Mythos der 14 C-Datierung von Grundwasser
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- Wolfgang Schmid
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1 Mythos der 14 CDatierung von Grundwasser Antje Heller (44632) 8. Semester Geoökologie, Fakultät für Geowissenschaften, Geotechnik und Bergbau, TU Bergakademie Freiberg Zusammenfassung. Die Altersbestimmung mit Hilfe von Isotopen ist eine einfache Methode zur Ermittlung des absoluten Alters eines Untersuchungsobjektes. Datierungen mit dem 14 C Isotop lassen eine Altersbestimmung zu, die bis durchschnittlich Jahre zurückreicht. Voraussetzung für die Datierung mit Isotopen ist ein bekannter Startwert für den Isotopengehalt und ein geschlossenes System, sodass der natürliche Zerfall die einzige Ursache für die Aktivitätsabnahme ist. Diese Voraussetzungen sind für das System Grundwasser nicht gegeben. Zahlreiche Faktoren beeinflussen den tatsächlichen 14 C Gehalt der dem Grundwasser bei der Neubildung zugeführt wird und auch in der gesättigten Zone kommt es zu Reaktionen, die die Isotopenzusammensetzung des Grundwassers stark beeinflussen und die Ermittlung des tatsächlichen Startwertes enorm erschweren. Grundlagen Altersdatierungen können sowohl mittels relativer als auch absoluter Methoden durchgeführt werden. Zur Bestimmung eines relativen Alters macht man sich die Stratigraphie zu Nutze; eine Angabe zum absoluten Alter liefert die isotopengeochemische Altersbestimmung (Bahlburg und Breitkreuz 2004). Hierzu zählt die Methode der 14 CDatierung. Das 14 CIsotop wird in der Region zwischen Stratosphäre und Troposphäre gebildet, wo Neutronen aus der kosmischen Strahlung Stickstoff in 14 C und Protonen umwandeln. Die Reaktion verläuft wie folgt: N + 0 n 6 C + 1 p (1)
2 2 Antje Heller (44632) Das entstandene Kohlenstoffisotop wird schnell zu 14 CO 2 oxidiert. Es vermischt sich mit dem inaktiven CO 2 in der Atmosphäre und wird schließlich zum größten Teil im Meer gelöst oder durch Photosynthese von der Vegetation aufgenommen. Die Verteilung von 14 C in Atmosphäre, Biosphäre und Meer ist seit einem langen geologischen Zeitraum annähernd konstant (Mook 2006). Methoden der Referenzierung Grundlage der Altersbestimmung mit 14 C ist die bekannte Halbwertszeit des Isotops von 5730 ± 40 Jahren. Des Weiteren muss die Anfangskonzentration des 14 CIsotops bekannt sein und das System muss als geschlossen gegenüber Zubzw. Abfuhr neuer Isotope gelten, sodass radioaktiver Zerfall den einzigen Grund für eine abnehmende Konzentration darstellt. Sind diese Bedingungen erfüllt, kann mittels hochpräzisen Messungen ein Alter bis zu Jahre bestimmt werden. Gemessen wird die Aktivität von 14 C in der Probe, welche dann als Prozent eines internationalen Standards als modern carbon angegeben wird. Die Referenzprobe zu diesem Standard ist 1890 gewachsenes Holz. Zu dieser Zeit war die Atmosphäre noch nicht durch anthropogene Aktivitäten (Atomwaffentests, Verbrennung fossiler Brennstoffe) an 14 C angereichert. Der 14 CAnfangsgehalt dieses Holzes wird also mit einer 14 CAktivität von a 14 = 100 pmc (percents modern Carbon) festgelegt. Wird nun in einem Untersuchungsobjekt eine aktuelle 14 CAktivität von 61 pmc gemessen, kann über die einfache Gleichung t = 8267 * ln (a t 14 C / a o 14 C) (2) ein RadiocarbonAlter des Objektes von rund Jahren errechnet werden, wobei von einem 14 CStartwert von 100 pmc ausgegangen wird. Diese Annahme ist nicht ganz richtig, da es allein im Holozän eine natürliche Schwankung des 14 CGehaltes in der Atmosphäre von über 10% gab, was auf sich ändernde Strahlungsbedingungen zurückzuführen ist. Mittels Kalibrierkurven von sicheren absoluten Altersbestimmungen von Baumringen beziehungsweise Korallen, kann vom RadiocarbonAlter auf Kalenderjahre geschlussfolgert werden. Diese Zeitangabe bezieht sich auf Jahre vor 1950 und berücksichtigt also den schwankenden a o 14 CWert (Clark und Fritz 1997). 14 C im Grundwasser Bei der Isotopendatierung von Grundwasser stellt die Ermittlung des Startwertes wohl ein Hauptproblem dar. Theoretisch wird durch das Lösen von Carbonat der ursprüngliche 14 CGehalt um 50% verdünnt. CaCO 3 + CO 2 + H 2 O Ca HCO 3 (3)
3 Mythos der 14CDatierung von Grundwasser 3 Es entsteht nämlich ein 14 Caktives und ein 14 Cfreies Hydrogencarbonat (vergleiche Gleichung 3). Diese Annahme vereinfacht das Problem jedoch zu stark, wie später noch näher erläutert werden soll. Auch kann man leider nicht von vollständig geschlossenen Systemen ausgehen, was die zweite Bedingung einer sicheren 14 CDatierung darstellte. Schon auf dem Weg in das Grundwasser entstehen Veränderungen im Isotopenanteil und deren Spezieszusammensetzung. Der Weg ins Grundwasser Kohlenstoffdioxid gelangt in gelöster Form durch Regenwasser oder Oberflächenwasser in den Boden. Wesentlich signifikanter für die Zufuhr an 14 C Isotopen in das Grundwasser ist jedoch die Anreicherung von CO 2 in Sickerwasser, da die Bodenschichten aufgrund von Wurzelatmung und biologischer Aktivität bis zu 100 mal mehr CO 2 enthalten als die Atmosphäre. Abbildung 1 zeigt den Weg von CO 2 aus der Atmosphäre bis ins Grundwasser. Abb.1. Übergang und Fraktionierungsprozesse von Grundwasser (Clark und Fritz 1997) 14 C von der Atmosphäre ins
4 4 Antje Heller (44632) In der Atmosphäre sind anfänglich 104,5 pmc vorhanden. Durch Photosynthese läuft eine Fraktionierung ab, wobei weniger 14 C in die Pflanze eingebaut wird. Durch Wurzelatmung und mikrobiologischen Abbau der organischen Substanz gelangt CO 2 in den Boden. Durch Diffusion des leichteren CO 2 von einem offenen System in die Atmosphäre wird 14 CO 2 wieder leicht angereichert. Ein gegenüber der Referenz schon leicht erhöhter 14 CGehalt geht in Lösung und gelangt als gelöster anorganischer Kohlenstoff (DIC) ins Grundwasser (Clark und Fritz 1997). H 2 O + CO 2 H + + HCO 3 (4) Der tatsächliche Startwert der 14 CAktivität des CO 2 im Boden ist mit Hilfe einer Messung des stabilen 13 CIsotops leicht auf den Standard zu normalisieren. Geht CO 2 jedoch in Lösung, können zahlreiche zusätzliche Reaktionen stattfinden, die die Zusammensetzung des Grundwassers in Bezug auf 14 C und 13 C Gehalt mehr oder weniger stark abändern und somit auch die Korrektur über 13 C verfälschen können. Typische Reaktionen hierbei sind: 1. Verdünnung durch Calcite und Dolomite 2. Austausch mit der Matrix des Aquifers 3. Oxidation alter organischer Substanzen im Grundwasser und andere biochemische Reaktionen 4. Diffusion von 14 C in den Grundwasserleiter (Clark und Fritz 1997). Reaktionen im Grundwasser Ein wichtiger Faktor, der den Startwert von 14 C beeinflusst, ist die bereits erwähnte Verdünnung bei der Carbonatlösung. Diese kann schon in der ungesättigten Zone stattfinden. Die eigentliche Menge gelösten Carbonats und damit die Stärke der 14 CVerdünnung ist abhängig vom phwert und von der Bodenart im Gebiet der Grundwasserneubildung und kann damit nicht so pauschal, wie oben genannt, auf 50% festgelegt werden. Auch in der gesättigten Zone kommt es zu Veränderungen des 14 C und 13 C Gehaltes, was auf die Bildung von CO 2 und dessen Umwandlung zu HCO 3 zurückzuführen ist. Wird organisches Material unter Anwesenheit von Sauerstoff zersetzt, entsteht zum einen Hydrogencarbonat, welches je nach Alter der organischen Substanz noch mehr oder weniger 14 C enthält; zum anderen entstehen Säuren, die die Carbonatlösung begünstigen 6n O 2 + (C 6 H 10 O 5 )n + n H 2 O 6n H + + 6n HCO 3 m H + + m CaCO 3 m Ca 2+ + m HCO 3 (5) (6) Nicht nur das Lösen von Carbonaten, sondern auch der Ionenaustausch zwischen den großen Oberflächen des im Boden vorhandenen Carbonats und dem
5 Mythos der 14CDatierung von Grundwasser 5 Grundwasser beeinflusst die Isotopenbilanz. 14 Carmes Carbonat nimmt 14 C 2 haltiges CO 3 in die Kristallstruktur auf, jedoch kein 13 C. Das Ausmaß dieser Austauschprozesse ist abhängig vom Carbonatgehalt des Grundwasserleiters, der zur Verfügung stehenden Austauschoberfläche (Korngröße), des phwertes und der Temperatur. Ein weiterer Vorgang, der die Relationen der Kohlenstoffisotope im Grundwasser beeinflusst, ist die Methanogenese, die im anaeroben Milieu stattfindet. Durch Fraktionierungsprozesse bei der Umwandlung von CO 2 zu CH 4 kommt es zu einer Anreicherung an schwerem CO 2 und gleichzeitig zur Bildung von 13 Carmen Methan. Dieses leichte Methan wird wiederum in die Sulfatreduktion einbezogen und umgesetzt SO CH 4 HS + H 2 O + HCO 3 (7) Die Anreicherung an 14 C durch diese Reaktion ist vollständig vom Alter des Methans abhängig (Mook 2006). Modelle zur Korrektur Um Veränderungen des 14 CGehaltes im Grundwasser durch oben genannte Prozesse bei der Altersbestimmung zu berücksichtigen, wurden verschiedene Modelle erprobt. Realistischen Verdünnungsfaktoren sollten ermittelt werden. Korrektur der Verdünnungseffekte im Sickerwasser Wie bereits erwähnt ist die Verdünnung des 14 CGehaltes in der ungesättigten Zone von Bodeneigenschaften des Neubildungsgebietes abhängig. Folgende charakteristische Verdünnungsfaktoren q als Mittel über ein gesamtes Einzugsgebiet sind vorgeschlagen worden (Vogel 1970 in Clark 1997): 0,650,75 für Karstsysteme 0,750,90 für Sedimente mit feinkörnigem Carbonat, wie z.b. Löss 0,901,00 für kristalline Gesteine Erkennbar ist, dass der Verdünnungsfaktor q immer weniger relevant wird, desto weniger Carbonate im Boden enthalten sind. Um schließlich ein korrigiertes absolutes Alter angeben zu können, wird q in folgende Gleichung mit einbezogen: t = 8267 * ln (a t 14 C DIC / q STAT * a 0 14 C soil ) (8) wobei a t 14 C DIC die aktuelle 14 CAktivität in der zu messenden Grundwasserprobe und a 0 14 C soil die 14 CAnfangsaktivität des CO 2 im Boden ist. Darin ist schon die
6 6 Antje Heller (44632) Fraktionierung beim Übergang von Atmosphäre zu Boden um etwa 4% berücksichtigt (vergleiche auch Abb. 1) Abgesehen von der Anwendung statistischer Klassen für ein Gebiet der Grundwasserneubildung, kann man q auch mittels Messungen von 14 C im Grundwasser eines bestimmten Gebietes ermitteln. Hierbei wird 14 C in noch tritiumhaltigem, also sehr jungem Grundwasser, gemessen und mit dem 14 C Gehalt im Boden ins Verhältnis gesetzt q = a 14 C DICneu / a 0 14 C soil (9) Dabei wird die vereinfachte Annahme getroffen, dass Bedingungen während der Grundwasserneubildung, beispielsweise phwert und Klima, den aktuellen Verhältnissen entsprachen. Korrektur der Verdünnungseffekte im Grundwasser Um auch Carbonatverdünnung in der gesättigten Zone in die Korrektur mit einzubeziehen, kann das chemische Massengleichgewicht (CMB) an DIC im Grundwasser ermittelt werden. Der Verdünnungsfaktor ergibt sich daher aus: q = mdic rech / mdic final (10) wobei mdic rech das 14 Caktive DIC ist, was im Neubildungsgebiet durch CO 2 Lösung im Boden entsteht und mdic final der totale DICGehalt zum Zeitpunkt der Probennahme ist, welcher auch toten Kohlenstoff beinhaltet. Dieses Modell ist realistischer als die bereits erwähnte sehr theoretische Annahme einer Verdünnung um 50%. Dennoch wird auch hier von der stark vereinfachten Grundvoraussetzung eines komplett geschlossenen Systems ausgegangen, welche darauf beruht, dass DICAnreicherungen ausschließlich von der Carbonatlösung stammen.
7 Mythos der 14CDatierung von Grundwasser 7 Abb.2. Der 13 CGehalt in DIC im Gleichgewicht mit CO 2 im Boden bei 25 C. Der 13 C Gehalt im CO 2 wird als δ 13 C = 23 VPDB angenommen (Clark und Fritz 1997) Eine Korrektur mit Hilfe des stabilen Isotops 13 C ist möglich, auch wenn es sich um nicht geschlossene Systeme handelt. Es kann sowohl indirekt die Anreicherung von 14 Caktivem DIC aus dem Boden bei offenen Systemen, als auch der Verdünnungsgrad in geschlossenen Systemen bestimmt werden. Der Verdünnungsfaktor leitet sich aus diesem Modell wie folgt ab: q δ 13 C = δ 13 C DIC δ 13 C carb / δ 13 C rech δ 13 C carb (11) Dabei ist δ 13 C DIC das gemessene 13 C im Grundwasser, δ 13 C carb ein Maß für die 13 C Anreicherung im Carbonatgestein (meist ~0 ) und δ 13 C rech der 13 CGehalt im Grundwasser in der Neubildungszone. Letzterer Parameter ist stark phwertabhängig. Steigt der phwert des Wassers durch Carbonatlösung wird 13 CO 2 aus dem Bodengas stärker gelöst. Der Zusammenhang zwischen phwert und Fraktionierungsgrad des 13 CIsotops ist bekannt (vergleiche Abb. 2) und wird somit bei der Korrektur des CStartwertes berücksichtigt. Der Faktor q δ C wird umso kleiner, je stärker 13 C angereichert wird, also je stärker offensichtlich 14 C durch Carbonatlösung verdünnt wurde. Der Faktor gibt schließlich den tatsächlichen prozentualen Anteil des Standardstartwertes für 14 C an. Ein Zahlenbeispiel soll dieses Modell näher erläutern. Ein Wasser hat einen vermuteten AnfangspHWert von 6,0. In einer Probe wurde ein δ 13 C DIC = 12,5 gemessen. Der nach Abb.2 schon nach oben korrigierte 13 CGehalt im Grundwasser in der Neubildungszone ist δ 13 C rech = 21,5. Das Carbonat, was gelöst wurde hatte einen δ 13 C carb = 0. Daraus ergibt sich ein Verdünnungsfaktor von
8 8 Antje Heller (44632) q = 12,5 0 / 21,5 0 = 0,58 (12) Das heißt, dass der 14 CStartwert nach Verdünnung durch Carbonatlösung nur noch zu 58% vorhanden war. Das Problem dieser Methode liegt in der Unsicherheit bezüglich des herrschenden phwertes während der Bildungszeit des beprobten Grundwassers. Falsche Annahmen zum phwert bringen teilweise großen Änderungen für den Wert δ 13 C rech, mit sich, was wiederum zu einer falschen Schlussfolgerung auf den 14 CStartwert führt (Clark und Fritz 1997). Außerdem gibt es Prozesse, die das Verhältnis 14 C/ 13 C unabhängig von der Carbonatlösung ändern. Bei der Sulfatreduktion wird der 13 C Gehalt im Grundwasser verringert, 14 C könnte jedoch zugeführt werden. Bei einem Ionenaustausch mit Carbonatgestein wird wiederum 14 C entzogen und 13 C bleibt erhalten. Schlussfolgerung Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Isotopendatierung für viele Bereiche eine sehr einfache Methode zur Bestimmung des absoluten Alters ist. In der Hydrogeologie entstehen jedoch zahlreiche Nebeneffekte, die vor allem ein Problem für die Ermittlung des 14 CStartwertes darstellen. Modelle, die versuchen Näherungen für eine realistische Altersbestimmung einer Grundwasserprobe zu liefern und teilweise sowohl den Startwert korrigieren als auch Änderungen während der Lebenszeit im Grundwasser berücksichtigen, sind eher unvollständig. Für Bildungsbedingungen von Grundwasser werden stark vereinfachte Annahmen getroffen, die räumliche und zeitliche Variationen in Gebieten der Neubildung ausblenden. Dennoch können mit Hilfe dieser Modelle die sehr groben Fehler des unkorrigierten 14 CAlters vermindert werden. Dabei sollte, je nachdem welches geochemische System vorliegt und welche Daten zu Verfügung stehen, das zutreffendste Modell gewählt werden. Literatur Clark I, Fritz P (1997) Environmental Isotopes in Hydrogeology. Lewis Publishers, New York. 328 S. Mook WG (2006) Introduction to Isotope Hydrogeology Stable and Radioactive Isotopes of Hydrogen, Oxygen and Carbon. Taylor & Francis, London, 226 S. Bahlburg H, Breitkreuz C (2004) Grundlagen der Geologie, Elsevier GmbH München, 2. Auflage, 403 S.
9 Mythos der 14CDatierung von Grundwasser 9
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