei tätigen Anwälte anzugeben. b) Im Falle einer BGB-Gesellschaft (= rechtsfähige Personengesellschaft!) erbringt dann wohl diese die Dienstleistungen. Sofern es in der BGB-Gesellschaft eine Sammelpolice gibt, über die alle Anwälte versichert sind, wären deren Daten anzugeben. Eine Versicherungspflicht für die BGB-Gesellschaft als solche besteht allerdings nicht. Die Versicherungspflicht besteht für jeden zugelassenen Anwalt ( 51 BRAO). In der Praxis versichern sich häufig alle Anwälte individuell. Im Zweifel (sicherster Weg!) wären also wohl die Versicherungsverhältnisse sämtlicher in der Sozietät tätigen zugelassenen Anwälte (Sozien, Scheinsozien, Angestellte, freie Mitarbeiter etc.) anzugeben, wobei dies einfach ist, wenn zufällig alle bei dem gleichen Versicherer sind und alle den gleichen räumlichen Geltungsbereich versichert haben. Sind die einzelnen Anwälte bei unterschiedlichen Versicherern wie in der Praxis häufig, so wird man DL-InfoV Der Anwalt muss informieren, Bräuer AnwBl 7 /

84 MN Haftpflichtfragen die sämtlichen Versicherungsverhältnisse personenbezogen darstellen müssen das dürfte je nach Zahl der tätigen Anwälte sehr aufwändig werden. c) Die Partnerschaftsgesellschaft ist ebenfalls eine rechtsfähige Personengesellschaft. Auch sie ist selbst nicht versicherungspflichtig. Die Situation dürfte hier letztlich nicht anders sein als bei der BGB-Gesellschaft. d) Die RA-GmbH ist juristische Person und selbst versicherungspflichtig, 59 j BRAO. Hier dürften folgerichtig nur die Versicherungsverhältnisse der GmbH selbst anzugeben sein. Die einzelnen Policen der in der GmbH tätigen Anwälte, welche diese zum Erhalt der Zulassung neben der Versicherung der GmbH individuell unterhalten müssen, wären im Rahmen der Tätigkeit der RA-GmbH nicht anzugeben, denn Dienstleistungserbringer ist die GmbH. Nimmt ein Anwalt dagegen außerhalb der GmbH eigene Mandate wahr, ist er wiederum Einzelanwalt und Dienstleistungserbringer und muss seinen individuellen Versicherungsvertrag benennen. e) Die RA-AG ist juristische Person und somit Dienstleistungserbringer, aber anders als bei der GmbH ist eine Versicherungspflicht nicht gesetzlich vorgesehen. In der Praxis erfolgt die Zulassung der RA-AG durch die Kammern analog der RA-GmbH, dazu auch BGH, NJW 2005, Dies setzt die Versicherung der RA-AG entsprechend 59 j BRAO voraus. Besteht eine Kanzleipolice der RA-AG, ist diese anzugeben. f) Bei der (ausländischen) LLP ist vieles unklar, dazu auch BGH, NJW 2009, Ist sie im Partnerschaftsregister eingetragen, ist sie wohl Dienstleistungserbringer und analog der PartG zu behandeln. Ist sie nicht im Partnerschaftsregister eingetragen, stellt sich schon die Frage, wer Dienstleistungserbringer ist. Vielleicht sollten dann sicherheitshalber die Versicherungsverhältnisse aller in Deutschland zugelassenen Anwälte angegeben werden. 5. Wo und wie können die Angaben erfolgen? Der Anwalt hat vier verschiedene Möglichkeiten, dem potentiellen Mandanten die erforderlichen Informationen zu erteilen: a) Durch Aushang/Auslage in der Kanzlei (Ort der Leistungserbringung) Ein Aushang ist naturgemäß permanent sichtbar vorhanden. Hier wird man von einem Erfordernis der ständigen Aktualisierung im Falle der Änderung der Daten ausgehen müssen, denn die Verordnung verlangt ja immer eine korrekte Information eines künftigen Mandanten und es kann schließlich jederzeit ein potentieller neuer Mandant die Kanzlei betreten. Auch der Mandant eines schon bestehenden Mandats hätte dann die nicht vorgeschriebene Möglichkeit, die geänderten Angaben zur Kenntnis zu nehmen. Diese Variante der Informationserteilung würde aber möglicherweise im Rahmen der Verordnung nicht ausreichen, wenn der (künftige) Mandant die Kanzlei gar nicht betritt, sondern der Anwalt ihn in seinem Geschäft aufsucht, wenn das Mandat am Stammtisch angebahnt wird, im Tennisclub o. ä. Die Verordnung lässt sich leider nicht eindeutig darüber aus, ob der spätere Mandant die Informationen nur theoretisch zur Kenntnis nehmen können muss oder ob ihm dies im Einzelfall tatsächlich möglich sein muss. Dazu wird sich die Rechtsprechung zukünftig sicher noch äußern. Bis dahin sollte der Anwalt überlegen, ob er nicht einmal für sich selbst den sichersten Weg beschreiten und dem späteren Mandanten die Kenntnisnahme der Informationen tatsächlich (und möglichst nachweisbar) ermöglichen will. b) Im Internetauftritt Viele Anwälte stehen wohl einem Internetauftritt eher skeptisch gegenüber sicher nicht ganz zu Unrecht, lauert hier doch immer schon irgendwo die Gefahr einer Abmahnung. Wer ohnehin im Internet präsent ist, hat wahrscheinlich kein Problem damit, nun auch noch die von der Verordnung verlangten Angaben für künftige Mandanten zu präsentieren. Auch bei dieser Art der Datenvorhaltung wären diese immer und für jeden, also für Mandanten, für künftige Mandanten und für sonstige neugierige Menschen einsehbar und, da latent immer ein potentieller neuer Mandant Einblick nehmen könnte, stets aktuell zu halten. c) In einer Kanzleibroschüre/Prospekt Nachdem man nie wissen kann, wer die Broschüre in die Hand bekommt es kann immer ein künftiger Mandant dabei sein müsste diese Broschüre auch immer aktuell gehalten werden, was einen deutlichen Zusatzaufwand mit entsprechendem zeitlichen Vorlauf verursachen würde, da eine solche Broschüre ja nicht innerhalb der Kanzlei hergestellt werden kann. Zumindest dürfte es sich empfehlen, in der Broschüre unbedingt den Stand der Informationen mit exaktem Datum anzugeben und ggf. für aktuelle Informationen auf einen Internetauftritt (sofern vorhanden) oder eine Nachfrage in der Kanzlei o. ä. zu verweisen. d) Durch individuelle Mitteilung an den zukünftigen Mandanten Der Anwalt könnte dem künftigen Mandanten einen Brief mit den Angaben schicken, eine , er kann ihm auch beim Erstgespräch ein Informationsblatt aushändigen. Brief und würden voraussetzten, dass der Anwalt um den potentiellen Mandanten schon weiß, ein Mandant aber noch nicht zustande gekommen ist. Die Aushändigung eines Informationsblattes erschiene demgegenüber lebensnäher und komfortabler und wäre zudem auch eine gangbare Möglichkeit in solchen Fällen, in denen der Kontakt gar nicht in den Kanzleiräumen erfolgt. Direkt nach Aushändigung eines solchen Informationsblattes könnte dann das Mandat abgeschlossen werden und der Anwalt mit der Erbringung der Dienstleistungen beginnen, was ja eigentlich Sinn des Ganzen ist. Jeder Anwalt/jede Kanzlei wird für sich überlegen müssen, auf welchem Wege er/sie künftigen Mandanten die vorgeschriebenen Informationen geben will. Aber ganz grundsätzlich sollte man sich für einen Standard entscheiden und nicht ständig ad hoc wechseln. Allein schon im Hinblick darauf, dass der Anwalt ja im Ernstfall nachweisen muss, dass, wie und welche Informationen er erteilt hat, um ggf. einer Geldbuße es handelt sich bei einem Verstoß um eine Ordnungswidrigkeit zu entgehen. Innerhalb einer Kanzlei muss wohl zwingend einheitlich vorgegangen werden, wie sich aus Punkt 4. ergibt. 6. Zwingend vorgeschriebene Angaben a) Name und Anschrift des Versicherers, 2 Abs. 1 Ziff. 11 DL-InfoV: Diese Angaben sind wohl unproblematisch. 524 AnwBl 7 / 2010 DL-InfoV Der Anwalt muss informieren, Bräuer

85 MN Haftpflichtfragen b) Der räumliche Geltungsbereich der Berufshaftpflichtversicherung, 2 Abs. 1 Ziff. 11 DL-InfoV: Hier wird es schon komplizierter, denn der räumliche Geltungsbereich lässt sich im Regelfall nicht mit kurzen Worten ausdrücken. Maßstab ist zum einen 51 BRAO, der bestimmte Deckungsausschlüsse, auch in räumlicher Hinsicht, zulässt und zum anderen der konkrete Versicherungsvertrag des Anwalts/der Kanzlei. 51 Abs. 3 BRAO (und darauf verweisend 59 j Abs. 1 BRAO für die GmbH) erlaubt Deckungsausschlüsse in räumlicher Hinsicht in drei Konstellationen: 9 für Ersatzansprüche aus Tätigkeiten über in anderen Staaten eingerichtete oder unterhaltene Kanzleien oder Büros ( 51 Abs. 3 Ziff. 2 BRAO) 9 für Ersatzansprüche aus Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Beratung und Beschäftigung mit außereuropäischem Recht ( 51 Abs. 3 Ziff. 3 BRAO) 9 für Ersatzansprüche aus Tätigkeiten des Rechtsanwalts vor außereuropäischen Gerichten ( 51 Abs. 3 Ziff. 4 BRAO) Weitergehende versicherungsvertragliche Deckungsausschlüsse wären nicht zulässig. In der Praxis wird zumeist die Vorgabe der BRAO wörtlich übernommen. Im Einzelfall kann ein Anwalt natürlich einen räumlich umfassenderen Geltungsbereich in seinem Versicherungsvertrag vereinbart haben. Da der Anwalt/die Kanzlei aber korrekte Angaben (vgl. 6 Ziff. 1 DL-InfoV) zu erteilen hat, sollte der konkrete räumliche Geltungsbereich aus dem Versicherungsvertrag und den aktuell gültigen Versicherungsbedingungen entnommen werden; nicht aus 51 Abs. 3 BRAO und nicht aus irgendwelchen veralteten Versicherungsbedingungen. Der sicherste Weg wäre es insoweit wohl, schlicht den Wortlaut der Versicherungsbedingungen abzuschreiben, bevor man sich an eigenen Umschreibungen der dort geregelten Inhalte versucht. Welchen Nutzen der Mandant aus der Angabe des räumlichen Geltungsbereichs der Versicherung im Sinne des Verbraucherschutzes ziehen können soll, erschließt sich nicht. 7. Auf Nachfrage zu erteilende Angaben Gemäß 3 DL-InfoV hat der Erbringer der Dienstleistung vor Vertragsschluss bzw. vor Erbringung der Dienstleistung auf Anfrage des potentiellen Dienstleistungsempfängers weitergehende Angaben zu machen. Was den Versicherungsschutz angeht, wäre hier Ziff. 1 relevant: Dienstleister, die reglementierte Berufe ausüben dazu gehört der Anwalt müssen einen Hinweis auf die geltenden berufsrechtlichen Regelungen geben und mitteilen, wie diese Regelungen zugänglich sind. 51 BRAO bzw. 59j BRAO sind solche berufsrechtlichen Regelungen, die an dieser Stelle zu nennen wären. 8. Mögliche weitere Angaben a) Versicherungsscheinnummer Die durch die DL-InfoV insgesamt verlangten Angaben zwingen den Anwalt bereits zu Ausführungen, die vom Umfang her irgendwo zwischen Kurzgeschichte und Roman liegen werden. Deshalb wird man kaum gewillt sein, mehr als unbedingt nötig zu schreiben. Allerdings muss man sich hier noch einmal den Hintergrund der Regelung klar machen: dieses ist kein berufsrechtlicher und auch kein haftungsrechtlicher Ansatz. Unter dem Haftungsaspekt aber um den geht es hier nicht! erscheint es willkürlich und darüber hinaus für die Praxis absolut sinnlos, unter allen denkbaren Angaben zum Versicherungsschutz ausgerechnet den räumlichen Geltungsbereich zur Pflichtangabe zu machen. Dem Schutz des Verbrauchers hätte z. B. die Angabe, dass Erfüllungsansprüche grundsätzlich nicht vom Versicherungsschutz umfasst sind oder für wissentliche Pflichtverletzungen des Anwalts keine Deckung besteht oder Sach- und Personenschäden nur unter bestimmten Voraussetzungen versichert sind, mindestens ebenso gut, wenn nicht besser gedient. Und noch vorrangiger hätte man daran denken können, die Nennung der Versicherungsscheinnummer vorzuschreiben. Es bereitet immense praktische Probleme, wenn der Anwalt zwar Versicherungsunternehmen und Anschrift angibt, aber nicht die Versicherungsscheinnummer. Der Mandant kann sich fortan jederzeit zunächst ohne weiteres Wissen und Zutun des Anwalts mit vermeintlichen Schadenersatzforderungen gegen den Anwalt an dessen Versicherer wenden. Für diesen ist es aber schwierig bis unmöglich, allein aufgrund des Namens des Anwalts und vielleicht noch der Kanzleianschrift den richtigen Versicherungsvertrag herausfinden. Man denke nur an Namensänderungen, Adressänderungen, Sammelpolicen, Namensgleichheiten u. ä. Zudem muss man bedenken, dass der Mandant sich gemäß den aufgrund der Verordnung erhaltenen Angaben auf einen alten Zustand bezieht. Oft wird der Versicherer selbst beim Anwalt nach dessen Versicherungsscheinnummer fragen müssen. Um diesen Zusatzaufwand zu vermeiden, könnte man durchaus daran denken, freiwillig auch noch die Versicherungsscheinnummer mit anzugeben. Der Anwalt hätte durch diese freiwillige Zusatzangabe jedenfalls keine erkennbaren Nachteile. b) Versicherungssumme Sehr zu begrüßen ist allerdings, dass die Angabe der Versicherungssumme nicht als Pflichtangabe vorgeschrieben ist. Die Pflichtversicherungssumme ist ohnehin ein öffentlich bekannter Umstand und würde ja ggf. über 3 Ziff. 1 DL-InfoV dem potentiellen Mandanten zugänglich gemacht. Alles was eventuell darüber hinausgeht, liegt individuell im Belieben von Anwalt und Versicherer. Im Übrigen zeigt die Erfahrung, dass entsprechende Angaben durchaus Begehrlichkeiten erst wecken können. Und recht viel nützen würde die Angabe der vertragsgemäßen Versicherungssumme vor Mandatsbeginn dem späteren Mandanten ohnehin nicht, denn bis zum späteren Eintritt eines Schadenfalles und bis zu der noch späteren Abwicklung dieses Schadenfalles könnte die Versicherungssumme für das betreffende Verstoßjahr längst ganz oder teilweise ausgeschöpft sein. Zudem könnte im Verstoßzeitpunkt eine andere Versicherungssumme gelten als noch im Zeitpunkt der Mitteilung. Die Verwirrung wäre zumeist größer als der Nutzen. Von der überobligatorischen Angabe der Versicherungssumme sei daher abgeraten. Assessorin Jacqueline Bräuer, München Die Autorin ist Assessorin und bei der Allianz Versicherungs- AG tätig. Der Beitrag gibt ihre persönliche Auffassung wieder. Sie erreichen die Autorin unter der -Adresse autor@anwaltsblatt.de. DL-InfoV Der Anwalt muss informieren, Bräuer AnwBl 7 /

86 MN Rechtsprechung Anwaltsrecht Informationsfreiheit für Verschlusssachen IFG 3 Nr Nr. 4 IFG verstößt nicht gegen den Vorbehalt des Gesetzes. Die Vorschrift enthält keine verfassungsrechtlich bedenkliche dynamische Verweisung auf eine Verwaltungsvorschrift. 2. Der Anspruch auf Zugang zu einer Information ist nicht allein deshalb nach 3 Nr. 4 IFG ausgeschlossen, weil die Information formal als Verschlusssache eingestuft ist. Vielmehr kommt es darauf an, ob die materiellen Gründe für eine solche Einstufung vorliegen. BVerwG, Urt. des 7. Senats v C Aus den Gründen: I. Der Kläger begehrt vom Auswärtigen Amt den Zugang zum Leitfaden Sprachnachweis des Goethe-Instituts. Der Leitfaden Sprachnachweis ist Teil des Visumhandbuchs des Auswärtigen Amtes. Er dient den deutschen Auslandsvertretungen als Arbeitshilfe, wenn sie in Fällen des Familiennachzugs eines Ausländers vor Erteilung des Visums nachprüfen, ob der Ausländer sich auf einfache Weise in deutscher Sprache verständigen kann ( 6 Abs. 4 Satz 2, 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG). Der Kläger, ein Rechtsanwalt, ist Redakteur einer ausländerrechtlichen Fachzeitschrift. Er beantragte beim Auswärtigen Amt, ihm unter anderem den Leitfaden Sprachnachweis in Ablichtung zuzusenden. Insoweit lehnte das Auswärtige Amt den Antrag ab, weil der Leitfaden als Verschlusssache Nur für den Dienstgebrauch eingestuft sei: Ein Bekanntwerden seines Inhalts würde sich nachteilig auf die Durchführung von Prüfungen auswirken. Die Einstufung des Leitfadens als Verschlusssache sei deshalb gerechtfertigt. Nach erfolglosem Widerspruch hat der Kläger Klage erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zu verpflichten, ihm Zugang zu dem Leitfaden Sprachnachweis des Goetheinstituts zu gewähren. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen: Der Leitfaden sei als Verschlusssache eingestuft. Als solche unterliege er einer Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflicht im Sinne des 3 Nr. 4 IFG. Ob die Einstufung gerechtfertigt sei, sei unerheblich. Gegen dieses Urteil hat der Kläger die zugelassene Sprungrevision eingelegt, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt: Allein die formelle Einstufung einer Information als Verschlusssache schließe den Anspruch auf Informationszugang nicht aus. Der Wortlaut des 3 Nr. 4 IFG ziele auf eine in der Verschlusssachenanweisung geregelte Geheimhaltungspflicht und nicht auf das Vorliegen einer bloßen Einstufung als Verschlusssache. Auch die anderen Ausschlusstatbestände des 3 IFG stellten auf ein materielles Geheimhaltungsbedürfnis ab. Die abweichende Auslegung schreibe der Verschlusssachenanweisung eine Regelungsmacht zu, die ihr von Verfassungs wegen nicht zukommen könne. Nur durch Gesetz determinierte Geheimhaltungsgründe könnten dem gesetzlich geschaffenen Anspruch auf Informationszugang entgegengehalten werden. Das gesetzliche Recht auf Informationszugang sei von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt und dürfe gemäß Art. 5 Abs. 2 GG nur durch ein allgemeines Gesetz beschränkt werden. Art. 19 Abs. 4 GG lasse gerichtsfreie Hoheitsakte der Exekutive nicht zu. Die Rechtmäßtgkeit einer Einstufung als Verschlusssache müsse daher inzident überprüft werden. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil: Ein Informationsanspruch werde nach 3 Nr. 4 IPG allein durch die formelle Klassifizierung der Information als Verschlusssache kraft Gesetzes ausgeschlossen. Der Vertreter des Bundesinteresses tritt der Auffassung des Verwaltungsgerichts bei: Bereits die Einstufung einer Information als Verschlusssache führe den Ausschlussgrund des 3 Nr. 4 IFG herbei. Ob die Einstufung (noch) zu Recht bestehe, sei aus Anlass eines Antrags auf Informationszugang nicht zu prüfen. II. Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht ( 137 Abs. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die Klage unter Verstoß gegen 3 Nr. 4 IFG mit der Begründung abgewiesen, schon die formale Einstufung einer Information als Verschlusssache schließe den Anspruch auf Informationszugang aus (1.). Der Senat kann nicht zu Gunsten des Klägers in der Sache selbst entscheiden ( 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). 3 Nr. 4 IFG ist nicht verfassungswidrig und kann deshalb grundsätzlich zu Lasten des Klägers angewandt werden (2.). Dies setzt aber voraus, dass die streitige Information zu Recht als Verschlusssache eingestuft ist. Die für diese Beurteilung erforderlichen tatsächlichen Feststellungen hat das Verwaltungsgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig nicht getroffen (3.). Zu ihrer Nachholung ist die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen ( 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). 1. Nach 3 Nr. 4 IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn die Information einer durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (Verschlusssachenanweisung VSA) geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht unterliegt. a) Zwar lässt der Wortlaut noch die Annahme zu, die Vorschrift wolle den Anspruch auf Zugang zu einer Information bereits dann ausschließen, wenn die streitige Information formal als Verschlusssache eingestuft ist. Der Ausschluss des Anspruchs knöpft daran an, dass die streitige Information einer Pflicht zur Vertraulichkeit unterliegt. Die Pflicht zur Vertraulichkeit richtet sich an den Bediensteten, der Zugang zu und Umgang mit Verschlusssachen hat. Für diesen entsteht die Pflicht zur Vertraulichkeit mit der Einstufung der Information als Verschlusssache. An diese Einstufung ist er gebunden. Er hat mit der formalen Einstufung als Verschlusssache die dadurch ausgelöste Pflicht zur Vertraulichkeit und Verschwiegenheit zu beachten. b) Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift ist hingegen schon nicht mehr eindeutig. In der Begründung des Gesetzentwurfs (BTDrucks 15/4493) heißt es zu 3 Nr. 4 IFG: Die aufgrund von 35 Abs. 1 SÜG nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VSA) erfolgte Einstufung schließe einen Anspruch ebenfalls aus. Dies gelte auch für VS Nur für den Dienstgebrauch eingestufte Informationen. Die Begründung verweist einerseits auf die erfolgte Einstufung, die einen Anspruch ausschließe. Das kann bedeuten, dass nach der Absicht des Gesetzgebers allein schon die Einstufung als Verschlusssache den Anspruch ausschließen sollte. Andererseits verweist die Gesetzesbegründung auf die nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen erfolgte Einstufung. Das kann bedeuten, dass auch nach der Auffassung des Gesetzgebers nur eine solche Einstufung als Verschlusssache den Anspruch ausschließen sollte, die den materiellen Anforderungen der Verschlusssachenanweisung entspricht, also in diesem Sinne nach der Verschlusssachenanweisung erfolgt ist. Dass der Gesetzgeber von diesem Verständnis ausgegangen ist und 3 Nr. 4 IFG so verstehen wollte, legt die Gesetzes- 526 AnwBl 7 / 2010 Anwaltsrecht

87 MN Rechtsprechung begründung zu 9 Abs. 4 IFG nahe. Im Zusammenhang mit dieser Vorschrift über das Widerspruchsverfahren heißt es in der Gesetzesbegründung: Lege eine Behörde eine als Verschlusssache ( 3 Nr. 4 IFG) eingestufte Information gemäß 99 Abs. 1 VwGO nicht vor, könne die Rechtmäßigkeit der Verweigerung in einem in-camera-verfahren nach 99 Abs. 2 VwGO überprüft werden. Schlösse bereits die formale Einstufung einer Information als Verschlusssache einen Anspruch auf Zugang zu ihr aus, bedürfte es der Vorlage der Information in einem Rechtsbehelfsverfahren nicht. Diese Vorlage ist allein dann erforderlich, wenn nur anhand des genauen Inhalts der Information nachgeprüft werden kann, ob ihre Einstufung als Verschlusssache den materiellen Anforderungen der Verschlusssachenanweisung entspricht. Die Gründe für die Verweigerung einer Vorlage im Prozess sind zugleich die Gründe, die materiell die Einstufung als Verschlusssache rechtfertigen sollen. c) Jedenfalls nach dem Sinn und Zweck des 3 Nr. 4 IFG sowie nach der damit untrennbar verbundenen Systematik des 3 IFG kommt es auf die materielle Richtigkeit der Einstufung als Verschlusssache an. 3 IFG schützt nach der amtlichen Überschrift besondere öffentliche Belange gegen Nachteile, die ihnen drohen, falls eine Information bekannt wird. Die nur formale Einstufung als Verschlusssache ist losgelöst von den eventuell hinter ihr stehenden materiellen Geheimhaltungsbedürfnissen nicht schutzwürdig. Den öffentlichen Belangen drohen keine Nachteile, wenn eine als Verschlusssache eingestufte Information bekannt wird, es sei denn, die Einstufung entspricht den materiellen Geheimhaltungsbedürfnissen, wie sie in 3 Nr. 4 VSA i. V. m. 4 SÜG geregelt sind. Es besteht kein Grund für die Annahme, der Gesetzgeber habe in 3 Nr. 4 IFG einen Ausschlusstatbestand schaffen wollen, der nicht in vergleichbarer Weise wie die anderen Ausschlusstatbestände dem Schutz materieller öffentlicher Belange dient. Zwar löst bereits die formelle Einstufung als Verschlusssache für den damit befassten Bediensteten eine Pflicht zur Vertraulichkeit aus. Sie besteht aber nur zum Schutz der materiellen Geheimhaltungsbedürfnisse, wie sie in der Verschlusssachenanweisung geregelt sind. Nur von einer ihr entsprechenden Einstufung als Verschlusssache lässt sich sagen, dass die mit ihr begründete Pflicht zur Vertraulichkeit in der Verschlusssachenanweisung geregelt ist, wie der Wortlaut der Vorschrift es verlangt. Für das Verhältnis der Behörde zu außenstehenden Dritten ist aber weniger die Pflicht ihrer Bediensteten zur Vertraulichkeit maßgeblich, sondern die mit ihr gegebenenfalls verbundenen materiellen Geheimhaltungsinteressen. Die Ausschlusstatbestände des 3 IFG dienen dem Schutz vielfältiger Interessen des Bundes und der Länder. Dieser Schutz ist von unterschiedlichen materiellen Anforderungen abhängig. So sind internationale Beziehungen (Nr. 1 Buchst. a), militärische und sonstige sicherheitsempfindliche Belange der Bundeswehr (Nr. 1 Buchst. b), Belange der inneren oder äußeren Sicherheit (Nr. 1 Buchst. c), Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der Finanz-, Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden (Nr. 1 Buchst. d), Angelegenheiten der externen Finanzkontrolle (Nr. 1 Buchst. e) oder Maßnahmen zum Schutz vor unerlaubtem Außenwirtschaftsverkehr (Nr. 1 Buchst. f) geschützt, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf diese Interessen haben kann. Die öffentliche Sicherheit ist geschützt, wenn sie durch das Bekanntwerden der Information gefährdet werden kann (Nr. 2). Die notwendige Vertraulichkeit internationaler Verhandlungen (Nr. 3 Buchst. a) oder die Beratungen von Behörden (Nr. 3 Buchst. b) sowie fiskalische Interessen des Bundes im Wirtschaftsverkehr oder wirtschaftliche Interessen der Sozialversicherungen (Nr. 6) sind geschützt, wenn sie durch das Bekanntwerden der Information beeinträchtigt werden. Diese speziellen Interessen begründen mithin nur unter besonderen tatbestandlichen Voraussetzungen ein Geheimhaltungsbedürfnis, das dem Anspruch auf Informationszugang entgegengehalten werden kann. Diese Voraussetzungen würden unterlaufen, wenn bereits die formelle Einstufung als Verschlusssache, die in allen diesen Fällen ebenfalls möglich wäre, den Anspruch ausschlösse. 2. Entgegen der Auffassung des K!ägers kann aber andererseits die Einstufung einer Information als Verschlusssache den Anspruch auf Informationszugang ausschließen, wenn die materiellen Voraussetzungen dieser Einstufung vorliegen. 3 Nr. 4 IFG ist nicht verfassungswidrig. a) 3 Nr. 4 IFG genügt dem Vorbehalt des Gesetzes. Der Gesetzgeber hat in 3 Nr. 4 IFG die wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen und sie nicht der informationspflichtigen Stelle überlassen. Er hat in 3 Nr. 4 IFG abschließend festgelegt, wann die informationspflichtige Stelle einen Antrag auf Informationszugang ablehnen darf. Die Vorschrift regelt das Verhältnis des Informationsanspruchs zu anderweit begründeten Pflichten zu Vertraulichkeit und Geheimhaltung. Der Gesetzgeber hat mit 3 Nr. 4 IFG entschieden, dass der Anspruch auf Informationszugang nicht Informationen erfasst, die einer anderweit begründeten Pflicht zu Vertraulichkeit und Geheimhaltung unterliegen, diese Pflicht sich vielmehr gegenüber dem Anspruch auf Informationszugang durchsetzt. Das Informationsfreiheitsgesetz begründet selbst keine Pflichten zu Vertraulichkeit und Geheimhaltung, so dass deren Voraussetzungen im Informationsfreiheitsgesetz nicht zu regeln waren. Das Informationsfreiheitsgesetz setzt den Bestand solcher Pflichten vielmehr voraus. Der Gesetzgeber hat in 3 Nr. 4 IFG dabei die Grundlagen bezeichnet, auf denen die Pflichten zu Vertraulichkeit und Geheimhaltung begründet sein müssen, damit sie Vorrang vor dem Informationsanspruch genießen. b) 3 Nr. 4 IFG stellt bei diesem Verständnis keine unzulässige dynamische Verweisung auf eine Verwaltungsvorschrift, nämlich die Verschlusssachenanweisung, dar. Eine dynamische Verweisung in einem Gesetz auf eine Verwaltungsvorschrift kann verfassungsrechtlich problematisch sein, weil dem Gesetzgeber ein Einfluss auf die zukünftige Fortentwicklung von ihm erlassener Regelungen verwehrt sein könnte, Rechtsetzung also außerhalb des Einflussbereichs des legitimierten Rechtsetzungsorgans stattfindet (so für den Verweis in einer Rechtsverordnung auf Normen, die von einer internationalen Einrichtung erlassen wurden: BVerfG, 1. Kammer des 2. Senats, Beschluss vom 26. Januar BvR 2408/06 GewArch 2007, 149; allgemein zur Zulässigkeit dynamischer und statischer Verweisungen auf Normen eines anderen Rechtsetzungsorgans: BVerfG, Beschluss vom 1. März BvR 786/70 BVerfGE 47, 285). Sie kann zudem unter dem Gesichtspunkt hinreichender Bestimmtheit der Norm problematisch sein, wenn das Gesetz auf eine Verwaltungsvorschrift verweist, die schon in ihrer Ausgangsfassung nicht publiziert ist, die Fundstelle jedenfalls im Gesetz nicht angegeben ist, und erst recht spätere Änderungen der Verwaltungsvorschrift für den Normadressaten des Gesetzes nicht ohne Weiteres erkennbar sind. Anzeige Anwaltsrecht AnwBl 7 /

88 MN Rechtsprechung Eine (dynamische oder statische) Verweisung in diesem Sinne liegt aber nur vor, wenn der Gesetzgeber eine unvollständige Regelung trifft und zur Ergänzung seiner Regelung auf andere Normen verweist, die herangezogen werden müssen, damit sich eine vollständige Regelung ergibt. Der Gesetzgeber sieht davon ab, den Text der anderweitigen Normen abzuschreiben, sondern ersetzt dies durch eine Bezugnahme. 3 Nr. 4 IFG enthält hingegen eine vollständige Regelung. Die Rechtsfolge des 3 Nr. 4 IFG knüpft nur im Tatbestand an außerhalb des Informationsfreiheitsgesetzes getroffene Entscheidungen an. 3 Nr. 4 IFG verweist schon nicht auf die Verschlusssachenanweisung, sondern auf die nach dieser Verwaltungsvorschritt getroffene Einstufung einer Information als Verschlusssache. Anknüpfungspunkt der Regelung sind mithin Einzelakte. Die Einstufung soll nach 3 Nr. 4 IFG nicht durch die informationspflichtige Stelle vorgenommen werden. Diese wird nicht durch 3 Nr. 4 IFG zum Normadressaten der Verschlusssachenanweisung und muss diese im Einzelfall anwenden. 3 Nr. 4 IFG regelt das Konkurrenzverhältnis zwischen dem Informationsfreiheitsgesetz und Vorschriften, die eine Geheimhaltungspflicht anordnen, sei es in Form von Berufsgeheimnissen, besonderen Amtsgeheimnissen oder eben der Einstufung einer Information als Verschlusssache. Was nach anderen Vorschriften geheim gehalten werden muss, bleibt auch unter der Geltung des Informationsfreiheitsgesetzes geheim. Soweit 3 Nr. 4 IFG die besonderen Amtsgeheimnisse erwähnt, handelt es sich ebenfalls nicht um dynamische Verweisungen auf beispielsweise das Statistikgesetz oder die Abgabenordnung, die solche besonderen Amtsgeheimnisse normieren. 3. Ob der Kläger einen Anspruch auf Zugang zu dem Leitfaden Sprachnachweis des Goethe-Instituts hat, hängt danach davon ab, ob die materiellen Voraussetzungen für eine Einstufung des Leitfadens als Verschlusssache vorliegen. Nach 3Nr.4VSAi.V.m. 4Abs.2SÜGisteineInformation als Verschlusssache mit dem Geheimhaltungsgrad VS Nur für den Dienstgebrauch einzustufen, wenn die KenntnisnahmedurchUnbefugtefürdieInteressenderBundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann. Es entspricht den Interessen der Bundesrepublik Deutschland, dass Ausländer nur unter denin 30AufenthGgeregelten Voraussetzungen ein Visum, und damit einen Aufenthaltstitel für ihre Einreise in die Bundesrepublik Deutschland zum Zwecke des Familiennachzugs erhalten. Den Interessen der Bundesrepublik Deutschland nachteilig im Sinne des 3 Nr. 4 VSA wäre es, wenn das Bekanntwerden des Leitfadens es einem Antragsteller ermöglichte, die Anforderungen an die Erteilung eines Visums zu umgehen, indem er die erforderliche Feststellung seiner Sprachfähigkeiten zu seinen Gunsten manipulieren könnte, wenn also bei Bekanntgabe des Leitfadens die Sprachprüfung ihren Zweck nicht mehr erfüllen könnte. Die Beklagte behauptet dies, ohne ihre Behauptung durch konkrete Darlegungen zum Inhalt des Leitfadens nachvollziehbar zu machen. Ob ihre Behauptung zutrifft, hängt deshalb davon ab, welchen Inhalt der Leitfaden tatsächlich hat und ob sein Bekanntwerden geeignet ist, die von der Beklagten heraufbeschworene Gefahr herbeizuführen. Dies wird das Verwaltungsgericht nur dann nachprüfen können, wenn es den Leitfaden als entscheidungserhebliche Unterlage zur näheren Nachprüfung seiner materiell zutreffenden Einstufung als Verschlusssache beizieht. Mitgeteilt von Rechtsanwalt Rainer M. Hofmann, Aachen. Anmerkung der Redaktion: Der Fall zeigt, welche Möglichkeit das Informationsfreiheitsgesetz bietet. Kläger in dem Verfahren war ein Anwalt, der zugleich Redakteur einer ausländerrechtlichen Fachzeitschrift der AG Ausländer- und Asylrecht im DAV ist. Sein Ziel: Einblick in den Leitfaden Sprachnachweis aus dem Visumhandbuch des Auswärtigen Amtes. Das Dokument hat vor allem in Fällen des Familiennachzugs von Ausländern Bedeutung. Vor dem Bundesverwaltungsgericht erzielte der Kläger einen Teilerfolg: Allein die Aufbringung eines Stempels VS NfD (Verschlusssache Nur für den Dienstgebraucht) reicht nicht aus, um ein Dokument geheim zu halten. Und was passierte dann: Das VG Berlin, an das die Sache zurückverwiesen worden war, forderte das Auswärtige Amt zur Vorlage des Leitfadens auf. Es sollte überprüft werden, wie geheim der Inhalt ist. Reaktion im Auswärtigen Amt: Mit Schreiben vom 26. März 2010 teilte das Auswärtige Amt mit, dass der Sprachleitfaden überarbeitet worden sei, damit die frühere Fassung nun frei sei, und übersandte die neue und alte Fassung. Die Überraschung: Beide Versionen sind fast identisch. Neu ist nur der ausdrückliche Hinweis, dass dieser Leitfaden eine beispielhafte Orientierung geben soll. Im alten Leitfaden wurde ein individuelles Gespräch ohne Musterfragen gefordert. Behörden benutzen den Stempel VS NfD leider zu oft zur Vereitelung von Informationsansprüchen der Bürger. Zur Bedeutung des Informationsfreiheitsgesetzes und von Informationsansprüchen siehe in diesem Heft den Schwerpunkt mit Ewer (ab Seite 455), Rapp (ab Seite 460), Lüttgau (ab Seite 462) und Geiger (ab Seite 464). Bundestag: Transparenz schlägt Verschwiegenheit GG Art. 38 Abs. 1, Abs. 3; AbgG 44 a Abs. 4, 44 b; Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages (VR) 1, 2, 3, 8; Ausführungsbestimmungen zu den Verhaltensregeln (AB) Nr. 1, 3, 7, 8; StGB 203 Abs. 1 Nr. 3; BRAO 43aAbs.2;BORA 2 1. Durch die Einhaltung der Transparenzregeln ist im Regelfall gewährleistet, dass ein rechtsanwaltlich tätiger Abgeordneter seine anwaltliche Verpflichtung zur Verschwiegenheit nicht verletzt, wenn er die ihm parlamentsrechtlich auferlegte Pflicht zur Anzeige von entgeltlichen Tätigkeiten neben dem Mandat und der damit verbundenen Einkünfte erfüllt. Soweit es in besonderen Fallgestaltungen zu einer Beeinträchtigung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht kommen kann, ist dies durch den Informationszweck der Transparenzregeln gerechtfertigt. 2. Der Grundsatz der formalisierten Gleichbehandlung aller Abgeordneten wird verletzt, wenn die als Partner einer Rechtsanwaltssozietät tätigen Abgeordneten beim Vollzug der Transparenzregeln von der Pflicht zur Anzeige einzelner Tätigkeiten neben dem Mandat und erzielter Einkünfte freigestellt werden. BVerwG, Urt. v BVerwG 6 A 1.08 Mitgeteilt vom 6. Senat des BVerwG, Leipzig. Anmerkung der Redaktion: Der Volltext der Entscheidung ist im Internet abrufbar unter Jährliche Vorstands(nach)wahlen für Rechtsanwaltskammer unzulässig BRAO 68Abs.2;BRAO 90Abs.1a.F.(heute: 112fBRAQn.F.) a) Nach 68 Abs. 2 Satz 1 BRAO sind Teilneuwahlen des Vorstands einer Rechtsanwaltskammer nur alle zwei Jahre durchzuführen. Ein anderer Turnus ist unzulässig. b) Eine Wahl ist nur bei einem Wahlfehler für ungültig zu erklären, der auf das Wahlergebnis von Einfluss ist oder konkret und nicht nur theoretisch von Einfluss sein kann. Das ist bei einem Verstoß gegen 68 Abs. 2 Satz 1 BRAO der Fall. c) Das Gericht darf trotz eines solchen Fehlers davon absehen, die angefochtene Wahl für ungültig zu erklären, wenn das dem 528 AnwBl 7 / 2010 Anwaltsrecht

89 MN Rechtsprechung wahlprüfungsrechtlichen Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs entspricht oder wenn das Interesse am Bestandsschutz des im Vertrauen auf die Gesetzmäßigkeit der Wahl gewählten Vorstands den festzustellenden Wahlfehler überwiegt. BGH, Beschl. v AnwZ (B) 80/09 und AnwZ (B) 112/09 Anmerkung der Redaktion: Es geht um die Vorstandswahlen der Rechtsanwaltskammer Hamburg. Siehe dazu auch Kallenbach im Mai-Heft (S. X). Der Tenor der Entscheidung lautet: Der Senat beabsichtigt, die sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerin und des Beigeladenen zu 8 gegen die Beschlüsse des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs in der Freien und Hansestadt Hamburg vom 24. Juni 2009 und dem 3. August 2009 zurückzuweisen. Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung wird von Amts wegen bestimmt werden (voraussichtlich Juli 2010). Der Volltext der Entscheidung ist im Internet abrufbar unter Steuerberatungsrecht: Kein privater Zusatz Fachberater GG Art. 12 Abs. 1; StBerG 43 Abs. 2, 43 Abs. 3, 57 a Die Bezeichnung Fachberater für Sanierung und Insolvenzverwaltung (DStV) ist als Zusatz zur Berufsbezeichnung unzulässig. BFH, Urt. v VII R 24/09 Mitgeteilt von Rechtsanwalt Dr. Michael Kleine-Cosack, Freiburg i. Br. Anmerkung der Redaktion: Der BFH hat in einer Pressemitteilung darauf hingewiesen, dass von diesem Urteil nicht die von der Steuerberaterkammer selbst verliehene zugelassene Fachberaterbezeichnungen, die ausdrücklich nur zusammen mit der Berufsbezeichnung geführt werden dürfen ( 86 Abs. 4 Nr. 11 StBerG i. V. m. 61 BOStb und 1 Fachberaterordnung), erfasst werden. Indem dem Urteil zugrundeliegenden Fall ging es um Fachberaterbezeichnung des Deutschen Steuerberaterverbandes. Der Volltext der Entscheidung ist im Internet abrufbar unter Welche Praxis braucht ein Anwalt als Zertifizierter Testamentsvollstrecker? UWG 4 Nr. 11; BRAO 43 b; BORA 6 Abs. 1 Die Werbung eines Anwalts mit dem Hinweis Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT) ist wettbewerbswidrig, wenn die Tätigkeit der Testamentsvollstreckung nicht regelmäßig praktisch (hier: verneint für zwei Testamentsvollstreckungen) ausgeübt wird. (Leitsatz der Redaktion) (nicht rechtskräftig) OLG Nürnberg, Urt. v U 318/10 Sachverhalt: Der Beklagte ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht. Er ist im Bezirk des Oberlandesgerichts Nürnberg als Rechtsanwalt zugelassen und zugleich Mitglied der Klägerin. Die Klägerin ist die Rechtsanwaltskammer Nürnberg. Der Beklagte betreibt zusammen mit drei anderen Anwälten eine Rechtsanwaltskanzlei in R. Im Briefkopf der Anwaltskanzlei bezeichnet sich der Beklagte als Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT). Bei der AGT handelt es sich um die Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstreckung und Vermögenssorge e. V.. Die AGT stellt so auch dem Beklagten jedermann eine Bescheinigung als zertifizierter Testamentsvollstrecker aus, wenn eine Teilnahme an verschiedenen Unterrichtseinheiten mit Leistungskontrolle erfolgt ist. Es wird insoweit auf die vom Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegte Anlage betreffend Inhalt und Reihenfolge der Unterrichtseinheiten sowie auf die vom Beklagten übergebenen Richtlinien der AGT für die Verleihung der Bezeichnung Zertifizierter Testamentsvollstrecker Bezug genommen. Als Nachweis der praktischen Fertigkeiten als Testamentsvollstrecker genügt nach Ziffer drei der Richtlinien bei einem Rechtsanwalt, dass dieser vor der Antragstellung auf Erteilung eines Zertifikats durchgängig mindestens zwei Jahre lang eine Tätigkeit als Rechtsanwalt ausgeübt hat. Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Beklagte mit seiner Bezeichnung als Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT) gegen 43 b BRAO, 6 Abs. 1 BO Rechtsanwälte verstoße: Wegen des Gebrauchs der Bezeichnung Zertifizierter Testamentsvollstrecker auf dem Briefkopf der Kanzlei informiere er nicht in sachlicher Weise über seine Berufstätigkeit vielmehr führe er den Verbraucher irre. Denn er suggeriere damit, dass es einen Beruf Testamentsvollstrecker als solchen gäbe. Tatsächlich könne jemand jedoch nur dann Testamentsvollstrecker werden, wenn der Erblasser eine Testamentsvollstreckung angeordnet und eine bestimmte Person als Testamentsvollstrecker eingesetzt habe. Hinzu komme, dass der Beklagte für die Zertifizierung keinerlei praktische Tätigkeit als Testamentsvollstrecker nachweisen müsse. Niemand aus dem angesprochenen rechtsuchenden Publikum komme jedoch auf die Idee, dass es sich bei einem Zertifizierten Testamentsvollstrecker nur um jemanden handele, der lediglich einen Lehrgang für Testamentsvollstreckung besucht, aber keine praktische Erfahrung habe. In erster Instanz hatte sich die Klägerin noch auf den Standpunkt gestellt, dass eine Irreführung der Verbraucher auch deswegen vorliege, weil die Verwendung des Begriffs Zertifizierung eine amtliche Vertonung voraussetze. Der Beklagte tritt den Argumenten der Klägerin entgegen: Maßgeblich für das Verständnis des Verbrauchers, auf welches es alleine bei der Frage einer Irreführung ankomme, sei das, was im Einzelnen zertifiziert werde. Das sei hier im Wesentlichen ein Lehrgang mit Abschlussprüfung. Schließlich übe er auch den Rechtsanwaltsberuf und zweitberuflich die nicht Rechtsanwälten vorbehaltene Tätigkeit als Testamentsvollstrecker aus. Wer häufig wie er als Testamentsvollstrecker tätig sei, könne sich auch entsprechend bezeichnen. Vergleichbar sei dies mit der Tätigkeit als Insolvenzverwalter, in der mündlichen Verhandlung sowohl in erster als auch zweiter Instanz hat der Beklagte dargelegt dass er bisher lediglich zweimal mit einer TestamentsvoIlstreckung beauftragt gewesen sei. Das Erstgericht hat mit Urteil vom 28. Januar 2010 die Klage abgewiesen: Ein Wettbewerbsverstoß nach 4 Nr. 11, 3 UWG i.v.m. 43b BRAO, 6 Abs.1 BO Rechtsanwälte liege nicht vor. Denn wenn es möglich sei, sich als Spezialist zu bezeichnen, so könne ein Anwalt auch mit einem Zertifikat werben. Auch eine Irreführung nach 5 Abs. 2 Ziffer 3 UWG i. V. m. den Richtlinien über unlautere Geschäftspraxis (Anhang zu 3 Abs. 3 Nr. 2 UWG) liege nicht vor. Denn schließ- Anzeige Anwaltsrecht AnwBl 7 /

90 MN Rechtsprechung lich sei dem Beklagten ein Zertifikat auch tatsächlich verliehen worden. Für dessen Erlangungen seien bestimmte Bedingungen zu erfüllen gewesen. Es liege deshalb kein reines Gefälligkeitszertifikat vor. Der Beklagte unterscheide sich durch dieses Zertifikat auch von anderen Rechtsanwälten und könne dies deswegen im Briefkopf angeben. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ebenso wie der Beklagte ihre tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen aus der ersten Instanz: Die Werbung sei unsachlich nach 43 b BRAO, da der Beklagte keinerlei praktische Fähigkeiten auf dem Gebiet der Testamentsvollstreckung habe. Durch die Anwaltstätigkeit allein könne dafür eine praktische Tätigkeit nicht nachgewiesen werden, da auch Nichtanwälte wie Steuerberater, Notare, Banker und jegliche Privatperson Testamentsvollstrecker werden könnten und auch tatsächlich als solche tätig seien. Die Erwartung des rechtsuchenden Publikums an einen zertifizierten Testamentsvollstrecker stelle darauf ab und dürfe dies auch, dass der werbende Testamentsvollstrecker nicht lediglich zertifiziert worden sei, ohne den Beruf eines Testamentsvollstreckers auszuüben und darüber hinaus womöglich auch nicht ein einziges Mal als Testamentsvollstrecker fungiert zu haben. Im Übrigen bestünden auch Zweifel, ob die theoretischen Kenntnisse des Beklagten für eine Testamentsvollstreckung überhaupt überprüft worden seien. Das Argument, dass eine Zertifizierungamtlichverliehenseinmüsse,hatdieKlägerininder Berufungsinstanz fallen lassen. Der Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung. Eine Irreführung nach 5 UWG scheide aus, da der Beklagte tatsächlich einen entsprechenden Zertifizierungslehrgang mit Erfolg besucht habe. Wegen der dort gestellten inhaltlichen Anforderungen liege auch kein Gefälligkeitszertifikat vor. Es genüge, dass ähnlich wie beim Verständnis des Begriffes Insolvenzverwalter der Beklagte nur gelegentlich eine Tätigkeit als Testamentsvollstrecker ausübe. Im Übrigen würde bei einer Zertifizierung in keinem Fall auf den Nachweis einer praktischen Tätigkeit abgestellt. Aus den Gründen: II. Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet: 1. Die Klagebefugnis der Klägerin folgt aus 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Die Kammern freier Berufe sind befugt, Wettbewerbsverstöße von Kammerangehörigen zu verfolgen, auch wenn im Einzelfall die Möglichkeit besteht, ein wettbewerbswidriges und zugleich berufswidriges Verhalten zu ahnden. Grundsätzlich ist die Ausübung der Klagebefugnis aus 8 Abs. 3 Nr. 2 nicht unverhältnismäßig, wenn sie darauf gerichtet ist, unlautere Werbung eines Kammerangehörigen zu unterbinden (Piper/Ohly/ Sosnitza,UWG,5.AuflageRn.96zu 8UWG). 2.DerKlägerinstehtdergeltendgemachteUnterlassungsanspruch nach 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. mit 43 b BRAO, 6 BO Rechtsanwälte zu. Die vom Beklagten verwendete Bezeichnung Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT) verstößt gegen die die anwaltliche Werbung regelnden Vorschriften der 43 b BRAO, 6 BORA. a) Bei diesen Vorschriften handelt es sich um Marktverhalttensregelungen i. S. des 4 Nr. 11 UWG, da sie sich ausdrücklich mit der Zulässigkeit der anwaltlichen Werbung befassen und ihnen deshalb eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion zukommt (vgl. auch BGH GRUR 2005, 520, 621 Optimale Interessenvertretung). Zu den gesetzlichen Vorschriften gemäß 4 Nr. 11 UWG gehören dabei auch Berufsordnungen und damit 6 BORA, da es sich um auf einer gesetzlichen Grundlage (hier 191 a Abs. 2, 59 b BRAO) beruhendes Satzungsrecht handelt (vgl. Harte/Henning/v. Jagow, UWG, 2. A. 4 Rn. 28). b) Die Bestimmung des 43 b BRAO und die sie inhaltlich gestaltende Regelung des 6 BORA konkretisieren die verfassungsrechtlich garantierte Werbefreiheit und sind verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG WRP 2008, 492, 493 Rn. 11 Anwaltsdienste bei Ebay). Ausgehend davon bedarf nicht die Gestaltung der Anwaltswerbung der Rechtfertigung, sondern deren Einschränkung. Da diese die Berufsausübungfreiheit tangiert, ist sie nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie im Einzelfell durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und im Übrigen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (BGH aao. 521 m. w. N.). Ausgehend von diesen Vorgaben ist ein Werbeverbot insbesondere dann zulässig, wenn Form und Inhalt der Werbung unsachlich sind. 3. Die Werbung des Beklagten mit der Bezeichnung als Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT) ist unsachlich, da sie beim Referenzverbraucher Vorstellungen über eine Qualifizierung des Beklagten weckt, die dieser nicht erfüllt: a) Referenzverbraucher ist nach std. Rspr. (vgl. z. B. BGH GRUR 2004, 244, 245 Marktführerschaft) der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Adressat der Werbung, der ihr die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt. Dies ist hier jedermann. Zum Adressatenkreis gehören deshalb auch die Mitglieder des Senats. b) Dem Beklagten ist durchaus zuzugestehen, dass der Verbraucher nicht erwartet, dass derjenige, der sich in der Werbung als Testamentsvollstrecker präsentiert auch aktuell mit einer solchen Testamentsvollstreckung beauflagt sein muss. Aber er geht ähnlich wie beim Insolvenzverwalter (siehe Anwaltsgericht Freiburg, Beschluss vom 31. Oktober 2005, Az. AnwG 284/03 = NZI 2006, 423) davon aus, dass derjenige, der sich so präsentiert, regelmäßig als solcher tätig wird. Genau in diese Richtung geht auch die eigene Argumentation des Beklagten selbst, der in seinem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 15. Dezember 2009 Folgendes hat vortragen lassen: Der Beklagte übt einmal den Rechtsanwaltsberuf und zweitberuflich die nicht Rechtsanwälten vorbehaltene Tätigkeit als Testamentsvollstrecker aus..., Wer häufig wie der Kläger (gemeint ist der Beklagte ) als Testamentsvollstrecker tätig ist, kann sich auch entsprechend bezeichnen; dies ist bereits zur vergleichbaren Tätigkeit von Insolvenzverwaltern unstreitig. Dies zeigt, dass auch der Beklagte selbst die Bezeichnung Testamentsvollstrecker im Sinne des Senats versteht, nämlich dass die Tätigkeit im Bereich der Testamentsvollstreckung regelmäßig, nach der eigenen Definition des Beklagten sogar wie ein Zweitberuf ausgeübt wird, Auch wenn der Senat nicht einmal diesen vom Beklagten selbst gewählten Umfang einer zweitberuflichen Tätigkeit als Verbrauchererwartung verlangen will, ist doch die Anforderung einer regelmäßigen praktischen Tätigkeit zu erfüllen. Davon kann jedoch hier keine Rede sein, da der Beklagte bisher nach eigenen, von der Klägerin sogar bestrittenen Angaben nur zweimal als Testamentsvollstrecker tätig war. Die Werbung des Beklagten ist somit irreführend und damit auch unter Berücksichtigung des Art. 12 GG als unsachlich zu qualifizieren. Denn im Interesse der wahrheitsgemäßen Information des Verbrauchers muss auch an Freiberufler wie ein Rechtsanwalt Einschränkungen seines Werbeverhaltens wie jeder Gewerbetreibende (siehe 5 UWG) hinnehmen. c) Auch der Zusatz zertifizierter Testamentsvollstrecker beseitigt diese Irrtumserregung nicht. Wenn sich der Beklagte als zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT) bezeichnet, dann wird der so angesprochene Referenzverbraucher wie auch die Mitglieder des Senats vor Befassung mit dem streitgegenständlichen Verfahren die Zertifizierung ohne nähere Erläuterung nicht dahingehend verstehen, dass hier ein Zertifikat jemanden erteilt worden ist, der bisher so die Richtlinien der AGT als Rechtsanwalt noch keine einzige Testamentsvollstreckung tatsächlich durchgeführt hat. Der Verbraucher wird vielmehr den Eindruck gewinnen, dass sich hier der Beklagte als zusätzlich, nämlich durch eine Zertifizierung, qualifizierter Testamentevollstrecker in dem 530 AnwBl 7 / 2010 Anwaltsrecht

91 MN Rechtsprechung oben definierten Sinn präsentieren will, d. h. als jemand, der regelmäßg Testamentsvollstreckungen durchführt und dessen Tätigkeit dann noch einer besonderen Prüfung mit positivem Ergebnis unterzogen worden ist. Der Argumentation des Beklagten, dass die ihm erteilte Zertifizierung durch die AGT gerade keine praktische Tätigkeit als Testamentsvollstrecker voraussetze und er folglich sich zutreffender Weise als zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT) bezeichnen dürfe, kann nicht gefolgt werden. Denn Konsequenz aus diesem Verständnis wäre, dass das Adjektiv zertifiziert die Anforderungen an einen Testamentvollstrecker, so wie ihn sich der Verbraucher (siehe oben) vorgestellt, sogar vermindert nämlich dahingehend, das Testamentsvollstrecker auch der sein kann, der keinerlei praktische Tätigkeit als solcher vorweisen kann. Dieses einschränkende Verständnis des zweifellos positiv belegten Adjektivs zertifiziert ist abzulehnen. SoweitderSenatfürAnwaltssachendesBGHfürdiezulässige Verwendung der Bezeichnung als Mediator im Briefkopf eines Anwalts es für ausreichend erachtete, dass jemand durch eine geregelte Ausbildung nachweisen kann, die Grundsätze der Mediation zu beherrschen (BGH NJW 2002, 2948), steht dies der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen. Es fehlt nämlich bereits an der Vergleichbarkeit der jeweils streitgegenständlichen Sachverhalte. Die Mediation ist kein Rechtsgebiet, sie stellt vielmehr eine alternative Methode der Konfliktlösung dar. Dementsprechend ist es erforderlich aber auch ausreichend, wenn jemand durch eine geregelte Ausbildung nachweisen kann, die Grundsätze der Mediation zu beherrschen. Demgegenüber sehen die erbrechtlichen Vorschriften des BGB in den 2197 ff für einen Testamentsvollstrecker keine eine besondere Ausbildung erfordernde Qualifikation vor (vgl. auch BGH GRUR 2005, 353, 355 Testamentsvollstreckung durch Banken). Verwendet ein Rechtsanwalt in seinem Briefkopf und in Schreiben die hier angegriffene Bezeichnung, so wird der angesprochene Referenzverbraucher deshalb darin nicht den bloßen Hinweis auf eine nicht erforderliche Ausbildungsqualifikation sehen, sondem die Bezeichnung in dem bereits dargelegten Verständnis des Senats auffassen. Da der Beklagte bisher nur zwei Testamentevollstreckungen und damit keineswegs regelmäßig Testamentsvollstreckungen durchgeführt hat kann er sich weder als Testamentsvollstrecker noch als zertifizierter Testamentsvollstrecker bezeichnen. e) Der Beklagte kann dem auch nicht entgegen halten, dass auch der Titel Fachanwalt vielfach verliehen werde, ohne dass der praktischen Tätigkeit eine relevante Bedeutung zukomme. Nach der Behauptung des Beklagten erhalten Anwälte den Fachanwaltstitel sogar selbst dann, wenn sie größten Mist gebaut haben (siehe Schriftsatz des Beklagten vom 15. Dezember 2009, Seite 6 = Blatt 15 der Akten). Abgesehen davon, dass diese Behauptung so gut wie nicht konkretisiert ist, ist die Bezeichnung Fachanwalt für... im Gegensatz zur Bezeichnung Testamentsvollstrecker oder Insolvenzverwalter durch die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer mit Bestätigung durch das Justizministerium genau definiert. Hier erwartet der Referenzverbraucher dann auch nichts anderes, als dass derjenige, der sich als Fachanwalt bezeichnet, die dafür erforderlichen Voraussetzungen tatsächlich erfüllt hat. Auch mit diesem Hin weis auf die Voraussetzungen einer amtlich geregelten Bezeichnung vermag der Beklagte nicht zu begründen, warum der Verbraucher im vorliegenden Fall, bei dem es im Gegensatz zum Fachanwalt keine allgemeingültige Regelung für einen qualifizierenden Zusatz gibt, keine praktischen Erfahrungen erwarten wird. f) Schließlich ergibt sich auch unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Wettbewerbsnachteils gegenüber anderen Berufen nichts Gegenteiliges. Zwar ist es auch Steuerberatern und Banken erlaubt, Testamentsvollstreckungen zu übernehmen und dafür Werbung zu machen (vgl. BGH GRUR 2005, 353 Testamentsvollstreckung durch Banken; BGH GRUR 2005, 355 Testamentsvollstreckung durch Steuerberater). Aber Prüfungsgegenstand in den genannten Fällen war jeweils, ob eine erlaubnispflichtige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten vorliegt und nicht die Zulässigkeit der konkreten Ausgestaltung der Werbung. Letztere spielt aber im hier streitgegenständlichen Sachverhalt eine entscheidende Rolle. Mangels Vergleichbarkeit der zu beurteilenden Lebenssachverhalte kann deshalb auch bei Berücksichtigung der vorgenannten Entscheidungen nicht von einer unzulässigen Benachteiligung des Beklagten aufgegangen werden. Der Klägerin steht folglich der geltend gemachte Untelassungsanspruch bereits aufgrund der unter II.1. genannten Bestimmungen zu, so dass es eines Eingehens auf einen möglichen weiteren Verstoß gegen 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG nicht mehr bedarf. Ihrer Klage war stattzugeben, ihre Berufung hat somit Erfolg. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf 91 Abs. 1 ZPO. 5. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich 708 Nr. 10, 711 ZPO. 6. Es steht zu erwarten, dass die hier entscheidungsbedürftige Frage der Zulässigkeit einer Awaltswerbung der vorliegenden Art auch künftig in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen eine Rolle spielen wird. Die Revision ist deshalb wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache nach 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen. Mitgeteilt von Rechtsanwalt Dr. Michael Kleine-Cosack, Freiburg i. Br. Anmerkung der Redaktion: Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, weil das OLG Nürnberg wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision zugelassen hat. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses war die Revisionsfrist noch nicht abgelaufen. Das Urteil des LG Regensburg aus der ersten Instanz ist mit Leitsatz im Anwaltsblatt im März-Heft (AnwBl 2010, 289) und im Volltext unter veröffentlicht worden. Das LG Regensburg hatte anders als das OLG Nürnberg eine Irreführung des angesprochenen Verkehrs verneint. In der ersten Instanz hatte die klagende Kammer sich vor allem darauf gestützt, dass die Zertifizierung einen amtlichen Eindruck habe. Dieser Vorwurf ist nun fallen gelassen worden. Während dem LG Regensburg bei Anwälten eine zweijährige Tätigkeit als Rechtsanwalt als praktischer Nachweis für die Zertifizierung reichte, fordert das OLG Nürnberg nun eine regelmäßig praktische Tätigkeit als Testamentsvollstrecker. Zwei Fälle sollen noch nicht genügen. Das erscheint doch überspannt. Zu bedenken ist: Die Tätigkeit der Testamentsvollstreckung ist jedermann erlaubt. Es gibt auch aus Sicht des angesprochenen Verkehrs keinen Grund, dass Rechtsanwälten für die Testamentsvollstreckung weniger geeignet sind als andere Berufsgruppen. Eher ist es umgekehrt. Daher gilt: Wer in der Werbung gerade nicht auf seine Tätigkeit als Testamentsvollstrecker hinweist, sondern eine von einem Privaten angebotene Zusatzqualifikation werblich herausstellt, führt den Verkehr nicht irre. Anzeige Anwaltsrecht AnwBl 7 /

92 MN Rechtsprechung Anwaltshaftung Erst Fristen notieren, dann Empfangsbekenntnis unterschreiben ZPO 85 Abs. 2, 233 Fc, Fd Der Rechtsanwalt darf das Empfangsbekenntnis nur unterzeichnen und zurückgeben, wenn sichergestellt ist, dass in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist. BGH, Beschl. v VI ZB 58/09 Aus den Gründen: [1] I. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen eines behaupteten ärztlichen Behandlungsfehlers auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 18. Februar 2009 teilweise stattgegeben. Dieses Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 13. März 2009 zugestellt worden. Eine vollstreckbare Urteilsausfertigung ist ihm am 24. März 2009 zugestellt worden. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23. April 2009, der am selben Tag beim Oberlandesgericht eingegangen ist, hat die Klägerin Berufung eingelegt. Mit Beschluss vom 19. Juni 2009, der dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 26. Juni 2009 zugestellt worden ist, hat das Oberlandesgericht darauf hingewiesen, dass die Berufungsfrist bereits am 14. April 2009 abgelaufen und die Berufung deshalb verspätet eingelegt worden sei. Daraufhin hat die Klägerin mit einem am 3. Juli 2009 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zur Begründung u. a. ausgeführt, im Büro ihres Prozessbevollmächtigten gebe es die Anweisung, dass dann, wenn ein Urteil mit dem unterzeichneten Empfangsbekenntnis in das Sekretariat zurückgelange, die (Berufungs-)Fristen zu berechnen und im Fristenkalender sowie auf dem Urteil zu notieren seien. Hier liege der Fehler darin, dass nach der Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses zwar dieses, nicht aber das Urteil selbst zur Akte gelangt sei, was sich trotz höchster Sorgfalt nicht habe vermeiden lassen. [2] Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin müsse sich die von ihrem Prozessbevollmächtigten verschuldete Fristversäumung zurechnen lassen. Dieser habe den gebotenen Sorgfaltsanforderungen nicht genügt, weil er das Empfangsbekenntnis unterzeichnet habe, ohne selbst das Datum der Zustellung auf dem Urteil zu vermerken, eine Wiedervorlagefrist zu bestimmen und die Fristnotierung sicherzustellen. Zudem habe er es pflichtwidrig versäumt, anlässlich der Zustellung der vollstreckbaren Urteilsausfertigung zu prüfen, ob die (Berufungs-)Fristen richtig erfasst und festgehalten waren. [3] Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde. [4] II. 1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft ( 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die hier maßgeblichen Rechtsfragen durch Entscheidungen des Bundesgerichtshofs geklärt sind und das Berufungsgericht hiernach im Ergebnis zutreffend entschieden hat. [5] 2. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin mit Recht zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Die Klägerin hat die Berufungsfrist nicht unverschuldet versäumt. Das Versäumnis beruht auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten, das sie sich nach 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. [6] Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung nur unterzeichnen und zurückgeben, wenn sichergestellt ist, dass in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist (Senatsbeschlüsse vom 26. März 1996 VI ZB 1/96 und VI ZB 2/96 VersR 1996, 1390 und vom 12. Januar 2010 VI ZB 64/09 z. V. b.; BGH, Beschluss vom 30. November 1994 XII ZB 197/94 BGHR ZPO 233 Empfangsbekenntnis 1 m. w. N.). Bescheinigt der Rechtsanwalt den Empfang eines ohne Handakten vorgelegten Urteils, so erhöht sich damit die Gefahr, dass die Fristnotierung unterbleibt und dies erst nach Fristablauf bemerkt wird. Um dieses Risiko auszuschließen, muss der Anwalt, falls er nicht selbst unverzüglich die notwendigen Eintragungen in der Handakte und im Fristenkalender vornimmt, durch eine besondere Einzelanweisung die erforderlichen Eintragungen veranlassen. Auf allgemeine Anordnungen darf er sich in einem solchen Fall nicht verlassen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. März 1992 XII ZR 268/91 VersR 1992, 1536; vom 16. September 1993 VII ZB 20/93 VersR 1994, 371 und vom 30. November 1994 XII ZB 197/94 aao). Weist er seine Bürokraft im Einzelfall mündlich an, die Rechtsmittelfrist einzutragen, müssen ausreichende organisatorische Vorkehrungen dafür getroffen sein, dass diese Anweisung nicht in Vergessenheit gerät (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. September 2002 VI ZR 419/01 VersR 2003, 792, 793undvom4.November2003 VIZB50/03 VersR2005, 94, 95; BGH, Beschlüsse vom 5. November 2002 VI ZR 399/01 BGHR ZPO 233 [Empfangsbekenntnis 6] und vom 27. September 2007 IX ZA 14/07 AnwBl 2008, 71). [7] Durch welche allgemeinen organisatorischen Maßnahmen in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gewährleistet ist, dass bei Urteilszustellungen nach Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses durch Rechtsanwalt H. die Eintragung der Berufungsfrist erfolgt und nicht in Vergessenheit gerät, zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf. Sie macht auch nicht geltend, dass Rechtsanwalt H. am 13. März 2009 eine Einzelanweisung zur Fristnotierung erteilt habe und die Ausführung einer solchen Anweisung durch allgemeine organisatorische Maßnahmen sichergestellt gewesen sei. Mithin hat Rechtsanwalt H. die ihm obliegende Sorgfaltspflicht verletzt, als er am 13. März 2009 das Empfangsbekenntnis unterzeichnet und zurückgegeben hat, ohne ausreichende Vorkehrungen für die Notierung der Rechtsmittelfrist getroffen zu haben. [8] Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob Rechtsanwalt H. auch im Rahmen der Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung des erstinstanzlichen Urteils eine Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen ist. [9] 3. Da dem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht stattzugeben war, hat das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin wegen Versäumung der Berufungsfrist zu Recht als unzulässig verworfen. [10] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf 97 Abs. 1 ZPO. Ausdruckpflicht bei EDV-Fristen-Kalender ZPO 233 Fd Ein anwaltliches Organisationsverschulden liegt vor, wenn ein Rechtsanwalt einen EDV-gestützten Fristenkalender verwendet, aber nicht anordnet, dass die Eingaben in diesen Kalender jeweils durch Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über einen Drucker oder durch Ausgabe eines Fehlerprotokolls kontrolliert werden. BGH, Beschl. v XI ZB 23/08 und XI ZB 24/08 Anmerkung der Redaktion: Der Volltext der Entscheidung ist im Internet abrufbar unter AnwBl 7 / 2010 Anwaltshaftung

93 MN Rechtsprechung Anwaltsvergütung Keine Addition von Streitwerten beim selben Gegenstand RVG 22 Abs. 2 Satz 2 Die Erhöhung der Wertgrenze für die Anwaltsgebühren auf 100 Mio. Euro nach 22 Abs. 2 Satz 2 RVG setzt voraus, dass die dort als in derselben Angelegenheit für die mehreren Auftraggeber bezeichnete anwaltliche Tätigkeit verschiedene Gegenstände betrifft. BGH, Beschl. v II ZR 62/06 Anmerkung der Redaktion: Der Volltext der Entscheidung ist im Internet abrufbar unter Anrechnung der Geschäftsgebühr: Prozessvergleich keine Titulierung RVG 15 a Abs. 2, RVG-VV Nr. 2300, 3100, Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 Die Titulierung der außergerichtlichen Geschäftsgebühr nach Nr RVG-VV in einem Prozessvergleich erfordert, um den Ausnahmefall des 15 a Abs. 2, Alternative 2 RVG zu erfüllen, eine unmissverständliche Regelung, der auch die Höhe der titulierten Gebühr zu entnehmen sein muss. Denn nur dann kann die hälftige Anrechnung auf die Verfahrensgebühr betragsmäßig richtig vorgenommen werden. Ein vergleichsweiser Verzicht auf die Geschäftsgebühr etwa durch eine allgemeine Erledigungsklausel bedeutet gerade keine Titulierung im Sinne des 15 a Abs. 2, Alternative 2 RVG und führt nicht zu einer Anrechnung gem. Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV auf die gerichtliche Verfahrensgebühr nach Nr RVG-VV. OLG Stuttgart, Beschl. v W 132/10 Mitgeteilt vom 8. Zivilsenat des OLG Stuttgart. Anmerkung der Redaktion: Der Volltext der Entscheidung ist im Internet abrufbar unter Keine Anrechnung bei Abgeltungsklausel im Vergleich ZPO 104 ff., RVG 15 a Abs. 2, RVG VV Nr. 2300, 3100, Vorbem. 3 Abs a Abs. 2 RVG findet Anwendung auf alle vor seinem Inkrafttreten noch nicht abgeschlossenen Kostenfestsetzungsverfahren. 2. Der Kostenschuldner kann sich im Rahmen eines Kostenfestsetzungsverfahrens grundsätzlich nicht zu seinen Gunsten auf die Anrechnungsbestimmung der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG berufen. 3. Eine in einem gerichtlichen Vergleich enthaltene Abgeltungsklausel genügt nicht zum Nachweis der Erfüllung im Sinne von 15 a Abs. 2 S. 1. Alt RVG, wenn sich aus ihrem Wortlaut nicht ohne weiteres ergibt, dass und in welcher Höhe die Zahlung des Gesamtabgeltungsbetrages auf die Geschäftsgebühr geleistet wird. (Leitsatz der Redaktion) OLG Naumburg, Beschl. v W 5/10 (siehe auch OLG Naumburg, Beschl. v W 13/10) Mitgeteilt vom 2. Zivilsenat des OLG Naumburg. Anmerkung der Redaktion: Der Volltext der Entscheidung ist im Internet abrufbar unter Prozesskostenhilfe Berufungsbeklagter: PKH-Bewilligung bei Berufungsbegründung ZPO 114, 119 Abs. 1 Satz 2, 522 Abs. 2 Dem Berufungsbeklagten kann nach Eingang der Rechtsmittelbegründung Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen die Berufung nicht mit der Begründung versagt werden, eine Entscheidung über die Zurückweisung der Berufung durch einstimmigen Beschluss ( 522 Abs. 2 ZPO) stehe noch aus. BGH, Beschl. v XII ZB 180/06 Aus den Gründen: [1] I. Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Gegen das Scheidungsverbundurteil hat der anwaltlich vertretene Antragsgegner rechtzeitig Berufung eingelegt und Anträge sowie Begründung einem weiteren Schriftsatz vorbehalten. Nach Zustellung der Berufungsschrift an den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin hatte sich dieser mit am 3. August 2006 beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz bestellt, Zurückweisung der Berufung beantragt sowie um Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Antragstellerin nachgesucht. Am 18. August 2006 hatte die Antragstellerin das ausgefüllte Formular über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht und am 31. August 2006 den Bescheid über die Bewilligung von Leistungen nach SGB II. In der Zwischenzeit hatte der Antragsgegner seine Berufung mit am 14. August 2006 eingegangenem Schriftsatz begründet. Die Berufungsbegründung wurde der Antragstellerin gemäß Verfügung vom 17. August 2006 mit begründetem Beschluss vom gleichen Tage, mit welchem auf eine beabsichtigte Verfahrensweise nach 522 Abs. 2 ZPO hingewiesen wurde, am 22. August 2006 zugestellt. Zugleich stellte ihr das Berufungsgericht anheim, seine Entscheidung bzw. die Stellungnahme des Antragsgegners abzuwarten. Letztere ist der Antragstellerin zusammen mit dem die Berufung nach 522 Abs. 2 ZPO zurückweisenden Beschluss sowie unter Versagung der für das Verfahren zweiter Instanz beantragten Prozesskostenhilfe am 19. September 2006 zugestellt worden. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Prozesskostenhilfeantrag weiter. [2] II. 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß 574 ZPO i. V. m. Art. 111 Abs. 1 FGG-RG statthaft, weil das Beschwerdegericht sienach 574Abs.1Satz1Nr.2ZPOinVerbindungmit 574 Abs.2Nr.1und2ZPOzugelassenhat.DaranistderSenatgebunden ( 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO). [3] Zwar kommt eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur in Betracht, wenn es um Fragen des Verfahrens der Prozesskostenhilfe oder der persönlichen Voraussetzungen ihrer Bewilligung geht (vgl. Senatsbeschluss vom 2. April 2008 XII ZB 266/03 FamRZ 2008, 1159 m. w. N.). Das ist hier indes der Fall, da die Antragstellerin geltend macht, die Beurteilung ihrer Rechtsverteidigung als nicht notwendig, mithin als mutwillig, sei nicht gerechtfertigt (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Juni 2005 XII ZB 247/03 FamRZ 2005, 1477). [4]2.DieRechtsbeschwerdehatauchinderSacheErfolg. [5] a) Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass einer mittellosen Partei, die in der Vorinstanz obsiegt habe, Prozesskostenhilfe für die Rechtsmittelinstanz im Allgemeinen erst zu gewähren sei, wenn der Gegner sein Rechtsmittel begründet habe. Vorliegend sei der Prozesskostenhilfeantrag zu einem früheren Zeitpunkt gestellt worden; nach Erhalt der Berufungsbegründung habe der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin weder weitere Anträge gestellt, noch sich in der Sache geäußert. Darüber hinaus sei einem Rechtsmittelgegner Prozesskostenhilfe auch dann nicht zu bewilligen, Anwaltsvergütung AnwBl 7 /

94 MN Rechtsprechung wenn das Gericht unmittelbar nach Eingang der Berufungsbegründung darauf hinweise, dass es die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückweisen wolle. [6] Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. [7] b) Zutreffend geht das Oberlandesgericht allerdings im Ansatz davon aus, dass einem Rechtsmittelgegner jedenfalls dann, wenn er in der Vorinstanz anwaltlich vertreten war im Allgemeinen Prozesskostenhilfe erst gewährt werden kann, wenn das Rechtsmittel begründet worden ist und die Voraussetzungen für eine Verwerfung des Rechtsmittels nicht gegeben sind (vgl. Senatsbeschlüsse vom 7. Februar 2001 XII ZR 26/99 NJW-RR 2001, 1009; vom 10. Februar 1988 IV b ZR 67/87 FamRZ 1988, 942 und vom 30. September 1981 IVb ZR 694/80 FamRZ 1982, 58, 59 f., jeweils m. w. N.; BAG NJW 2005, 1213; Zöller/Philippi ZPO 28. Aufl. 119 Rn. 55; Musielak/Fischer ZPO 7. Aufl. 119 Rn. 16; Thomas/Putzo/Reichold ZPO 30. Aufl. 119 Rn. 13; Hk-ZPO/Pukall 2. Aufl. 119 Rn. 14; Stein/Jonas/Bork ZPO 22. Aufl. 114 Rn. 43, 119 Rn. 22, 24; a. A. für die Berufungsinstanz OLG Karlsruhe FamRZ 1996, 806, 807 f.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 67. Aufl. 119 Rn. 57). [8] In dem Ausschluss mutwilliger Rechtsverfolgung ( 114 Satz 1 ZPO) kommt der Grundsatz zum Ausdruck, dass Prozesskostenhilfe nur in Anspruch genommen werden kann, soweit es für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig ist. Einer Partei, die auf Kosten der Allgemeinheit prozessiert, muss zugemutet werden, zulässige Maßnahmen erst dann vorzunehmen, wenn diese im Einzelfall wirklich notwendig werden. Dabei ist es gleichgültig, ob eine zahlungsfähige Partei in der gleichen Lage auf ihre Kosten eine derartige Maßnahme schon früher ergreifen würde. Bis zur Einreichung der Rechtsmittelbegründung bedarf der Rechtsmittelbeklagte in der Regel noch keines anwaltlichen Beistandes, weil eine ihm nachteilige Entscheidung in der Sache nicht ergehen kann. Im Hinblick darauf kann dem Rechtsmittelbeklagten, der Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen will, grundsätzlich zugemutet werden, bis zur Einreichung der Rechtsmittelbegründung zuzuwarten, damit für den Fall, dass das Rechtsmittelverfahren nicht durchgeführt wird, überflüssige Kosten vermieden werden. Auch verfassungsrechtliche Gründe gebieten nicht, dem Rechtsmittelbeklagten Prozesskostenhilfe bereits zu einer Zeit zu gewähren, in der dies zur Wahrung seiner Rechte noch nicht notwendig ist. Im Übrigen kann dem verfassungsrechtlichen Gebot, die prozessuale Stellung von Bemittelten und Unbemittelten weitgehend anzugleichen (BVerfG NJW 2003, 2976, 2977; 1991, 413 f.) ausreichend dadurch Rechnung getragen werden, dass bei der Terminierung auf die Belange des Unbemittelten Rücksicht genommen wird (vgl. Senatsbeschlüsse vom 30. September 1981 IV b ZR 694/80 FamRZ 1982, 58, 59 f. und vom 10. Februar 1988 IVb ZR 67/87 FamRZ 1988, 942). [9] Hier hat der Antragsgegner die Berufung jedoch auch rechtzeitig begründet. Wenn sich die Antragstellerin deshalb nach Zustellung der Berufungsbegründung unter prozesskostenhilferechtlichen Gesichtspunkten eines Rechtsanwalts bedienen durfte, würde es nicht darauf ankommen, dass sie ihren Antrag, die Berufung zurückzuweisen, schon zu einem früheren Zeitpunkt gestellt hat. Denn der verfrühte Zurückweisungsantrag wirkt fort. Es liefe auf eine unnötige Förmelei hinaus, von der Antragstellerin zu erwarten, dass sie nach Erhalt der Rechtsmittelbegründung nochmals einen Schriftsatz mit einem Gegenantrag bei Gericht einreicht (vgl. Senatsbeschluss vom 1. April 2009 XII ZB 12/07 FamRZ 2009, 1047, 1048 zu 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO). [10] c) Ob einem Berufungsbeklagten Prozesskostenhilfe schon zu bewilligen ist, solange das Berufungsgericht noch nicht über die erwogene Zurückweisung durch einstimmigen Beschluss ( 522 Abs. 2 ZPO) befunden hat, ist in Rechtsprechung und Literatur allerdings umstritten. [11] aa) Zum Teil wird davon ausgegangen, dass eine Verteidigung des Rechtsmittelgegners nicht notwendig und ihm daher Prozesskostenhilfe noch nicht zu bewilligen sei, wenn das Berufungsgericht mit der Übersendung der Berufungsbegründung darauf hinweise, dass es die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückweisen wolle. Denn dann bestehe die Aussicht, dass das Rechtsmittel ohne Zutun des Rechtsmittelgegners abgewehrt werden könne (OLG Dresden Beschluss vom 22. Oktober U 1141/07 juris Tz. 3; OLG Köln MDR 2006, 947; OLG Düsseldorf MDR 2003, 658, 659; Zöller/ Philippi aao 119 Rn. 55; Musielak/Fischer aao 119 Rn. 16; Thomas/Putzo/Reichold aao 119 Rn. 13; Hk-ZPO/Pukall aao 119 Rn. 14). Teilweise wird die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch dann abgelehnt, wenn das Berufungsgericht zwar noch nicht auf die Absicht, nach 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren, hingewiesen hat, diese Möglichkeit aber noch besteht (OLG Schleswig 14. ZS NJW-RR 2009, 416; OLG Celle Beschluss vom 12. Dezember U 141/07 juris Tz. 5 ff.; OLG Nürnberg 3. ZS MDR 2007, 1337, 1338; OLG Dresden 6. ZS MDR 2007, 423; OLG Celle 6. ZS MDR 2004, 598). Differenziert wird weiter hinsichtlich der Frage, ob dem bedürftigen Rechtsmittelgegner Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, wenn ihm eine Frist zur Äußerung gesetzt wurde (bejahend: OLG Schleswig 14. ZS NJW-RR 2009, 416, 417; OLG Celle Beschlussvom12.Dezember U141/07 juristz.7;olg Dresden 6. ZS MDR 2007, 423; verneinend für eine vorsorgliche Fristsetzung zur Erwiderung: OLG Celle 4. ZS OLGR 2007, 923 f.; OLG Nürnberg 4. ZS FamRZ 2005, 46 f.). [12] Zur Begründung wird angeführt, dass das Verfahren nach 522 Abs. 2 ZPO weitgehend dem der Verwerfung der Berufung als unzulässig ähnele. Weder die bloße Kenntnis von der eingelegten Berufung noch von deren Begründung schaffe auf Seiten des Berufungsbeklagten die Notwendigkeit, einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Auch aus dem Umstand, dass zwar beide Parteien gemäß 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO von der beabsichtigten Zurückweisung zu unterrichten seien, die Möglichkeit zur Stellungnahme aber nur dem Berufungsführer einzuräumen sei, folge, dass dem Gegner zuzumuten sei, zunächst das weitere Verfahren abzuwarten. Da der bedürftigen Partei noch keine Nachteile entstehen könnten, bedürfe es zu diesem Verfahrenszeitpunkt auch von Verfassungs wegen noch nicht ihrer Einflussnahme auf den Prozess. Eine kostenbewusste, nicht bedürftige Partei hätte daher vorerst von der Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten für das zweitinstanzliche Verfahren abgesehen. [13] bb) Nach der Gegenansicht kann dem erstinstanzlich obsiegenden Berufungsbeklagten Prozesskostenhilfe nicht mit der Begründung versagt werden, dass infolge der noch ausstehenden Entscheidung über eine Verfahrensweise nach 522 Abs. 2 ZPO eine Rechtsverteidigung noch nicht notwendig sei. Eine solche Auffassung widerspreche dem klaren Wortlaut des 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Kostenerstattung nach 91 Abs. 1 ZPO. Sie lassesichauchnichtdurcheinen Vergleich mit der Situation bei Verwerfung des Rechtsmittels ( 522 Abs. 1 ZPO) rechtfertigen, denn die Zulässigkeitsprüfung habe das Gericht von Amts wegen vorzunehmen. Außerdem stehe die Durchführung des Rechtsmittelverfahrens im Falle des Beschlussverfahrens nach 522 Abs. 2 ZPO fest, denn letzteres sei Bestandteil des ordentlichen Berufungsverfahrens, in dem eine urteilsersetzende Sachentscheidung getroffen werde. Schließlich könne der Berufungskläger seinen bisherigen Vortrag nachbessern und Argumente liefern, die das Gericht davon Abstand nehmen ließen, sein Rechtsmittel einstimmig als unbegründet zurückzuweisen. Würde man in diesem Stadium dem mittellosen Gegner nicht die Möglichkeit eröffnen, ebenfalls durch seinen 534 AnwBl 7 / 2010 Prozesskostenhilfe

95 MN Rechtsprechung Anwalt vortragen zu lassen, um die Zurückweisung nach 522 Abs. 2 ZPO zu erreichen, wäre dieser benachteiligt und schlechter gestellt als ein nicht bedürftiger Berufungsbeklagter. Das widerspräche dem Prinzip des fairen Verfahrens, welches den Parteien Mitwirkungs- und Kontrollmöglichkeiten einräume. Allein der Umstand, dass eine Stellungnahme des Berufungsbeklagten im Verfahren nach 522 Abs. 2 ZPO ohne nachteilige Folgen für diesen unterbleiben könne, stehe einem berechtigten Interesse, sich gleichwohl zu äußern, nicht entgegen (vgl. OLG Brandenburg MDR 2008, 285; OLG Schleswig 1. ZS FamRZ 2006, 1550 [unter Aufgabe der gegenteiligen Ansicht in OLGR 2006, 190, 191]; OLG Rostock OLGR 2005, 840, 841 ff.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann aao 119 Rn. 57; Vossler MDR 2008, 722, 724 f.; Fölsch NJW 2006, 3521, 3523; Schellenberg MDR 2005, 610, 614; Hansens RVGreport 2008, 278 und 2004, 277 f.). [14] d) Die zuletzt genannte Auffassung verdient den Vorzug. [15] aa) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Die Fachgerichte verletzen bei der ihnen obliegenden Auslegung der 114 ff. ZPO dann das Verfassungsrecht, wenn sie einen Auslegungsmaßstab verwenden, durch den einer unbemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung unverhältnismäßig erschwert bzw. unmöglich gemacht wird. Dabei braucht der Unbemittelte allerdings nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt (vgl. BVerfG NJW 2003, 2976, 2977; 1991, 413 f. und FamRZ 1988, 1139, 1140). Denn das Gebot weitgehender Angleichung der Lage von Bemittelten und Unbemittelten im Bereich des Rechtsschutzes verlangt keinen sinnlosen Einsatz staatlicher Ressourcen. Daher ist stets zu prüfen, ob eine bemittelte Partei bei Abwägung zwischen dem erzielbaren Vorteil und dem dafür einzugehenden Kostenrisiko ihre Rechte in einer bestimmten Art und Weise wahrgenommen hätte (vgl. BGH Beschluss vom 19. Mai 1981 VI ZR 264/80 Jur-Büro 1981, 1169). [16] Nach 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist in einem höheren Rechtszug nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat. Das bedeutet aber nicht, dass Prozesskostenhilfe ausnahmslos in jedem Fall zu bewilligen ist. Denn die dieser Bestimmung innewohnende Vermutungswirkung, dass die Verteidigung des Urteils der Vorinstanz hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig ist, gilt nur für die Verteidigung der angefochtenen Entscheidung als solche. Sie gebietet aber nicht, dem Rechtsmittelbeklagten Prozesskostenhilfe bereits zu einer Zeit zu gewähren, in der dies zur Wahrung seiner Rechte noch nicht notwendig ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. Februar 1988 IV b ZR 67/87 FamRZ 1988, 942 und vom 30. September 1981 IV b ZR 694/80 FamRZ 1982, 58, 59 f.). [17] bb) Im Unterschied hierzu ist dem Rechtsmittelbeklagten jedoch kostenrechtlich eine ermäßigte Verfahrensgebühr nach Nr Ziff. 1 VV RVG bzw. Nr. 3207, 3209 VV RVG (vormals halbe Prozessgebühr) als gemäß 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig zu erstatten, wenn sein Prozessbevollmächtigter die Zurückweisung der Berufung oder Revision vor deren Begründung beantragt hat (vgl. Senatsbeschluss vom 1. April 2009 XII ZB 12/07 FamRZ 2009, 1047, 1048 sowie BGH Beschlüsse vom 3. Juni 2003 VIII ZB 19/03 FamRZ 2003, 1461; vom 17. Dezember 2002 X ZB 27/02 FamRZ 2003, 523 und vom 17. Dezember 2002 X ZB 9/02 FamRZ 2003, 522 f.). Das stellt aber keinen Widerspruch dar, denn den Entscheidungen zur Prozesskostenhilfe liegen spezifisch prozesskostenhilferechtliche Erwägungen zugrunde, die dann, wenn es um die Kostenerstattung zwischen den Parteien geht, keine Rolle spielen (vgl. BGHBeschlussvom17.Dezember2002 XZB9/02 FamRZ 2003, 522, 523). [18] cc) Auch unter kostenrechtlichen Gesichtspunkten hat der Bundesgerichtshof allerdings dem Rechtsmittelbeklagten, der einen Sachantrag vor Begründung des Rechtsmittels stellt, die Erstattung der vollen Prozessgebühr (jetzt Verfahrensgebühr) versagt. Denn zu diesem Zeitpunkt kann er sich noch nicht inhaltlich mit Rechtsmittelantrag und -begründung auseinandersetzen und so das Verfahren durch einen Gegenantrag sowie dessen Begründung fördern (vgl. Senatsbeschluss vom 1. April 2009 XII ZB 12/07 FamRZ 2009, 1047, 1048 sowie BGHBeschlüssevom3.Juni2003 VIIIZB19/03 FamRZ 2003, 1461 und vom 17. Dezember 2002 X ZB 27/02 FamRZ 2003, 523). [19] Diese Erwägung trägt jedoch nach Vorliegen der Berufungsbegründung auch dann nicht mehr, wenn das Berufungsgericht noch nicht über eine mögliche Zurückweisung der BerufungdurchBeschlussentschiedenhat.NachBegründungdes Rechtsmittels hat der Berufungsbeklagte ein kostenrechtlich anerkennenswertes Interesse daran, mit anwaltlicher Hilfe in der Sache frühzeitig zu erwidern und eine vom Berufungsgericht beabsichtigte Zurückweisung der Berufung im Beschlusswege durch eigene zusätzliche Argumente zu fördern. Der Hinweis des Gerichts auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung gibt nur eine vorläufige Auffassung wieder; eine Zurückweisung der Berufung im Beschlusswege ist keineswegs sicher. An einer Entscheidung im Beschlusswege hat der Berufungsbeklagte aber nicht nur wegen der damit regelmäßig verbundenen Beschleunigung, sondern auch wegen der durch 522 Abs. 3 ZPO angeordneten Unanfechtbarkeit ein besonderes Interesse (vgl. BGH Beschluss vom 9. Oktober 2003 VII ZB 17/03 FamRZ 2004, 99). [20] dd) Aus denselben Gründen kann einem Berufungsbeklagten nach Erhalt der Berufungsbegründung auch unter prozesskostenhilferechtlichen Aspekten die Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht versagt werden. Das gilt unabhängig davon, ob schon vorsorglich eine Erwiderungsfrist gesetzt wurde oder nicht. Denn andernfalls würde dem bedürftigen Rechtsmittelgegner die Chance genommen, in seinem Sinne auf eine Entscheidung des Gerichts nach 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO hinzuwirken. [21] Zwar hat der Bundesgerichtshof ebenfalls entschieden, dass auch noch nach Eingang der Revisionsbegründung regelmäßig so lange kein Anlass zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Revisionsbeklagten bestehe, als über ein von dem Revisionskläger eingereichtes Prozesskostenhilfegesuch noch nicht befunden sei, noch kein Verhandlungstermin anberaumt sei und nicht feststehe, ob die Revision durchgeführt werde (vgl.bghbeschlussvom28.januar1956 IVZR225/55 LM ZPO 119 Nr. 3; ebenso für die Berufungsinstanz OLG Hamm FamRZ 2006, 348). Es kann dahingestellt bleiben, ob daran festzuhalten ist (vgl. schon Senatsbeschluss vom 30. September 1981 IVb ZR 694/80 FamRZ 1982, 58, 59). Denn unabhängig von der Frage, ob das Beschlussverfahren nach 522 Abs. 2 ZPO bereits als Teil eines durchgeführten Rechtsmittelverfahrens anzusehen ist, eröffnet dieses Verfahren dem Berufungsbeklagten den nicht unerheblichen Vorteil nicht nur einer beschleunigten, sondern zugleich einer gemäß 522 Abs. 3 ZPO unanfechtbaren Zurückweisung des Rechtsmittels. Damit unterscheidet sich die Lage des Rechtsmittelgegners grundlegend von der Situation, in welcher es um die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch des Rechtsmittelführers geht, noch kein Verhandlungstermin anberaumt ist und deshalb noch nicht feststeht, ob das Rechtsmittelverfahren durchgeführt wird. In allen diesen Verfahrenskonstellationen hat der Rechtsmittelbeklagte zwar auch die Möglichkeit, das Verfahren in sei- Prozesskostenhilfe AnwBl 7 /

96 MN Rechtsprechung nem Sinne zu fördern, ohne damit aber unmittelbar eine unanfechtbare verfahrensbeendende Entscheidung zu seinen Gunsten erhalten zu können. [22] e) Nachdem die bedürftige Antragstellerin jedenfalls am 31. August 2006 ein vollständiges Prozesskostenhilfegesuch eingereicht hatte und der die Berufung zurückweisende Beschluss erst am 5. September 2006 erging, durfte ihr das Oberlandesgericht die begehrte Prozesskostenhilfe nicht versagen. Das gilt unabhängig davon, ob ihr Prozessbevollmächtigter nach Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs noch einen Schriftsatz eingereicht hat, denn auch insoweit wirkt der zuvor gestellte Zurückweisungsantrag fort. Ob die konkrete Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten im kostenrechtlichen Sinne notwendig war, ist erst im Kostenerstattungsverfahren zu prüfen (vgl. BGH Beschluss vom 3. Juni 2003 VIII ZB 19/03 NJW 2003, 2992, 2993 und OLG Schleswig FamRZ 2006, 1550). Für die grundsätzliche Frage der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist dies nicht von entscheidender Bedeutung. Kostenrecht Reisekosten des inländischen Rechtsanwalts einer ausländischen Partei ZPO 91 Abs. 1; Nr VV RVG Die Zuziehung des inländischen Hausanwalts als ihrem Prozessbevollmächtigten durch eine ausländische Partei stellt regelmäßig in gleicher Weise eine Maßnahme zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dar wie die Zuziehung eines in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftssitzes ansässigen Rechtsanwalts durch eine inländische Partei. Das gilt jedenfalls dann, wenn hierdurch keine höheren Kosten angefallen sind als sie im Falle der Einschaltung eines Verkehrsanwalts nebst eines am Gerichtshof ansässigen Prozessbevollmächtigten durch die ausländische Partei erstattungsfähig wären. OLG Köln, Beschl. v W 51/10 Mitgeteilt vom 17. Zivilsenat des OLG Köln. Anmerkung der Redaktion: Der Volltext der Entscheidung ist im Internet abrufbar unter Business Class -Ticket nicht erstattungsfähig ZPO 91 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 S. 2 JVEG 5 Abs. 1 Die Erstattungsfähigkeit notwendiger Reisekosten des Rechtsanwalts gem. 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO unterliegt dem Grundsatz der Kostengeringhaltung. Bei einem innerdeutschen Kurzstreckenflug sind deshalb die Kosten der Business-Class nicht erstattungsfähig, sondern lediglich die der Economy-Class. Der Rechtsanwalt ist jedoch nicht verpflichtet, einen Billigflug zu nutzen. Bei nicht feststehendem Flugpreis in der Economy-Class sind ihm fiktiv jedenfalls die bei Benutzung der ersten Klasse der Bahn anfallenden Kosten zuzüglich denen einer erforderlichen Übernachtung zu erstatten. OLG Stuttagrt, Beschl. v W 121/10 Mitgeteilt vom 8. Zivilsenat des OLG Stuttgart. Anmerkung der Redaktion: Der Volltext der Entscheidung ist im Internet abrufbar unter Wer mehrere Termine wahrnimmt, darf Business Class -quotal abrechnen ZPO 91 Abs. 1; JVEG 5 Abs. 1 und 3; VV RVG Nr Flugreisekosten des Anwalts sind erstattungsfähig, soweit sie in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten einer Bahnreise in der 1. Wagenklasse stehen. 2. Nimmt der Anwalt anlässlich seiner Reise mehrere Termine wahr und wird die Festsetzung der Reisekosten deshalb nur quotal beantragt, kann der Kostenschuldner hiervon nicht dadurch profitieren, dass sich der Kostengläubiger einen Abzug gefallen lassen müsste, falls die Kosten für die Flugreise nicht in voller Höhe erstattungsfähig gewesen wären, wenn der Anwalt nur einen Termin wahrgenommen hätte. OLG Köln, Beschl. v W 60/10 Mitgeteilt vom 17. Zivilsenat des OLG Köln. Anmerkung der Redaktion: Der Volltext der Entscheidung ist im Internet abrufbar unter Fotonachweis Seiten 459, 474, 477, 480, 486, 488, 489, 491, 492, 493, 494, 495, 497, 499, 500, 501, 502, 503, 504, 507, 508, 510, 518: Andreas Burkhardt/Berlin Seiten 461, 463, 468, 469, 472, 473, 490, 505, 511 (3. Spalte), 517, 522, 525, I, IV, VI, XXXVI: privat Seite 511 (2. Spalte): Ansbacher Anwaltsverein Impressum Herausgeber: Deutscher Anwaltverein e.v., Littenstr. 11, Berlin (Mitte), Tel. 0 30/ , Fax: 030 / , anwaltsblatt@anwaltverein.de. Redaktion: Dr. Nicolas Lührig (Leitung, v. i. S. d. P.), Udo Henke und Manfred Aranowski, Rechtsanwälte, Anschrift des Herausgebers. Verlag: Deutscher Anwaltverlag und Institut der Anwaltschaft GmbH, Wachsbleiche 7, Bonn, Tel / , Fax: 02 28/ ; kontakt@anwaltverlag.de, Konto: Sparkasse Bonn Kto.-Nr , BLZ Anzeigen: adsales&services,ingrida.oestreich(v.i.s.d.p.),pikartenkamp 14, Hamburg, Tel. 0 40/ , Fax: 040 / , anzeigen@anwaltsblatt-media.de. Technische Herstellung: L.N. Schaffrath GmbH & Co. KG, Marktweg 42 50, Geldern, Tel.: , Fax: , harhoff@schaffrath.de. Erscheinungsweise: Monatlich zum Monatsanfang, bei einem Doppelheft für August/September. Bezugspreis: Jährlich 132, E (inkl. MwSt.) zzgl. Versandkosten, Einzelpreis 13, E (inkl. MwSt.). Für Mitglieder des Deutschen Anwaltvereins ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten. Bestellungen: Über jede Buchhandlung und beim Verlag; Abbestellungen müssen einen Monat vor Ablauf des Kalenderjahres beim Verlag vorliegen. Zuschriften: Für die Redaktion bestimmte Zuschriften sind nur an die Adresse des Herausgebers zu richten. Honorare werden nur bei ausdrücklicher Vereinbarung gezahlt. Copyright: Alle Urheber-, Nutzungs- und Verlagsrechte sind vorbehalten. Das gilt auch für Bearbeitungen von gerichtlichen Entscheidungen und Leitsätzen. Der Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken oder ähnlichen Einrichtungen. Sie bedürfen zur Auswertung ausdrücklich der Einwilligung des Herausgebers. ISSN w 536 AnwBl 7 / 2010 Kostenrecht

97 MN Bücher & Internet Anwaltsvergütung Unterhaltsrecht AGB-Recht Dieses Buch gibt Tipps und Hinweise für die Nachfolgeregelung in der Kanzlei, erläutert Erfolgsstrategien und listet Gründe für ein Scheitern auf. Das Werk hilft bei der Vertragsgestaltung und beschreibt Schritt für Schritt einen typischer Ablauf einer Kanzleinachfolge. Familiengerichtskostengesetz: Handkommentar Norbert Schneider/ Hans-Joachim Wolf/Joachim Volpert (Hrsg.); Nomos Verlag, Baden-Baden 2009; 800 S., geb.; ; 58,00 Euro. Unterhaltsrecht Dieter Büte/Enno Poppen/ Martin Menne/AndrØ Botur; 2. Aufl.; C.H. Beck Verlag, München 2009; XV, 680 S., Leinen; inkl. DVD; ; 69,00 Euro. AGB-Recht in der anwaltlichen Praxis Gerhard Ring/Thomas Klingelhöfer/Jürgen Niebling; 2. Aufl.; Deutscher Anwaltverlag, Bonn 2009; 486 S., kart.; Anwaltspraxis; ; 59,00 Euro. Der neue Handkommentar erläutert das inhaltlich und strukturell grundlegend neu gestaltete Gerichtskostengesetz in Familiensachen. Das Autorenteam kommentiert insbesondere die Wertvorschriften und die Wertfestsetzung. Ausführlich werden auch die neu eingeführten pauschalen Verfahrensgebühren dargestellt sowie die Gebührentatbestände der einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Weitere Themen sind außerdem: Fälligkeit, Vorschuss, Vorauszahlung, Kostenansatz und Kostenhaftung, Erinnerung und Beschwerde, Gebührentatbestände des Kostenverzeichnisses. Ein Katalog der Verfahrenswerte mit praxisrelevanten Stichwörtern benennt die maßgeblichen Bewertungsgrundlagen zur Wertermittlung. Versorgungsausgleich Versorgungsausgleich Franz Ruland; 2. überarb. Aufl.; C. H. Beck Verlag, München 2009; XXXIII, 438 S., kart.; NJW Praxis Band 2; ; 45,00 Euro. Diese 2. Auflage des Werks beschäftigt sich unter anderem mit der Reform des Dienstrechtsneuordnungsgesetz und dem FamFG. Die Behandlung der abgabenrechtlichen Folgen des Versorgungsausgleichs und ein verfahrensrechtlicher Teil (FamFG) werden ebenfalls kommentiert. Die folgenden Themen werden dargestellt: Entwicklung des Versorgungsausgleichs bis zur Reform 2008, Anwendungsbereich des Versorgungsausgleichsrechts, Ermittlung und Durchführung des Wertausgleichs, Ausgleichsansprüche nach der Scheidung, Härteregelung und Versorgungsausgleich im Gesamtsystem sozialer Sicherung. Der Kommentar erläutert die einschlägigen Normen des BGB zum Ehegatten-, Kindes- und Verwandtenunterhalt sowie Vorschriften aus relevanten Nebengesetzen. Außerdem berücksichtigt er die Berührungspunkte mit dem Verfahrens-, Steuer-, Insolvenz- und Sozialrecht. Im Vordergrund stehen wieder die praktische Anwendbarkeit und die herrschende Meinung der Rechtsprechung, die sich auf der beigefügten DVD im Volltext befindet. Die Neuauflage hat die Rechtsprechung zum geänderten Unterhaltsrecht mit aufgenommen und erläutert weiterhin das neue Verfahren in Unterhaltssachen nach 231 ff. FamFG. Handbuch des Unterhaltsrechts Elisabeth Koch (Hrsg.); 11. Aufl.; C.H. Beck Verlag, München 2010; XLVIII, 656 S., geb.; ; 98,00 Euro. Das Werk liefert Detailwissen zur richtigen Ermittlung eines Unterhaltsanspruchs. Dabei geht es über die Normen des BGB hinaus auch auf die steuerrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Bezüge ein. Eine Vielzahl von Arbeitshilfe wie Zusammenfassungen, Berechnungsbeispiele sowie Checklisten stehen im Werk zur Verfügung. Die Neuauflage berücksichtigt die Reform des Unterhaltsrechts sowie die FGG-Reform. Außerdem sind die aktuellen Reformgesetze zum Zugewinnund Versorgungsausgleich eingearbeitet. Die 11. Auflage behandelt auch zum neuen Recht ergangene Entscheidungen des BGH, wie: Unterhaltsberechnung bei nachehelichem Karrieresprung; vertraglichen Vereinbarungen über die Begrenzung von Kindesunterhalt und zu den Voraussetzungen des nachehelichen Betreuungsunterhalts-Altersphasenmodell. Die Neuauflage des Werks gibt Hilfestellung bei der Prüfung der AGB gegenüber Verbrauchern und im unternehmerischen Geschäftsverkehr. Zur Orientierung sind Musterformulierungen, Gestaltungsmöglichkeiten und 10 Muster-AGBs enthalten. Im Anhang findet sich ein AGB-Glossar mit 86 Stichworten und aktualisiertem Fundstellenverzeichnis. Anwaltspraxis Kanzleimarketing David Hoeflmayr; 3. neu bearb. Aufl.; Erich Schmidt Verlag, Berlin 2009; 236 S., kart.; ; 39,80 Euro. Wie behaupten sich kleine und mittlere Kanzleien im Wettbewerb? Das Buch gibt praxisorientierte Hinweise zum Kanzleimarketing wie etwa Mandantenpflege und -akquise durch Websites oder Erstellen einer Kanzleibroschüre. Praktische Beispiele und Prozessbeschreibungen bilden einen runden Abschluss. Erfolgsfaktoren der Kanzleinachfolge Detlev Berning/Andreas Novak; Gabler Verlag, Wiesbaden 2010; 176 S., kart.; ; 39,90 Euro. XXX AnwBl 7 / 2010

98 MN Bücher & Internet Mietrecht Mietrecht Mietrecht Mietrechtskommentar Oliver Elzer/Olaf Riecke; Luchterhand Verlag, Köln 2009; 834 S., kart.; ; 49,00 Euro. Gewerbliches Miet- und Pachtrecht Wolfgang Gerber/Hans-Georg Eckert; 7. überarb. Aufl.; RWS Verlag, Köln 2010; 169 S., brosch.; ; 39,00 Euro. Mietmängel von A Z Ernst-Otto Bruckmann; 6. Aufl.; Deutscher Anwaltverlag, Bonn 2010; 249 S., kart.; ; 49,00 Euro. Der Kommentar behandelt die Standardfragen des Wohn- und Gewerberaummietrechts. Das Werk beantwortet Fragen zum inzwischen recht breit gefächterten Spektrum des Mietrechts, so unter anderem zu Schönheitsreparaturen und Betriebskosten bei der Wohnraummiete, aber auch die Bezüge des Leasings werden dargestellt. Das Buch entspricht der aktuellen Gesetzeslage und Rechtsprechung und widmet sich insbesondere den Entscheidungen des VIII. und XII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes und beleuchtet diese teilweise kritisch. Auch in der 7. Auflage wird der Praktiker wichtige Änderungen im Mietrecht praxisorientiert aufbereitet finden. Systemattisch geht man alle Stadien eines Miet- oder Pachtverhältnisses unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung durch. Neben den gängigen Mitsachen werden auch folgende Themen erfasst: Abgrenzung der Miete von der Pacht und anderen Verträgen, Leistungshindernisse vor Übergabe des Mietobjekts, Gewährleistung, Vertragsdauer und verlängerung, Veräußerung des Mietgrundstücks, Verfahrensfragen. In seiner 6. Auflage erscheint das Werk wieder in der gewohnten Tabellenoptik. Damit liefert es dem Nutzer einen schnellen und aktuellen Einblick in die derzeitige Rechtsprechung zu Mietmängeln. Die die Tabelle ist gegliedert in alphabetisch sortierten Stichworte, Sachverhalt, Rechtsfolge ggf. unter Angabe der Höhe der Mietminderung in Prozent und die jeweilige Entscheidung. Von Abflussrohr bis Zwischenvermietung finden sich umfangreiche Probleme, die im Stichwortverzeichnis im Anhang mit Seitenverweisen versehen wurden.

99 MN Bücher & Internet Arztrecht Arzthaftungsrecht Medizinstrafrecht Handbuch des Arztrechts Adolf Laufs/Bernd-Rüdiger Kern (Hrsg.); 4. Aufl.; C. H. Beck Verlag, München 2010; LXXVII, 1928 S., geb.; inkl. CD-ROM; ; 168,00 Euro. Arzthaftungsrecht Rüdiger Martis/Martina Winkhart-Martis; 3. überarb. Aufl.; Dr. Otto Schmidt Verlag, Köln 2010; S., geb.; ; 89,80 Euro. Handbuch des Medizinstrafrechts Claus Roxin/Ulrich Schroth; 4. überarb. Aufl.; C.H. Beck Verlag, München 2010; 972 S., geb.; ; 98,00 Euro. Dieses Handbuch behandelt die komplexe Materie des Arztrechts. Es stellt die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Teilgebieten (Zivil-, Sozialversicherungs-, Krankenhaus-, Berufs- und Strafrecht) dar. In der Neuauflage sind die folgenden Gesetzesänderungen berücksichtigt: Gesundheitsreform (Medizinische Versorgungs-Zentren); Reform des VersicherungsvertragsG; Überarbeitung des Kassenarzt- bzw. Vertragsarztrechts; aktuelle Rechtsprechung zur Sterbehilfe und das Gesetz zur Patientenverfügung. Eine Rechtsprechungsübersicht mit Leitsätzen auf CD-ROM gehört zum Buch. Wie auch seine Vorgänger geht das neu überarbeitete Werk wieder auf die verschiedenen Facetten des Arzthaftungsrechts ein, vom Patientenanwalt über die Ärzte bis zu den Haftpflichtversicherern. Ausführlich, und in der Neuauflage mit benutzerfreundlichen Randziffern versehen, erläutert der Kommentar u.a. die Rechtsprechung und Literatur zu folgenden Themen: Ärztliche Aufklärung; Dokumentationspflicht; Grobe Behandlungsfehler; unterlassene Befunderhebung und Diagnoseirrtum. Die Musterschreiben und Fundstellenhinweise runden das Werk ab. Ziel des Werkes ist es nicht nur, den derzeitigen medizinischen und (straf-) rechtswissenschaftlichen Blickwinkel darzustellen, sondern auch ethische Grundlagen und Argumente zu Fragen des Medizinstrafrechts vom Anfang bis zum Ende des menschlichen Lebens zu beleuchten. Das Handbuch enthält einen europäisch-rechtsvergleichenden Teil, in dem Regelungen in Zentralbereichen des Medizinstrafrechts in Österreich, England und Spanien dargestellt werden. In der Neuauflage werden die aktuellen Gesetzesnovellierungen, wie beispielsweise das PatientenverfügungsG berücksichtigt.

100 MN Bücher & Internet Suchmaschinen Suchmaschine ist nicht gleich Suchmaschine. Die allgemeinen Suchmaschinen, die mittels Webcrawler einen Index anlegen, um Suchanfragen schnell bearbeiten zu können, sind weitgehend bekannt. Darüber hinaus gibt es Spezialsuchmaschinen (auch vertikale Suchmaschinen ) zum Beispiel zu Dokumentenarten (Bilder, News, Blogs etc.) oder zu Themengebieten, wie der EU oder Recht. Bei den allgemeinen, indexbasierten Suchmaschinen steht Google in der Nutzung weiterhin auf Platz eins. Die Verwendung weiterer Suchmaschinen kann aus mehreren Gründen sinnvoll sein. Manche Suchen bieten zum Beispiel zusätzliche Features oder die unterschiedliche Gestaltung des Index führt im Ranking zu anderen Treffern. Auch die lauter werdende Diskussion zur fehlenden Anonymität des Nutzers bei Google fördert das Interesse an weiteren Suchmaschinen. Bing 9 Die Microsoftsuche startete als klarer Konkurrent zu Google. Seit der Kooperation mit Yahoo steht Bing auf Platz 2 im weltweiten Ranking (Bing liefert im Yahoolayout die dortigen Suchergebnisse). Obwohl man auch in Bing natürlich googelt, ist dies ein rasanter Erfolg. Das Angebot für Deutschland, hat sich bereits deutlich verbessert und soll weiter ausgebaut werden. Ask.de Ask ist eine auch in Deutschland verbreitete Suchmaschine. Interessante Features sind hier z. B. die Vorschau auf eine gefundene Seite innerhalb der Ergebnisliste, indem der Cursor auf dem Fernglassymbol positioniert wird. Die semantische Suche, zum Beispiel die Eingabe eines konkreten Fragesatzes ist gut entwickelt und führt oftmals zu Treffern, die von den anderen Suchmaschinen nicht gefunden werden. Clusty 9 Hier liegt der zusätzliche Reiz in der Darstellung der Ergebnisliste. Die Treffer werden thematisch nach Clustern sortiert und dargestellt. Diese Kategorisierung der Treffer ermöglicht einen schnelle Vertiefung in der Trefferauswahl, ohne sich durch unzählige Ergebnisseiten arbeiten zu müssen. Zusätzliche Suchen, wie Bilder, Blogs und die amerikanischen Wikipediaseiten runden das Angebot ab. Metasuchmaschinen Die eingetragene Suche wird an mehrere Suchmaschinen gleichzeitig weitergeleitet. Die so gesammelten Rückmeldungen werden zusammengefasst in einer gemeinsamen Trefferliste dargestellt. Diese mehrgleisige Suche bietet sich für Themen mit einer geringen Trefferdichte an. Andererseits darf nicht übersehen werden, dass durch die standardisierte Abfrage auch Treffer verlorengehen können, da spezifische Suchmöglichkeiten einzelner Suchmaschinen unberücksichtigt bleiben müssen. Metager 9 Die Metasuche der Leibniz Uni Hannover beschränkt sich auf deutschsprachige Suchmaschinen und ist so hervorragend für regional begrenzte Suchen geeignet. Der Nutzer hat die Möglichkeit sehr detailliert auszuwählen, in welchen Suchmaschinen die Suchen durchgeführt werden sollen. Es können z. B. diverse Spezialsuchmaschinen und wissenschaftliche Suchmaschinen berücksichtigt werden. Metacrawler crawler.com Metacrawler gibt es in einer deutschen und in einer internationalen Version. Metacrawler.com wurde an der Universität in Washington entwickelt und konzentriert sich heute auf die parallelen Suchen in google, yahoo, bing und ask. Hier steht zusätzliche ein Bildersuche sowie Suchen nach Videos, News und yellow pages zur Verfügung. Panabee 9 Diese interessante Vergleichssuchmaschine bietet mehr Funktionalitäten, als das einfache Suchfeld auf der Startseite vermuten lässt. Die Treffer werden auf einer zweigeteilten Seite dargestellt: links Ergebnisse von Google und rechts Bing-Ergebnisse. Durch die Icons in der oberen Navigation der geteilten Trefferseiten kann noch zu den Ergebnissen bei Yahoo, Wikipedia oder twitter gewechselt werden. Die Favoriten bieten ein Aufklappmenü mit einer Vielzahl von Rubriken, wie News, Bilder, Videos oder RealTimesuchen. Innerhalb der Rubriken kann sehr einfach zu andern Anbietern der entsprechenden Rubrik gewechselt werden, wodurch die Möglichkeit des direkten Vergleichs von Treffern gegeben wird. Spezialsuchmaschinen Die quellenspezifische Suche hat sich bereits etabliert. Alle großen Suchmaschinen bieten neben der Websuche gezielte Suchen nach News, Blogs, Videos oder Bildern etc. Ferner gibt es eine Vielzahl von Spezialsuchmaschinen. Nachrichten.de z. B. selektiert und präsentiert automatisiert Meldungen aus mehreren hundert deutschsprachigen Onlineseiten von Portalen, Zeitungen und Blogs. Die Suche im umfangreichen und oft unübersichtlichen Internetangebot der EU soll die Spezialsuche Search Europe ( europa.eu) erleichtern. Abogado 9 Die juristische Suchmaschine, des Forums Deutsches Recht bietet eine einfache Suche an. Die Konzentration auf juristisch relevante Treffer funktioniert problemlos. Die Aktualität der Treffer ist jedoch ausbaufähig. Abogado bietet einen guten ersten Sucheinstieg. Jura-Suche 9 Der Schwerpunkt liegt auf die Recherche rechtswissenschaftlicher Dokumente aus juristischen Fakultäten und Instituten. Aktuell wird das Angebot überarbeitet. Zukünftig können zum Beispiel pdf-dokumente mit durchsucht werden. Für das Anwaltsblatt im Internet Janine Ditscheid, Dipl.-Bibliothekarin, Köln Sie erreichen die Autorin unter der -Adresse autor@anwaltsblatt.de. XXXVI AnwBl 7 / 2010

101 MN Schlussplädoyer Stellt sich den Fragen des Anwaltsblatts: Rechtsanwalt und Avvocato Dr. Stephan Grigolli aus Mailand ist Gründer und Vorsitzender des Anwaltvereins Italien. Er ist seit 1999 Rechtsanwalt und in Italien als Avvocato zugelassen. Er leitet das German Desk einer Kanzlei in Mailand. Seine Schwerpunkte liegen auf dem Gebiet des Handels- und Wirtschaftsrechts, insbesondere Gesellschaftsrechts. Er ist Mitglied im Deutschen Anwaltverein, weil die deutsche Rechtskultur und der anwaltliche Berufsstand grenzüberschreitende Bedeutung gewonnen haben und auch die Interessen der im Ausland tätigen Kollegen in neuen Netzwerken effektiv vertreten werden sollten. Warum sind Sie Anwalt geworden? Weil ich gerne frei und eigenverantwortlich für meine Mandanten grenzüberschreitend tätig sein möchte und mich hierbei der Gebrauch der Sprachen als das für uns Anwälte unerlässliche Präzisionswerkzeug in allen Facetten täglich fasziniert. Schon einmal überlegt, die Zulassung zurückzugeben? Niemals. Ihr größter Erfolg als Anwalt? Den Mandanten durch die Mäander des Rechtssystems des jeweils anderen Landes begleiten, um damit einen Beitrag zu dessen (hoffentlich) erfolgreichen Aktivitäten leisten zu können. Ihr Stundensatz? Den deutschen und italienischen Gepflogenheiten angepasst. Ihr Traummandat? Jedes Mandat, das die deutsche und die italienische Wirtschaft einander näher bringt. Was sollen Ihnen Ihre Kollegen einmal nicht nachsagen? Er hat es an fachlicher und zwischenmenschlicher Kompetenz mangeln lassen. Welches Lob wünschen Sie sich von einem Mandanten? Ein aufrichtiges, da nur ein solches die Basis für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit sein kann. Mitglieder Service DAV-Haus Littenstr. 11, Berlin Deutscher Anwaltverein Tel.:030/ ,Fax: Redaktion Anwaltsblatt Tel.: 0 30/ , Fax: anwaltsblatt@anwaltverein.de Deutsche Anwaltakademie Tel.:030/ ,Fax:-111 daa@anwaltakademie.de Deutsche Anwaltadresse Tel.: 0 30/ , , Fax: adresse@anwaltverein.de DAV-Anwaltausbildung Tel.: 0 30/ , Fax: anwaltausbildung@anwaltverein.de Arbeitsgemeinschaften im DAV Infos unter Tel.: 0 30/ , Fax: DAV Büro Brüssel Tel.: + 32 (2) , Fax: - 13 bruessel@eu.anwaltverein.de, Deutscher Anwaltverlag Wachsbleiche 7, Bonn Tel.:0228/ ,Fax:-23 kontakt@anwaltverlag.de, Mandanteninformationsblätter Es ist höchste Zeit, dass Ihre Mandanten erfahren, wie groß Ihre Angebotspalette an anwaltlicher Dienstleistung ist. Der DAV hat eine Imagebroschüre und eine Faltblattreihe zu verschiedenen anwaltlichen Tätigkeitsfeldern herausgegeben, die bei Ihren Mandanten für die Notwendigkeit einer rechtzeitigen Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistung werben sollen. Die Faltblätter sind im Design der DAV-Werbekampagne gehalten. Weitere Informationen finden Sie unter XL AnwBl 7 / 2010

Stellungnahme. des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Berufsrecht

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