Einführung in die Politikgeschichte des industriellen Zeitalters
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- Monika Klein
- vor 8 Jahren
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1 Einführung in die Politikgeschichte des industriellen Zeitalters A. Politische Grundbegriffe 3. Herrschaft (Bevc, S. 53ff.) Definition und gesellschaftliche Bedeutung: Herrschaft ist grundlegend für jede Art von Politik und politischer Gemeinschaft. Herrschaft bezeichnet eine asymmetrische soziale Wechselbeziehung von Befehlsgebung und Gehorsamsleistung, d.h. ein Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen Herrschenden und Beherrschten, das rechtmäßig anerkannt ist und institutionalisiert ist. Herrschaft ist auf Dauer angelegt und die Ausübung Regeln unterworfen. Indem Herrschaft Unterordnung und Folgebereitschaft aufzwingt, verschafft sie den sozialen Beziehungen eine ordnende Struktur. Sie ist daher eine tragende Säule jeder Gesellschaft. Zu den großen Klassikern und Orientierungsgrößen der Herrschaftstheorie zählt der englische Staatstheoretiker Thomas Hobbes. Vielzitiertes Hauptwerk Leviathan von 1651 Es geht der Grundfrage aller Politik nach, wie ein geordnetes Staatswesen dauerhaft einzurichten ist: Anti-Chaos-Maxime allen politischen Systemdenkens Ideal von Hobbes: ein Herrschers, dem sich alle unterwerfen und den alle anerkennen um einer friedlichen, stabilen und dauerhaften Herrschaftsordnung willen. Die Staatsbürger tauschen ihre Freiheit gegen Sicherheit ein. Unbeschränkte menschliche Freiheit führt zu unerbittlichem Konkurrenzkampf, der das menschliche Sicherheitsbedürfnis untergräbt.
2 Buch Hiob: Non est potestas super terram quae comparetur ei. Titelblatt der Originalausgabe von 1651 A3-6
3 Das Titelblatt zeigt einen überlebensgroßen Herrscher als Leviathan, dessen Körper aus menschlichen Leibern besteht: Leviathan = Seeungeheuer der altorientalisch-biblischen Mythologie Insignien der weltlichen und geistlichen Macht: Schwert und Hirtenstab Zitat aus dem Buch Hiob des Alten Testament als Legitimationsgrundlage des Herrschers: Non est potestas super terram quae comparetur ei. (zu deutsch: Keine Macht auf Erden ist der seinen vergleichbar. ) Leviathan als Sinnbild für den übermächtigen Staat, der den Naturzustand des Menschen als Kriegszustand überwindet. o Lateinische Redewendungen, auf Hobbes zurückgeführt: - Homo homini lupus ( Der Mensch ist dem Mensch ein Wolf ), [ursprünglich: Ausspruch des römischen Schriftstellers Plautus] - Bellum omnium contra omnes ( Der Krieg aller gegen alle ) Urmenschliche Furcht vor dem Verlust von Leben und Eigentum schafft den Antrieb, sich des Naturzustandes zu entledigen und sich auf die künstliche Konstruktion einer Staatsgewalt einzulassen, - wohlwissend, dass der Mensch seiner Natur nach nicht Seinesgleichen vertrauen darf. Folge: Selbstunterwerfung des Menschen unter einen Herrscher, der das Gesamtinteresse aller verkörpert, - ausgedrückt darin, dass der Körper des Leviathan aus allen Bürgern des Gemeinwesens besteht. Hobbes lehnt die Gewaltenteilung als übermäßige Schwächung der Staatsgewalt ab. Offen bleibt, wie die Missbrauchskontrolle gegenüber einer unzureichenden oder unfähigen Staatsgewalt funktionieren soll.
4 Das Herrschaftsproblem aus der Sicht des Soziologen Max Weber Eine Typologie legitimer Herrschaft laut Hauptwerk Wirtschaft und Gesellschaft aus dem Jahre 1920 Definition legitimer Herrschaft: Nicht jede Art von Chance, Macht und Einfluss auf andere Menschen auszuüben, ist Herrschaft. Herrschaft liegt dann vor, wenn es eine Chance gibt, bei einer fest umrissenenen Gruppe dauerhaft Gehorsam zu finden. Gehorsam schließt den Glauben an die Legitimität der Herrschaft ein. Ohne Legitimität kann Herrschaft nicht auskommen. Die Form der Legitimität der Herrschaft bestimmt den Typus des Gehorchens und damit den Charakter der Ausübung von Herrschaft. Weber unterscheidet drei Grundtypen legitimer Herrschaft: Herrschaft rationalen Charakters Herrschaft traditionalen Charakters Herrschaft charismatischen Charakters Diese Typen sind analytische Instrumente und dienen der klassifizierenden Beschreibung und Einordnung von Herrschaftsformen. Sie haben als Idealtypen ordnend klassifizierende, differenzierende und damit analytische Funktion und dürfen nicht mit normativen Kategorien verwechselt werden. A3-6
5 Die rationale Herrschaft erhält ihre Legitimität durch den Glauben o an die Legalität niedergeschriebener und mit Autorität behafteter Ordnungen und o an das Anweisungsrecht der auf Basis verschriftlichter Ordnungen zur Herrschaft Berufenen. Die traditionale Herrschaft erhält ihre Legitimität durch den Alltagsglauben an die Heiligkeit von jeher geltender Traditionen und an die Legitimität der durch sie zur Autorität Berufenen. Die charismatische Herrschaft bekommt ihre Legitimität durch die außeralltägliche Hingabe o an die Heiligkeit o Heldenkraft o außergewöhnliche Vorbildlichkeit o Übermenschlichkeit einer Person und der durch sie offenbarten oder geschaffenen Ordnungen. Die rationale Herrschaft ist als rein bürokratische die effektivste und rationalste Form der Herrschaftsausübung. Der Herrscher tritt in Form des Vorgesetzten auf. Für diese Herrschaft ist ein modernes Beamtentum Voraussetzung. Bürokratische Herrschaft hat laut Weber den Vorteil, dass der ideale Beamte aufgrund seines Pflichtgefühls alle in gleicher Lage sich befindlichen Interessen ohne Ansehen der Person gleich behandelt nach dem rechtstaatlichen Grundsatz, dass vor dem Gesetz alle gleich sind. Rationale Herrschaft über Bürokratie ist deshalb unlöslich mit Rechtsstaatlichkeit verknüpft. Das heißt: Es herrscht das von der Bürokratie umzusetzende Recht und nicht persönliche Willkür.
6 Bei der traditionalen Herrschaft ist der Herrscher nicht der Vorgesetzte, sondern der Herr ; sein Verwaltungsstab besteht nicht aus Beamten und Sachbearbeitern, sondern aus Dienern. Oberste Handlungsmaxime ist nicht das schriftliche fixierte Recht, sondern die mündliche Tradition von Moral und Rechtsvorstellungen. Befehle auf traditionaler Herrschaftsgrundlage können daher auf zweierlei Weise legitimiert sein: erstens kraft der Lebendigkeit der Traditionen in den Köpfen der jeweiligen Akteure und zweitens kraft der freien Willkür des Herrn, der die Spielräume ausreizt, die ihm die Tradition lässt. Patronage, Willkür und Behandlung der Menschen nach Standesgesichtspunkten sind in der traditionalen Herrschaftsausübung üblich. Charismatische Herrschaft zeichnet sich dadurch aus, dass es einen Führer und dessen Anhänger gibt. Der Begriff geht auf das altgriechische charisma zurück, womit göttliche Gnadengaben eines Menschen gemeint waren. In indirekter Anlehnung daran bedeutet in der heutigen sozialwissenschaftlichen Fachsprache Charisma, dass einem Menschen, einer Idee oder einer Organisation außergewöhnliche, außeralltägliche oder gar übernatürliche Fähigkeiten und Kräfte zugeschrieben werden. Demnach beruht die charismatische Herrschaft eines Führers darauf, dass die Gefolgschaft an ihn glaubt, ihm außergewöhnliche Fähigkeiten und Zukunftsvisionen zuschreibt. Dieser Bewertungsvorgang macht charismatische Herrschaft enttäuschungsanfällig. Bei Erfolglosigkeit kann charismatische Herrschaft ihre Legitimation einbüssen. Charismatische Herrschaft orientiert sich nicht an abstrakten oder traditionalen Rechtsprinzipien oder Rechtssprüchen, die gemessen an den außergewöhnlichen Führungsansprüchen und Zielen zu einengend wären. Vielmehr beruht charismatische Herrschaft auf aktuellen, situationsbedingten Rechtsschöpfungen, die als höhere Offenbarungen und Eingebungen der außergewöhnlichen Führerpersönlichkeit oder als Gottesurteil begriffen werden. A3-6
7 Vergleich der Typen legitimer Herrschaft Die charismatische Herrschaft ist der rationalen und traditionalen Form diametral entgegengesetzt, weil als die beiden Letztgenannten an Regeln gebunden sind. Sind es bei der rationalen Herrschaft diskursiv analysierbare Regeln, so sind es bei traditionaler Herrschaft sog. Präzendenzen, also frühere Fälle und Beispiele. Charismatische Herrschaft besticht geradezu durch ihre irrationale Regelfremdheit; d.h. sie missachtet die Regeln der Vergangenheit. Legitim ist allein der Wille des und die Anerkennung durch den Führer. Wirklichkeitsbezug der Idealtypen Diese Herrschaftstypen sind idealtypisch. In der Realität treten die Merkmale in der Regel vermischt auf. Am ehesten lassen sich die Idealtypen bestimmten real existierenden Regierungsformen zu ordnen: die rationale Herrschaft der parlamentarische Massendemokratie, die traditionale Herrschaft dem Erbkönigtum und die charismatische Herrschaft Herrschern, die von ihrer Anhängerschaft vergöttert wurden wie Napoleon, Mussolini, Stalin oder Hitler. Max Weber selber hat auch Bismarck als charismatische Führerpersönlichkeit empfunden, stand dabei jedoch zeitbedingt eher unter dem Einfluss des um 1900 grassierenden Bismarckkultes, als dass die historische Realgestalt eines Bismarck als außergewöhnliche bis übernatürliche Führerfigur betrachtet worden wäre.
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