Die Starkniederschläge vom 17./18. Juli 2002 und ihre statistische Einordnung
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- Margarete Heidrich
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1 Die Starkniederschläge vom 17./18. Juli 2002 und ihre statistische Einordnung Uta Jesussek Einleitung Der Juli 2002 war in Schleswig-Holstein durch eine Vielzahl an Niederschlägen gekennzeichnet. Besonders ins Auge fiel das Niederschlagsereignis vom 17./ 18. Juli, bei dem in den zwei Streifen Elbmarsch im Raum Hamburg- Friedrichskoog- Hohenweststedt sowie Lübeck- Ratzeburger See- Schönberg Lütjenburg extreme Niederschläge und im restlichen Schleswig-Holstein bis auf die Bereiche der Westküste und Fehmarn, relativ hohe Niederschläge fielen. Da Bauwerke wie Kanalisationen und Regenrückhaltebecken nicht für jedes mögliche Ereignis bemessen werden können, sondern auf ein Ereignis mit einer festgelegten Wiederkehrzeit bei einer maßgeblichen Dauerstufe, ist es von Interesse, das aufgetretene Starkregenereignis hinsichtlich der Wiederkehrzeiten bei verschiedenen Dauerstufen zu untersuchen. Einordnung anhand des langjährigen Mittels Aus dem Vergleich der Niederschlagssumme im Juli 2002 mit dem langjährigen Monatsmittel wird deutlich, dass die Überflutung gewässernaher Bereiche durch die Vorsättigung des Bodens aufgrund der überdurchschnittlichen Niederschläge begünstigt worden ist. Aus Abbildung 1 ist ersichtlich, dass für alle Niederschlagsstationen in Schleswig-Holstein die Niederschlagssumme oberhalb des langjährigen Mittelwertes für den Monat Juli von 78 mm liegt. Der maximale Niederschlag im Abbildung 1: Niederschlagssummen über den Monat Juli
2 Juli 2002 wurde in Brunsbüttel mit 302 mm aufgezeichnet. Über alle Stationen Schleswig-Holsteins gemittelt ergibt sich eine Niederschlagshöhe von 173 mm. Dies entspricht 220 % des langjährigen Monatsmittels. Einordnung anhand des maximierten Gebietsniederschlages (MGN) Als weitere Möglichkeit zur Einordnung des Niederschlages bietet sich der Vergleich der gemessenen Niederschlagshöhen mit den regionalisierten maximierten Gebietsniederschlagshöhen (MGN, Literatur [1]) an. Der MGN wird in Abhängigkeit von der Jahreszeit, der Dauerstufe und der Gebietsgröße ermittelt. Die MGN-Werte stellen eine Näherung an das mögliche pysikalisch / klimatologische Maximum dar und werden über Maximierung von meteorologischen Größen ermittelt. Hierbei ist zu beachten, dass sich die Ermittlung der maximalen Niederschläge auf die gegebenen Klimaverhältnisse stützt. Den maximal möglichen Niederschlägen kann keine vernünftige Eintrittswahrscheinlichkeit zugeordnet werden. Bei Vergleich der besonders hohen Tageswerte für Selent und Itzehoe mit den für diese Gebiete gültigen MGNs, wird für ein kleinräumiges Gebiet von maximal 25 Quadratkilometern ein Niederschlag von % des MGN beziehungsweise bei Vergleich der Niederschlagssumme über zwei Tage mit dem zugehörigen MGN % des MGNs erreicht. Einordnung anhand des KOSTRA-Atlas Der KOSTRA-Atlas Starkniederschlagshöhen für Deutschland (Literatur [2]) basiert auf einer Regionalisierung einer punktuellen extremwertstatistischen Auswertung von gemessenen Starkniederschlägen. Dabei werden nicht die Tageswerte untersucht, sondern Dauerstufen von 5, 10, 15, 20, 30, 45, 60, 90 min, 2, 3, 4, 6, 9, 12, 18, 24, 48, 72 h. Die Dauerstufen zeigen nicht die Dauer des Niederschlages an, sondern stellen ein Zeitfenster dar, welches über die Niederschlagsganglinie geschoben wird. Die Summe des innerhalb dieser Dauerstufe gefallenen Niederschlages wird statistisch ausgewertet. Dabei ist nicht entscheidend, ob es sich innerhalb der Dauerstufe um ein oder mehrere Niederschlagsereignisse handelt. Für eine bestimmte Überschreitungshäufigkeit (Wiederkehrzeit) und Dauerstufe lässt sich die statistisch vorliegende Niederschlagshöhe für ein Rasterfeld mit einer Kantenlänge von ca. 8,5 km ablesen. Eine Beurteilung des in Schleswig-Holstein im Juli gefallenen Niederschlages anhand der Abbildung 2: links: MGN (Juni - August, Dauerstufe D=24 h, Gebietsgröße G=25 km² ), rechts: Niederschlagssumme 17./18. Juli
3 Abbildung 3: Niederschlagssummen für verschiedene Dauerstufen und Wiederkehrzeiten in Jahren (a) der Station Lübeck-Blankensee KOSTRA-Werte bietet sich insbesondere im Hinblick auf den Vergleich mit den Bemessungswerten für verschiedene Bauwerke an. Die Bemessungsgrößen für verschiedene Bauwerke geben die Häufigkeit des Auftretens eines Regens an, der abgeführt werden können muss. Je nach Art des Bauwerks sind verschieden lange Niederschlagsereignisse als kritisch zu bewerten. Es reicht nicht aus, die statistische Einordnung einer Tagesniederschlagssumme zu beurteilen. Vielmehr sind die aufgetretenen Maximalwerte über verschiedene Dauerstufen mit ihrem statistischen Erwartungswert mit den Bemessungsansätzen zu vergleichen. Als Wiederkehrzeiten wurden in dieser Auswertung 1, 10, 20, 50 und 100 Jahre gewählt. Durch Unsicherheiten im extremwertstatistischen Ansatz kommt es im Bereich von Kurzzeitniederschlägen für den Norden des norddeutschen Flachlandes zu Fehlern, die über 20 % der Starkniederschlagshöhen betragen können. Als weitere Fehlerquelle ist noch die punktuelle Messung zu nennen, die nur bedingt auf die Fläche übertragbar ist. Eine statistische Einordnung anhand des KOSTRA-Atlasses fand für die Niederschlagsstationen in den besonders betroffenen Gebieten statt. Dies sind mit einer hohen zeitlichen Auflösung die Stationen Eutin (LANU), Lübeck-Blankensee (DWD), Schleswig (DWD) und Thiesen/Ellerhoop (Beratungsring Bund Deutscher Baumschulen), mit einer Auflösung von einer Stunde Quickborn (DWD) und mit Tageswerten die Stationen Selent (DWD) und Itzehoe (DWD). In der Auswertung wurden die Niederschlagshöhen aus dem KOSTRA-Atlas über die Dauerstufen in Abhängigkeit von der Wiederkehrzeit a aufgetragen. Hierbei wurden zur statistischen Auswertung nur die Zeitreihen des Sommerhalbjahres (Mai bis September) verwendet. Aus den Niederschlagsmessungen wurden für die betrachteten Stationen die maximalen Niederschläge für die Zeitspanne einer Dauerstufe ermittelt und als orange Balken in die Abbildung eingetragen. Voraussetzung für diese Art der Auswertung ist das Vorliegen von Niederschlagsmessungen mit einer Auflösung im Ein-Minuten-Bereich, mindestens jedoch im Ein-Stunden-Bereich. Die maximale prozentuale Überschreitung des 100-jährigen Ereignisses durch den gemessenen Niederschlag trat bei den betrachteten Stationen in unterschiedlichen Dauerstufen auf und ist in Abbildung 3 durch Angabe der prozentualen Überschreitung kenntlich gemacht. Eine Übersicht über die Überschrei- 107
4 Tabelle 1: Maximale prozentuale Überschreitung des 100-jährigen Niederschlages für verschiedene Stationen Prozentuale Überschreitung des 100-jährigen Ereignisses Zugehörige Dauerstufe Lübeck-Blankensee 51 % 6 h (360 min) Eutin 92 % 12 h (720 min) Quickborn 54 % 12 h (720 min) Thiesen 5 % 12 h (720 min) Schleswig 27 % 18 h (1080 min) Itzehoe 119 % 48 h (2880 min) Selent 80 % 48 h (2880 min) tung des 100-jährigen Ereignisses und der jeweiligen Dauerstufen ist in Tabelle 1 für alle betrachteten Stationen dargestellt. Den untersuchten Niederschlägen ist gemeinsam, dass sie im Bereich niedriger Dauerstufen Wiederkehrzeiten bis maximal 30 Jahre aufweisen, diese mit zunehmender Dauerstufe steigen und das Maximum zwischen 6 h und zwei Tagen erreichen und danach wieder abnehmen. Kurze Gewitterniederschläge können sehr hohe Niederschlagsintensitäten aufweisen, während lang anhaltende Niederschläge in der Regel durch sehr viel geringere Intensitäten gekennzeichnet sind. Für die Bemessung von Kanalisationen sind in Schleswig-Holstein in der Regel Dauerstufen von 15 Minuten (das heißt sehr hohe kurze Niederschlagsspitzen) bis 2 Stunden (das heißt länger anhaltende Niederschläge mittlerer Intensität) relevant. Bei einer Dauerstufe von 15 Minuten wurden in Lübeck-Blankensee Wiederkehrzeiten von größer zehn Jahren und in Eutin von 30 Jahren erreicht. Für die anderen Stationen lagen keine Minutenwerte vor. Für Dauerstufen von 120 Minuten lagen die Wiederkehrzeiten teilweise erheblich höher: Thiesen: 2 Jahre, Quickborn: 4 Jahre, Schleswig 40 Jahre und Lübeck sowie Eutin >>100 Jahre. Die Bemessungswerte für die Kanalisation dürften damit an allen betrachteten Stationen außer in Thiesen überschritten worden sein. Das 100-jährige Ereignis wurde bei allen Stationen spätestens bei einer Dauerstufe von 24 Stunden erreicht. Vereinfacht gesagt handelt es sich somit bei allen betrachteten Stationen hinsichtlich der langen Dauerstufen (> 24 h) um ein Jahrhundertereignis. Statistische Einordnung der Abflüsse Wie die langanhaltenden und über ihre Länge sehr intensiven Niederschläge vermuten lassen, sind die Wasserstände und Abflüsse in den Gewässern stark angestiegen. Über die Abflussspenden lassen sich die Abflüsse an verschiedenen Pegeln gut vergleichen, da sie den Abfluss, der im Mittel von einem Quadratkilometer des Einzugsgebiets dem Gewässer zufließt, angeben. Besonders hohe Abflussspenden konnten an den Pegeln Stolpe, Mehlbek 2, Todenbüttel, Dannewerk, Renzel, Ziegelhof, Obdrup, Brammer und Bredeneek registriert werden. Diese Pegel weisen mit Ausnahme der Pegel Todenbüttel und Renzel ein recht kleines Einzugsgebiet (<35 Quadratkilometer) auf. Station Zeitreihenlänge Abflussspende Abfluss Q Wiederkehrzeit für Spitzenabfluss Gesamtabflussvolumen Wiederkehrzeit für Abflussvolumen [Einheit] [a] [l/(s*km²)] [m³/s] [a] [m³] [a] Bredeneek , Zarpen , Renzel ,
5 Für eine statistische Auswertung der Abflüsse ist eine Zeitreihe von mindestens 15 Jahren erforderlich, die an einigen Pegeln jedoch nicht vorliegt, so dass diese nicht weiter betrachtet wurden. Es zeigte sich, dass für solch hohe Wasserstände keine Abflussmessungen vorlagen, so dass die Schlüsselkurve, über die aus dem Wasserstand der Abfluss ermittelt wird und die regelmäßig durch neue Messungen angepasst wird, im Bereich der hohen Wasserstände unsicher ist. Die Angabe eines realistischen Abflusses für den vorliegenden Wasserstand an einem Pegel ist somit nicht möglich. Eine statistische Einordnung des Abflusses ist jedoch dann möglich, wenn nur eine Schlüsselkurve für den gesamten Bereich der Zeitreihe vorliegt oder die Schlüsselkurven sich nicht stark unterscheiden. Aufgrund großer Abweichung zwischen den Schlüsselkurven für die auftretenden Wasserstände können die Pegel Stolpe, Dannewerk und Ziegelhof nicht weiter betrachtet werden. Für die anderen Pegel mit einer ausreichend langen Zeitreihe wurde eine statistische Einordnung sowohl hinsichtlich des Spitzenabflusses als auch hinsichtlich des Gesamtabflusses der Abflusswelle durchgeführt. Es zeigt sich, dass in den meisten Fällen der Spitzenabfluss sehr groß ist und eine hohe Wiederkehrzeit besitzt, der Gesamtabfluss jedoch häufiger auftritt. Dies bedeutet, dass es im Juli zwar extreme Spitzenabflüsse gab, die Abflüsse jedoch innerhalb einer kurzen Zeit wieder unterhalb eines hohen mittleren Winterabflusses lagen. Es ist darauf hinzuweisen, dass aufgrund der teilweise sehr kurzen Zeitreihen oder dem Auftreten von verschiedenen Schlüsselkurven über den betrachteten Zeitraum, nur eine kleine Auswahl an Pegeln ausgewertet werden konnte. Die Einzugsgebiete dieser Pegel lagen nicht alle unmittelbar direkt im Bereich der stärksten Niederschläge. Literatur [1] DVWK (1997): Maximierte Gebietsniederschlagshöhen für Deutschland; Mitteilungen; Bonn. [2] DWD (1997): KOSTRA-Atlas Starkniederschlagshöhen für Deutschland, Offenbach. Summary In this article the kind of precipitation of July 2002 in Schleswig-Holstein was estimated by three methods: A classification by the longtime mean of precipitation of July, by the maximum area precipitation and by the use of the KOSTRA-atlas. By using the KOSTRA-atlas the precipitation can be estimated concerning the recurrence interval and the rated value of constructions. The estimation showed very high values over a long time (> 3 hours) and comparatively small values with a recurrence time of 10 to 30 years for short times ( 15 min.). Uta Jesussek Dezernat 42 - Hydrologie und Morphologie der Fließ- und Küstengewässer; Geographische Informationssysteme Tel.: / ujesusse@lanu.landsh.de 109
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