Kriminologie I: Grundlagen, allgemeine Theorien. Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Jörg Albrecht
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1 Kriminologie I: Grundlagen, allgemeine Theorien Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Jörg Albrecht
2 Schwerpunkt Strafrechtliche Sozialkontrolle Empirische Grundlagen, Sanktionen, jugendliche Straftäter Vorlesungen Kriminologie I (Grundlagen, allgemeine Theorien) Kriminologie II (Einzelne Kriminalitätsformen mit Schwerpunkt Wirtschaftskriminalität, organisierte Kriminalität, grenzüberschreitende und internationale Kriminalität) Jugendstrafrecht Sanktionenrecht I (Sanktionsformen, Strafzumessung, etc.) Sanktionenrecht II (Strafvollzugsrecht) Seminar Materialien, Links, Vorträge, Seminare, Stellenangebote: Kriminologie I SS 2015 Page 2
3 Kriminalistik Forensische Wissenschaften Aufklärung und Tatnachweis DNA, Fingerabdrücke, andere Spuren Vernehmungstechniken Polizeiliche Informationssysteme Profiling Sachverständige im Strafverfahren (Forensik) Schuldfähigkeit ( 20, 21 StGB) Gefährlichkeit im Rahmen der Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung ( 63, 64, 66 StGB) oder der Entlassung aus Maßregeln Glaubwürdigkeit (von Zeugenaussagen) Blutalkoholkonzentration Todesursachen Kriminologie I SS 2015 Page 3
4 Wann beginnt die Suche nach den Ursachen von Verbrechen? Ursachenforschung fällt zusammen mit der Entstehung eines folgenorientierten Strafrechts 46 I, 2 StGB: Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen Bedarf an empirischem Wissen über Verbrechen und Straftäter Kriminalprävention und Rückfallvermeidung Schuld und Schuldfähigkeit; psychiatrische und medizinische Sachverständige Kriminologie I SS 2015 Page 4
5 Entwicklungslinien der Kriminologie Empirische (positivistische) Linie der Kriminologie kriminalanthropologische Schule: Lombroso Der geborene Verbrecher, Soziologische Schule: Tarde, Lacassagne (Milieu ist entscheidend) Klassische Schule der Kriminologie Beccaria: Verbrechen und Strafe, Kritik des Strafrechts Kriminologie I SS 2015 Page 5
6 Lombroso ( ) Kriminologie I SS 2015 Page 6
7 Lombroso: Kriminalität ist anlagebedingt 1876 erscheint die Schrift Der geborene Verbrecher (l uomo delinquente) Der Verbrecher ist an äußeren Merkmalen (stigmata) zu erkennen Kriminologie I SS 2015 Page 7
8 Lombrosos Verbrechermenschen 1. Mörder und Dieb. Stark entwickelte Augenbrauenbögen, enorme Jochbeine und Kiefer, Stirnrunzeln. 2. Mörder. Starke Runzeln, enorme Kiefer und Jochbeine, stark disproportioniert. 3. Mörder und Dieb. Sehr langes Gesicht, langer Kiefer, dichtes und struppiges Haar, Bartlosigkeit. Kriminologie I SS 2015 Page 8
9 Lombroso: Kriminalität ist anlagebedingt
10 Lombrosos Verbrechenstheorie Verbrechen ist anlagebedingt Grundlage der Erklärung Darwins Evolutionstheorie Verbrechen entsteht, weil ein Mensch auf einer frühen Entwicklungsstufe stehen geblieben ist Kriminologie I SS 2015 Page 10
11 Darwin: Evolutionstheorie und Sozialdarwinismus Leben beruht auf einem Prozess der Evolution Evolution verläuft graduell und über lange Zeit Evolution beruht auf natürlicher Selektion Die verschiedenen Arten entstanden aus einer einzigen Lebensform und zwar im Verlaufe eines Prozesses der Spezialisierung Unterschiede zwischen den Arten entstehen durch Zufallsprozesse Überleben und Aussterben der Arten sind bestimmt durch die Fähigkeit von Organismen, sich an ihre Umwelt anzupassen "On the Origin of Species by Means of Natural Selection, or the Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life" (1859) Versuch der Übertragung der biologischen Evolution auf soziale Evolution (Sozialdarwinismus) Kriminologie I SS 2015 Page 11
12 Die Kriminalanthropologie Lombrosos Verbrecher sind primitive Menschen Verbrechen sind atavistisch (Rückfall in überholte Verhaltensweisen) Modell des freien Willens ist ungeeignet: Verhalten ist determiniert Konzept der Gleichheit (jeder Mensch wählt Handlungen frei aus, auf der Grundlage einer rationalen (vernünftigen) Entscheidung) wird abgelehnt Verbrechen hat biologische Grundlagen Forschungsmethode: systematischer Vergleich von Gefängnisinsassen mit nicht auffällig gewordenen Personen Einbezogene Merkmale in der Erklärung: äußere Merkmale Kriminalpolitische Konsequenzen Eugenik, Sicherung Kriminologie I SS 2015 Page 12
13 Milieutheorien Lacassagne ( ), Tarde ( ) Der Mensch wird zum Verbrecher, weil ihn seine Umwelt dazu macht Französische kriminalsoziologische Schule These: Die Umwelt determiniert die Entwicklung und die Handlungen eines Menschen Vorstellungen: Der Mensch ist formbar, erziehbar und von seiner Umwelt abhängig (Rousseau) Konsequenzen: Ein Schuldstrafrecht ist nicht begründbar. Aus der Französischen kriminalsoziologischen Schule entwickelt sich insoweit konsequent die Doktrin der Défence Sociale Maßnahmen gegen einen Straftäter begründen sich nicht aus dessen Schuld und Verantwortung für das begangene Unrecht, sondern aus dem Recht einer Gesellschaft, sich gegen Straftäter verteidigen zu dürfen (Maßregelansatz) Kriminologie I SS 2015 Page 13
14 Ferri ( ) Kriminologie I SS 2015 Page 14
15 Ferri: Anlage-Umwelt-Formel These: Verbrechen ist eine Funktion von Anlage des Menschen und dessen Umwelt Hieraus entsteht in Deutschland die Vereinigungstheorie und - im 20. Jahrhundert - die Vorstellung, dass lediglich ein sog. multifaktorieller Ansatz in der Erklärung von Kriminalität plausibel sei. Zusammenfassung: Die hiermit skizzierte Entwicklungslinie der Kriminologie ist ätiologisch (an der Suche nach Ursachen orientiert) deterministisch (Verbrechen als Schicksal - für das Individuum) Kriminologie I SS 2015 Page 15
16 Klassische Schule der Kriminologie Beccaria ( ): Über Verbrechen und Strafen (1764) Kriminologie I SS 2015 Page 16
17 Jeremy Bentham ( ) Kriminologie I SS 2015 Page 17
18 Klassische Schule Unterschied zur positivistischen Linie der Kriminologie: Aufgreifen der Fragestellung des Strafrechts und der Strafrechtlichen Sozialkontrolle Beeinflusst durch: Aufklärung Staatsvertragstheorie» Individuum, Staat/Gesellschaft, Kausalität Kriminologie I SS 2015 Page 18
19 Inhalt der klassischen Linie der Kriminologie Grundlagen Freier Wille Gleichheit Bentham Konstanten des menschlichen Lebens sind Leid und Freude Entscheidend ist das Nutzenkalkül Jeder Einzelne kann am besten beurteilen, was für ihn am nützlichsten ist Strafrechtskritik Forderungen Beccarias Willkürverbot Gesetzlichkeitsprinzip Prävention anstelle Vergeltung (Nützlichkeit) Abschaffung grausamer Strafen Abschaffung der Todesstrafe Kriminologie I SS 2015 Page 19
20 Zusammenfassung Zwei Entwicklungslinien Ursachenforschung Strafrechtskritik Kriminologie I SS 2015 Page 20
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