Influenza 2009 in Europa
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- Thilo Koch
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1 Influenza 2009 in Europa (Stand Freitag ; Erfassung bis 42. Kalenderwoche) In den Anfängen einer Influenza-Pandemie ist deren Ausbreitung über die zahlenmäßige Erfassung von Virusnachweisen in Nasen-Rachen-Abstrichen zu verfolgen. Bei sehr großen Erkrankungszahlen ist dieses Verfahren weder sinnvoll noch praktikabel. In diesem Fall können Ausmaß und Verlauf der Neuen Influenza A (H1N1) 2009 im Rahmen der üblichen Influenza-Surveillance (Überwachung der saisonalen Grippe, z.b. AGI, InfluNet, FluWatch) beobachtet werden. Dabei meldet ein repräsentatives Netzwerk von praktischen Ärzten laufend den Anteil an Patienten mit grippeähnlichen Krankheiten (ILI = Influenza-like Illness). Damit kann die zeitliche und räumliche Entwicklung samt Altersverteilung sogar innerhalb eines Landes oder in einzelnen Regionen dargestellt werden. Zusätzlich wird über stichprobenartige Untersuchungen der Anteil von Virusnachweisen samt Subtypen bestimmt. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn wie zuletzt auf der Südhalbkugel saisonale Wintergrippe und Influenza- Pandemie zusammentreffen. Dabei hat sich gezeigt, dass das neue Virus zum dominierenden Stamm wurde (siehe Anhang). Bei der saisonalen Grippe kann man die Beteiligung der verschiedenen Influenza A und B-Viren unterscheiden, die sich auch in einer Zweigipfeligkeit der epidemiologischen Verlaufskurve äußern kann. In der Regel geht ein prozentualer Anstieg des Virusnachweises im Untersuchungsgut mit einem Anstieg der Erkrankungszahlen einher. Meist wird die ILI-Rate auf Einwohner bezogen, in manchen Ländern (z.b. Italien, Kanada, Australien) auf Patientenkontakte (in Norwegen und den USA auf 100 Arztbesuche, also in Prozent angegeben). In Deutschland werden stattdessen akute respiratorische Erkrankungen (ARE) über einen speziellen Praxis-Index erfasst. Aus diesen Gründen sind die einzelnen Zahlen und Raten manchmal nicht direkt vergleichbar, wohl aber die graphischen Darstellungen in Form von Verlaufskurven. Insbesondere kann man sehen, ob und wann sich überhaupt eine so genannte Pandemiewelle erkennbar entwickelt hat (z.b. in Deutschland nicht) und ob und wann diese bereits wieder abgeklungen ist (z.b. in England im Juli). Diese wöchentliche Erfassung von Krankheitsraten gibt natürlich einen realistischeren Überblick über das Geschehen auf Bevölkerungsebene als das Addieren von Virusnachweisen allein, da deren Zahlen abhängig sind von den jeweiligen Empfehlungen und Entscheidungen, ob und wann man Abstriche entnimmt. Insgesamt wurden für Europa bislang laborbestätigte Fälle gemeldet, darunter Deutschland Die tatsächlichen Erkrankungszahlen liegen natürlich viel höher, da viele Kranke keinen Arzt aufsuchen und nicht gemeldet werden. Aus den ILI-Raten in Verbindung mit den prozentualen Virusnachweisen hat die Public Health Agency für England für die zwei Spitzenwochen im Juli und Neuerkrankungen an (H1N1)v 09 abgeschätzt (zuletzt ), Spanien für die letzte Woche sowie Frankreich
2 Insgesamt zeigt sich zunehmend in der nördlichen Hemisphäre ein vorzeitiger Anstieg sowohl der ILI- bzw. ARE- als auch Influenzavirusnachweisraten (wobei der neue Stamm dominiert):
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4 Anhang: Zusatzinformationen und Graphiken aus Bayern und dem Rest der Welt Bayern: Da beim ARE-Praxisindex das Niveau der akuten respiratorischen Erkrankungen noch in einem für die Jahreszeit üblichen Bereich liegt, ist erfreulicherweise noch nicht von einer Auswirkung der Neuen Influenza auf Bevölkerungsebene auszugehen. Allerdings ist der aktuelle Anstieg leicht höher als in Deutschland. Das so genannte Influenzajahr beginnt mit der 40. Kalenderwoche (KW) und endet mit KW 39 des Folgejahres. A) ARE-Praxisindex in Bayern mit Vergleich zu den Vorjahren: B) Wöchentliche IfSG-Meldezahlen in Bayern
5 Welt: Die Entwicklung lässt sich neben der eingangs genannten Influenza-Surveillance auch anhand der wöchentlichen Todesfälle verfolgen, die als Spitze des Eisbergs leichter zu erfassen sind als Massenerkrankungen (zumal viele Kranke keinen Arzt aufsuchen und nicht gemeldet werden). Die folgenden kumulierten Zahlen geben keinen Überblick über das aktuelle Geschehen, sondern nur über die Verteilung der Todesfälle in der Welt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass während unseres Sommers auf der Südhalbkugel Winter herrschte und damit dort saisonale Grippe und Neue Grippe zusammenfielen. Bislang starben in der Welt mindestens Menschen an der Neuen Grippe. Darunter Brasilien 1.368, USA 593, Argentinien 580, Indien 427, Mexiko 271, Australien 186, Kanada 83, Europa 269, darunter UK 128, Spanien 54, Frankreich 36, Deutschland 2. C) Wöchentliche Sterbefälle an Neuer Influenza in der Welt Bericht aus Neuseeland: Der Vergleich zweier verschiedener Erfassungssysteme (Meldungen aus der Bevölkerung sowie von praktischen Ärzten) legt nahe, dass nur eine von 18,3 grippekranken Personen einen Arzt aufsuchte. Dies würde bedeuten, dass insgesamt Neuseeländer erkrankten. Übernimmt man die Erfahrung aus der saisonalen Grippe, dass etwa ein Drittel sich ansteckt, ohne Krankheitszeichen zu entwickeln, so wird geschätzt, dass etwa 11 % der Bevölkerung sich mit dem neuen Influenzavirus A (H1N1)v 2009 infizierten. Verglichen mit der Tödlichkeit der Pandemie 1918 (2,0 % der Erkrankten bzw. 0,7 % der Bevölkerung starben) verlief die Pandemie 2009 sehr mild (16 Todesfälle bei Erkrankten ergibt 0,005 % der Erkrankten). Zusammengestellt von Dr. Volker Juds ( Gesundheitsamt Garmisch ( Quellen: und nationale Influenzaseiten wie (D), (F), (E), (UK), (B)
6 D) ILI-Rate in England mit Vergleich zu früheren Jahren (RC GP-Erfassung) E) ILI-Rate in den USA mit Vergleich zu den Vorjahren F) ARE-Praxisindex in Deutschland mit Vergleich zu den Vorjahren
7 G) Virus-Verteilung in Deutschland (Winter saisonale A, dann B, dann neue A) H) Virus-Verteilung in Spanien (im Winter saisonale A, dann B, dann neue A) I) Virus-Verteilung in Südafrika (auf der Südhalbkugel, deshalb saisonale Grippe im dortigen Winter = unserem Sommer! Erst saisonale A, dann neue A)
8 Zur Impfung gegen die Neue Influenza Frage an den Amtsarzt: Lassen Sie sich impfen? Wenn ja, mit welchem Impfstoff? Empfehlen Sie Ihrer Familie eine Impfung? Wenn ja, mit welchem Impfstoff und wann? Antwort (Stand ): 1. Die verschiedenen Impfstoffe sind mir egal, eine Zulassung erhält ja nur, wer nach allen verfügbaren Informationen ausreichend sicher ist. Man hat die Adjuvantien ("Verstärker") eingeführt, um den Virusanteil geringer zu halten. D.h. früher gab es bei den saisonalen Grippeimpfungen bei inaktivierten Ganzvirusimpfstoffen mehr Reaktionen wie Fieber, so dass manche auf Spalteinheiten umstellten. Der im Jahr 2000 zugelassene saisonale Grippeimpfstoff Fluad enthält z.b. ein Adjuvans (übrigens auch der HPV-Impfstoff Cervarix). Die Verstärker sollen mehr lokale Reaktionen (Schwellung, Rötung, Schmerzen) hervorrufen, aber die sind ja nach drei Tagen vorbei. Pandemieímpfstoffe ohne Verstärker enthalten 15 µg (Celvapan), mit Verstärker nur 3,75 µg (Pandemrix) bzw. 7,5 µg (Focetria) Virusantigen (deshalb braucht man ja bei der geringeren Virusmenge Verstärker, um eine ausreichende Immunantwort hervorzurufen; außerdem soll dies zu einer Kreuzimmunität gegen ein verändertes Pandemievirus beitragen). Studien an Schwangeren gibt es natürlich bei allen neuen Pandemieimpfstoffen verständlicherweise nicht, wohl aber Erfahrungen aus früheren Grippeimpfungen (mit Impfstoffen ohne Verstärker). Deshalb empfiehlt die STIKO ja, Schwangere mit einem nicht-adjuvantierten Spaltimpfstoff zu impfen (soll Mitte November kommen). 2. Wenn die Schweinegrippe mild bleibt und keine zweite Welle mit einer bösartigeren Variante auftritt, behalten alle Impf-Kritiker Recht. Wenn aber die befürchtete zweite schwere Welle mit schwereren Krankheitsverläufen und gehäuften Todesfällen auftritt, müssen diese Abbitte leisten. Natürlich muss der Staat Vorsorge für den zweiten Fall treffen und dies ist geschehen. Wie es tatsächlich weitergeht, kann niemand sagen. 3. Auf der Südhalbkugel (dort Winter statt unseres Sommers) fielen saisonale Grippe und Neue Grippe zusammen, wobei der neue Pandemiestamm dominierte. Dies wird also mit hoher Wahrscheinlichkeit auch bei uns im Winter der Fall sein. Bemerkenswert ist, dass die Krankheitsraten und Virusnachweise bereits jetzt (und nicht wie sonst üblich im Januar) ansteigen. D.h. die Influenzaaktivität setzt auf der Nordhalbkugel früher ein (ist in den USA schon im vollen Gange - siehe Anlage). 4. Ich werde mich impfen lassen, wegen a) Vorbildcharakter als Amtsarzt und b) um meine Patienten nicht zu gefährden und c) meine Ruhe zu haben, falls doch eine schwere Grippewelle kommt. Wie schon gesagt, habe ich keine Bedenken gegen Pandemrix und werde mich damit impfen lassen, sobald er zur Verfügung steht. 5. Wegen c) empfehle ich meiner Familie die Impfung (zumal sie von den Kassen gezahlt wird!). Dies gilt insbesondere für meine Töchter, falls die mal schwanger werden wollen (Schwangere haben durch die Erkrankung ein deutlich erhöhtes Komplikationsrisiko bis hin zum Todesfall). Natürlich kann man auch abwarten, ob die Neue Grippe weiter mild verläuft und die Krankheitswoche mit drei bis vier Fiebertagen durchmachen (alle, die die Schweinegrippe schon hatten, können sich beruhigt zurücklehnen). Wenn allerdings gehäufte schwere Verläufe kommen und eine gewaltige Grippewelle durchs Land rollt, könnte es Probleme geben, sich dann erst impfen zu lassen (Panik-Ansturm; Impfung in eine mögliche Inkubation hinein, d.h. man hat sich schon angesteckt; ausreichender Impfschutz erst nach drei Wochen; derzeit wird noch geklärt, ob auch 10- bis 60-Jährige eine zweite Impfung nach drei Wochen brauchen, um auf der sicheren Seite zu sein).
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