Medienrecht: BGH-Entscheidung zur Kostenerstattung
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- Helmut Falk
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1 Medienrecht: BGH-Entscheidung zur Kostenerstattung
2 Diese Client Note ersetzt keine rechtliche Beratung im Einzelfall. Der Inhalt ist ohne vorherige Beratung nicht als Entscheidungsgrundlage geeignet. Insoweit übernehmen wir mit der Herausgabe dieser Client Note keine Haftung. Wenn Sie nähere Informationen zu dem behandelten Thema benötigen, können Sie sich jederzeit gerne an eine der nachstehenden Personen oder an Ihren üblichen Ansprechpartner wenden: Dr. Stefan Engels T +49 (40) stefan.engels@lovells.com Dr. Michael Stulz-Herrnstadt T +49 (40) michael.stulz-herrnstadt@lovells.com
3 Liebe Leserinnen und Leser, mit der vorliegenden Client Note möchten wir Sie auf die spannende Entwicklung im Bereich der (außergerichtlichen) Kostenerstattung bei medienrechtlichen Auseinandersetzungen aufmerksam machen. Denn durch neuere Entscheidungen des BGH ist hier vieles in Bewegung gekommen. Zukünftig dürfte in vielen Konstellationen eine deutlich geringere Kostenbelastung für (abgemahnte) Medienunternehmen zu erwarten sein. Für weitere Fragen stehen wir Ihnen natürlich jederzeit gerne zur Verfügung. Sprechen Sie uns ruhig an und profitieren Sie von unserer langjährigen Erfahrung im Bereich Media Litigation. Dr. Stefan Engels
4 Lovells IPMT 1 Die neuen Entscheidungen des BGH Getrennte Abmahnung von Wort- und Bildberichterstattung ist eine Angelegenheit DER KOSTENERSTATTUNGSAN- SPRUCH DES GESCHÄDIGTEN In medienrechtlichen Auseinandersetzungen summieren sich schnell die geltend gemachten Ansprüche, etwa wenn sich eine Beanstandung sowohl gegen die Wort- als auch gegen die illustrierende Bildberichterstattung richtet. Neue Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) haben hier einen grundlegenden Wandel in der instanzgerichtlichen Kostenerstattungspraxis eingeläutet. Grundlagen des Kostenrechts Vom Schädiger zu ersetzten sind regelmäßig nur die Anwaltskosten in Höhe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG). Entscheidend ist für diese stets die Frage, wann dieselbe Angelegenheit in einem Fall mit mehreren Ansprüchen gegeben ist. Denn gemäß 15 Abs. 2 RVG kann der Anwalt in derselben Angelegenheit nur einmal Gebühren fordern, selbst wenn er nach außen hin etwa durch zwei (formal) getrennte Abmahnschreiben tätig geworden ist. Allenfalls erfolgt gem. 22 Abs. 2 RVG eine Addition der Streitwerte, sofern einzelne Gegenstände im kostenrechtlichen Sinne vorliegen. Dies ist aus Sicht des Kostenschuldners aufgrund der degressiven Gebührentabelle des RVG deutlich vorteilhafter als eine Berechnung anhand mehrerer einzelner Angelegenheiten. Jedoch neigten insbesondere die Berliner Gerichte in medienrechtlichen Verfahren dazu, großzügig Kostenerstattungsansprüche auf Basis von unterschiedlichen Angelegenheiten für begründet zu erachten. Wesentlich ist dabei die Unterscheidung der zwei zentralen gebührenrechtlichen Begriffe "Angelegenheit" und "Gegenstand": Die Angelegenheit ist das gesamte Geschäft, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Der Gegenstand ist das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht. Mehrere Gegenstände können eine Angelegenheit bilden. Mit der richtigen Unterscheidung dieser beiden Begriffe taten sich - zum Leidwesen der Medienunternehmen - verschiedene Instanzgerichte in der Vergangenheit schwer. Ein Rechenbeispiel Zur Veranschaulichung der Auswirkung dieses instanzgerichtlichen Missverständnisses sei folgendes Beispiel - auf Basis eines fiktiven Gegenstandswerts von und einer Gebühr von 1,3 - gegeben: Wird die Abmahnung von Wort- und Bildberichterstattung kostenrechtlich als zwei Angelegenheiten behandelt, so beliefen sich die zu erstattenden Kosten auf 1263,60 (zweimal 631,80 ). Bei einer Erstattung auf Grundlage von einer Angelegenheit dagegen nur auf 839,80 (1,3 Gebühr auf einen addierten Gegenstandswert von ). Hinzu kommen in beiden Fällen ggf. noch eine Auslagenpauschale sowie die Umsatzsteuer. Vorgeschichte der BGH- Entscheidungen Erstmalig hatte der BGH mit Urteil vom 4. Dezember 2007 die Anforderungen an die Feststellung von mehreren Angelegenheiten für den Fall eines gleichzeitigen Angriffs gegen Bild- und Wortberichterstattung konkretisiert und den Fall zur erneuten Entscheidung zurück an das Berliner Gericht verwiesen (BGH, AfP 2008, 189). Dieses hatte jedoch unter Verweis darauf, dass sich dem Anwalt zwei getrennte Prüfungsaufgaben stellten, an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten und einen Kostenerstattungsanspruch auf Basis von zwei Angelegenheiten für begründet angesehen. Auf die erneute Revision hin hat der BGH nunmehr auch diese Variante der Berliner Rechtsprechung mit sehr deutlichen Worten für in mehrerer Hinsicht rechtsfehlerhaft erklärt (BGH, Urteil v. 26. Mai Az.: VI ZR 174/08). Neue BGH-Rechtsprechung Schon in seinem Urteil vom 4. Dezember 2007 hatte der BGH ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Erstattungsanspruch voraussetzt, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war. Mit seinem neuesten Urteil hat der BGH nun nochmals detailliert die Voraussetzungen festgelegt, unter denen eine Zahlungsverpflichtung im Innenverhältnis entsteht und der Schädiger im Außenverhältnis zum Ersatz verpflichtet ist. "Die BGH-Entscheidung ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer sachgerechten Lösung der Problematik, die nun gezielt weiter zu forcieren ist." Dr. Stefan Engels, Partner Lovells
5 Lovells IPMT 2 Innenverhältnis Im Innenverhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt stellen Gebühren auf der Basis von zwei Angelegenheiten keinesfalls den Regelfall dar. Denn die anwaltliche Leistung betrifft - so der BGH - in der Regel eine Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit ist entgegen der Ansicht des Instanzgerichts nicht schon dann zu verneinen, wenn der Anwalt mehr als eine Prüfungsaufgabe zu erfüllen hat. Zu unterscheiden ist - wie gesagt - nämlich der Begriff der Angelegenheit und der des Gegenstandes im kostenrechtlichen Sinne. Letzterer bezeichnet das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis, auf das sich die Tätigkeit des Anwalts bezieht. Von einem einheitlichen Rahmen der Tätigkeit ist nach Ansicht des BGH aber auch dann auszugehen, wenn die verschiedenen Gegenstände in dem Sinne einheitlich vom Anwalt bearbeitet werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst bzw. in einem einheitlichen Vorgehen - etwa einem Abmahnschreiben - geltend gemacht werden können. Denn unter einer Angelegenheit ist das gesamte Geschäft zu verstehen, dass der Rechtsanwalt für seinen Mandanten besorgen soll. Ein innerer Zusammenhang ist dann zu bejahen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrages erstrebten Erfolgs zusammengehören. Allein die Frage, ob zwischen Wort- und Bildberichterstattung ein Zusammenhang besteht, ist damit nicht entscheidend. Außenverhältnis Damit nun aber im Außenverhältnis der im Innenverhältnis entstandene Honoraranspruch überhaupt vollständig durchgesetzt werden kann, ist es zusätzlich erforderlich, dass die anwaltliche Tätigkeit aus der Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf dessen spezielle Situation auch zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war. Und hieran sind nach der Auffassung des BGH ernsthafte Anforderungen zu stellen: Erst wenn vertretbare sachliche Gründe für eine getrennte Geltendmachung bestehen und sie nicht lediglich der Mehrkostenverursachung dient, entsteht im Außenverhältnis ein umfassender Erstattungsanspruch. Dünne Ausführungen der Art, dass die getrennte Verfolgung der Übersichtlichkeit diene, dürften kaum hinreichend sein. Der BGH hat diesbezüglich ferner auch klargestellt, dass es sich bei der Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit nicht um einen im Rahmen von 254 BGB zu berücksichtigenden Umstand, sondern um eine echte Anspruchsvoraussetzung handelt, für die allein der Geschädigte beweisund darlegungspflichtig ist. Fazit Der BGH hat in seinen Entscheidungen eine praktikable und sachgerechte Lösung für die kostenrechtliche Verarbeitung von medienrechtlichen Ansprüchen aufgezeigt. Er hat sich dabei nicht von unangebrachten Präventionsmotiven leiten lassen, sondern sich konsequent an den Grundsätzen des anwaltlichen Gebührenrechts orientiert. Sinn und Zweck des gesetzlichen Vergütungsanspruchs des Anwalts ist gerade auch die Sicherung der Verbraucherinteressen der Mandanten, die vor einem unnötig kostenintensiven Agieren ihres Anwalts geschützt werden sollen. Denn im Falle des Unterliegens vor Gericht hat der Mandant die (überhöhte) Kostennote selbst zu begleichen. Zusammenfassung: Im Innenverhältnis stellt die Abmahnung von Wort- und begleitender Bildberichterstattung nur eine Angelegenheit dar, denn der erforderliche innere Zusammenhang und der einheitliche Tätigkeitsrahmen liegen vor. Im Außenverhältnis ist der Geschädigte für die Zweckmäßigkeit und Erforderlichkeit einer getrennten Verfolgung der Ansprüche beweisund darlegungspflichtig. Grundsatz: Wird eine Berichterstattung beanstandet, so handelt es sich im Zweifel um eine Angelegenheit im kostenrechtlichen Sinne - ungeachtet der Zahl der Anspruchsteller bzw. -gegner und Ansprüche.
6 Lovells IPMT 3 Drei typische Konstellationen BGH-Rechtsprechung auch auf weitere Konstellationen zu übertragen IM REGELFALL EINE ANGELE- GENHEIT Das Urteil des BGH hat deutlich gemacht, dass die Verfolgung von Ansprüchen wegen einer Berichterstattung kostenrechtlich in der Regel als eine Angelegenheit zu verarbeiten ist. Denn die aufgestellten Grundsätze sind auch auf andere typische medienrechtliche Konstellationen anzuwenden, etwa wenn neben Unterlassung auch Berichtigung und Geldentschädigung gefordert wird oder mehrere Personen sich durch dieselbe Berichterstattung betroffen sehen. "Einige Gerichte werden ihre Kostenerstattungspraxis grundlegend ändern müssen." Dr. Michael Stulz-Herrnstadt, Senior Associate Lovells Im Folgenden stellen wir Ihnen die drei regelmäßig auftretenden Konstellationen einmal dar. Konstellation 1: Ein Anspruchsteller, ein Anspruchsgegner, eine Berichterstattung und mehrere materiell-rechtliche Ansprüche In diese Konstellation fällt u.a. die eingangs dargestellte Entscheidung des BGH mit der getrennten Abmahnung von Wort- und begleitender Berichterstattung. Des Weiteren gehören zu dieser Konstellation auch etwa die Geltendmachung von Schmerzensgeld und Gegendarstellungsansprüchen oder Unterlassungs- und Widerrufansprüchen wegen einer Berichterstattung. Der innere Zusammenhang ergibt sich in dieser Konstellation daraus, dass eine einzige Berichterstattung der Angelegenheit zugrunde liegt und ferner etwa Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gleichermaßen dem Ziel dienen, eine eingetretene Persönlichkeitsverletzung zu neutralisieren. Da verschiedene Ansprüche gegen denselben Beklagten im Rahmen von 260 ZPO ohne weiteres in einer Klage geltend gemacht werden können, besteht im Regelfall auch der einheitliche Tätigkeitsrahmen. Konstellation 2: Mehrere Anspruchsteller, ein Anspruchsgegner und eine Berichterstattung Häufig beanstanden mehrere Anspruchsteller gegenüber einem Anspruchsgegner durch einen Anwalt eine Berichterstattung, z.b. wenn auf einem Foto mehrere Personen abgelichtet sind oder etwa mehrere Personen von einer Äußerung gleichzeitig betroffen sind. Bisher war die Rechtsprechung zu dieser Konstellation uneinheitlich. Nach der neuen Rechtsprechung des BGH dürfte nunmehr regelmäßig für das Innenverhältnis zwischen den Geschädigten und ihrem Anwalt von einer Angelegenheit auszugehen sein: Der innere Zusammenhang ist wohl mit Hinblick auf das Ziel der anwaltlichen Tätigkeit (Untersagung eines Fotos bzw. einer Äußerung) als auch auf die Gegenstände (d.h. die jeweiligen Unterlassungsansprüche der einzelnen Anspruchsteller) durch die gemeinsame Berichterstattung (Foto oder Äußerung) gegeben. Auch der einheitliche Tätigkeitsrahmen ist hier in der Regel gegeben, da gem. 60 ZPO zum Zweck der Prozessökonomie eine aktive Streitgenossenschaft (auf Klägerseite) zulässig ist, sofern die Ansprüche gleichartig sind und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhen. Somit können die Ansprüche in der Regel verfahrensrechtlich zusammengefasst werden. Konstellation 3: Ein Anspruchsteller, mehrere Anspruchsgegner und eine Berichterstattung Ebenso regelmäßig kommt es zu der Situation, dass wegen einer Berichterstattung mehrere Anspruchsgegner durch einen Anspruchsteller angegangen werden. Als typischer Fall gilt hier das Vorgehen gegen Autor und Verlag oder Verlag/TV-Sender und Onlineangebot. Auch hier dürfte nunmehr die Abrechnung als eine Angelegenheit den Regelfall darstellen: Der innere Zusammenhang ergibt sich hinsichtlich des Ziels der anwaltlichen Tätigkeit (Untersagung einer konkreten Berichterstattung) und der Gegenstände (d.h. die Unterlassungsansprüche gegen die jeweiligen Anspruchsgegner) durch die gemeinsame Berichterstattung. Der einheitliche Tätigkeitsrahmen ist hier ebenfalls regelmäßig durch 60 ZPO gegeben, der auch eine passive Streitgenossenschaft (auf Beklagtenseite) grundsätzlich zulässt. Ausblick Durch die klaren Worte des BGH müssen einige Gerichte ihre Kostenerstattungspraxis überdenken und der aktuellen Rechtsprechung anpassen. Die richtige Umsetzung der BGH- Rechtsprechung gilt es nun auch gegen den vereinzelt zu erwartenden "Widerstand" gezielt zu forcieren.
7 Lovells IPMT 4
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