Evangelische Morgenfeier (19. Sonntag nach dem Dreieinigkeitsfest) Deutscher Hospiztag
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- Heiko Fertig
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1 Evangelische Morgenfeier (19. Sonntag nach dem Dreieinigkeitsfest) Deutscher Hospiztag An diesem Sonntag, liebe Hörerinnen und Hörer, wird in unserem Land zum achten Mal der Deutsche Hospiztag begangen. Mit einem breiten Veranstaltungsangebot versucht die Hospizbewegung in Deutschland seit dem Jahr 2000 ein stärkeres Bewusstsein und Verständnis für die Arbeit der über 1400 ambulanten Hospizvereine, Hospiz- und Palliativeinrichtungen zu wecken. Sie möchte eine Verbesserung der finanziellen Rahmenbedingungen für die Hospizarbeit erreichen sowie das Thema Tod und Sterben in der Gesellschaft enttabuisieren. In etwa findet heute ein Benefizkonzert der Gruppe Jericho zu Gunsten der Arbeit des Hospizvereins in der Christuskirche statt. Das hinter der Hospizbewegung stehende Anliegen ist ein sehr altes, nicht zuletzt im christlichen Glauben verwurzeltes. Kranken und Sterbenden beizustehen, sie nicht allein zu lassen, gehört zu den sechs Werken der Barmherzigkeit, die Matthäus im Gleichnis vom Weltgericht aufzählt. Ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besucht ist eines der Kriterien, die Jesus hier benennt. Im Mittelalter war ein Hospiz eine kirchliche bzw. klösterliche Herberge für Pilger und Bedürftige. Der Name leitet sich vom lateinischen Wort hospitium ab, was Gastfreundschaft bedeutet. Der Zusammenhang hat sich im Englischen wie im Französischen erhalten: Hospitable bedeutet gastfreundlich. Hospital bzw. hopital sind das Krankenhaus. Die heutigen Hospize wollen Herbergen auf der letzten Reise sein, die ein Mensch antritt. 1
2 Ich möchte Ihnen im Folgenden etwas von der Hospizbewegung erzählen, von ihrer faszinierenden Geschichte, von den Menschen, die sie tragen und was diese tun. Ich tue dies auf dem Hintergrund ehrenamtlicher Mitarbeit im Hospizverein, dessen Vorsitzender ich seit einigen Jahren bin, aber auch auf dem Hintergrund sehr persönlicher Erfahrungen. Die Hospizbewegung der neueren Zeit existiert erst seit etwa 100 Jahren. Ihre Anfänge liegen in England haben zwei irische Nonnen das erste Haus für Sterbende in einem Londoner Elendsviertel (East End) eröffnet. Das berühmteste Hospiz und so etwas wie die Mutter aller heutigen Hospize ist St. Christopher`s in London, 1967 von der Ärztin Cicely Saunders gegründet. Sie und ihre Schweizer Kollegin Elisabeth Kübler-Ross leisteten Pionierarbeit auf dem Gebiet der Sterbeforschung und des Sterbebeistands (also vor 21 Jahren) eröffnet das erste Hospiz in Deutschland seine Pforten: Haus Hörn in Aachen, gegründet von Dr. Paul Türks, einem katholischen Priester. Die Idee dazu hatte er von einem Besuch in London mit gebracht. Seitdem gab es eine lebhafte Entwicklung: Ende der 80er und insbesondere in den 90er Jahren wurde ein Haus nach dem anderen gegründet (insbesondere in kath. und evangelischer Trägerschaft). In besteht der ökumenisch getragene Hospizverein seit 1990, seit 1995 ein in der Trägerschaft der Evangelischen Altenhilfe Hofgeismar stehendes stationäres Hospiz. Kurze Zeit später entstand im Roten Kreuz Krankenhaus eine der ersten Palliativstationen. In jüngster Zeit wird dieses Angebot ergänzt durch ein im Aufbau befindliches Palliativ-Care-Team. Mittlerweile gibt es mehr als 1400 ambulante Hospizdienste, etwa 120 stationäre Hospize und um die 100 Palliativstationen. Aber die faszinierendste Zahl ist die der 2
3 ehrenamtlich Mitarbeitenden, die mittlerweile bei knapp Frauen und Männern liegen dürfte. Insofern ist es mehr als berechtigt, von einer Hospizbewegung zu sprechen. Trotz der enormen und raschen Zunahme hospizlicher Angebote ist der Bedarf in Deutschland aber bei weitem noch nicht gedeckt: auf 1 Million Einwohner kommen derzeit etwa 20 Palliativ- und Hospizbetten. Der tatsächliche Bedarf liegt aber bei 50 Betten. Zwei Ziele verfolgt die hospizliche Arbeit: die Kranken und Sterbenden sollen soweit irgend möglich schmerzfrei sein auf ihrem Weg in den Tod, zumindest aber soll der Schmerz gelindert werden. Darauf weist das Wort palliativ hin. Es stammt von dem lateinischen Wort palliare ab, was lindern, aber auch ummanteln bedeutet. Palliativmedizin stellt also den Versuch dar, Schmerzpatienten so gut es geht zu versorgen. Das andere Ziel hospizlicher Arbeit besteht darin, Sterbende nicht allein zu lassen, sie zu begleiten und ihnen auf diese Weise ein Leben in Würde bis zuletzt zu ermöglichen. Denn das sind ja die beiden Dinge, vor denen wir Menschen uns am meisten fürchten im Angesicht des Todes: vor Schmerzen und vor Einsamkeit. Indem hospizliche Arbeit diese beiden Grundängste zu nehmen versucht, stellt sie eine wichtige Alternative zu allen Wünschen nach aktiver Sterbehilfe und den Bestrebungen, diesen Wünschen entgegenzukommen, dar. Ich will versuchen, Ihnen einen Eindruck zu vermitteln, wie es in einem stationären Hospiz zugeht. Vor Augen steht mir dabei das Hospiz, in dem meine Frau, an einem bösartigen Gehirntumor erkrankt, nach mehrmonatigem Aufenthalt im August 2006 verstorben ist. 3
4 Zunächst einmal: ein Hospiz ist kein Krankenhaus. Die Gäste, wie die Patienten hier genannt werden, unterliegen dementsprechend auch nicht einem Reglement, wie es in Krankenhäusern üblich ist. Sie, die Gäste stehen mit ihren Wünschen und Bedürfnissen im Mittelpunkt der Pflege und Betreuung. Das bedeutet zb, dass Angehörige und Freunde ein und aus gehen können und nicht an Besuchszeiten gebunden sind. Da alle Gäste in Einzelzimmern leben, ist es möglich, dort auch zu übernachten. Auch das Mitbringen von Haustieren ist erlaubt. Zum Inventar des er Hospizes gehört übrigens auch ein Hund, der einem Gast gehörte und den eine der hauptamtlichen Pflegekräfte zu sich genommen hat. Wenn sie Dienst hat, ist der Hund mit im Haus. Die Zimmer sind wohnlich eingerichtet und können individuell gestaltet werden. Kein Mensch nimmt Anstoß, wenn Lieblingsbilder des Gastes oder Zeichnungen etwa der Enkel aufgehängt werden. Dass Telefon und Fernsehen ebenso zur Grundausstattung gehören wie behindertengerechte Duschbäder versteht sich von selbst. Neben den hoch qualifizierten hauptamtlichen Pflegekräften kümmern sich die ehrenamtlichen Hospizhelferinnen und Hospizhelfer um die Gäste. Diese ehrenamtlich Mitarbeitenden werden vom Hospizverein auf ihren Dienst durch intensive Schulung vorbereitet und später dann supervisorisch begleitet. Palliativmedizinische Versorgung wird entweder durch die jeweiligen Hausärzte oder durch einen dem Hospiz assoziierten Palliativmediziner sichergestellt. Selbstverständlich gehört auch seelsorgerliche Begleitung zum Angebot des Hauses. Auf diese Weise gelingt es, den Grundsatz der Hospizbewegung, Sterbenskranken möglichst die Wünsche zu erfüllen, die sie angesichts ihres zu Ende gehenden Lebens haben, weitestgehend zu gewährleisten. Ist ein Gast verstorben, kann eine Aussegnung stattfinden. In jedem Fall haben die Angehörigen Zeit, um in Ruhe Abschied zu nehmen. Zum Angebot des Hospizvereins gehört es schließlich, Hinterbliebene in ihrer Trauer zu begleiten. 4
5 Finanziert wird der Aufenthalt zu einem erheblichen Teil über die Krankenkassen. Der Träger einer stationären Einrichtung muss seltsamerweise selber 10% der Kosten aufbringen, was durch Spendeneinwerbung versucht wird. Es bleibt ein Eigenanteil für den Gast, dessen Höhe u.a. von der Pflegestufe abhängt. Wo die Aufbringung dieses Eigenanteils schwierig ist, tritt die Sozialhilfe ein. Außerdem hat der Hospizverein die Möglichkeit, im Einzelfall aus seinen Mitteln zu helfen. Mit anderen Worten: aus finanziellen Gründen braucht keine Aufnahme eines Gastes zu scheitern. Eher ist es die Frage, ob ein Platz gerade dann frei ist, wenn er gebraucht wird. Nicht nur im stationären Hospiz, auch zu Hause besteht die Möglichkeit, die Dienste eines Hospizvereins in Anspruch zu nehmen. Bei Bedarf kommt ein ehrenamtlicher Hospizhelfer oder eine Hospizhelferin zur Begleitung ins Haus des Kranken bzw. Sterbenden. Jeder ehrenamtlich Mitarbeitende übernimmt in aller Regel nur eine Begleitung, um genügend Zeit und Kraft für diesen einen Menschen zu haben. Art und Umfang der Begleitung sehen unterschiedlich aus und werden miteinander abgesprochen. Es geht um Entlastung der Angehörigen, es geht um menschliche Gegenwart und Begleitung in Reden und Schweigen, es geht um kleine Dienstleistungen, es geht um Vorlesen, Singen, Beten und anderes mehr. Und immer bestimmt der Wunsch des Kranken Inhalt und Maß der Begleitung. In jüngster Zeit tut sich ein weiteres Feld auf, gehen unsere Hospizhelferinnen und Helfer auch in stationäre Alten- und Pflegeheime, wo ebenfalls ein hoher Bedarf an Begleitung besteht. Dies bedarf natürlich der vertraglichen Regelung mit der jeweiligen Einrichtung. Mir scheint, dass dieser Bereich künftig an Bedeutung gewinnen wird. 5
6 Liebe Hörerinnen und Hörer, der Dienst ehrenamtlicher Hospizhelferinnen und Hospizhelfer bei Kranken und Sterbenden bedarf der Organisation und Begleitung. Dazu sind an vielen Orten Hospizgruppen oder Vereine entstanden, die sich das zum Ziel gesetzt haben. Davon war ja schon die Rede. Nicht selten sind solche Hospizgruppen im Rahmen kirchlicher Gemeindearbeit entstanden. Der er Hospizverein, der ökumenisch aufgestellt ist, dessen Angebote sich aber an alle Menschen unabhängig ihrer religiösen Zugehörigkeit richtet, unterhält zb eine Geschäfts- und Beratungsstelle in der Innenstadt, eine Anlaufstelle gleichsam, wo Anfragen und Hilfegesuche ankommen und durch hauptamtlich Mitarbeitende beantwortet werden. Dabei geht es neben Anfragen nach häuslicher Begleitung oftmals auch um Fragen, die sich im Vorfeld von Erkrankung, Sterben und Tod ergeben, etwa im Zusammenhang mit der Erstellung einer Patientenverfügung. Die Gewinnung von Frauen und Männern, die Interesse an ehrenamtlicher Mitarbeit haben, erfolgt von hier aus ebenso wie deren Ausbildung zur Hospizhelferin bzw. zum Hospizhelfer und ihre spätere Begleitung, wenn sie ihren Dienst aufgenommen haben. Liebe Hörerinnen und Hörer, zum Schluss noch einmal eine Zahl: 92 % der Bundesbürger würden am liebsten in den eigenen vier Wänden sterben, aber nur rund 20 % tun dies; die anderen, also 80 %!, sterben in Kliniken und Heimen. Wir müssen daraufhin arbeiten, dass sich diese Zahlen verändern. Wir haben die Aufgabe, zu einer veränderten Sterbekultur in Deutschland beizutragen; Menschen müssen, wo immer sie sterben, menschenwürdig sterben können. Und das heißt in erster Linie: nicht allein. Damit Jesus nicht sagen muss: Ich bin krank gewesen, und ihr habt mich nicht besucht. Nicht allein und möglichst schmerzfrei. Dieses Ziel verfolgt die Hospizbewegung in Deutschland. Diesem Ziel, das der politischen Unterstützung bedarf, näher zu 6
7 kommen, dienen die mannigfachen Veranstaltungen und Angebote im Rahmen des heutigen achten Deutschen Hospiztags. 7
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