DEMOKRATIE STÄRKEN, POLITISCHE BILDUNG FÖRDERN
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- Frank Schulze
- vor 7 Jahren
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1 HINTERGRUND DEMOKRATIE STÄRKEN, POLITISCHE BILDUNG FÖRDERN WAS MUSS SICH IN BAYERNS SCHULEN ÄNDERN?
2 Demokratie stärken, politische Bildung fördern Die Schüler sind im Geiste der Demokratie, in der Liebe zur bayerischen Heimat und zum deutschen Volk und im Sinne der Völkerversöhnung zu erziehen. (Artikel 131 (3) Bayerische Verfassung) Die Mütter und Väter der Verfassung haben deutlich gemacht, dass eine Demokratie Demokraten braucht, die mitdenken, mittun und verantwortlich entscheiden. Das Volk ist der Souverän, doch dieser Souverän sucht nach Orientierung in einer zunehmend komplexer werdende Gesellschaft, in Zeiten von Globalisierung, Medienvielfalt, Einwanderung und der immer bewusster werdenden Verantwortung für Eine Welt. Viele Menschen fühlen sich gerade dadurch verunsichert eine Verunsicherung, die einerseits von rechtspopulistischen Predigern bewusst geschürt wird, während andererseits die stabilisierende, soziale Bindungskraft von Werte vermittelnden Großorganisationen wie Kirchen oder Gewerkschaften abnimmt. Zudem wird eine wachsende Gleichgültigkeit gegenüber demokratischen Werten zur Herausforderung für unsere Gesellschaft im Allgemeinen und für deren Integrationskraft im Besonderen. Der demokratische Rechtsstaat lebt aber von BürgerInnen, die sich selbst- und sozialverantwortlich ein Urteil bilden können, in der Verfassung normierte Regeln und Werte respektieren und sich für sie zu engagieren. Doch mündige Bürgerinnen und Bürger fallen nicht vom Himmel: Mündigkeit in einer komplexen Welt, Selbststärke, Toleranz, Gemeinschaftsfähigkeit und Gewaltfreiheit sind Ergebnisse gelungener Bildungsprozesse. Mit der Formulierung der Bildungsziele hat Bildung für die Demokratie zurecht Verfassungsrang, tatsächlich führt sie aber im Schulalltag ein Schattendasein. Aus Sicht der Landtags-Grünen muss Politische Bildung im Schulalltag einen breiten Raum einnehmen und sowohl als Fach, als auch fächerübergreifend vermittelt werden. Dabei geht es um die Vermittlung von Wissen und Werten, der Förderung selbstständigen Denkens und der Reflexion sowie der Entwicklung von Handlungskompetenz.
3 Die Misere des Schulfachs Politische Bildung in Bayern Quelle: Schriftliche Anfrage von Thomas Gehring vom Juli 2016 Nach einem Vergleich der Stundentafeln ist festzustellen: Die politische Bildung spielt in der Sekundarstufe I in allen Schularten kaum eine Rolle, obwohl gerade hier die staatliche Verantwortung für die Vermittlung von Politik- und Demokratiefähigkeit besonders hoch ist. Laut einer Studie der Konrad Adenauer-Stiftung zum Stand der politischen Bildung absolvieren 70 Prozent aller SchülerInnen ihren höchsten schulischen Abschluss nach der Sekundarstufe I. Für Bayern stellte die Studie fest, dass lediglich an der Mittelschule die Anzahl der erteilten Unterrichtsstunden in unmittelbarer politischer Bildung im deutschlandweiten Vergleich leicht überdurchschnittlich ist. Gleichzeitig wird bezüglich der Mittelschule aber auch auf Sozialkunde als Verbundfach verwiesen. Es kommt also auf die Lehrkraft an, wie intensiv politische Bildung vermittelt wird. Die Anzahl der Unterrichtsstunden an Bayerns Realschulen und Gymnasien ist laut Studie weit unterdurchschnittlich, das bayerische Gymnasium liegt bundesweit sogar auf dem letzten Platz. Auch in der Sekundarstufe II hat die politische Bildung in Bayern kaum Relevanz. Betrachtet man die Stundentafeln der FOS und der BOS, so stellt man fest: 0 Stunden Sozialkunde in der 11. Jahrgangsstufe, 3 Stunden in der 12. (auf der BOS: 2) und 2 Stunden Sozialkunde in der 13. Jahrgangsstufe. Da das Fach Sozialkunde in der 13. Jahrgangsstufe dem Fach Geschichte angegliedert ist, haben die Schülerinnen und Schüler der FOS und BOS allenfalls eine Stunde Sozialkunde in der 13. Jahrgangsstufe.
4 Ebenso enttäuschend ist die Situation an den bayerischen Gymnasien mit jeweils einer Stunde Sozialkunde in den Jahrgangsstufen 11 und 12. (In diesen Klassen sind die meisten SchülerInnen schon oder bald wahlberechtigt.) Positiver ist die Situation am wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Gymnasium mit sozialwissenschaftlichem Profil. Hier erhalten die SchülerInnen ab der 8. Jahrgangsstufe je zweistündigen Sozialkundeunterricht. Zusätzlich gibt das zweistündige Fach Sozialpraktische Grundbildung ganz konkrete Inhalte politischer Bildung vor. Dieses Profil bieten jedoch bayernweit, laut CSU-Regierung, aktuell nur 52 Schulen an, davon lediglich 24 staatliche (von insgesamt 319 staatlichen Gymnasien). Insgesamt wählen wenige Gymnasiasten Sozialkunde als Abiturfach, auch weil es oft als Doppelfach angeboten wird. Fazit: Die Vermittlung von Wissen über politische Zusammenhänge, politische Institutionen, politisches Denken, Konflikte und Konfliktlösungen stellt im schulischen Fächerkanon eine Marginalie dar. Politische Bildung als Unterrichtsprinzip Die SchülerInnen müssen befähigt werden, die zunehmend komplexer werdenden politischen Zusammenhänge unserer Welt zu verstehen, in ihr zu handeln und sie aktiv mitzugestalten. Die Jugendlichen wollen verstehen, was um sie herum geschieht, denn sie sind es, die in der Welt von morgen leben werden. Laut Ergebnis der Shell-Studie 2015 ist ein zunehmendes politisches Interesse der Jugendlichen festzustellen. Dieses Interesse muss gefördert werden. Terroranschläge, Krieg, Umweltverschmutzung sind Probleme, die Ängste schüren und Jugendliche beschäftigen. Sie brauchen Mittel, mit ihren Sorgen umzugehen und das Wissen und die Kompetenz ihre Welt von morgen aktiv zu gestalten. Die Schule ist dafür der entscheidende Ort. Hier muss die Stelle sein, wo SchülerInnen Wissen, Methoden, Kompetenzen und Selbstbewusstsein erlangen, um sich mit dem aktuellen politischen Geschehen kritisch auseinanderzusetzen, sich nicht falsch beeinflussen zu lassen und sich selbst in die demokratische Gesellschaft einzubringen. Politische Bildung wird im neuen LehrplanPlus als fächerübergreifendes Bildungsund Erziehungsziel verbindlich in den Lehrplänen aller Schularten grundgelegt, doch in der Realität von Unterricht und Schule wird dieses Ziel oft nicht umgesetzt. Zeitmangel, Stofffülle, Prüfungsdruck versperren die Freiräume, die nötig wären, um etwa ein aktuelles Thema aufzunehmen, zu behandeln und mit den Schülerinnen und Schülern zu diskutieren. Die Verantwortung für fächerübergreifende politische Bildung liegt dann bei den einzelnen LehrerInnen, die weder durch Aus- noch durch Fortbildung auf diese Aufgabe vorbereitet sind.
5 Fazit: Das Unterrichtsprinzip Politische Bildung ist in der Unterrichtspraxis nicht verankert. Schule muss Erfahrungs- und Erlebnisraum demokratischer Bildung sein Schulen müssen noch viel stärker zu Orten der Demokratiebildung werden, denn als DemokratIn wird man nicht geboren. Demokratie muss man erlernen durch Erleben. Die Entwicklung einer demokratischen Identität ist nur möglich, wenn wir selbst innerhalb und außerhalb der Schule Demokratie überzeugend leben und Vielfalt immer wieder neu gestalten. Doch nur eine Schule, die demokratisch organisiert ist und in der Mitsprache der Lehrkräfte, Eltern und SchülerInnen von zentraler Bedeutung sind, schafft die Voraussetzungen für Demokratiebildung. In der Schule müssen Kinder mit ganz unterschiedlichen Menschen umgehen und sich mit den verschiedensten Situationen eigenständig auseinandersetzen. Die Schule ist der Ort für soziales Lernen und der Ort, wo alle erfahren, wie Gemeinschaft gebildet wird. Die SchülerInnen müssen in der Schule erleben, dass sie etwas zu sagen haben, dass sie ein Stück Verantwortung tragen. Sie sollen immer wieder die positive Erfahrung machen, dass ihre Meinung zählt und dass sie innerhalb einer Gruppe aktiv an Diskussionen und Problemlösungen mitwirken können. Das beginnt mit der Wahl von Klassen- und SchülersprecherInnen und setzt sich fort mit obligatorischen Kinder- und Jugendversammlungen in allen Schularten als Vorbereitung für kommunale und allgemeine demokratische Teilhabe. In Fragen der Mitbestimmung der SchülerInnen gibt es Verbesserungsbedarf. So begründet die Mitwirkung der Schülervertretungen in Bayern kein Recht auf Mitbestimmung in schulischen Belangen, sondern beschränkt sich vor allem auf die Wahrnehmung von Erörterungs-, Anhörungs- und Informationsrechten (Art. 62, 62a BayEUG). Weitere Partizipationsmöglichkeiten hängen von der jeweiligen Schule oder einzelnen Lehrkräften ab. Mehr Mitbestimmung wird auch ganz konkret aus Schülerkreisen gefordert. Beispielsweise hat das die Bay. Landesschülervereinigung wiederholt beim Schülerkongress "basis 15" in Nürnberg gefordert. Fazit: Nur in demokratischen Schulen kann man Demokratie lernen Die Lehrkräftebildung muss auf Demokratie lernen vorbereiten Laut CSU-Regierung gilt die Erziehung zur Demokratie als Verfassungsauftrag und politische Bildung als fächerübergreifendes Bildungs- und Erziehungsziel an den bayerischen Schulen. Dementsprechend müssten LehrerInnen bereits in ihrer Ausbildung darauf vorbereitet und dazu befähigt werden, den Verfassungsauftrag und das Bildungs- und Erziehungsziel bestmöglich zu erfüllen.
6 Aktuell spielt das Demokratielernen aber in der universitären Lehrerbildung keine eigenständige Rolle. Je nach Interesse können die angehenden Lehrkräfte zwar entsprechende Seminare besuchen, eine Pflicht dazu besteht jedoch nicht. In der universitären Lehrerbildung werden keinerlei Kenntnisse und Fähigkeiten erworben, dieses wesentliche Bildungs- und Erziehungsziel zu vermitteln. Wir Landtags-Grüne sind der Meinung, dass es insgesamt starke Lehrerpersönlichkeiten braucht, um fachübergreifend politische und demokratische Bildung zu unterrichten. Dazu sind entsprechende Fortbildungsangebote nötig. Zudem braucht es gute und ausreichende Fachlehrkräfte im Fach Sozialkunde. Mit der Ausweitung des Sozialkundeunterrichts werden auch mehr Sozialkundelehrkräfte eingestellt, dies dient der Verbesserung der Fachlichkeit für politische Bildung an den Schulen. Fazit: Lehrkräfte müssen politische und demokratische Köpfe sein 5-Forderungen zur Stärkung der politischen und demokratischen Bildung an Bayerns Schulen: Mindestens zwei Sozialkundestunden ab Klasse 8 in allen Schularten SchülerInnen sollen aktiv in alle Fragen eingebunden werden, die mit der Verbesserung von Schule und Unterricht zusammenhängen (z.b. Klassen- und Schulversammlungen) Anteil an Lehramts-Studierenden im Bereich der politischen Bildung muss erhöht werden, auch um mehr Sozialkundestunden umsetzen zu können und die Professionalität zu stärken. Demokratiebildung muss als verpflichtendes Element in die LPO 1 aufgenommen werden und die Hochschulen müssen entsprechende Veranstaltungen anbieten, damit die angehenden LehrerInnen darauf vorbereitet werden, politische Bildung tatsächlich fächerübergreifend zu vermitteln Wir brauchen mehr Fortbildungsangebote zur Didaktik der Politischen Bildung für alle Lehrkräfte München, 21. November 2016 Thomas Gehring, MdL, Sprecher für Bildungspolitik Bündnis90/Die Grünen im Bayerischen Landtag
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