-aktuell. Viel Spaß beim Lesen! Harald Langels

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1 -aktuell Mit dieser Datei die wöchentlich aktualisiert wird möchten wir Sie über die aktuelle Rechtsprechung im öffentlichen Recht sowie geplante Gesetzesvorhaben auf dem Laufenden halten. Die Datei besteht neben zahlreichen Presseveröffentlichungen unter anderem aus den wöchentlich erscheinenden Pressemitteilungen des BVerwG und des BVerfG und wird von uns in Hinblick auf die Examensrelevanz analysiert sowie im Kurs ausführlich besprochen. Viel Spaß beim Lesen! Harald Langels

2 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Verfassungsbeschwerde gegen Erhöhung der Mehrwertsteuer erfolglos Die Beschwerdeführer - ein Ehepaar und eines ihrer insgesamt sechs Kinder - wenden sich gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer zum 1. Januar 2007 von 16 Prozent auf 19 Prozent. Sie sind der Meinung, dass die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes das Prinzip der Steuergerechtigkeit verletze. Eine Familie mit Kindern werde durch die Steuererhöhung mehr belastet als Kinderlose gleichen Einkommens. Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits aus Anlass der Umsatzsteuererhöhung von 15 Prozent auf 16 Prozent zum 1. April 1998 ausgeführt, dass zwar bei der Einkommensteuer eine Berücksichtigung der Familienverhältnisse möglich und nach dem gegenwärtigen System des Familienlastenausgleichs auch geboten sei, nicht hingegen bei der indirekt das Steuergut erfassenden Umsatzsteuer. Zwar belaste die Erhöhung der indirekt erhobenen Umsatzsteuer Familien mit Kindern stärker als Kinderlose, weil sie wegen ihres höheren Bedarfs mehr Waren und Leistungen erwerben müssten. Diese relativ stärkere Belastung der Familien sei jedoch im System der indirekten Steuern notwendig angelegt. Sie müsse deshalb gegebenenfalls eine Kompensation bei der direkten Besteuerung durch die Einkommensteuer nach Maßgabe des wesentlich dort verankerten Systems des Familienlastenausgleichs zur Folge haben. Diese Erwägungen gelten uneingeschränkt auch für die hier angegriffene Erhöhung der Umsatzsteuer. Soweit die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang beanstanden, dass das von der Einkommensteuer frei bleibende Existenzminimum für Kinder nicht entsprechend erhöht worden sei, können sie dies im Rahmen ihres Angriffs gegen die Vorschriften des Umsatzsteuerrechts nicht mit Erfolg geltend machen. Mit ihrem Begehren, die zu Kindererziehungszwecken verbrauchten Güter und Leistungen generell von der Umsatzsteuer freizustellen, verkennen die Beschwerdeführer, dass der nationale Gesetzgeber auf diesem Gebiet Bindungen durch gemeinschaftsrechtliche Vorgaben unterliegt, die dies ausschließen. Die Besteuerung derartiger Güter der Art und der Höhe nach ist durch die "Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie" europarechtlich vorgegeben. Dem nationalen Gesetzgeber steht danach kein Spielraum zu, zu Kindererziehungszwecken verbrauchte Güter von der Umsatzsteuer gänzlich freizustellen oder zumindest generell mit einem ermäßigten Steuersatz zu versehen.

3 Hartz IV-Arbeitsgemeinschaften mit Verfassung nicht vereinbar Mit Urteil vom 20. Dezember 2007 hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts Kommunalverfassungsbeschwerden von Kreisen und Landkreisen gegen organisatorische Regelungen des Sozialgesetzbuches Zweites Buch (Grundsicherung für Arbeitsuchende) teilweise stattgegeben. Soweit sich die Beschwerdeführer gegen die Zuweisung der Zuständigkeit für einzelne Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ("Hartz IV") ohne vollständigen Ausgleich der sich daraus ergebenden finanziellen Mehrbelastungen gewandt hatten, wurden die Beschwerden zurückgewiesen. Die in 44b SGB II geregelte Pflicht der Kreise zur Aufgabenübertragung der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (Grundsicherung für Arbeitsuchende) auf die Arbeitsgemeinschaften und die einheitliche Aufgabenwahrnehmung von kommunalen Trägern und der Bundesagentur für Arbeit in den Arbeitsgemeinschaften verletzt jedoch die Gemeindeverbände in ihrem Anspruch auf eigenverantwortliche Aufgabenerledigung und verstößt gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes. Die Arbeitsgemeinschaften sind als Gemeinschaftseinrichtung von Bundesagentur und kommunalen Trägern nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes nicht vorgesehen. Besondere Gründe, die ausnahmsweise die gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung in den Arbeitsgemeinschaften rechtfertigen könnten, existieren nicht. Zudem widerspricht die Einrichtung der Arbeitsgemeinschaft dem Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung, der den zuständigen Verwaltungsträger verpflichtet, die Aufgaben grundsätzlich durch eigene Verwaltungseinrichtungen, also mit eigenem Personal, eigenen Sachmitteln und eigener Organisation wahrzunehmen. Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens bis zum 31. Dezember 2010, bleibt die Norm jedoch anwendbar. Dem Gesetzgeber muss für eine Neuregelung, die das Ziel einer Bündelung des Vollzugs der Grundsicherung für Arbeitsuchende verfolgt, ein der Größe der Umstrukturierungsaufgabe angemessener Zeitraum belassen werden. Der Richter Broß, die Richterin Osterloh und der Richter Gerhardt haben eine abweichende Meinung angefügt. Sie sind der Auffassung, dass 44b SGB II im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. (Zum Sachverhalt vgl. Pressemitteilung Nr. 43/2007 vom 5. April 2007) Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: I. Die Bestimmung der Kreise und kreisfreien Städte zu Trägern der Grundsicherung in 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II verletzt nicht das Recht auf kommunale Selbstverwaltung. Die Beschwerdeführer können sich auch nicht auf eine Verletzung von Art. 84 Abs. 1 GG berufen Das Recht der Selbstverwaltung ist den Gemeindeverbänden nach Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG nur eingeschränkt gewährleistet. Die Verfassung beschreibt die Aufgaben der Kreise nicht selbst, sondern überantwortet dies dem Gesetzgeber. Dessen Gestaltungsspielraum bei der Regelung des Aufgabenbereichs der Kreise findet erst dort Grenzen, wo verfassungsrechtliche Gewährleistungen des Selbstverwaltungsrechts der Kreise entwertet würden. Ein Eingriff in das verfassungsrechtlich garantierte Selbstverwaltungsrecht der Gemeindeverbände kann bei einer Aufgabenzuweisung aber erst angenommen werden, wenn die Übertragung einer neuen Aufgabe ihre Verwaltungskapazitäten so sehr in Anspruch nimmt, dass sie nicht mehr ausreichen, um einen Mindestbestand an zugewiesenen Selbstverwaltungsaufgaben des eigenen Wirkungskreises wahrzunehmen, der für

4 sich genommen und im Vergleich zu zugewiesenen staatlichen Aufgaben ein Gewicht aufweist, das der institutionellen Garantie der Kreise als Selbstverwaltungskörperschaften gerecht wird. Eine solche Verletzung des Kernbereichs oder Wesensgehalts der Selbstverwaltung durch die Aufgabenzuweisung haben die Beschwerdeführer nicht dargetan. Offen bleiben muss, ob der Bund durch 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II gegen Art. 84 Abs. 1 GG a.f. verstoßen hat; denn die Beschwerdeführerinnen können sich, soweit der Schutzbereich der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG nicht berührt ist, im Rahmen einer Kommunalverfassungsbeschwerde nicht auf diese Norm des Grundgesetzes berufen. Art. 84 Abs. 1 GG a.f. enthält auch keine Konkretisierung des Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG. Anders als Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl I, S. 2034) ließ sich der früheren Fassung des Art. 84 Abs. 1 GG kein absolutes Verbot der Aufgabenzuweisung auf die kommunale Ebene entnehmen. II. Die Verfassungsbeschwerden sind auch unbegründet, soweit sich die Beschwerdeführer gegen 46 Abs. 1, 5 bis 10 SGB II wenden. Die Vorschrift ordnet eine Geldzahlung des Bundes an die Länder zur Entlastung der Kommunen an. Die Norm berechtigt und verpflichtet allein den Bund und die Länder. Ansprüche oder Pflichten der Kommunen werden hingegen nicht geregelt. III. Dagegen verstößt die in 44b SGB II getroffene Regelung, wonach die kommunalen Träger und die Bundesagentur für Arbeit zur einheitlichen Wahrnehmung ihrer Aufgaben Arbeitsgemeinschaften bilden sollen, gegen Art. 28 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 83 GG. Das in dieser Vorschrift geregelte Zusammenwirken von Bundes- und Landesbehörden überschreitet die Grenzen des verfassungsrechtlich Zulässigen. 1. Nach der Systematik des Grundgesetzes wird der Vollzug von Bundesgesetzen entweder von den Ländern oder vom Bund, nicht hingegen zugleich von Bund und Land oder einer von beiden geschaffenen dritten Institution wahrgenommen. Zwar bedarf das Zusammenwirken von Bund und Ländern im Bereich der Verwaltung nicht in jedem Fall einer besonderen verfassungsrechtlichen Ermächtigung. Eine Ausnahme bedarf jedoch eines besonderen sachlichen Grundes und kann nur hinsichtlich einer eng umgrenzten Verwaltungsmaterie in Betracht kommen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. 44b SGB II ordnet an, dass die Agenturen für Arbeit und die kommunalen Träger zur einheitlichen Wahrnehmung ihrer Aufgaben Arbeitsgemeinschaften bilden. Bei den Arbeitsgemeinschaften handelt es sich nicht lediglich um eine räumliche Zusammenfassung verschiedener Behörden. 44b SGB II sieht vielmehr eine selbständige, sowohl von der Sozial- als auch von der Arbeitsverwaltung getrennte Organisationseinheit vor, die sich nicht auf koordinierende und informierende Tätigkeiten beschränkt, sondern die gesamten Aufgaben einer hoheitlichen Leistungsverwaltung im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende umfasst. Die Arbeitsgemeinschaften sind als Gemeinschaftseinrichtung von Bundesagentur und kommunalen Trägern nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes nicht vorgesehen. Besondere Gründe, die ausnahmsweise die gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung in den Arbeitsgemeinschaften rechtfertigen könnten, existieren nicht. Bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende handelt es sich sowohl nach der Anzahl der von den Regelungen betroffenen Personen als auch nach dem Finanzvolumen um einen der größten Sozialverwaltungsbereiche.

5 Darüber hinaus fehlt es an einem hinreichenden sachlichen Grund, der eine gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung in den Arbeitsgemeinschaften rechtfertigen könnte. Das Anliegen, die Grundsicherung für Arbeitsuchende "aus einer Hand" zu gewähren, ist zwar ein sinnvolles Regelungsziel. Dieses kann aber sowohl dadurch erreicht werden, dass der Bund für die Ausführung den Weg der bundeseigenen Verwaltung wählt, als auch dadurch, dass der Gesamtvollzug insgesamt den Ländern als eigene Angelegenheit überlassen wird. Die Regelung des 6 a SGB II, wonach anstelle der Arbeitsgemeinschaften in beschränkter Anzahl Kreise und kreisfreie Städte die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende vollziehen können, zeigt, dass der Bundesgesetzgeber selbst eine in der Natur der Aufgabe begründete Notwendigkeit für eine gemeinsame Aufgabenwahrnehmung durch Bundesagentur und kommunale Träger nicht gesehen hat. Als sachlicher Grund für die Arbeitsgemeinschaften kann auch nicht angeführt werden, dass sich die politisch Handelnden nicht auf eine alleinige Aufgabenwahrnehmung entweder durch die Bundesagentur oder durch die kommunale Ebene einigen konnten. Mangelnde politische Einigungsfähigkeit kann keinen Kompromiss rechtfertigen, der mit der Verfassung nicht vereinbar ist. 2. Die Einrichtung der Arbeitsgemeinschaft widerspricht darüber hinaus dem Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung. Dieser verpflichtet den zuständigen Verwaltungsträger, seine Aufgaben grundsätzlich durch eigene Verwaltungseinrichtungen, also mit eigenem Personal, eigenen Sachmitteln und eigener Organisation wahrzunehmen. Eine eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung ist in den Arbeitsgemeinschaften weder für die Agenturen für Arbeit noch für die kommunalen Träger gewährleistet. In den Arbeitsgemeinschaften sind unabhängige und eigenständige Entscheidungen über die Aufgabenwahrnehmung durch den jeweiligen Verwaltungsträger in weitem Umfang weder vorgesehen noch möglich. 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II bestimmt, dass die Aufgaben in den Arbeitsgemeinschaften einheitlich wahrgenommen werden. Diese einheitliche Aufgabenwahrnehmung zwingt die beiden Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, sich in wesentlichen Fragen der Organisation und der Leistungserbringung zu einigen. Innerhalb der Arbeitsgemeinschaften sind die Aufgaben der Arbeitsagenturen und der kommunalen Träger untrennbar verbunden und werden integriert und ganzheitlich wahrgenommen. Dies führt dazu, dass die Aufgaben nur dann nach den Vorstellungen des jeweiligen Verwaltungsträgers vollzogen werden können, wenn diese sich mit denjenigen des anderen Trägers decken. Zudem widerspricht die Organisationsstruktur der Arbeitsgemeinschaften der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung. Eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung setzt voraus, dass der jeweils zuständige Verwaltungsträger auf den Aufgabenvollzug hinreichend nach seinen eigenen Vorstellungen einwirken kann. Daran fehlt es in der Regel, wenn Entscheidungen über Organisation, Personal und Aufgabenerfüllung nur in Abstimmung mit einem anderen Träger getroffen werden können. Besteht, wie bei den Arbeitsgemeinschaften nach 44b SGB II, keine Letztentscheidungsmöglichkeit im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung, kann keiner der beteiligten Verwaltungsträger seinen eigenen Aufgabenbereich eigenverantwortlich wahrnehmen. Die von der Bundesagentur für Arbeit eingegangene Selbstbeschränkung löst die Probleme nicht; denn die Selbstbeschränkung eines der Aufgabenträger ist gleichzeitig mit der Nichtwahrnehmung der eigenen Verantwortung verbunden, so dass insoweit nicht mehr von einer eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung gesprochen werden kann.

6 3. 44b SGB II verstößt zudem gegen den Grundsatz der Verantwortungsklarheit. Die organisatorische und personelle Verflechtung bei der Aufgabenwahrnehmung behindert eine klare Zurechnung staatlichen Handelns zu einem der beiden Leistungsträger. Ausdruck der mangelhaften Zuordnung von Verantwortlichkeiten, die mit der unklaren Zuordnung der Arbeitsgemeinschaften zur Bundes- oder zur kommunalen Ebene zusammenhängt, sind insbesondere Unsicherheiten hinsichtlich der Anwendbarkeit von Bundes- und Landesrecht, wie sie etwa im Vollstreckungsrecht und beim Datenschutz aufgetreten sind. Die Unklarheiten in Bezug auf Einwirkungsmöglichkeiten und Verantwortungszurechnung führen zudem zu Freiräumen in den Arbeitsgemeinschaften, die die Gefahr einer Verselbständigung ohne hinreichende Kontrolle durch einen verantwortlichen Träger mit sich bringen. Dem Sondervotum des Richters Broß, der Richterin Osterloh und des Richters Gerhardt (zu Ziff. III) liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: 44b SGB II begegnet im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Norm ermöglicht eine Auslegung, nach der die Sachkompetenz bei dem jeweiligen Träger verbleibt und die Arbeitsgemeinschaft nur mit der Durchführung der Aufgaben betraut wird. Diese werden von den Arbeitsgemeinschaften lediglich aus Gründen der Optimierung der Verwaltungsabläufe wahrgenommen. Die Aufgabe der Arbeitsgemeinschaft besteht allein in der einheitlichen Durchführung der Aufgaben der Träger der Leistungen. Die Arbeitsgemeinschaft wird dadurch nicht selbst zum Träger der Aufgaben; deren Erfüllung obliegt vielmehr weiterhin den Agenturen für Arbeit und den kommunalen Trägern. Die den Landkreisen garantierte eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung wird auch durch die Regelungen über eine einheitliche Entscheidung nicht beeinträchtigt. Die Einigung über die Anspruchsvoraussetzungen zwischen den Leistungsträgern stellt sich nicht als Verständigung mit Kompromisscharakter dar, sondern als Entscheidung zwischen rechtmäßigem und rechtswidrigem Verwaltungshandeln. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass 44b Abs. 3 Satz 2 SGB II auch keine Verpflichtung der Kommunen entnommen werden muss, ihre Aufgaben auf die Arbeitsgemeinschaften zu übertragen. Das Wort "sollen" ist vom Gesetzgeber bewusst gewählt worden, um eine ansonsten absehbar verfassungsrechtliche Konfliktlage mit der Selbstverwaltungsgarantie der Kommunen zu vermeiden. Das Ob, der Zeitpunkt, der Umfang und die Dauer der Übertragung stehen deshalb im pflichtgemäßen Ermessen der kommunalen Träger. Der Gesetzgeber hat - auch, um ein von allen Seiten für notwendig erachtetes Reformwerk politisch realisieren zu können verwaltungsorganisatorisch Neuland beschritten und dafür einen rechtlichen Rahmen festgelegt, der auf Ausfüllung durch die beteiligten Körperschaften angelegt ist. Das Gesetzgebungswerk ist darauf ausgerichtet, Erfahrungen zu sammeln und diese zu gegebener Zeit in der gebotenen Weise zu berücksichtigen, was die Möglichkeit ergänzender Gesetzgebung einschließt. Die verfassungsgerichtliche Kontrolle darf diesen Aspekt nicht ausklammern. An der grundsätzlichen Zulässigkeit der Zusammenarbeit von Trägern öffentlicher Gewalt des Bundes mit solchen der Länder kann nicht gezweifelt werden. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht zwar die bundesstaatlichen Grenzen einer solchen Zusammenarbeit aufzuzeigen. Das Gebot, die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers zu respektieren, steht aber der Verwerfung einer Regelung entgegen, die verfassungskonform auslegbar ist.

7 Teile des neuen Hufbeschlaggesetzes nichtig Die Verfassungsbeschwerde von praktizierenden oder zukünftigen Hufpflegern und Huftechnikern sowie von Betreibern von Schulen für Hufpflege und Huftechnik und Lehrerinnen an solchen Einrichtungen gegen Vorschriften des neu gefassten Hufbeschlaggesetzes war überwiegend erfolgreich. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts stellte fest, dass die Unterwerfung der von den Beschwerdeführern ausgeübten Berufe unter die Zulassungsvoraussetzungen für Hufbeschlagschmiede das Recht der Beschwerdeführer auf freie Berufswahl verletzt. Insoweit sind die beanstandeten Normen nichtig. (Zum Sachverhalt vgl. Pressemitteilung Nr. 118/2006 vom 11. Dezember 2006) Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Zum einen belastet die Neuregelung Hufpfleger unangemessen. Indem sie die Barhufversorgung den staatlich anerkannten Hufbeschlagschmieden vorbehält, wird für die Zukunft der Hufpflegeberuf abgeschafft. Die Intensität dieses Eingriffs in die Freiheit der Berufswahl steht außer Verhältnis zu den Vorteilen, die mit der Zusammenführung beider Berufe zugunsten eines durch die Sicherung der Qualität der Hufversorgung verbesserten Tierschutzes erreicht werden können. Die Qualität der Hufversorgung könnte auch dadurch gesichert werden, dass der Zugang zum Beruf des Hufpflegers von dem Erwerb und dem Nachweis der theoretischen Kenntnisse abhängig gemacht wird, die notwendig sind, um aus dem gesamten Spektrum der Hufversorgung, das von der Barhufpflege über alternative Hufschutzmaterialien bis zum Eisenbeschlag reicht, die jeweils indizierte Methode auswählen zu können. Auf diese Weise kann auch ohne schmiedetechnische Ausbildung die Fähigkeit begründet und die Bereitschaft der Hufpfleger gefördert werden, auf im Einzelfall indizierte andere Hufversorgungsmethoden wie den Eisenbeschlag oder alternative Hufschutzmaterialien auch dann hinzuweisen und sie gegebenenfalls zu empfehlen, wenn sie diese nicht selbst vornehmen können. Unangemessen ist die Neuregelung auch gegenüber Huftechnikern. Unterziehen sie sich nicht der Ausbildung zum Hufbeschlagschmied, so können sie ihre berufliche Tätigkeit nicht fortsetzen. Das Qualifikationserfordernis schmiedetechnischer Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten steht in keinem Verhältnis zur beruflichen Tätigkeit der Huftechniker. Sie benötigen diese Qualifikation nicht, weil sie den Eisenbeschlag als Teil ihrer zukünftigen beruflichen Tätigkeiten nicht anstreben, sondern im Gegenteil für ihren Beruf nachdrücklich ausschließen. Um Tierhaltern die erforderlichen kompetenten Ansprechpartner auch unter den Huftechnikern zur Verfügung zu stellen, reicht es - nicht anders als bei den Hufpflegern - aus, wenn Huftechniker zur Aufnahme ihres Berufs theoretische Kenntnisse erwerben und nachweisen müssen, die sie in die Lage versetzen, uneingeschränkt aus dem gesamten Versorgungsspektrum einschließlich des Eisenbeschlags die jeweils indizierte Methode auszuwählen, die Tierhalter entsprechend zu beraten und gegebenenfalls an Hufbeschlagschmiede zu verweisen. Der Erwerb und der Nachweis einer unzumutbaren Überqualifikation wird auch von Betreibern von Schulen für Hufpflege und Huftechnik sowie von Lehrern an solchen Einrichtungen verlangt. Die Anerkennung als Hufbeschlagschule setzt voraus, dass auch schmiedetechnische Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden. Für dieses zwingend vorgeschriebene Ausbildungsangebot gibt es jedoch keine Rechtfertigung, weil weder Hufpfleger noch Huftechniker für ihre ordnungsgemäße berufliche Tätigkeit der insoweit vermitteltenqualifikation bedürfen.

8 Schutz der Intimsphäre setzt der Kunstfreiheit Grenzen Im Jahr 2003 erschien im Verlag der Beschwerdeführerin der Roman "Esra" von Maxim Biller. Er erzählt bis in intimste Details die Liebesbeziehung zwischen Esra und dem Ich-Erzähler, dem Schriftsteller Adam. Der Liebesbeziehung stellen sich Umstände aller Art in den Weg: Esras Familie, insbesondere ihre herrschsüchtige Mutter Lale, Esras Tochter aus der ersten, gescheiterten Ehe, und vor allem Esras passiver schicksalsergebener Charakter. Auf Klage der ehemaligen Freundin des Autors und deren Mutter, die sich in den Romanfiguren Esra und Lale wieder erkennen und geltend machten, das Buch stelle eine Biographie ohne wesentliche Abweichung von der Wirklichkeit dar, untersagten die Zivilgerichte dem Verlag die Veröffentlichung und Verbreitung des Romans. Der Bundesgerichtshof bestätigte das Verbot. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde des Verlages war teilweise erfolgreich. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts stellte fest, dass die angegriffenen Entscheidungen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Kunstfreiheit verletzen, soweit sie der Klägerin zu 2 (Mutter) einen Unterlassungsanspruch zusprechen. Soweit die Entscheidungen der Klägerin zu 1 (ehemalige Freundin) einen Unterlassungsanspruch in Form eines Gesamtverbotes des Romans zubilligen, sind sie hingegen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Richterin Hohmann-Dennhardt und der Richter Gaier sowie der Richter Hoffmann-Riem haben der Entscheidung eine abweichende Meinung angefügt. Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: 1. Der Roman "Esra" stellt ein Kunstwerk dar. Auch wenn wesentlicher Gegenstand des Rechtsstreits das Ausmaß ist, in dem der Autor in seinem Werk wirklich existierende Personen schildert, ist jedenfalls der Anspruch des Autors deutlich, diese Wirklichkeit künstlerisch zu gestalten. Die Kunstfreiheit ist aber nicht schrankenlos gewährleistet, sondern findet ihre Grenzen unmittelbar in anderen Bestimmungen der Verfassung, die ein in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes ebenfalls wesentliches Rechtsgut schützen. Als Schranke für künstlerische Darstellungen kommt insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Person, an die ein Roman anknüpft, in Betracht. Um die Grenzen im konkreten Fall zu bestimmen, genügt es nicht, ohne Berücksichtigung der Kunstfreiheit eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts festzustellen. Es bedarf vielmehr der Klärung, ob diese Beeinträchtigung derart schwerwiegend ist, dass die Freiheit der Kunst zurückzutreten hat. Um die Schwere der Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bewerten zu können, ist eine kunstspezifische Betrachtung zur Bestimmung des durch den Roman im jeweiligen Handlungszusammenhang dem Leser nahe gelegten Wirklichkeitsbezugs erforderlich. Dabei ist ein literarisches Werk, das sich als Roman ausweist, zunächst einmal als Fiktion anzusehen, das keinen Faktizitätsanspruch erhebt. Diese Vermutung gilt auch dann, wenn hinter den Romanfiguren reale Personen als Urbilder erkennbar sind. Die Kunstfreiheit schließt das Recht zur Verwendung von Vorbildern aus der Lebenswirklichkeit ein. Allerdings besteht zwischen dem Maß, in dem der Autor eine von der Wirklichkeit abgelöste ästhetische Realität schafft, und der Intensität der Verletzung des Persönlichkeitsrechts eine Wechselbeziehung. Je stärker Abbild und Urbild übereinstimmen, desto schwerer wiegt die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts. Je mehr die künstlerische Darstellung die besonders geschützten Dimensionen des Persönlichkeitsrechts berührt, desto stärker muss die Fiktionalisierung sein, um eine Persönlichkeitsrechtsverletzung auszuschließen.

9 2. Nach diesen Maßstäben werden die angegriffenen Entscheidungen hinsichtlich der Klägerin zu 2 (Mutter) der gebotenen kunstspezifischen Betrachtung nicht in jeder Hinsicht gerecht und verstoßen damit gegen die Kunstfreiheitsgarantie. Die Gerichte haben zwar in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass die Klägerin zu 2 anhand einer ganzen Reihe biographischer Merkmale als Vorbild der Romanfigur erkennbar gemacht ist. Allerdings begnügen sich die Gerichte damit festzustellen, dass die Romanfigur Lale sehr negativ gezeichnet ist, und sehen darin eine Persönlichkeitsrechtsverletzung. Die Gerichte berücksichtigen damit nicht hinreichend, dass der Roman im Ausgangspunkt als Fiktion anzusehen ist. Die Annahme einer Fiktion wird auch dadurch gestützt, dass der Autor Lale überwiegend nicht aus eigenem Erleben, sondern in Wiedergabe fremder Erzählungen, Gerüchte und Eindrücke schildert. Für ein literarisches Werk, das an die Wirklichkeit anknüpft, ist es gerade kennzeichnend, dass es tatsächliche und fiktive Schilderungen vermengt. Unter diesen Umständen verfehlt es den Grundrechtsschutz solcher Literatur, wenn man die Persönlichkeitsverletzung bereits in der Erkennbarkeit als Vorbild einerseits und in den negativen Zügen der Romanfigur andererseits sieht. Nötig wäre vielmehr jedenfalls der Nachweis, dass dem Leser vom Autor nahe gelegt wird, bestimmte Teile der Schilderung als tatsächlich geschehen anzusehen, und dass gerade diese Teile eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellen, entweder weil sie ehrenrührige falsche Tatsachenbehauptungen aufstellen oder wegen der Berührung des Kernbereichs der Persönlichkeit überhaupt nicht in die Öffentlichkeit gehören. Ein solcher Nachweis ergibt sich aus den angegriffenen Entscheidungen nicht. 3. Im Gegensatz dazu sind die angegriffenen Entscheidungen, soweit sie der Klägerin zu 1 (ehemalige Freundin) einen Unterlassungsanspruch zugesprochen haben, im Ergebnis verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Anders als im Fall der Mutter haben die Gerichte hier nicht nur deren Erkennbarkeit, sondern auch in bestimmten Schilderungen des Romans konkrete schwere Persönlichkeitsrechtsverletzungen festgestellt. Die Klägerin zu 1 ist nicht nur in der Romanfigur Esra erkennbar dargestellt. Ihre Rolle betrifft auch zentrale Ereignisse, die unmittelbar zwischen ihr und dem Ich-Erzähler, der seinerseits unschwer als der Autor zu erkennen ist, und während deren Beziehung stattgefunden haben. Gerade durch die aus vom Autor unmittelbar Erlebtem stammende, realistische und detaillierte Erzählung der Geschehnisse wird das Persönlichkeitsrecht der Klägerin zu 1 besonders schwer betroffen. Dies geschieht insbesondere durch die genaue Schilderung intimster Details einer Frau, die deutlich als tatsächliche Intimpartnerin des Autors erkennbar ist. Hierin liegt eine Verletzung ihrer Intimsphäre und damit eines Bereichs des Persönlichkeitsrechts, der zu dessen Menschenwürdekern gehört. Die eindeutig als Esra erkennbar gemachte Klägerin zu 1 muss aufgrund des überragend bedeutenden Schutzes der Intimsphäre nicht hinnehmen, dass sich Leser die durch den Roman nahe gelegte Frage stellen, ob sich die dort berichteten Geschehnisse auch in der Realität zugetragen haben. Daher fällt die Abwägung zwischen der Kunstfreiheit des Verlags und des Persönlichkeitsrechts der Klägerin zu 1 zu deren Gunsten aus. Dasselbe gilt für die Schilderung der lebensbedrohlichen Krankheit ihrer Tochter. Angesichts des besonderen Schutzes von Kindern und der Mutter-Kind-Beziehung hat die Darstellung der Krankheit und der dadurch gekennzeichneten Beziehung von Mutter und Kind bei zwei eindeutig identifizierbaren Personen in der Öffentlichkeit nichts zu suchen. 4. Die angegriffenen Entscheidungen durften, soweit sie der Unterlassungsklage der Klägerin zu 1 stattgegeben haben, ein Gesamtverbot aussprechen. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, bestimmte Streichungen oder Abänderungen vorzunehmen, um die Persönlichkeitsrechtsverletzung auszuschließen.

10 Sondervotum der Richterin Hohmann-Dennhardt und des Richters Gaier Die Richterin Hohmann-Dennhardt und der Richter Gaier stimmen der Entscheidung der Senatsmehrheit nicht zu. Sie kritisieren, dass der Senat zur Bemessung der Schwere einer Persönlichkeitsbeeinträchtigung das ihrer Meinung nach untaugliche Kriterium der Erkennbarkeit angewandt habe, anstatt den von ihm zu Recht reklamierten kunstspezifischen Maßstab anzulegen. Der Senat werde zudem der qualitativen Dimension künstlerischer Verarbeitung von Wirklichkeit nicht gerecht, wenn er quantitativ fordere, je mehr ein Roman mit seinen Schilderungen den Intim- und Sexualbereich berühre, desto mehr müsse durch Verfremdung eine Verletzung der Persönlichkeit ausgeschlossen werden. Dies führe letztlich zu einer der Kunst verordneten Tabuisierung des Sexuellen. Denn Kunst lebe von Anlehnungen an die Wirklichkeit und stehe damit immer in der Gefahr, dass sich Personen in ihr wieder erkennen und für andere erkennbar seien. Aus literaturwissenschaftlicher Sicht komme man übereinstimmend zu dem Schluss, dass der Roman Esra weder Erfahrungswelten reproduziere noch Autobiographisches darstelle, sondern einer literaturästhetischen Programmatik folge und eine narrative Konstruktion sei. Bei einer kunstspezifischen Betrachtung könne daher eine Persönlichkeitsverletzung nicht angenommen werden. Entscheidendes Kriterium für die Versagung oder Gewährung des Grundrechtsschutzes sei, ob der Roman bei einer Gesamtbetrachtung ganz überwiegend das Ziel verfolge, bestimmte Personen zu beleidigen, zu verleumden oder verächtlich herabzuwürdigen. Eine solche Intention des Autors sei jedoch nicht erkennbar und werde auch von literaturwissenschaftlicher Seite nicht gesehen. Sondervotum des Richters Hoffmann-Riem Der Senat habe die zur rechtlichen Bewertung der Wirkungen eines Kunstwerks entwickelten Grundsätze nur teilweise auf den Fall angewandt. Wenn Art. 5 Abs. 3 GG gebiete, dass für die Kunstform des Romans die Vermutung des Fiktionalen auch bei Erkennbarkeit eines konkreten Vorbilds spreche, und dies auch für die konkret geschilderten Ereignisse, Verhaltensweisen oder Charaktereigenschaften gelte, sei nicht nachvollziehbar, warum es nicht auch Darstellungen über den Sexualbereich umfasse. Ferner drohe die Vielfalt künstlerischen Schaffens aus dem Blick zu geraten, wenn der Schutz des Künstlerischen auf das Fiktionale begrenzt und ein Kunstwerk rechtlich unter der Annahme eines Entweder-Oder von Fiktion oder Empirie bewertet werde. Damit drohe die Eigenständigkeit des Umgangs mit Beobachtbarem in der Kunst - der künstlerischen Konstruktion von Wirklichkeit - verloren zu gehen. Dieses Risiko werde auch nicht vermieden, wenn die Intensität und Reichweite des Schutzes der Kunstfreiheit - wie es die Mehrheit befürworte - von dem Grad der Fiktionalisierung abhängig gemacht werde. Der Grad der Fiktionalität tauge nicht, die besondere Art der künstlerischen Verarbeitung eines intersubjektiv beobachtbaren Geschehens zu berücksichtigen. Die künstlerische Verarbeitung eines solchen Geschehens in einer romanhaften Darstellung mache es nicht notwendig zur Fiktion, wohl aber zum Kunstwerk. Dann müsse auch insoweit eine Vermutung zugunsten des Künstlerischen gelten. Die Redeweise von der Vermutung der "Fiktionalität" drohe diese Dimension des Schutzbedarfs zu verschütten.

11 Rundfunkgebühren verfassungswidrig festgesetzt Die Verfassungsbeschwerden der ARD, des ZDF und des Deutschlandradios gegen die Festsetzung der Rundfunkgebühr für den Zeitraum 1. April 2005 bis 31. Dezember 2008 waren im Ergebnis erfolgreich. Die Gebührenfestsetzung, mit der der Gesetzgeber um 28 Cent unter der von der KEF empfohlenen Gebühr geblieben war (dies führt über den Zeitraum von vier Jahren voraussichtlich zu einer Verringerung der Erlöse der Rundfunkanstalten aus der Gebührenerhöhung um rund 440 Millionen Euro), verletzt die Rundfunkfreiheit der Beschwerdeführer. Die Gründe, auf die sich der Gesetzgeber für die Abweichung vom Gebührenvorschlag der KEF beruft, haben teilweise bereits als solche vor der Rundfunkfreiheit keinen Bestand. In anderen Teilen sind sie nicht hinreichend nachvollziehbar oder gehen sogar von offensichtlich falschen Annahmen aus. Die entsprechenden Zustimmungsgesetze und Zustimmungsbeschlüsse der Länder zu Artikel 6 Nummer 4 des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrages sind daher verfassungswidrig. Dies entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Urteil vom 11. September Da die neue Periode schon am 1. Januar 2009 beginnt, ist es jedoch verfassungsrechtlich hinnehmbar, bis dahin von einer Neufestsetzung der Gebühr abzusehen. Allerdings muss bei der neu festzusetzenden Gebühr gewährleistet werden, dass den Anstalten ein Ausgleich gewährt wird, falls ihnen auf der Grundlage der verfassungswidrigen Festsetzung der Gebühr für die laufende Periode Mittel - etwa für nötige Investitionen - entgangen sein sollten, deren Bezug nach ihren früheren Bedarfsanmeldungen und den Feststellungen der KEF bereits in dem verstrichenen Gebührenzeitraum erforderlich war, um die künftige Erfüllung des Rundfunkauftrags sicherzustellen. Erfolglos waren dagegen die Verfassungsbeschwerden gegen die Ergänzung der Kriterien, nach denen die KEF die Bedarfsanmeldungen der Rundfunkanstalten zu prüfen hat ( 3 Abs. 1 Satz 2 Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag). Die neu eingefügten Kriterien der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und der Entwicklung der Haushalte der öffentlichen Hand können verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass sie nicht als zusätzlicher Prüfungsgegenstand zu demjenigen der zutreffenden Ermittlung des Finanzbedarfs hinzutreten sollen, sondern als Hilfskriterien für dessen nähere Bestimmung zu verstehen sind. (Zum rechtlichen Hintergrund und Sachverhalt vgl. Pressemitteilung Nr. 44/2007 vom )

12 Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: A. Gebührenfestsetzung I. Der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltene Auftrag zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit zielt auf eine Ordnung, die sicherstellt, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet. Angesichts der herausgehobenen Bedeutung, die dem Rundfunk unter den Medien wegen seiner Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft zukommt, hat das Bundesverfassungsgericht gesetzliche Vorkehrungen zum Schutz der publizistischen Vielfalt als geboten angesehen. Die Erforderlichkeit ausgestaltender gesetzlicher Regelungen zur Sicherung der Rundfunkfreiheit hat sich im Grundsatz durch die technologischen Neuerungen der letzten Jahre und die dadurch ermöglichte Vermehrung der Übertragungskapazitäten sowie die Entwicklung der Medienmärkte nicht geändert. Die neuen Technologien haben eine Vergrößerung und Ausdifferenzierung des Angebots und der Verbreitungsformen und -wege gebracht sowie neuartige programmbezogene Dienstleistungen ermöglicht. Dadurch haben die Wirkungsmöglichkeiten des Rundfunks zusätzliches Gewicht erhalten. Der ökonomische Wettbewerb führt nicht automatisch dazu, dass für die Unternehmen publizistische Ziele im Vordergrund stehen oder dass in den Rundfunkprogrammen die Vielfalt der in einer Gesellschaft verfügbaren Informationen, Erfahrungen, Werthaltungen und Verhaltensmuster abgebildet wird. Insbesondere die Werbefinanzierung stärkt den Trend zur Massenattraktivität und zur Standardisierung des Angebots. Auch bestehen Risiken einseitiger publizistischer Betätigung und damit Einflussnahme. Gefährdungen des Vielfaltsziels entstehen zudem infolge der Entwicklung der Medienmärkte und insbesondere des erheblichen Konzentrationsdrucks im Bereich privatwirtschaftlichen Rundfunks. Die duale Ordnung eines Nebeneinander von öffentlichrechtlichem und privatwirtschaftlichem Rundfunk trägt zur Sicherung der Breite und Vielfalt des Programmangebots bei. Während der Gesetzgeber für den privatwirtschaftlichen Rundfunk im Wesentlichen auf Marktprozesse vertraut, unterliegt der öffentlichrechtliche Rundfunk besonderen normativen Erwartungen an sein Programmangebot. Die gesetzlichen Regelungen sollen es dem öffentlichrechtlichen Rundfunk ermöglichen, seinen klassischen Funktionsauftrag zur Sicherung der Vielfalt des Angebots zu erfüllen, wobei die Entscheidung über die zur Erfüllung dieses Auftrags als nötig angesehenen Inhalte und Formen des Programms den Rundfunkanstalten zusteht. Damit der öffentlichrechtliche Rundfunk die ihm zukommende Funktion erfüllen kann, wird er vorrangig über öffentlichrechtliche Gebühren finanziert. II. Die Festsetzung der Rundfunkgebühr muss frei von medienpolitischen Zwecksetzungen erfolgen. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 22. Februar 1994 Grundsätze aufgestellt, die weiter Bestand haben. Danach hat der Gesetzgeber sicherzustellen, dass die Gebührenfestsetzung die Rundfunkfreiheit nicht gefährdet und dazu beiträgt, dass die Rundfunkanstalten durch eine bedarfsgerechte Finanzierung ihren Funktionsauftrag erfüllen können. Der Grundsatz der Trennung zwischen der medienpolitischen Konkretisierung des Rundfunkauftrags und der Gebührenfestsetzung soll Risiken einer mittelbaren Einflussnahme auf die Wahrnehmung des Programmauftrags ausschließen und damit die Programmfreiheit der Rundfunkanstalten sichern. Um das Gebot der Trennung prozedural abzusichern, muss das Verfahren der Gebührenfestsetzung den Rundfunkanstalten unter Wahrung ihrer Programmautonomie die erforderlichen finanziellen Mittel sichern und Einflussnahmen des Staates auf die Programmgestaltung wirksam ausschließen. Dem wird ein gestuftes Verfahren der Bedarfsfeststellung

13 am ehesten gerecht. Die erste Stufe eines solchen Verfahrens bildet die Bedarfsanmeldung der Rundfunkanstalten. Auf einer zweiten Verfahrensstufe ist im Interesse der mit der Gebühr belasteten Teilnehmer eine externe fachliche Kontrolle der Bedarfsanmeldungen durch ein sachverständig zusammengesetztes Gremium erforderlich. Die abschließende Gebührenentscheidung als dritte Stufe des Verfahrens ist auf der Grundlage der überprüften und gegebenenfalls korrigierten Bedarfsanmeldungen der Rundfunkanstalten zu treffen. Wer sie vornimmt und wie dies geschieht, ist Sache gesetzlicher Regelung. III. Die staatsvertraglichen Regelungen über das Verfahren der Gebührenfestsetzung, auf denen die angegriffene Gebührenentscheidung beruht, sind mit diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen vereinbar. Mit dem dreistufigen Verfahren aus Bedarfsanmeldung der Rundfunkanstalten, Prüfung der Anmeldung und Bedarfsfeststellung durch das politisch unabhängige Fachgremium der KEF und abschließender Festsetzung der Gebühr durch den Rundfunkgesetzgeber ist den beschriebenen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. IV. Nach den gesetzlichen Regelungen ist dem Gesetzgeber die abschließende Entscheidung über die Festsetzung der Gebührenhöhe vorbehalten. Diese ist auf der Grundlage des von der KEF ermittelten Finanzbedarfs zu treffen. Das schließt Abweichungen des Gesetzgebers von dem Gebührenvorschlag der KEF nicht aus. Doch kommen dafür nur Gründe in Betracht, die vor der Rundfunkfreiheit Bestand haben; programmliche und medienpolitische Zwecke scheiden in diesem Zusammenhang aus. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu in seinem Urteil vom 22. Februar 1994 ausgeführt, dass sich die zulässigen Abweichungsgründe im Wesentlichen in den beiden Gesichtspunkten der Sicherung des Informationszugangs und der angemessenen Belastung für die Gebührenzahler erschöpfen werden. Diese Abweichungsgründe sind nicht abschließend gemeint, wenn sie sich auch mit Rücksicht auf die vom Gesetzgeber zu beachtenden Grundsätze der Programmneutralität und Programmakzessorietät regelmäßig darin erschöpfen werden. Die Abweichungsbefugnis insbesondere unter dem Gesichtpunkt der angemessenen Belastung der Gebührenzahler und ihres Informationszugangs ermächtigt zur abwägenden Berücksichtigung gerade auch der wirtschaftlichen Interessen der Gebührenzahler. Außerhalb des Rundfunks liegende Faktoren wie die allgemeine wirtschaftliche Lage, die Einkommensentwicklung oder sonstige Abgabenbelastungen der Bürger darf der Gebührengesetzgeber im Rahmen der Abweichungsbefugnis berücksichtigen, soweit sie sich auf die finanzielle Belastung der Gebührzahler auswirken oder deren Zugang zur Information durch den Rundfunk gefährden. Der fachlich ermittelte Finanzbedarf muss allerdings die Grundlage für die Festsetzung der Gebührenhöhe bleiben. Der Bedarfsfeststellung ist ein entsprechendes Gewicht beizumessen, das über das einer bloßen Entscheidungshilfe hinausreicht. Daher sind für eine Abweichung vom Gebührenvorschlag der KEF nachprüfbare Gründe anzugeben. Der Gesetzgeber hat die seine Abweichung rechtfertigenden Tatsachenannahmen nachvollziehbar zu benennen und seine daran anknüpfende Bewertung offen zu legen. Anderenfalls könnte es nicht gelingen, in Gebührenentscheidungen versteckte Eingriffe in die Programmautonomie abzuwehren.

14 V. Die angegriffene Gebührenfestsetzung ist nach diesen Maßstäben mit der Rundfunkfreiheit der Beschwerdeführer nicht vereinbar. Die genannten Gründe für die Abweichung vom Gebührenvorschlag der KEF genügen den Anforderungen an eine Abweichung von der Bedarfsfeststellung nicht. (Insoweit ist die Entscheidung mit 7 : 1 Stimmen ergangen.) 1. Der zuerst genannte Abweichungsgrund der Berücksichtigung der angespannten wirtschaftlichen Lage benennt zwar einen grundsätzlich zulässigen Abweichungsgesichtspunkt. Die Landesgesetzgeber sind befugt, von der Bedarfsfeststellung durch die KEF abzuweichen, um die Angemessenheit der finanziellen Belastung der Gebührenzahler jenseits der Bedarfskalkulation der KEF zu wahren und damit auch die Akzeptanz der Gebührenentscheidung bei den Betroffenen zu erleichtern. Dabei dürfen sie die allgemeine Wirtschaftslage und dadurch bedingte finanzielle Einschränkungen für die Bevölkerung berücksichtigen, wenn und soweit diese sich auf die finanzielle Belastung der Rundfunkteilnehmer auswirken. Das Vorliegen einer unangemessenen Belastung für die Gebührenzahler muss der Gesetzgeber mit hinreichend nachprüfbaren Tatsachen darlegen. Diese tatsächlichen Ausführungen könnten etwa auf die Entwicklung der Realeinkommen oder der gesamten Abgabenbelastung der Rundfunkteilnehmer und des Anteils der Rundfunkgebühr an ihnen oder auch auf die Notwendigkeit generell durchzuführender Einsparungen in den öffentlichen Haushalten bezogen sein. Im konkreten Fall kann jedoch dahingestellt bleiben, ob das Vorliegen einer unangemessenen Belastung hinreichend nachvollziehbar dargelegt worden ist. Denn der Gesetzgeber wollte allein darauf die Abweichung vom Gebührenvorschlag der KEF nicht stützen, wie die weiteren angeführten Gründe zeigen. Diese weiteren Gründe genügen ihrerseits den Anforderungen an eine Abweichung von der Bedarfsfeststellung nicht, so dass die Begründung für die Gebührenabweichung die Entscheidung der Landesgesetzgeber insgesamt nicht trägt. 2. Soweit der Gesetzgeber auf im KEF-Bericht genannte, aber nicht hinreichend erschlossene Einsparpotentiale sowie auf Einsparpotentiale durch Selbstbindungen der Anstalten verweist, genügt dieser generelle, nicht näher spezifizierte Verweis den Anforderungen an eine Abweichung nicht. Die Begründung steht im offensichtlichen Widerspruch zu den Ausführungen der KEF und der Rundfunkanstalten, ohne dass ersichtlich wird, warum diese unzutreffend sein sollen. 3. Auch der Verweis des Gebührengesetzgebers auf Einsparpotentiale, die erst durch den Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag geschaffen wurden und die deshalb nicht Gegenstand der Bedarfsfeststellung der KEF sein konnten, vermag eine Abweichung nicht zu rechtfertigen. Soweit der Gesetzgeber auf erwartete Mehreinnahmen aus Änderungen des Gebührenbefreiungsrechts verweist, ist nicht nachvollziehbar, auf welcher fachlichen Grundlage diese Bewertung erfolgt ist. Jedenfalls ist die KEF in ihrem schon wenig später erstellten 15. Bericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Neuordnung der Befreiungstatbestände voraussichtlich zu Mindereinnahmen sowie Zusatzkosten von rund 25 Millionen Euro führten. Darüber hinaus ist der KEF keine Möglichkeit einer Prüfung und gegebenenfalls Neuberechnung des Bedarfs eingeräumt worden. Soweit Einsparpotentiale aufgrund der Einstellung der analogen terrestrischen Fernsehübertragung angenommen wurden, ist aus der Begründung nicht hinreichend erkennbar, in welcher Größenordnung sie sich einstellen. Darüber hinaus ist die Besonderheit des Deutschlandradios verkannt worden, das als reiner Hörfunkveranstalter von dieser Maßnahme überhaupt nicht betroffen sein konnte.

15 4. Nicht tragfähig ist schließlich auch die Begründung, dass die aktuelle Gesamtentwicklung der Aufgaben im dualen Rundfunksystem und im Wettbewerb der Medien berücksichtigt werden müsse. Sofern der Gesetzgeber mit der Abweichung von dem Gebührenvorschlag das Ziel verfolgt, auf den Wettbewerb der privatwirtschaftlichen und der öffentlichrechtlichen Medien im dualen System einzuwirken, handelte es sich um eine - im Rahmen der Gebührenentscheidung unzulässige - medienpolitische Zwecksetzung. VI. Die verfassungsrechtlichen Mängel der Gebührenfestsetzung führen nicht zur Nichtigkeit, weil der dadurch herbeigeführte Zustand dem Grundgesetz noch ferner stünde als der bisherige. Bei einer Nichtigkeit entfiele die Rechtsgrundlage für die Höhe der Rundfunkgebühr. Eine rückwirkende Gebührenerhöhung scheidet zur Wiederherstellung eines verfassungsgemäßen Zustands aus. Denn eine möglicherweise durch das Fehlen hinreichender Mittel ausgelöste Verschlechterung des Programmangebots ließe sich angesichts der Zeitgebundenheit der Wirkungen des Rundfunks nicht schlicht durch eine entsprechende finanzielle Mehrausstattung in späteren Zeiträumen kompensieren. Da die neue Periode schon am 1. Januar 2009 beginnt, erscheint es verfassungsrechtlich hinnehmbar, bis dahin von einer Neufestsetzung der Gebühr abzusehen. Allerdings muss bei der neu festzusetzenden Gebühr gewährleistet werden, dass den Anstalten ein Ausgleich gewährt wird, falls ihnen auf der Grundlage der verfassungswidrigen Festsetzung der Gebühr für die laufende Periode Mittel - etwa für nötige Investitionen - entgangen sein sollten, deren Bezug nach ihren früheren Bedarfsanmeldungen und den Feststellungen der KEF bereits in dem verstrichenen Gebührenzeitraum erforderlich war, um die künftige Erfüllung des Rundfunkauftrags sicherzustellen. B. Prüfungskriterien für Bedarfsanmeldungen Soweit sich die Verfassungsbeschwerden gegen die Ergänzung der Kriterien wenden, nach denen die KEF die Bedarfsanmeldungen der Rundfunkanstalten zu prüfen hat, sind sie unbegründet. Die neu eingefügten Kriterien der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und der Entwicklung der Haushalte der öffentlichen Hand können verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass sie nicht als zusätzlicher Prüfungsgegenstand zu demjenigen der zutreffenden Ermittlung des Finanzbedarfs hinzutreten sollen, sondern als Hilfskriterien für dessen nähere Bestimmung zu verstehen sind. Der Gesetzgeber wollte die bisherige fachlich orientierte Praxis der KEF bestärken, nicht hingegen ihr politische Entscheidungsspielräume in einer für die Rundfunkfreiheit wesentlichen Frage einräumen.

16 Eilanträge abgelehnt: Contergan-Film darf im November ausgestrahlt werden Die Firma Chemie Grünenthal GmbH brachte zum 1. Oktober 1957 das Medikament Contergan auf den Markt. Im Jahre 1961 nahm sie dieses wieder vom Markt, als der Verdacht an sie herangetragen war, dass die Einnahme des Medikaments durch Schwangere bei Föten schwere Missbildungen hervorrufen könne. Ein Strafverfahren gegen mehrere Mitarbeiter des Unternehmens wurde 1970 eingestellt, nachdem das Unternehmen 100 Millionen DM zur Entschädigung der Contergan-Opfer bereitgestellt hatte. Der WDR ließ einen Spielfilm erstellen, der an das historische Geschehen um Contergan unter Nennung dieser Arzneibezeichnung sowie der Herstellerin anknüpft. Im Mittelpunkt des Films steht die Figur eines Rechtsanwalts, der gegen das verantwortliche Unternehmen mit juristischen Mitteln vorgeht, um es zu Entschädigungszahlungen an Contergan-Geschädigte aus der Einnahme von Contergan zu veranlassen. Die Filmhandlung schildert vielfältige Bemühungen des Unternehmens, seine Inanspruchnahme auf Zahlung einer solchen Entschädigung sowie einer Bestrafung von Mitarbeitern zu verhindern. Im Vorund Abspann des Films wird darauf hingewiesen, dass es sich nicht um einen Dokumentarfilm, sondern um einen Spiel- und Unterhaltungsfilm auf der Grundlage eines historischen Stoffes handle. Die im Film handelnden Personen und ihre beruflichen und privaten Handlungen und Konflikte seien frei erfunden. Nachdem das Landgericht die ursprünglich für Herbst 2006 vorgesehene Ausstrahlung des Films auf Antrag des früheren Opferanwalts sowie des Pharmaunternehmens untersagt hatte, hob das Hanseatische Oberlandesgericht die einstweiligen Verfügungen auf. Hiergegen richten sich die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer, die eine Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts geltend machen. Zugleich beantragten sie, im Wege einer Eilentscheidung die nunmehr für den 7. und 8. November 2007 geplante Ausstrahlung des Films bis zur Entscheidung über ihre Verfassungsbeschwerde zu verbieten. Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Anträge auf Erlass einer Eilentscheidung abgelehnt. Über die Verfassungsbeschwerde ist noch nicht entschieden. Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Das Bundesverfassungsgericht hatte zwischen den Folgen abzuwägen, die einerseits den Beschwerdeführern bei Ausstrahlung des Films und andererseits der Rundfunkanstalt bei einem Verbot der Ausstrahlung drohen. Die Folgenabwägung kann die Würdigung des Oberlandesgerichts zugrunde legen, dass eine Ausstrahlung des Films nicht die von den Beschwerdeführern befürchtete schwerwiegende Beeinträchtigung ihres Persönlichkeitsrechts bewirken kann. Das Oberlandesgericht berücksichtigt, dass die Filmhandlung, ungeachtet ihrer Anknüpfung an ein historisches Geschehen, bereits nach dem Gesamtcharakter des Films, der zudem durch die Formulierung im Vor- und Abspann unterstrichen wird, nicht den Eindruck erweckt, nach Art eines Dokumentarspiels das historische Geschehen in sämtlichen Einzelheiten möglichst detailgetreu nachzubilden. Zwar ermöglicht die Anknüpfung an einen realen Sachverhalt, einen Bezug zu den Beschwerdeführern herzustellen. Dies ist eine notwendige Folge der beabsichtigten und offen gelegten Anknüpfung der Spielhandlung an einen historischen Sachverhalt. Ein verständiger Zuschauer wird das in der Filmhandlung dargestellte Geschehen um den Rechtsanwalt und die ihm entgegenwirkenden Mitarbeiter des Unternehmens aufgrund der Fülle von Abweichungen in den Charakteristika und

17 Handlungsweisen der Filmfiguren jedoch nicht als umfassend tatsachengetreue Schilderung des seinerzeitigen Verhaltens der konkret Betroffenen auffassen. Demgegenüber steht das Anliegen der Rundfunkanstalt, den Film noch in zeitlichem Zusammenhang zu dem im Oktober 2007 anstehenden und zeitgeschichtlich bedeutsamen Jahrestag der 50jährigen Wiederkehr der Markteinführung des Medikaments Contergan auszustrahlen und so eine besondere publizistische Wirkung zu erzielen. Es stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Freiheit der Rundfunkanstalt zur Gestaltung und Verbreitung ihres Programms dar, wenn sie durch Erlass einer Eilanordnung an der Erstausstrahlung eines Spielfilms zu einem nach Gesichtspunkten der tagesaktuellen Bedeutsamkeit gewählten Zeitpunkt und in einem nach medienspezifischen Gesichtspunkten gewählten Kontext gehindert wird. Die Verbreitung eines unterhaltend aufgemachten Films in Anknüpfung an einen bedeutsamen zeitgeschichtlichen Jahrestag kann aber auch der öffentlichen Meinungsbildung bedeutsame Anstöße vermitteln, die bei einer Verzögerung der Ausstrahlung des Films bis zu einem späteren Zeitpunkt wegen des dann geringen Aktualitätsbezugs verloren gingen. Die Abwägung der aufgezeigten Folgen ergibt nicht, dass die den Beschwerdeführern bei der Verweigerung einer Eilentscheidung drohenden Nachteile schwerer wögen als die mit ihrem Erlass verbundenen Beeinträchtigungen der Belange der Rundfunkanstalt und des Informationsinteresses der Öffentlichkeit.

18 Besteuerung von Biokraftstoffen verfassungsgemäß Seit 1. Januar 2004 waren Biokraftstoffe, befristet bis 31. Dezember 2009, von der Mineralölsteuer und sodann von der sie ablösenden Energiesteuer befreit. Mit Wirkung vom 1. August 2006 gewährte der Gesetzgeber für Biodiesel und Pflanzenöl nur noch eine teilweise Steuerentlastung, die bis zum Jahr 2012 stufenweise abgeschmolzen wird. Zum 1. Januar 2007 wurde für Otto- und Dieselkraftstoffe außerdem die Pflicht zur Beimischung eines Mindestanteils an Biokraftstoff eingeführt, für den keine Steuerentlastung gewährt wird. Biokraftstoff wird zudem in Höhe der Beimischungsquote auch dann besteuert, wenn er als reiner Biokraftstoff abgegeben wird. Die insgesamt 29 Beschwerdeführer, die Biokraftstoffe und Umrüstsysteme für den Betrieb von Dieselmotoren mit Biokraftstoffen produzieren oder vertreiben, sehen sich durch die angegriffenen Bestimmungen des Energiesteuergesetzes unter anderem in ihrem Eigentumsgrundrecht und ihrer Berufsfreiheit verletzt. In den vergangenen Jahren seien im Vertrauen auf die Fortdauer der Steuerentlastung zugunsten des Verbrauchs von Biokraftstoff umfangreiche Investitionen getätigt worden. Die Besteuerung der Biokraftstoffe verstoße daher auch gegen das Gebot des Vertrauensschutzes. Nach dem Zusammenbruch der Reinbiokraftstoffmärkte könnten die Beschwerdeführer ihren Beruf nicht mehr ausüben. Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Der mit der Verfassungsbeschwerde verbundene Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist damit gegenstandslos. Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Auf der Grundlage des Vorbringens der Beschwerdeführer kann nicht festgestellt werden, dass die angegriffenen Bestimmungen gegen die als verletzt gerügten Grundrechte verstoßen; insbesondere ist nicht erkennbar, dass ein geschütztes Vertrauen der Beschwerdeführer in den Fortbestand der Steuerbefreiung von Biokraftstoffen in rechtsstaatlich nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigt worden wäre. Hinsichtlich des Eigentumsgrundrechts fehlt es bereits an einem Eingriff in den Schutzbereich, dem die Erwartung, dass ein Unternehmen auch in Zukunft rentabel betrieben werden kann, nicht unterfällt. Art. 14 Abs. 1 GG vermittelt keinen Anspruch auf eine steuerliche Kompensation eigener Wettbewerbsnachteile durch höhere Besteuerung der Konkurrenz. Die Besteuerung von Biodiesel und Pflanzenöl greift auch nicht in den Schutzbereich der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG ein. Das Grundrecht gewährleistet insbesondere keinen Anspruch auf eine erfolgreiche Marktteilhabe oder auf künftige Erwerbsmöglichkeiten. Die Rücknahme der Steuerverschonung verstößt auch nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt, dass steuerliche Vergünstigungen, die dem Bürger einen Anreiz zu einem bestimmten Verhalten geben sollten, grundsätzlich eine Vertrauensgrundlage für im Hinblick darauf getätigte Investitionen schaffen. Auf der anderen Seite ist jedoch die allgemeine Erwartung des Bürgers, das geltende Recht werde unverändert fortbestehen, verfassungsrechtlich nicht geschützt. Steuerpflichtige können grundsätzlich nicht darauf vertrauen, dass der Gesetzgeber steuerliche Vergünstigungen, die er zu sozial- oder wirtschaftspolitischen Zwecken gewährt, uneingeschränkt auch für die Zukunft aufrechterhält. Ein vollständiger Schutz würde den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen. Sofern die verfassungsrechtlichen Grenzen des Vertrauensschutzes

19 eingehalten werden, ist es allein eine Frage politischer Entscheidung, ob der Gesetzgeber eine Steuerbefreiung vorzeitig auslaufen lässt, die er zur Lenkung unternehmerischen Handelns eingeführt hat, und damit in Kauf nimmt, dass die Lenkungseignung dieses Steuerungsinstruments wegen der dadurch begründeten Zweifel an der Verlässlichkeit seiner Versprechen auch für künftige Maßnahmen in Frage gestellt wird. Gemessen an diesen Grundsätzen kann kein Verstoß gegen den verfassungsrechtlich gewährleisteten Vertrauensschutz festgestellt werden. Das Beschwerdevorbringen lässt für die Mehrzahl der Beschwerdeführer schon nicht hinreichend zuverlässig erkennen, welche konkreten Investitionen gerade im Hinblick auf die uneingeschränkte Steuerbefreiung für Biokraftstoffe getätigt worden sein sollen. Unabhängig hiervon war das Vertrauen in den Bestand der Steuerbefreiung nach Lage der Dinge nur begrenzt schutzwürdig. Die Gesetzeslage war von Beginn an durch mehrfache Änderungen, Ankündigungen eines Systemwechsels und Überprüfungsvorbehalte als Vertrauensgrundlage für Investitionen in ihrer Verlässlichkeit eingeschränkt. Außerdem war diese Vertrauensbasis von zahlreichen davon unabhängigen, für den Investitionserfolg aber wesentlichen Marktbedingungen - wie etwa dem Rohölpreis - überlagert. Jedenfalls hat der Gesetzgeber mit der Übergangsregelung für das Auslaufen der Steuerbefreiung von Biokraftstoffen verbunden mit der gleichzeitigen Einführung der Beimischungspflicht ein etwa ins Werk gesetztes Vertrauen der Beschwerdeführer in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eingeschränkt. Durch die Umstellung der Biokraftstoffförderung auf die Beimischpflicht sichert der Gesetzgeber den Biokraftstoffherstellern, -vertreibern und sonstigen gewerblichen Nutzern im Grundsatz weiterhin einen mit steigender Quote zudem wachsenden Absatzmarkt. Dies lässt jedenfalls für einen Teil der Beschwerdeführer in gewissem Umfang eine Kompensation der mit der Streichung der Steuerförderung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile erwarten. Im Übrigen hält sich der Gesetzgeber mit dem Systemwechsel bei der Förderung der Biokraftstoffe hin zur Beimischpflicht jedenfalls innerhalb des weiten Gestaltungsspielraums, der ihm zukommt, wenn er ein bestimmtes Verhalten, das ihm aus wirtschafts-, sozial-, umwelt- oder gesellschaftspolitischen Gründen erwünscht ist, fördern will. Er ist in der Entscheidung, welche Personen oder Unternehmen durch finanzielle Zuwendungen des Staates unterstützt werden sollen, weitgehend frei (vgl. BVerfGE 110, 274 <293>). Mit der getroffenen Übergangsregelung hat der Gesetzgeber dem gebotenen Vertrauensschutz jedenfalls Genüge getan. Nach dieser Regelung wird die Steuervergünstigung für Biodiesel und Pflanzenöl schrittweise in Jahresstufen abgebaut, wobei die Steuervergünstigung bis zum Jahr 2012 und damit deutlich über den Zeitraum der ursprünglich vorgesehenen vollständigen Steuerbefreiung hinausreicht. Dass der Gesetzgeber Biokraftstoff insoweit gänzlich aus der Steuerbefreiung herausgenommen und auch nicht mit einer Übergangsregelung versehen hat, als er zur Erfüllung der Beimischquote eingesetzt wird oder jedenfalls eingesetzt werden könnte ("fiktive Quote"), ist verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Da die Umsatzförderung für Biokraftstoff in Höhe der Quote bereits durch die Beimischpflicht erfolgt, würde eine zusätzliche Steuerbegünstigung zu einer auch im Hinblick auf das verfolgte umweltpolitische Ziel nicht gerechtfertigten Doppelförderung führen. Hiervon durfte der Gesetzgeber aus Gründen der Praktikabilität auch für die "fiktive Quote" ausgehen.

20 Zuständigkeitsregelung und Beitragsvorschriften für Leiharbeitsfirmen in der gesetzlichen Unfallversicherung verfassungsgemäß In der gesetzlichen Unfallversicherung sind hauptsächlich abhängig beschäftigte Arbeitnehmer gegen die Risiken eines Arbeitsunfalls, eines Wegeunfalls und einer Berufskrankheit versichert. Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallsversicherung werden von den Arbeitgebern getragen. Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind die Berufsgenossenschaften. Sie sind Körperschaften des öffentlichen Rechts, denen der Gesetzgeber Autonomie eingeräumt hat. Für Unternehmen (Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen, Tätigkeiten) sind grundsätzlich die gewerblichen Berufsgenossenschaften zuständig. Die konkrete Zuordnung eines Unternehmens zu einer von derzeit 35 gewerblichen Berufsgenossenschaften erfolgt in erster Linie aufgrund des autonomen Satzungsrechts einer Berufsgenossenschaft. Herangezogen werden insoweit Bundesratsbeschlüsse und Gewerbe-Verzeichnisse aus den Anfängen der Sozialversicherung in Deutschland im 19. Jahrhundert. Von der gesetzlich eingeräumten Möglichkeit, die Zuständigkeit der Berufsgenossenschaften durch Rechtsverordnung festzusetzen, hat das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung bislang keinen Gebrauch gemacht. Die Berufsgenossenschaften bilden zur Erfassung der versicherten Risiken Gefahrtarife, die in Gefahrklassen unterteilt sind. Die Beitragsfestsetzung erfolgt aufgrund der Zuordnung der Beschäftigten der versicherten Unternehmen in Gefahrtarife und Gefahrklassen. Die Beschwerdeführerin ist ein mittelständisches Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Sie wandte sich im fachgerichtlichen Rechtsweg erfolglos gegen die Zuständigkeit der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft sowie gegen die Beitragsfestsetzung, die aufgrund eines speziell für Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung gebildeten Gefahrtarifs mit zwei Gefahrklassen erfolgte. Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die gegen die sozialgerichtlichen Entscheidungen und die ihnen zugrunde liegenden Vorschriften gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Die Regeln über die Zuständigkeit der gewerblichen Berufsgenossenschaften und das Verfahren der Beitragsfestsetzung sowie deren konkrete Anwendung verletzten die Beschwerdeführerin nicht in ihren verfassungsmäßigen Rechten. Der parlamentarische Gesetzgeber habe die Zuständigkeit der gewerblichen Berufsgenossenschaften ausreichend bestimmt geregelt. Auch die gesetzliche Ermächtigung des Unfallversicherungsträgers zur Festsetzung eines Gefahrtarifs sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber habe das Beitragsrecht im Wesentlichen selbst gesetzlich geregelt und die Regelung von Details auf die Berufsgenossenschaften delegiert. So habe der Gesetzgeber die Struktur der Tarife durch Gefahrtarife und Gefahrklassen zur Abbildung der versicherten Risiken selbst vorgegeben und nur die konkrete Festsetzung der Tarife der Selbstverwaltung der Berufsgenossenschaften überantwortet. Die Bildung eines speziellen Gefahrtarifs für Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung sei einleuchtend, weil für die dort beschäftigten Arbeitnehmer besondere gewerbetypische Unfallgefahren in Folge des häufigen Arbeitsplatzwechsels angenommen werden konnten. Eine weitere Ausdifferenzierung des Gefahrtarifs über die beiden Gefahrklassen hinaus sei verfassungsrechtlich nicht geboten. Den Berufsgenossenschaften stehe das Recht zu, durch Typisierungen den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung zu tragen.

21 Vorschriften zum automatischen Kontenabruf verstoßen teilweise gegen den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz Gegenstand der Verfassungsbeschwerden unter anderem eines inländisches Kreditinstituts, eines Rechtsanwalts und Notars, einer Bezieherin von Wohngeld sowie eines Empfängers von Sozialhilfe sind im Wesentlichen 24 c Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Kreditwesengesetz sowie 93 Abs. 7 und 8 Abgabenordnung. Diese Normen ermächtigen die für die Leistung der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen sowie die für die Strafverfolgung zuständigen Behörden und Gerichte, die Finanzbehörden und die Sozialbehörden zur automatisierten Abfrage von bestimmten Daten, die von den Kreditinstituten vorgehalten werden müssen. Dabei handelt es sich um die Kontostammdaten der Bankkunden und sonstigen Verfügungsberechtigten, wie z.b. Name, Geburtsdatum, Kontonummern und Depots. Kontenstände und -bewegungen können auf diese Weise nicht abgefragt werden. Informationen hierüber können sich die Behörden nur auf der Grundlage anderer Ermächtigungsnormen beschaffen. (Weitere Informationen zum Sachverhalt siehe Pressemitteilung Nr. 28/2005 vom 23. März 2005.) Erfolgreich waren allein die Verfassungsbeschwerden der beiden Sozialleistungsempfänger, soweit sie sich gegen 93 Abs. 8 AO richten. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts stellte fest, dass 93 Abs. 8 AO, der die Erhebung von Kontostammdaten in sozialrechtlichen Angelegenheiten regelt, an einem Bestimmtheitsmangel leidet. Die Norm legt den Kreis der Behörden, die ein Ersuchen zum Abruf von Kontostammdaten stellen können, und die Aufgaben, denen solche Ersuchen dienen sollen, nicht hinreichend bestimmt fest. Im Übrigen aber ist die Eingriffsermächtigung des 93 Abs. 8 AO verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere genügt sie - soweit der Anwendungsbereich in verfassungsgemäßer Weise auf die Sicherung der Erhebung von Sozialabgaben und die Bekämpfung des Missbrauchs von Sozialleistungen begrenzt wird - dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dem Gesetzgeber steht für eine verfassungsgemäße Neuregelung eine Frist bis zum 31. Mai 2008 zur Verfügung. Bis dahin bleibt die Regelung mit der Maßgabe anwendbar, dass Abrufersuchen nach ihr allein zu dem Zweck zulässig sind, die Leistungsberechtigung für die im Anwendungserlass des Bundesministeriums für Finanzen vom 10. März 2005 genannten Sozialleistungen zu überprüfen. 24 c Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG (Kontenabfrage durch Strafverfolgungsbehörden) und 93 Abs. 7 AO (Kontenabfrage durch Finanzbehörden) hingegen sind mit dem Grundgesetz vereinbar. Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: I. 93 Abs. 8 AO verletzt die beiden Beschwerdeführer, die Sozialleistungen empfangen, in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. 24 c Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG und 93 Abs. 7 AO sind dagegen mit dem Grundgesetz vereinbar. 1. Die in den angegriffenen Normen geregelten Datenabrufe greifen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Die auf ihrer Grundlage erfolgenden behördlichen Ermittlungen über Kontostammdaten können anschließende Maßnahmen vorbereiten, die ohne die erlangten Kenntnisse nicht möglich wären. Stellt sich anlässlich einer Kontenabfrage etwa heraus, dass der Betroffene über bislang unbekannte Konten oder Depots verfügt, kann die jeweils handelnde Behörde gegebenenfalls auf der Grundlage anderer Ermächtigungsnormen Informationen über deren Inhalt erheben. Solche Informationen ermöglichen einen Einblick in die Vermögensverhältnisse des Betroffenen und lassen - gezielt zusammengetragen - unter Umständen weitere Rückschlüsse auf sein Verhalten zu.

22 2. Regelungen, die zu Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ermächtigen, müssen Anlass, Zweck und Grenzen präzise festlegen. Diesem Gebot der Normenklarheit und -bestimmtheit wird 93 Abs. 8 AO nicht gerecht. Die Norm legt den Kreis der Behörden, die zu Abrufersuchen berechtigt sein sollen, und die Aufgaben, denen solche Ersuchen dienen sollen, nicht präzise genug fest. 24 c Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG und 93 Abs. 7 AO hingegen genügen dem Bestimmtheitsgebot. Der Anwendungsbereich von 93 Abs. 8 AO und damit die Möglichkeit zur Kontenabfrage ist eröffnet, wenn die Sozialbehörde ein Gesetz anwendet, das an "Begriffe des Einkommensteuergesetzes" anknüpft. Selbst wenn man dies einengend in der Weise auslegt, dass ein Gesetz nur dann unter diese Vorschrift fällt, wenn es spezifisch einkommensteuerrechtliche Begriffe in Bezug nimmt, lässt sich der Norm weder eine gegenständliche Begrenzung des Anwendungsbereichs noch ein bereichsspezifischer Zweck der jeweiligen Datenerhebung entnehmen. Auch an spezifisch einkommensteuerrechtliche Begriffe können Gesetze aus den unterschiedlichsten Regelungsgebieten anknüpfen, etwa Normen aus nahezu dem gesamten Bereich der Leistungsverwaltung. Damit wird in 93 Abs. 8 AO das Instrument des automatisierten Abrufs von Kontostammdaten für eine unübersehbare Vielzahl von Gesetzeszwecken zur Verfügung gestellt. Es ist nicht ersichtlich, dass die unbestimmte Fassung des 93 Abs. 8 AO besonderen Regelungsschwierigkeiten geschuldet wäre. Mit der Norm sollen insbesondere der Missbrauch von Sozialleistungen und die Nichtabführung von Sozialabgaben bekämpft werden. Die auf solche Bereiche bezogenen behördlichen Ermittlungen lassen sich nach Anlass und Gegenstand typisieren und auf bestimmte normative Zusammenhänge zuschneiden. So wäre es ohne weiteres möglich gewesen, die Gesetze, zu deren Vollzug ein Kontenabzug zulässig sein soll, in 93 Abs. 8 AO enumerativ aufzuzählen. 24 c Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG und 93 Abs. 7 AO hingegen genügen dem Bestimmtheitsgebot. Die Normen benennen die zur Informationserhebung berechtigte Behörde sowie die tatbestandlichen Voraussetzungen des Kontenabrufs hinreichend präzise. Zudem wird deutlich, welche Informationen erhoben werden dürfen. 3. Die in 24 c Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG und 93 Abs. 7 AO enthaltenen Eingriffsermächtigungen genügen auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Gleiches gilt für 93 Abs. 8 AO, wenn die dargelegte Unbestimmtheit dieser Vorschrift in verfassungsgemäßer Weise behoben wird. Die Vorschriften dienen Gemeinwohlbelangen von erheblicher Bedeutung. 24 c Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG hat die wirksame Strafverfolgung und Rechtshilfe in Strafsachen zum Ziel; 93 Abs. 7 AO verfolgt die steuerliche Belastungsgleichheit. Auch die Ziele von 93 Abs. 8 AO haben erhebliches Gewicht, wenn der Anwendungsbereich dieser Norm auf die Verfolgung bedeutsamer Gemeinwohlbelange begrenzt wird, nämlich auf die Sicherung der Erhebung von Sozialabgaben und die Bekämpfung des Missbrauchs von Sozialleistungen. Zu diesen Gemeinwohlbelangen stehen die durch die Regelungen ermöglichten Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht außer Verhältnis. Die durch den Kontenabruf erlangten Informationen - die bloßen Kontostammdaten - haben bei isolierter Betrachtung keine besondere Persönlichkeitsrelevanz, zumal die Behörde über die Kontoinhalte nichts erfährt. Eine Unangemessenheit der angegriffenen Regelungen ergibt sich auch nicht insoweit, als Rechtsschutzmöglichkeiten infolge der Heimlichkeit des Abrufs begrenzt sind. Wird die Ermittlung gegenüber dem Betroffenen geheim gehalten,

23 erhöht dies zwar die Intensität des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Diesen Umstand muss die Behörde aber bei der Entscheidung darüber berücksichtigen, ob im Einzelfall ohne vorherige Information des Betroffenen heimlich auf seine Kontostammdaten zugegriffen werden darf oder ob eine grundrechtsschonendere Ermittlungsmaßnahme, wie etwa eine offene Datenerhebung, in Betracht kommt. Kontenabrufe stehen daher unter dem Gebot der Erforderlichkeit. Schließlich wahrt auch die Gestaltung der Eingriffsschwellen in den angegriffenen Normen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Normen erlauben Kontenabrufe nur im Rahmen konkreter Verdachtsmomente. Routinemäßige oder anlasslose Abrufe "ins Blaue hinein" sind danach unzulässig. II. Die in den angegriffenen Normen vorgesehenen Datenabrufe verletzen dagegen nicht das Recht des beschwerdeführenden Kreditinstituts auf informationelle Selbstbestimmung. Das Interesse eines Kreditinstituts an der Geheimhaltung seiner Geschäftsbeziehungen ist nur insoweit grundrechtlich geschützt, als seine Beeinträchtigung auf die eigene wirtschaftliche Tätigkeit des Kreditinstituts zurückwirken kann. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, soweit - wie hier - die Geschäftsbeziehungen allein im Rahmen von Ermittlungen zur Kenntnis genommen werden, die sich gegen die Kunden richten. III. 24 c Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG und 93 Abs. 7 AO verletzen nicht die Berufsfreiheit des beschwerdeführenden Rechtsanwalts und Notars. Die Maßnahmen, die auf der Grundlage der gerügten Normen ergriffen werden, beeinträchtigen das Vertrauensverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt/Notar und seinen Mandanten nicht. Ein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen kann der Mandant eines Rechtsanwalts in dessen Verschwiegenheit nur insoweit entwickeln, als der Rechtsanwalt über entsprechende tatsächliche Möglichkeiten der Einflussnahme verfügt. Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Normen sehen Informationserhebungen nicht bei den Rechtsanwälten, die Anderkonten für ihre Mandanten führen, sondern bei den kontoführenden Kreditinstituten vor. Kommt es zu einer solchen Erhebung, so realisiert sich ein Offenbarungsrisiko, das der Vereinbarung, bestimmte Gelder auf einem Bankkonto treuhänderisch zu verwalten, immanent ist und das der Rechtsanwalt von vorneherein nicht beherrschen kann. IV. Die angegriffenen Normen werden auch den grundrechtlichen Anforderungen an einen tatsächlich wirkungsvollen Rechtsschutz gerecht. Das jeweilige Verfahrensrecht gewährleistet dem von einem Kontenabruf Betroffenen ein grundsätzliches Auskunftsrecht, von dem er spätestens dann auch tatsächlich Gebrauch machen kann, wenn die jeweilige Behörde das Ergebnis des Kontenabrufs mit für ihn nachteiligen Folgen verwertet hat. Bei der Anwendung der Normen, aus denen sich das Auskunftsrecht ergibt, haben die Behörde die Anforderungen der Rechtsschutzgarantie zu beachten. Insbesondere soweit den Finanzbehörden ein Auskunftsermessen zugestanden wird, ist dieses zugunsten des Betroffenen reduziert, wenn und solange nicht der Auskunftserteilung ein besonderes Geheimhaltungsinteresse von überwiegendem Gewicht entgegensteht. Der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, eine Pflicht der jeweils handelnden Behörde zur Benachrichtigung des Betroffenen nach jedem Kontenabruf vorzusehen. Bleibt der Kontenabruf für den Betroffenen ohne nachteilige Folgen, wiegt dessen Feststellungs- und Unterlassungsinteresse nicht so schwer, dass ihm stets aktiv die für eine gerichtliche Geltendmachung erforderlichen Kenntnisse verschafft werden müssten.

24 Klage von Union und FDP gegen Bundeshaushalt 2004 erfolglos Der Normenkontrollantrag von 293 Abgeordneten des 15. Deutschen Bundestages (CDU/CSU- und FDP-Bundestagsfraktion) gegen den Bundeshaushalt 2004 war ohne Erfolg. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts stellte mit Urteil vom 9. Juli 2007 fest, dass die beanstandeten Regelungen des Haushaltsgesetzes 2004 sowie des Nachtragshaushaltsgesetzes 2004 den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprachen. Die Richter Di Fabio und Mellinghoff sowie der Richter Landau haben der Entscheidung eine abweichende Stellungnahme angefügt. (Zum Sachverhalt vgl. Pressemitteilung Nr. 120/2006 vom 19. Dezember 2006.) Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: I. 1 Haushaltsgesetz 2004 in der Fassung des Nachtragshaushaltsgesetzes 2004 ist mit dem Grundgesetz vereinbar gewesen. Es kann offen bleiben, ob der Grundsatz der Vorherigkeit gemäß Art. 110 Abs. 2 Satz 1 GG, wonach der Hauhaltsplan vor Beginn des ersten Rechnungsjahres durch das Haushaltsgesetz festgestellt wird, auf die Einbringung eines Nachtragshaushalts entsprechend anwendbar ist; denn der Bundesregierung ist die späte Einbringung des Nachtragshaushalts 2004 jedenfalls nicht als eine Verletzung verfassungsrechtlicher Pflichten vorzuwerfen. Für die Maßstäbe rechtzeitiger Einbringung eines Nachtragshaushaltsgesetzes des Bundes gelten die allgemeinen Grundsätze zu den Anforderungen an die gebotene gegenseitige Rücksichtnahme zwischen Verfassungsorganen. Daher ist eine späte Einbringung des Entwurfs eines Nachtragshaushalts nicht schon ohne weiteres als pflichtwidrig zu werten. Maßgeblich ist vielmehr, wieweit der späte Zeitpunkt der Einbringung einerseits zu konkreten Beeinträchtigungen des parlamentarischen Budgetrechts führt und andererseits die Regierung hinreichende sachliche Gründe für diesen späten Zeitpunkt anführen kann. Konkrete erhebliche Beeinträchtigungen der Rechte des Parlaments durch die Einbringung des Nachtragshaushalts erst im Oktober 2004 sind nicht festzustellen: Die Ansätze im Zusammenhang mit der zeitlichen Verschiebung von "Hartz IV" bargen keine politisch gewichtigen eigenständigen Entscheidungen, sondern enthielten den Nachvollzug der Entscheidungen der Sachgesetzgebung und verursachten in ihrer Summe keine bedeutenden Veränderungen der Gesamteinnahmen und -ausgaben. Haushaltspolitisch stärker ins Gewicht fallen die Korrekturen des Bundesbankgewinns in Höhe von mehr als 3 Mrd.. für die Bewertung einer Beeinträchtigung der Rechte des Bundestages ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidung der Bundesregierung für einen späteren Zeitpunkt der Vorlage eines Nachtragshaushalts nicht nur dem Mehrheitswillen im Parlament entsprach. Die Regierung konnte für ihre Entscheidung auch tragfähige sachliche Gründe in Anspruch nehmen: Angesichts des Beginns der parlamentarischen Sommerpause im Juli wäre die Erarbeitung von Regierungsvorlagen mit den von den Oppositionsfraktionen im Mai des Jahres geforderten umfassenden Änderungen sowohl des Haushaltsgesetzes als auch verschiedener Sachgesetze schon aus zeitlichen Gründen äußerst schwierig zu bewältigen gewesen. Insbesondere die erfahrungsgemäß mit den jeweiligen Steuerschätzungen verbundenen Unsicherheiten legten es nicht nahe, sofort auf die neuesten Schätzungsergebnisse vom Mai 2004 mit Haushaltsanpassungen zu reagieren; sie begründeten eher ein sachliches Argument dafür, zunächst die weitere Entwicklung der Steuereinnahmen abzuwarten. Betrachtet man

25 vor diesem Hintergrund das weitere Verfahren, so sind pflichtwidrige Verzögerungen seitens der Bundesregierung nicht festzustellen: In den ersten Sitzungen nach der parlamentarischen Sommerpause wurde der Haushaltsentwurf 2005 beraten und im Oktober der Nachtragshaushalt II. Auch 1 Haushaltsgesetz 2004 in seiner ursprünglichen Fassung entsprach den haushaltsverfassungsrechtlichen Anforderungen. Der Ansatz des Anteils des Bundes am Reingewinn der Bundesbank des Jahres 2003 war mit dem Verfassungsgebot der Haushaltswahrheit (Art. 110 Abs. 1 Satz 1 GG) vereinbar. Aus diesem Gebot folgt die Pflicht zur Schätzgenauigkeit mit dem Ziel, die Wirksamkeit der Budgetfunktionen im parlamentarischen Regierungssystem - Leitung, Kontrolle und Transparenz durch Öffentlichkeit der staatlichen Tätigkeit - zu gewährleisten. Die für die Einnahmen- und Ausgabenschätzungen erforderlichen Prognosen müssen aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen. Die Veranschlagung des erwarteten Bundesbankgewinns mit 3,5 Mrd. im Entwurf des Haushaltsgesetzes 2004 a.f. beruhte auf den Erfahrungen der vergangenen Jahre. Entspricht der Ansatz im Haushaltsgesetz 2004 einem langjährigen Erfahrungswert, kommt eine Pflichtverletzung der Bundesregierung nur dann in Betracht, wenn zum fraglichen Zeitpunkt handfeste Indizien für eine wesentlich geänderte Gewinnsituation der Deutschen Bundesbank erkennbar waren. Dies war weder zum Zeitpunkt der Einbringung des Gesetzentwurfs im August 2003 noch zu einem späteren Zeitpunkt bis zur Annahme des Gesetzesentwurfs im Deutschen Bundestag im November 2003 der Fall. Auch während des Vermittlungsverfahrens lagen keine verlässlichen Informationen zur Gewinnsituation der Bundesbank vor. Im März 2004, also nach Verkündung des Haushaltsgesetzes 2004, gab der Bundesbankpräsident vor dem Haushaltsausschuss des Bundestages lediglich die pauschale Erklärung ab, der Bundesbankgewinn 2003 liege "deutlich unter 3,5 Mrd. ". Vor dem Hintergrund dieser sachangemessenen informationellen Zurückhaltung sind Pflichtverletzungen der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe nicht erkennbar. Auch die Etatansätze im Zusammenhang mit "Hartz IV" sind mit dem Verfassungsgebot der Vollständigkeit und Wahrheit vereinbar, obwohl mit Beginn des Vermittlungsverfahrens zum Haushaltsgesetz 2004 bereits sicher war, dass die Ansätze wegen der Verschiebung des Inkrafttretens von "Hartz IV" auf den 1. Januar 2005 "falsch" waren. Insbesondere das fehlende eigenständige Gewicht der hier betroffenen Haushaltsansätze, die umfassende Information des Parlaments über die insoweit maßgeblichen Alternativen und die praktische Möglichkeit, die Änderungen im Haushaltsvollzug angemessen zu berücksichtigen, berechtigte die Bundesregierung gerade auch angesichts des vorgerückten Standes des Gesetzgebungsverfahrens, der grundsätzlichen Differenzen zwischen Bundestag und Bundesrat sowie absehbaren weiteren Korrekturbedarfs, auf eine weitere zeitliche Verzögerung durch Vorbereitung und Beratung einer Ergänzungsvorlage zu verzichten und die notwendigen Korrekturen einem späteren Nachtragshaushaltsverfahren zuzuordnen. III. 2 Abs. 1 Haushaltsgesetz 2004 in der Fassung des Nachtragshaushaltsgesetzes 2004 war mit dem Grundgesetz, insbesondere mit Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG, vereinbar. 1. Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG begrenzt die Kreditaufnahme auf die Höhe der Ausgaben für Investitionen. Ausnahmen sind nur zulässig zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Zum allgemeinen Regelungsgehalt und zu den Tatbestandsmerkmalen dieser Verfassungsnorm hat der Senat in seinem Urteil vom 18. April 1989 (BVerfGE 79, 311) grundlegend Stellung genommen. Es besteht kein Anlass, von den dort entwickelten Maßstäben abzurücken.

26 Schon im Jahr 1989 hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Kompetenz für eine mögliche Revision des Regelungskonzepts der Art. 115 Abs. 1 Satz 2 und Art. 109 Abs. 2 GG beim verfassungsändernden Gesetzgeber, nicht beim Bundesverfassungsgericht liegt. An diesem Grundsatz ist festzuhalten. Freilich ist an der Revisionsbedürftigkeit der geltenden verfassungsrechtlichen Regelungen gegenwärtig kaum noch zu zweifeln. Die staatliche Verschuldungspolitik in der Bundesrepublik hat in den seit der Finanz- und Haushaltsreform 1967/69 vergangenen nahezu vier Jahrzehnten praktisch durchgehend einseitig zur Vermehrung der Schulden beigetragen. Das Regelungskonzept des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG hat sich als verfassungsrechtliches Instrument rationaler Steuerung und Begrenzung staatlicher Schuldenpolitik in der Realität nicht als wirksam erwiesen. Notwendig ist die Entwicklung von Mechanismen, die für gegebene Verschuldungsspielräume den erforderlichen Ausgleich über mehrere Haushaltsjahre sicherstellen. Die Auswahl und Institutionalisierung von Regeln, die dies leisten und dabei in geeigneter Weise dem Anreiz zur Verschiebung von Ausgleichslasten auf nachfolgende Legislaturen entgegenwirken, ist eine komplexe Aufgabe, für deren Lösung das geltende Verfassungsrecht keine ausreichenden Direktiven liefert. Sie ist dem verfassungsändernden Gesetzgeber vorbehalten und aufgegeben. Art. 115 Abs. 1 Satz 3 GG weist die Konkretisierung des im Hinblick auf die gesamtwirtschaftliche Normallage entscheidenden Begriffs der Investitionen (Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG) in erster Linie dem Verantwortungsbereich des Gesetzgebers, nicht dem des Bundesverfassungsgerichts zu. Diesen Regelungsauftrag, dessen Erfüllung der Senat in seinem Urteil von 1989 angemahnt hatte, hat der Gesetzgeber mit 13 Abs. 3 Nr. 2 BHO nur formell erfüllt. Die Bestimmung ist die schlichte Rezeption der wesentlichen Inhalte dessen, was zuvor in Verwaltungsvorschriften bestimmt war. Gegen die Vereinbarkeit des dort geregelten, die Haushaltspraxis beherrschenden Investitionsbegriffs werden seit langem schwerwiegende Bedenken geltend gemacht. Die Frage, ob insoweit bereits nach geltendem Verfassungsrecht eine korrigierende Auslegung von Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG in Betracht zu ziehen ist, kann der Senat aber mangels Entscheidungserheblichkeit offen lassen. Eine Verschärfung der bisher praktizierten Regelgrenze der Kreditaufnahme würde auch im vorliegenden Verfahren lediglich deren Überschreitung vergrößern. Trotz der seit 1989 weiter in bemerkenswertem Umfang gewachsenen Verschuldung des Bundes bleibt auch hinsichtlich des Tatbestands einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (Art. 115 Abs. 2 Satz 2 GG) an den vom Senat entwickelten Grundsätzen zur Anerkennung der Einschätzungs- und Beurteilungsspielräume des parlamentarischen Gesetzgebers festzuhalten. 2. Nach diesen Maßstäben war 2 Abs. 1 des Bundeshaushaltsgesetzes 2004 n.f. mit Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG noch vereinbar. Im Mittelpunkt der in den Gesetzgebungsverfahren sowohl zum ursprünglichen Haushalt 2004 als auch zum Nachtragshaushalt dargelegten Gründe für die Überschreitung der im Haushaltsplan veranschlagten Investitionen stehen neben den schwierigen allgemeinen volkswirtschaftlichen Ausgangsbedingungen die Verfehlung der Teilziele eines hohen Beschäftigungsstandes und eines angemessenen Wirtschaftswachstums. Die Feststellung, "dass auch im Jahr 2004 kein Wachstum erreicht wird, das ausreicht, Beschäftigung aufzubauen", traf unbestritten zu. Nach dieser Feststellung in Verbindung mit den begründeten Prognosen zur hohen Zahl der Arbeitslosen war es vertretbar, eine ernste Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts auch im Jahr 2004 zu erwarten. Die Begründungen zum Nachtragshaushalt 2004 schließen unmittelbar an die Begründungen zum Haushaltsgesetz an und bestätigen diese. Trotz leichter Konjunkturerholung infolge

27 dynamischer Auslandsnachfrage hätten sich die Inlandsnachfrage, die Investitionstätigkeit und der Arbeitsmarkt sogar schlechter als erwartet entwickelt. In der gegenwärtigen Situation dürfe die öffentliche Hand nicht durch zusätzliche Sparmaßnahmen dazu beitragen, die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts noch zu verstärken. Die Erhöhung der Ermächtigung zur Kreditaufnahme war somit die notwendige Folge der Aufrechterhaltung des ursprünglichen nachfragepolitischen Konzepts trotz erheblicher Ausfälle der ursprünglich veranschlagten Einnahmen und teilt deshalb dessen Qualität als eine nachvollziehbare und vertretbare Entscheidung des Haushaltsgesetzgebers. Sondervotum der Richter Di Fabio und Mellinghoff Der Senat legt die einschlägige Vorschrift des Grundgesetzes zur Schuldenbegrenzung des Bundes so aus, dass sie keine Wirkung zu entfalten vermag. Dies entspricht weder dem Wortlaut und dem Zweck der Norm noch der Systematik des Grundgesetzes. Dem Bundesgesetzgeber hätte von Verfassungs wegen aufgeben werden müssen, unter Einhaltung einer vom Senat gesetzten Frist den Investitionsbegriff nach allgemeinen Vorgaben zu konkretisieren und ein Konzept zum Abbau des Schuldensockels und zur Vorsorge für absehbare Tragfähigkeitslücken im Bundeshaushalt vorzulegen. Das Grundgesetz geht vom herrschenden Leitbild eines auch materiell ausgeglichenen, das heißt von einem soliden Bundeshaushalt aus; Ausnahmen sind nur stufenweise und kontrolliert zugelassen. Die erste durch Art. 115 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz GG vorgesehene "Ausnahme" vom Grundsatz eines in seinen Ausgaben durch reguläre, nichtkreditfinanzierte Einnahmen ausgeglichenen Haushalts folgt in seinem Regelungszweck der wirtschaftlichen Einsicht, dass nicht jeder Kredit für eine solide und nachhaltige Haushaltswirtschaft schädlich ist. Die Kreditfinanzierung von entsprechenden Investitionen ist ein besonderer Fall der Einhaltung des Verfassungsgebots, nur einen ausgeglichenen Haushalt zuverabschieden. Unter Investitionen sind dabei wertsteigernde Maßnahmen im Vermögen des Bundes zu verstehen (z.b. Erwerb von Grundstücken, Baumaßnahmen mit werterhaltender oder wertsteigernder Wirkung, Unternehmensbeteilungen, Kapitalanlagen), und demgemäß sind auch der Wertverzehr (Abschreibungen) und die Vermögensveräußerungen im Haushalt entsprechend als negative Investitionen zu berücksichtigen. Art. 115 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz GG gilt nach dem Wortlaut sowie seinem Sinn und Zweck nur für eng begrenzte Ausnahmesituationen. Die strikte Formulierung "Ausnahmen sind nur zulässig" ist für das Grundgesetz nicht anders als sonst in der Sprache des Gesetzes ein unübersehbares Signal dafür, dass strenge Maßstäbe gelten sollen. Das Normensystem aus Art. 115 und Art. 109 GG verpflichtet den Haushaltsgesetzgeber und das zur Kontrolle berufene Bundesverfassungsgericht, sich der gewollten zeitlichen (über die jeweilige Jährlichkeit hinausreichende) und sachlichen (unter Beachtung der konjunkturellen Entwicklung) Dehnung des Beurteilungszeitraums anzupassen. Weder Gesetzgeber noch Verfassungsgericht dürfen den Maßstab der Jährlichkeit isoliert anlegen und die Augen verschließen vor der Entwicklung des Schuldenstandes und der Tragfähigkeitslücken, die durch die Verschuldenspolitik entstehen oder vergrößert werden. Die mündliche Verhandlung hat ergeben, dass es gemessen an den klassischen vier Parametern zur Erhaltung eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts im Jahr 2004 keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Störung im Sinne des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG gegeben hat. Außerhalb von Störungslagen genießt der Grundsatz einer soliden ausgeglichenen Haushaltswirtschaft Vorrang, weil Bund und Länder den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (Art. 109 Abs. 2 GG) außerhalb der besonderen Ermächtigung des Art. 115 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz GG von vornherein nur im Rahmen einer ausgeglichenen und nachhaltigen Haushaltspolitik Rechnung tragen dürfen.

28 Insgesamt gefährdet eine Staatsverschuldung, die im Sockel bei guter Konjunktur nicht oder nicht nennenswert sinkt und bei schlechter konjunktureller Lage immer wieder deutlich steigt, schleichend die praktische Möglichkeit zur Beachtung wichtiger Staatsstrukturprinzipien. Sie begünstigt eine Tendenz zur De-Konstitionalisierung, weil das politische Handeln des Bundes sich immer mehr fesselt und zur Überschreitung verfassungsrechtlicher Grenzen drängt. Es ist vor allem dieser Umstand, dieser die verfassungsrechtliche Ordnung allmählich verformende Effekt, der das Verfassungsgericht in eine besondere Verantwortung zwingt. Sondervotum des Richters Landau Richter Landau kritisiert, dass die Senatsmehrheit jedes Bemühen vermissen lasse, der exzessiven staatlichen Schuldenpolitik durch eine restriktivere Anwendung der haushaltsverfassungsrechtlichen Normen Grenzen zu setzen. Es könne für die Zukunft nicht offen gelassen werden, wie der Begriff der Investitionen in Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG zu verstehen ist. Außerdem müsse klargestellt werden, dass die derzeitige Regelung in 13 Abs. 3 Nr. 2 BHO nicht als Erfüllung des verfassungsrechtlichen Regelungsauftrags zur Konkretisierung des Investitionsbegriffs angesehen und daher in Zukunft nicht der Bestimmung der Regelgrenze der Neuverschuldung zugrunde gelegt werden könne. Bei der Auslegung des Investitionsbegriffs müsse beachtet werden, dass die politische Gestaltungsfreiheit künftiger Generationen durch die Schuldenlast immer weiter eingeschränkt werde. Daher könne eine zukunftsbegünstigende Wirkung von Investitionen nur angenommen werden, wenn wirtschaftliche Substanz geschaffen werde, die real auf künftige Haushaltsjahre übertragen werden könne und diese damit von eigenen Aufwendungen entlaste. Demgemäß sei der verfassungsrechtliche Tatbestand insbesondere auf die Nettoinvestitionen zu beschränken, da ein über die laufende Periode hinausreichender positiver Wachstumseffekt allein von Nettoinvestitionen bewirkt werden könne.

29 Klage der Abgeordneten gegen Offenlegung von Einkünften erfolglos Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit Urteil vom 4. Juli 2007 die Anträge von neun Bundestagsabgeordneten zurückgewiesen. Diese hatten sich im Wege der Organklage gegen 44a Abs. 1 Abgeordnetengesetz, wonach die Ausübung des Mandats im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Mitglieds des Deutschen Bundestages steht, sowie gegen die Verpflichtung zur Offenlegung ihrer Nebeneinkünfte gewandt (vgl. Pressemitteilung Nr. 82/2006 vom 21. September 2006). Die Anträge sind, soweit sie die Mittelpunktregelung zum Gegenstand haben, nach im Ergebnis übereinstimmender Ansicht des Senats unbegründet. Soweit sich die Abgeordneten gegen Anzeigepflichten und die Veröffentlichung von Angaben über Tätigkeiten neben dem Mandat sowie gegen die Sanktionierung von Verstößen wenden, sind die Anträge nach Auffassung der Richterinnen und Richter Broß, Osterloh, Lübbe-Wolff und Gerhardt unbegründet. Nach Auffassung der Richter Hassemer, Di Fabio, Mellinghoff und Landau müssten die Anträge Erfolg haben. Da bei Stimmengleichheit ein Verstoß gegen das Grundgesetz nicht festgestellt werden kann ( 15 Abs. 4 Satz 3 BVerfGG), hatten die Anträge keinen Erfolg. Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: A. Mittelpunktregelung I. Nach Auffassung der Richterinnen und Richter Broß, Osterloh, Lübbe- Wolff und Gerhardt zeichnet die Mittelpunktregelung eine schon im Grundgesetz angelegte Pflicht des Abgeordneten zutreffend nach und ist deshalb nicht zu beanstanden. Mit der Freiheit des Mandats (Art. 38 Abs. 1 GG) sind nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten verbunden, deren Reichweite durch das Gebot, die Repräsentations- und Funktionsfähigkeit des Parlaments zu wahren, bestimmt und begrenzt wird. Zu den Pflichten eines Abgeordneten gehört es, dass er in einer Weise und einem Umfang an den parlamentarischen Aufgaben teilnimmt, die deren Erfüllung gewährleistet. Dabei verlangt die parlamentarische Demokratie einer höchst komplizierten Wirtschaftsund Industriegesellschaft vom Abgeordneten mehr als nur eine ehrenamtliche Nebentätigkeit. Vielmehr fordert sie den ganzen Menschen, der allenfalls unter günstigen Umständen neben seiner Abgeordnetentätigkeit noch versuchen kann, seinem Beruf nachzugehen. Nur der Umstand, dass die Abgeordneten bei pflichtgemäßer Wahrnehmung ihres Mandats auch zeitlich in einem Umfang in Anspruch genommen sind, der es in der Regel unmöglich macht, daneben den Lebensunterhalt anderweitig zu bestreiten, rechtfertigt den Anspruch, dass ihnen ein voller Lebensunterhalt aus Steuermitteln, die die Bürger aufbringen, finanziert wird. Die Annahme der Antragsteller, ein freiberuflich oder unternehmerisch tätiger Abgeordneter entspreche in besonderer Weise dem verfassungsrechtlichen Leitbild des unabhängigen Abgeordneten, ist ohne tragfähige Grundlage. Bereits Art. 48 Abs. 3 Satz 1 GG geht davon aus, dass die Unabhängigkeit des Abgeordneten durch die ihm zustehende Entschädigung ausreichend gesichert wird. Vor allem aber zielt die Verfassungsnorm des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, indem sie den Abgeordneten zum Vertreter des ganzen Volkes bestimmt und ihn in dieser Eigenschaft für weisungsfrei und nur seinem Gewissen unterworfen erklärt, auch auf Unabhängigkeit von Interessengruppen. Dabei geht es nicht zuletzt um Unabhängigkeit von Interessenten, die ihre Sonderinteressen im Parlament mit Anreizen durchzusetzen suchen, die sich an das finanzielle Eigeninteresse von Abgeordneten wenden. Die Wahrung der Unabhängigkeit der Abgeordneten nach dieser Seite hin hat besonders hohes Gewicht;

30 denn hier geht es - anders als der Einfluss der Parteien und Fraktionen im Prozess der politischen Willensbildung - um die Unabhängigkeit gegenüber Einwirkungen, die nicht durch Entscheidungen des Wählers vermittelt sind. Sowohl Angestelltenverhältnisse im Bereich der freien Berufe als auch die freien Berufe selbst bieten vielfältige Möglichkeiten, politischen Einfluss durch ein Bundestagsmandat für die außerhalb des Mandats ausgeübte Berufstätigkeit gewinnbringend zu nutzen, und gerade von dieser Möglichkeit gehen besondere Gefahren für die Unabhängigkeit der Mandatsausübung und die Bereitschaft, das Mandat in den Mittelpunkt der Tätigkeit zu stellen. Daher durfte der Gesetzgeber das verfassungsrechtliche Leitbild des Abgeordneten in dem Sinne nachzeichnen, dass die Ausübung des Mandats im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Mitglieds des Bundestages steht. Die Bestimmung soll die Wertigkeit der verfassungsrechtlichen Pflicht des Abgeordneten verdeutlichen, die in der Vertretung des ganzen Volkes besteht und neben der die Ausübung von Nebentätigkeiten neben dem Mandat in den Hintergrund tritt. II. Nach Auffassung der Richter Hassemer, Di Fabio, Mellinghoff und Landau ist die Mittelpunktregelung nur in der gebotenen verfassungskonformen Auslegung mit dem Grundgesetz vereinbar. Nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG repräsentiert der Abgeordnete gemeinsam mit der Gesamtheit der Mitglieder des Parlaments das Volk. In der Gesellschaft verankert, sollen Abgeordnete den Willen der Wähler aufnehmen und ihm in der staatlichen Sphäre zur Geltung verhelfen. Zur Verwurzelung des Abgeordneten in der Gesellschaft zählt auch die Freiheit zur Ausübung einer beruflichen Tätigkeit während des Mandats. Dies entspricht dem traditionellen Bild des Abgeordneten. Erst die Möglichkeit, trotz der Übernahme eines Mandats weiter seinem Beruf in grundsätzlich nicht eingeschränktem Umfang nachzugehen, gibt dem einzelnen Abgeordneten auch faktisch die Freiheit, sein Mandat allein nach seinem Gewissen auszuüben, ohne im Hinblick auf die Chancen seiner Wiederwahl und eine damit verbundene Sicherung seines Einkommens übermäßig Rücksicht auf etwaige Erwartungen seiner Partei, sonstiger einflussreicher Interessengruppen oder auch der Medien nehmen zu müssen. Auch Art. 48 Abs. 2 Satz 1 GG, wonach niemand gehindert werden darf, das Amt eines Abgeordneten zu übernehmen und auszuüben, setzt ein Nebeneinander von Abgeordnetentätigkeit und Beruf voraus. Die Regelung erschöpft sich nicht darin, der Übernahme und Ausübung des Mandats aus dem beruflichen Bereich des Abgeordneten keine Hindernisse erwachsen zu lassen; vielmehr zielt sie darauf ab, dem Abgeordneten im Rahmen des Möglichen die Chance zu geben, Mandat und Beruf miteinander zu verbinden. Im Interesse der Funktionsfähigkeit des Parlaments verlangt die Freiheit des Mandats allerdings einen verantwortlichen Umgang des Abgeordneten mit dieser Freiheit. Mit der Freiheit des Mandats wäre es aber unvereinbar, die getroffene Mittelpunktregelung dahin auszulegen, dass der Abgeordnete eine bestimmte Arbeitszeit schuldet und diese gegenüber dem Bundestagspräsidenten oder einer Verwaltung mit der Folge nachzuweisen hätte, dass daran Sanktionen geknüpft werden könnten. Wer freie Abgeordnete will, muss auch ein Mindestmaß an Vertrauen aufbringen, dass die vom Volk Gewählten ganz überwiegend mit Umsicht und verantwortlich mit ihrer Freiheit umgehen. Gegen den verfassungsrechtlich festgelegten Status des freien Mandats wird verstoßen, wenn sich der Gesetzgeber und die parlamentarische Selbstkontrolle nicht auf die gezielte Verfolgung des Missbrauchs beschränken, sondern flächendeckende Kontroll- und Publikationssysteme einführen, die sich von schonenden und anlassbezogenen Eingriffen entfernen. Die Mittelpunktregelung ist daher in verfassungskonformer Auslegung nicht als Grundlage für eine Kontrolle einer wie auch immer gearteten

31 "ordnungsgemäßen" Mandatswahrnehmung und für eine zeitliche Beschränkung von Nebentätigkeiten zu verstehen. Vielmehr greift die Vorschrift lediglich die Erwartung auf, die für den Abgeordneten als Teil des Repräsentationsorgans Bundestag von Seiten der zu repräsentierenden Bürger besteht: nämlich das Mandat in Freiheit, aber auch in einer seiner Stellung entsprechenden Verantwortung für das Gemeinwesen auszuüben. B. Anzeige- und Veröffentlichungspflichten, Sanktionierung von Verstößen I. Soweit sich die Antragsteller gegen Anzeigepflichten und die Veröffentlichung von Angaben über Tätigkeiten neben dem Mandat sowie gegen die Sanktionierung von Verstößen wenden, sind die Anträge nach der die Entscheidung tragenden Auffassung der Richterinnen und Richter Broß, Osterloh, Lübbe-Wolff und Gerhardt unbegründet. 1. Mit den Transparenzregelungen sollen berufliche und sonstige Verpflichtungen des Abgeordneten neben dem Mandat und daraus zu erzielende Einkünfte den Wählern sichtbar gemacht werden. Sie sollen sich mit Hilfe von Informationen über mögliche Interessenverflechtungen und wirtschaftliche Abhängigkeiten ein besseres Urteil über die Wahrnehmung des Mandats durch den Abgeordneten auch im Hinblick auf dessen Unabhängigkeit bilden können. Diesbezügliche Kenntnis ist nicht nur für die Wahlentscheidung wichtig. Sie sichert auch die Fähigkeit des Deutschen Bundestages und seiner Mitglieder, unabhängig von verdeckter Beeinflussung durch zahlende Interessenten das Volk als Ganzes zu vertreten. Das Volk hat Anspruch darauf zu wissen, von wem - und in welcher Größenordnung - seine Vertreter Geld oder geldwerte Leistungen entgegennehmen. Das Interesse des Abgeordneten, Informationen aus der Sphäre beruflicher Tätigkeiten vertraulich behandelt zu sehen, ist gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Erkennbarkeit möglicher Interessenverknüpfungen der Mitglieder des Deutschen Bundestages grundsätzlich nachrangig. 2. Die angegriffenen Anzeigepflichten, die den Mitgliedern des Deutschen Bundestages auferlegt werden, sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Gesetzgeber eine generelle Anzeigepflicht für Tätigkeiten und Einkünfte außerhalb des Mandats begründet hat, die auf für die Ausübung des Mandats bedeutsame Interessenverknüpfungen hinweisen können, ohne dass es darauf ankommt, ob eine Konfliktlage im Einzelfall tatsächlich besteht. Es genügt die abstrakte Gefahr einer Beeinträchtigung der Unabhängigkeit des Mandats. Dass vor und neben dem Mandat ausgeübte Tätigkeiten und neben dem Mandat erzielte Einnahmen Rückwirkungen auf die Mandatsausübung haben können, liegt nicht fern. Auch unter den Gesichtspunkten der Geeignetheit und Angemessenheit begegnen die Anzeigepflichten keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies gilt insbesondere für die Verpflichtung, bei anzeigepflichtigen Tätigkeiten und Verträgen, die in die Zeit der Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag fallen, auch die Höhe der jeweiligen Einkünfte, die bestimmte Beträge übersteigen, anzuzeigen und dabei die Bruttobeträge unter Einschluss von Entschädigungs-, Ausgleichs- und Sachleistungen zugrunde zulegen. Es geht bei der Anzeige von Einkünften nicht um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Abgeordneten, sondern um die Erkennbarkeit möglicher Interessenverknüpfungen. Hierfür können auch Zuflüsse aus Tätigkeiten und Verträgen neben dem Mandat von Bedeutung sein, die nicht als Nettoerlöse für die private Lebensführung zur Verfügung stehen. Die Befürchtung der Antragsteller, der Bürger würde, da gemeinhin unter Einkünften Nettobezüge verstanden würden, durch die Veröffentlichung der anzuzeigenden Zuflüsse irregeführt und die betroffenen Abgeordneten wegen der Höhe ihrer vermeintlichen (Netto-) Einkünfte einem unzumutbaren Rechtfertigungsdruck ausgesetzt, ist nicht geeignet, die Zulässigkeit der

32 angegriffenen Regelung in Frage zu stellen. Zu unterstellen, im Zusammenhang mit den von den Antragstellern abzugebenden Erklärungen seien die Bürger zur Unterscheidung zwischen Brutto- und Nettoeinkünften unfähig und etwaige Fehleinschätzungen nicht im Wege öffentlicher Diskussion ausräumbar, ist unrealistisch und einer Demokratie nicht angemessen. 3. Die gesetzlich normierte Veröffentlichung der anzeigepflichtigen Tätigkeiten sowie der Einkünfte nach Maßgabe bestimmter Einkommensstufen verletzt Rechte der Antragsteller ebenfalls nicht. Sie findet ihre grundsätzliche Rechtfertigung darin, dass die Beurteilung über die Mandatsausübung des Abgeordneten den Wählern zukommt und ihnen die dafür erheblichen Informationen zur Verfügung stehen sollen. 4. Auch die Regelungen zur Sanktionierung von Verstößen gegen Anzeigepflichten sind mit Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar. Die Anzeigepflichten sollen dazu beitragen, einen fairen und transparenten Prozess der politischen Willensbildung überhaupt erst zu ermöglichen. Pflichten dieser Art müssen rechtlich konstituiert sein und im Bedarfsfalle durchgesetzt werden. Die Funktionsfähigkeit des Parlaments würde beeinträchtigt und das Prinzip der strikten Gleichbehandlung aller Abgeordneten verletzt, wenn Offenlegungspflichten gegenüber Abgeordneten, die deren Erfüllung verweigern, mangels wirksamer Sanktionen nicht durchgesetzt werden könnten. Zudem würde das Parlament in den Augen der Öffentlichkeit machtlos erscheinen, die eigenen Regeln umzusetzen, was zu einem der Funktionsfähigkeit des Parlaments ebenfalls abträglichen Vertrauens- und Ansehensverlust führten müsste. II. Nach Auffassung der Richter Hassemer, Di Fabio, Mellinghoff und Landau müssten die gegen die Transparenzregelungen gerichteten Anträge Erfolg haben. Die Freiheit des Mandats steht einer angemessen ausgestalteten Pflicht von Abgeordneten zur Mitteilung von Tätigkeiten neben der Mandatsausübung und daraus erzielten finanziellen Zuflüssen zwar nicht von vornherein entgegen. Soweit die Abgeordneten jedoch verpflichtet werden, ihre erzielten Einnahmen in weitem Umfang und ohne hinreichende rechtsstaatliche Sicherungen der Öffentlichkeit preiszugeben, ist das mit Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar. 1. Die dem Abgeordneten auferlegte Pflicht zur Offenlegung der Tätigkeiten neben der Mandatsausübung und aller im Einzelnen erzielten Einkünfte greift in das freie Mandat ein, das Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG schützt. Bei der Würdigung der Eingriffsintensität kann nicht außer Acht bleiben, dass mit der Offenlegung gerade auch von ungewichteten Tatsachen wie Bruttoeinkünften, die nicht im Kontext darstellbar sind, eine publizistische Prangerwirkung entstehen kann. Ohne nähere Erklärungen und Gewichtungen können die bloßen Informationen über Mittelzuflüsse in mehrfacher Hinsicht zu Fehlschlüssen verleiten. 2. Der Eingriff in die Freiheit des Mandats kann damit gerechtfertigt werden, dass mit ihm die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages durch die unabhängige Mandatsausübung des Abgeordneten oder seine Integrität und politische Vertrauenswürdigkeit gewahrt wird. Bei den angegriffenen Regeln zur Offenlegung von Tätigkeiten neben der Mandatsausübung und der daraus erzielten Einkünfte fehlt es aber an einem verfassungsgemäßen Ausgleich zwischen dem gesetzgeberischen Transparenzanliegen und der um grundrechtliche Aspekte verstärkten Freiheit des Mandats. Mit diesen Garantien ist es unvereinbar, wenn mit den angegriffenen Transparenzregeln die durch kein rechtsstaatliches, den Status und die Grundrechte des Abgeordneten schonendes Verfahren geprüfte Veröffentlichung von wirtschaftlichen "Rohdaten" vom Abgeordneten verlangt wird.

33 Nach den Verhaltensregeln und den Ausführungsbestimmungen muss der Abgeordnete gegenwärtig alle Vermögenszuflüsse in Geld oder Geldeswert anzeigen, unabhängig davon, ob es sich um Einkommen, Aufwandsentschädigungen, durchlaufende Posten oder sonstige Vermögenszuwächse handelt. Berufsbedingter Aufwand ist ebenso wenig zu berücksichtigen wie Steuern, Abgaben und sonstige Kosten. Dieser Einkünftebegriff entspricht weder dem allgemeinen Verständnis von Einkünften noch dem in der Rechtsordnung ganz überwiegend verwendeten Einkünftebegriff. Schon aus diesem Grund ist er geeignet, zu gravierenden Fehleinschätzungen insbesondere bei der Veröffentlichung der Angaben des Abgeordneten beizutragen. Insbesondere Aufwandsentschädigungen oder die in einem Dienst- oder Angestelltenverhältnis zur Verfügung gestellten Sachleistungen müssen als Einkünfte deklariert werden, obwohl sie lediglich einen erwerbsbedingten Aufwand ausgleichen. Es wird der Eindruck eines möglicherweise gewichtigen wirtschaftlichen Vorteils vermittelt, auch wenn lediglich die mit der Tätigkeit zusammenhängenden Kosten erstattet werden. Bei Freiberuflern und Selbständigen wird durch die Angabe lediglich der Brutto-Beträge ohne Berücksichtigung des damit verbundenen finanziellen Aufwands ein unzutreffendes Bild vermittelt. Ohne noch weitergehende Erklärungen und Gewichtungen können die bloßen Informationen über Mittelzuflüsse deshalb zu Fehlschlüssen verleiten. Wer hohe Mittelzuflüsse offen legen muss, daraus aber wegen hoher betrieblicher Kosten kaum Gewinn erzielt, wird praktisch genötigt, seine komplette Einkommensteuererklärung zu veröffentlichen, aus der sich dann seine persönlichen Lebensverhältnisse ergeben. Auch bei Tätigkeiten in Vereinen, Verbänden, Stiftungen oder ähnlichen Organisationen, die vielfach ehrenamtlich ausgeübt werden, führt die Angabe von Aufwandsentschädigungen oder sonstigen Sachleistungen als Einkünfte dazu, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck einer entgeltlichen Tätigkeit vermittelt wird, obwohl lediglich ein Aufwand ausgeglichen wird. Die Verpflichtung, jede einzelne Vertragsbeziehung und jeden einzelnen Vertragspartner aus einer laufenden beruflichen Tätigkeit mitzuteilen, ist durch das Interesse des Bürgers an der Wahrung der Unabhängigkeit der Abgeordneten auch mit Blick auf die Funktionsfähigkeit des Parlaments nicht gerechtfertigt. Derart weit reichende Offenlegungspflichten führen dazu, dass die gesamte berufliche Tätigkeit des Abgeordneten in allen Einzelheiten mitzuteilen ist. Der Abgeordnete wird nicht nur verpflichtet, die Einkünfte einer möglicherweise schon lange währenden beruflichen Tätigkeit und damit den Erfolg seiner beruflichen Tätigkeit offen zu legen. Vielmehr wird er genötigt, seine Tätigkeit gegebenenfalls detailliert aufzuschlüsseln und zu beschreiben. Ebenso wenig wie sich der Abgeordnete gegen Transparenzanforderungen unter Berufung auf den Schutz seiner persönlichen Rechtssphäre umfassend wehren kann, ist es dem Gesetzgeber erlaubt, unter Berufung auf Transparenzziele dieses Schutzanliegen des Abgeordneten gänzlich zu negieren. Das bedeutet, dass sich eine Offenlegung nur rechtfertigt, soweit es sich um Informationen handelt, die auch tatsächlich dazu geeignet sind, auf die Gefahr von Interessenverknüpfungen und Abhängigkeiten des Abgeordneten hinzuweisen. 3. Da die Regelungen über die Anzeigepflicht nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind, darf an eine Verletzung dieser Anzeigepflichten auch keine Sanktion geknüpft werden.

34 Argentinien-Anleihen: Staatsnotstand berechtigt nicht zur Zahlungsverweigerung gegenüber privaten Gläubigern Die Republik Argentinien bediente sich im Zusammenhang mit der argentinischen Finanzkrise in erheblichem Umfang des Instruments der Staatsanleihen. Solche Anleihen wurden auch auf dem deutschen Kapitalmarkt aufgelegt und von deutschen Gläubigern gezeichnet. Anfang 2002 erklärte sich Argentinien für zahlungsunfähig und berief sich dabei auf einen Staatsnotstand. Anlässlich mehrerer Klagen deutscher Anleger gegen die Republik Argentinien legte das Amtsgericht Frankfurt dem Bundesverfassungsgericht die Frage vor, ob der seitens der Republik Argentinien erklärte Staatsnotstand wegen Zahlungsunfähigkeit diese kraft einer allgemeinen Regel des Völkerrechts berechtigt, die Erfüllung fälliger Zahlungsansprüche zeitweise zu verweigern. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts kam zu dem Ergebnis, dass keine allgemeine Regel des Völkerrechts feststellbar ist, die einen Staat gegenüber Privatpersonen berechtigt, die Erfüllung fälliger privatrechtlicher Zahlungsansprüche unter Berufung auf den wegen Zahlungsunfähigkeit erklärten Staatsnotstand zeitweise zu verweigern. Die Richterin Lübbe-Wolff hat der Entscheidung eine abweichende Meinung angefügt. Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Zum Beleg einer gewohnheitsrechtlichen Geltung kann nicht auf den Konventionsentwurf der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen zur Staatenverantwortlichkeit verwiesen werden, der in Artikel 25 den völkerrechtlichen Staatsnotstand als Rechtfertigungsgrund regelt. Es ist zwar allgemein anerkannt, dass diese Regelung geltendes Völkergewohnheitsrecht darstellt. Allerdings handelt es sich bei dem dort geregelten Notstand um einen Rechtfertigungsgrund in einem Völkerrechtsverhältnis, nicht aber im Verhältnis zwischen Staat und privaten Gläubigern. Auch die einschlägige Rechtsprechung internationaler und nationaler Gerichte erlaubt nicht die positive Feststellung einer allgemeinen Regel des Völkerrechts, wonach ein Staat berechtigt wäre, gegenüber Privatpersonen den Staatsnotstand einzuwenden. Es fehlt an einer einheitlichen Staatenpraxis, die einen solchen Rechtfertigungsgrund kraft Völkerrechts anerkennt. Die Praxis internationaler Gerichtshöfe bildet insoweit keine hinreichende Grundlage. Zwar haben verschiedene internationale Gerichte (International Centre for Settlement of Investment Disputes; Ständiger Internationaler Gerichtshof; Französisch-Venezolanisch Gemischte Schiedskommission) die Berufung von Staaten auf den Notstand als Rechtfertigung bereits geprüft. Dennoch geben diese Fälle keine Anhaltspunkte für die Übertragbarkeit der Einrede des Staatsnotstands auf Privatrechtsverhältnisse. Denn die Einrede des Notstandes beschränkte sich in den jeweiligen Verfahren auf die völkerrechtlichen Pflichten zwischen den Staaten. Zu der Frage, ob einem Privaten der Staatsnotstand unmittelbar entgegengehalten werden könne, nehmen die Entscheidungen nicht Stellung. Auch die Betrachtung der nationalen Rechtsprechung zur Frage des Staatsnotstands führt mangels übereinstimmender Praxis nicht zu dem Ergebnis, dass die Anerkennung des Staatsnotstands mit Auswirkung auf Privatrechtsverhältnisse gewohnheitsrechtlich verankert sei.

35 Sondervotum der Richterin Lübbe-Wolff Nach Auffassung von Richterin Lübbe-Wolff hat der Senat über die Zulässigkeit der Vorlagen nicht nach den in der bisherigen Rechtsprechung entwickelten Maßstäben entschieden. Zudem beantworte der Senat eine Vorlagefrage, die ihm zwar in - zwischenzeitlich aufgehobenen Vorlagebeschlüssen des Oberlandesgerichts Frankfurt, nicht aber vom Amtsgericht Frankfurt gestellt war, über dessen Vorlagen der Senat allein noch zu entscheiden hatte. Auch die materielle Rechtslage sei nicht die, die der Senat festgestellt habe. Bei der völkerrechtlichen Einrede des Staatsnotstands handle es sich um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, hinter dem allgemein anerkannte Überzeugungen über die Grenzen der Durchsetzbarkeit von Forderungen und den Vorrang elementarer Gemeinwohlbelange stehen. Es gehe dabei um den Vorrang der Pflicht des Staates zur Aufrechterhaltung elementarer Sicherheits- und Daseinsvorsorgeleistungen gegenüber den Forderungen Privater, z.b. der Gläubiger spekulativer Anleihen. Die Notstandseinrede, die diesem Vorrang Geltung verschaffe, sei nicht in der vom Senat angenommenen Weise beschränkt.

36 Klage der Linksfraktion gegen Tornado-Einsatz in Afghanistan zurückgewiesen Die gegen die Bundesregierung gerichtete Organklage der Bundestagsfraktion PDS/Die Linke, die die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) in Afghanistan betrifft, war erfolglos. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit Urteil vom 3. Juli 2007 festgestellt, dass die Bundesregierung mit dem Beschluss zur Entsendung von Tornado-Aufklärungsflugzeugen nach Afghanistan keine Rechte des Deutschen Bundestags aus Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 24 Abs. 2 GG verletzt hat. Der NATO-geführte ISAF-Einsatz in Afghanistan diene der Sicherheit des euroatlantischen Raums und überschreite daher nicht wesentliche Strukturentscheidungen des NATO-Vertrags. Zudem lägen keine Anhaltspunkte für eine strukturelle Abkopplung der NATO von ihrer friedenswahrenden Ausrichtung vor. (Hintergrund des Verfahrens siehe Pressemitteilungen Nr. 36 und 37/2007 vom 30. März 2007) Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: I. Die Anträge sind zulässig, insbesondere ist die Antragstellerin antragsbefugt. Sie hat hinreichend dargelegt, dass der Deutsche Bundestag durch die angegriffenen Maßnahmen in Rechten verletzt sein könnte, die ihm durch das Grundgesetz übertragen worden sind. Verträge, die die politischen Beziehungen des Bundes regeln, bedürfen nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG der Zustimmung der Gesetzgebungskörperschaften in Form eines Bundesgesetzes. Mit der Zustimmung zu einem Vertragsgesetz bestimmen Bundestag und Bundesrat den Umfang der auf dem völkerrechtlichen Vertrag beruhenden Bindungen der Bundesrepublik und tragen dafür fortdauernd die politische Verantwortung gegenüber dem Bürger. Wesentliche Abweichungen von der Vertragsgrundlage sind deshalb von dem ursprünglichen Zustimmungsgesetz nicht mehr gedeckt. Betreibt die Bundesregierung die Fortentwicklung eines Vertrags jenseits der ihr erteilten Ermächtigung, wird der Bundestag in seinem Recht auf Teilhabe an der auswärtigen Gewalt verletzt. Der Fortentwicklung eines völkerrechtlichen Vertrags, der die Grundlage eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne von Art. 24 Abs. 2 GG bildet, ist eine weitere Grenze gesetzt. Nach Art. 24 Abs. 2 GG kann sich der Bund zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen. Verfassungsrechtlich sind die Einordnung der Bundesrepublik in ein solches System und die fortdauernde Teilnahme daran damit unter den Vorbehalt der Friedenswahrung gestellt. Auch die Umwandlung eines ursprünglich den Anforderungen des Art. 24 Abs. 2 GG entsprechenden Systems in eines, das nicht mehr der Wahrung des Friedens dient, ist verfassungsrechtlich untersagt und kann deshalb nicht vom Inhalt des Zustimmungsgesetzes gedeckt sein. II. Die Anträge sind unbegründet. Der Deutsche Bundestag ist nicht in seinem Recht aus Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 24 Abs. 2 GG verletzt. 1. Der NATO-geführte ISAF-Einsatz in Afghanistan dient der Sicherheit des euro-atlantischen Raums. Er bewegt sich damit innerhalb des Integrationsprogramms des NATO-Vertrags, wie es der Deutsche Bundestag im Wege des Zustimmungsgesetzes zu diesem Vertrag mitverantwortet.

37 a) Der regionale Bezug als Kernelement des Integrationsprogramms des NATO-Vertrags bedeutete von Beginn an nicht, dass militärische Einsätze der NATO auf das Gebiet der Vertragsstaaten beschränkt sein müssten. Mit dem Zweck der NATO als System mehrerer Staaten zur gemeinsamen Abwehr militärischer Angriffe von außen waren abwehrende militärische Einsätze außerhalb des Bündnisgebiets, nämlich auch auf dem Territorium eines angreifenden Staates, von vornherein impliziert. Insofern entspricht neben der militärischen Verteidigung gegen einen Angriff auch ein damit sachlich und zeitlich in Verbindung stehender komplementärer Krisenreaktionseinsatz auf dem Gebiet des angreifenden Staates noch der regionalen Begrenzung des NATO-Vertrags. b) Eine Lösung der NATO von ihrem regionalen Bezugsrahmen kann in dem ISAF-Einsatz in Afghanistan nicht gesehen werden. Denn dieser Einsatz ist ersichtlich darauf ausgerichtet, nicht allein der Sicherheit Afghanistans, sondern auch und gerade der Sicherheit des euro-atlantischen Raums auch vor künftigen Angriffen zu dienen. Der ISAF-Einsatz hat von Beginn an das Ziel gehabt, den zivilen Wiederaufbau Afghanistans zu ermöglichen und zu sichern, um dadurch ein Wiedererstarken von Taliban, Al-Qaida und anderen friedensgefährdenden Gruppierungen zu verhindern. Die Sicherheitsinteressen des euro-atlantischen Bündnisses sollten dadurch gewahrt werden, dass von einem stabilen afghanischen Staatswesen in Zukunft keine aggressive und friedensstörende Politik zu erwarten ist, sei es durch eigenes aktives Handeln dieses Staates, sei es durch duldendes Unterlassen im Hinblick auf terroristische Bestrebungen auf dem Staatsgebiet. Die Verantwortlichen im NATO- Rahmen durften und dürfen davon ausgehen, dass die Sicherung des zivilen Aufbaus Afghanistans auch einen unmittelbaren Beitrag zur eigenen Sicherheit im euro- atlantischen Raum leistet. 2. Der ISAF-Einsatz in Afghanistan liefert danach, wie er sich tatsächlich vollzieht und in den diesbezüglichen Passagen der Gipfelerklärungen von Riga politisch fixiert wird, auch keine Anhaltspunkte für eine strukturelle Abkopplung der NATO von ihrer friedenswahrenden Zweckbestimmung (Art. 24 Abs. 2 GG). Der Charakter des NATO-Vertrags ist durch den ISAF-Einsatz in Afghanistan und das dortige Zusammenwirken mit der Operation Enduring Freedom ersichtlich nicht verändert worden. ISAF und die Operation Enduring Freedom haben getrennte Zwecksetzungen, unterschiedliche Rechtsgrundlagen und klar abgegrenzte Verantwortungssphären. Während die Operation Enduring Freedom vornehmlich der unmittelbaren Terrorismusbekämpfung gilt, dient ISAF der Aufrechterhaltung der Sicherheit in Afghanistan, um eine Grundlage für den zivilen staatlichen Aufbau zu schaffen. Durch Kooperationen zwischen den Einsätzen, die die Sicherheit in Afghanistan erhöhen sollen, sind diese rechtlichen und tatsächlichen Trennungen nicht aufgehoben worden. Dass von integrierten Kampfeinsätzen nicht gesprochen werden kann, ergibt sich bereits aus dem Beschluss der Bundesregierung zur Entsendung der Tornado-Aufklärungsflugzeuge. Danach sollen die Tornado-Flugzeuge Aufklärungsarbeit leisten, die Fähigkeit zur Luftnahunterstützung ist nicht vorgesehen, und die Flugzeuge sind nur zu Eigen- und Selbstschutzzwecken bewaffnet. Was die Weitergabe von Aufklärungsergebnissen an die Operation Enduring Freedom betrifft, so ist diese nach dem genannten Beschluss auf der Basis des ISAF-Operationsplans der NATO nur dann vorgesehen, wenn dies zur erforderlichen Durchführung der ISAF- Operation oder für die Sicherheit von ISAF-Kräften erforderlich ist.

38 Abschiebungshaft nur zur Sicherung der Abschiebung zulässig Der in Deutschland geborene Beschwerdeführer ist spanischer Staatsangehöriger. Nachdem er im Jahr 1997 aus Deutschland ausgewiesen worden war, reiste er unmittelbar danach erneut wieder in das Bundesgebiet ein. In der Folgezeit wurde der Beschwerdeführer mehr als fünfzehn Mal abgeschoben. Die zuletzt im Februar 2005 vom Amtsgericht angeordnete Abschiebungshaft dauerte drei Monate. Einen nachträglich gestellten Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Dauer der Inhaftierung wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots lehnte das Landgericht ab. Um die Gefahr einer erneuten illegalen Einreise des Beschwerdeführers zu verringern, habe die Ausländerbehörde über das spanische Generalkonsulat versucht, dem Betroffenen bei seinem in Spanien lebenden Vater eine Anlaufstelle zu vermitteln. Daher sei eine sofortige Abschiebung nicht möglich gewesen. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde wies das Oberlandesgericht zurück. Grundsätzlich gelte zwar, dass vorrangiger Zweck der Abschiebungshaft allein die Sicherung der anstehenden Abschiebung sei. Angesichts der Bemühungen der Ausländerbehörde hätten hier jedoch besondere Umstände vorgelegen, die ein Abweichen von dieser Regel zugelassen hätten. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde war erfolgreich. Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts stellte fest, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts Art. 2 Abs. 2 Satz 2 (Freiheit der Person) in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt. Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Das Oberlandesgericht hat die Aufrechterhaltung der Haft über den für eine Durchführung der Abschiebung erforderlichen Zeitraum hinaus unter Berufung auf eine Vorgehensweise gerechtfertigt, die nicht der Sicherung der Abschiebung, sondern der Verhinderung weiterer illegaler Einreisen dienen sollte. Dies findet angesichts des klaren Wortlauts des 62 Aufenthaltsgesetz, wonach die Abschiebungshaft einzig der Sicherung der Abschiebung dient, im Gesetz keine Stütze. Soweit sich das Oberlandesgericht für berechtigt hält, die Vorschrift auf andere Fallgruppen entsprechend anzuwenden, verkennt das Gericht den Gesetzesvorbehalt in Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG. Danach darf die Freiheit der Person nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes beschränkt werden; insbesondere muss eine Freiheitsentziehung zu jedem Zeitpunkt ihrer Dauer von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt sein. Dies verbietet eine entsprechende Anwendung des 62 Aufenthaltsgesetz auf nicht im Gesetz geregelte Fallkonstellationen. Nur der Gesetzgeber darf darüber entscheiden, in welchen Fällen Freiheitsentziehungen zulässig sein sollen.

39 Eilantrag abgelehnt: Sternmarsch darf angesichts der Sicherheitsrisiken nicht in der Verbotszone um G8-Tagungsort stattfinden Die Antragsteller begehren Eilrechtsschutz für eine Versammlung, die am morgigen Donnerstag, den 7. Juni 2007, in Form eines Sternmarsches von verschiedenen Ausgangspunkten aus zu einer Abschlusskundgebung am Standort des G8-Gipfels in Heiligendamm führen soll. Die geplante Veranstaltung wurde von der Versammlungsbehörde verboten. Zugleich erließ sie ein weiträumiges allgemeines Versammlungsverbot rund um den Tagungsort des G8- Gipfels, bestehend aus der Verbotszone I (Bereich des Sperrzauns zuzüglich 200 m) und der Verbotszone II (einige Kilometer vorgelagerter Bereich). Das Verwaltungsgericht Schwerin setzte das Versammlungsverbot teilweise außer Vollzug und erlaubte den Teilnehmern des Sternmarsches, sich bis auf 200 Meter dem Sicherheitszaun um den G8-Tagungsort zu nähern. Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern setzte das allgemeine Versammlungsverbot rund um Heiligendamm jedoch wieder in Kraft. Hiergegen richtet sich die mit einem Eilantrag verbundene Verfassungsbeschwerde. Mit ihrem Eilantrag wollen die Antragsteller erreichen, dass ihnen im Wege einer einstweiligen Anordnung die Durchführung des Sternmarsches innerhalb der Verbotszone um den Tagungsort Heiligendamm gestattet wird. Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Es bestehen zwar erhebliche Zweifel an der Tragfähigkeit der Argumentation der Behörde und des Oberverwaltungsgerichts. Im Hinblick auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit ist es insbesondere verfassungsrechtlich bedenklich, den Schutzraum in der Nähe des Ortes des G8-Gipfels bis an die Grenze der Verbotszone II auszudehnen und ein absolutes Demonstrationsverbot in der gesamten Zone am Tage vor und während der Durchführung des Gipfels in erster Linie auf das von der Behörde entwickelte Sicherheitskonzept zu stützen. An dem Sicherheitskonzept ist an keiner Stelle zu erkennen, dass auch Anliegen der Durchführung friedlicher Demonstrationen, insbesondere solcher mit einer inhaltlichen Stoßrichtung gegen den G8 Gipfel, eingeflossen sind. Letztlich aber kann dahinstehen, ob die vorhandenen Defizite zu einer offensichtlichen verfassungsrechtlichen Fehlerhaftigkeit der Entscheidungen geführt haben. Aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Entwicklungen, insbesondere der gewalttätigen Auseinandersetzungen seit dem 2. Juni 2007, lässt sich nicht feststellen, dass es zur Abwehr eines den Antragstellern drohenden schweren Nachteils im Sinne des 32 Abs. 1 BVerfGG geboten ist, dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattzugeben. Bei den Ausschreitungen in Rostock am 2. Juni 2007 wurden mehrere hundert Polizeibeamte verletzt. Zudem ist es zu erheblichen Sachbeschädigungen gekommen. Auch an den Tagen danach bestand in Rostock eine sehr angespannte Situation, die nur aufgrund massiven Eingreifens der Ordnungskräfte und unter Mithilfe eines Teils der friedlichen Demonstranten bewältigt werden konnte. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Teil der gegenwärtig von der Behörde auf über geschätzten im Raum Rostock anwesenden gewaltbereiten Personen sich an den von anderen als friedlich geplanten Versammlungen beteiligen und auch gegen den ausdrücklichen Willen der Veranstalter bereit sind, Gewalttätigkeiten gegen Personen und Sachen zu begehen. Die im Zeitpunkt des Erlasses der hier maßgebenden Verfügungen zugrunde gelegte Einschätzung der Sicherheitslage ist im Hinblick auf die

40 gegenwärtige Situation aktualisiert worden. Die Behörde verweist darauf, dass auch am 4. Juni 2007 bei Auseinandersetzungen 50 Polizeibeamte verletzt wurden. Die Vertreter der militanten Szene seien nicht abgereist, sondern rekrutierten sich immer neu, um friedliche Demonstrationen für ihre gewalttätigen Zwecke zu nutzen. Angesichts der extrem großen Zahl dieser gewaltbereiten und sogar als militant einzustufenden Personen stehe zu befürchten, dass es auch an den Tagen des Gipfeltreffens selbst zu gewalttätigen Ausschreitungen kommen würde. Es bestehe die Gefahr, dass der geplante Sternmarsch zu einem besonderen Anziehungspunkt für militante Störer werde. Dem Gericht liegen keine Anhaltspunkte vor, nach der diese aktualisierte Einschätzung der Gefahrenlage offensichtlich fehlsam ist. Angesicht der geschilderten Risiken ist es nicht geboten, eine einstweilige Anordnung zur Sicherung der Durchführung der geplanten Versammlung und damit zum Schutze des Grundrechts der Versammlungsfreiheit zu erlassen. Dabei fällt auch ins Gewicht, dass es den Veranstaltern aufgrund der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht verwehrt ist, ihr Anliegen auf einer öffentlichen Versammlung durchzuführen, wenn auch außerhalb der Verbotszone und damit mehrere Kilometer entfernt, aber nicht ohne jeglichen Bezug auf den Ort der Veranstaltung, gegen die sich der Protest richtet.

41 Verfassungsbeschwerde der Stadt Dresden in Sachen Waldschlösschenbrücke ohne Erfolg Im August 1996 beschloss der Stadtrat von Dresden den Bau einer Brücke über die Elbe, der so genannten Waldschlösschenbrücke. Nachdem aufgrund geänderter Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat der Bau der Brücke in Frage stand, sprach sich im Februar 2005 die Mehrheit der Bürger von Dresden im Wege eines Bürgerentscheids für den Bau der Brücke aus. Im Juli 2006 setzte das Welterbekomitee das Elbtal, das 2004 in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen worden war, wegen des beabsichtigten Baus der Waldschlösschenbrücke auf die Liste des gefährdeten Erbes der Welt. Durch mehrere Beschlüsse des Stadtrates wurde der Oberbürgermeister von Dresden daraufhin beauftragt, die Vergabe von Bauleistungen und den Baubeginn der Brücke auszusetzen und mit der UNESCO Gespräche zu führen, um den Welterbestatus zu erhalten. Hierauf ordnete das Regierungspräsidium als Rechtsaufsichtsbehörde an, unverzüglich die Bauaufträge für den Bau der Brücke zu erteilen, um den Bürgerentscheid zu verwirklichen. Da die Stadt Dresden dieser Anordnung nicht nachkam, traf das Regierungspräsidium selbst die für den Bau der Brücke erforderlichen Vergabeentscheidungen und erklärte die Entscheidung für sofort vollziehbar. Der Antrag der Stadt Dresden auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wurde vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde der Stadt Dresden, verbunden mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, wurde von der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts nicht zur Entscheidung angenommen. Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Die Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts verletzt die Stadt Dresden nicht in ihrem Recht aus Art. 19 Abs. 4 GG (Rechtsschutzgarantie). Das Oberverwaltungsgericht hat zwar lediglich eine vorläufige Prüfung der Rechtmäßigkeit der Bescheide des Regierungspräsidiums vorgenommen. Zu einer abschließenden Prüfung war es im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verfassungsrechtlich aber auch nicht verpflichtet. Es hat die Erfolgsaussichten in der Hauptsache eingehend geprüft und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der in der Hauptsache angegriffenen Entscheidungen des Regierungspräsidiums nicht festzustellen sei. Selbst wenn das Gericht im Hauptsacheverfahren zu dem Ergebnis kommen sollte, dass die Welterbekonvention formal wirksam in die deutsche Rechtsordnung transformiert worden ist, stünden völkervertragliche Verpflichtungen einer Entscheidung für die Umsetzung des Bürgerentscheides nicht notwendig entgegen. Die Welterbekonvention bietet nach Konzeption und Wortlaut keinen absoluten Schutz gegen jede Veränderung der eingetragenen Stätten des Kultur- und Naturerbes. Die Vertragsstaaten des Übereinkommens haben ausdrücklich die Souveränität der Staaten, in deren Hoheitsgebiet sich die geschützten Stätten befinden, und die bestehenden Eigentumsrechte anerkannt. Die Erfüllung des Schutzauftrages ist zuvörderst Aufgabe der Vertragsstaaten. In seiner internationalen Dimension konkretisiert sich der Schutzauftrag in der Einrichtung eines Systems internationaler Zusammenarbeit und Hilfe, das die Vertragsstaaten in ihren Bemühungen um die Erhaltung und Erfassung (des Kultur- und Naturerbes) unterstützen soll. In Anbetracht dieses völkerrechtlichen Rahmens ist es verfassungsrechtlich möglich, dass sich der in einer förmlichen Abstimmung festgestellte Bürgerwille, als authentische Ausdrucksform unmittelbarer Demokratie, in einem Konflikt über die planerische Fortentwicklung einer Kulturlandschaft durchsetzt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn zuvor in einem Verhandlungsprozess erfolglos nach einer Kompromisslösung gesucht wurde. Als Folge müssen dann die möglichen Nachteile aus der Entscheidung wie etwa der Verlust des Welterbestatus und ein damit einhergehender Ansehensverlust in Kauf genommen werden.

42 Erfolglose Verfassungsbeschwerden in Sachen Emissionshandel Am 15. Juli 2004 traten das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) und am 31. August 2004 das Zuteilungsgesetz 2007 in Kraft. Mit diesen Gesetzen wurde die von der Europäischen Gemeinschaft erlassene Emissionshandelsrichtlinie umgesetzt, deren Ziel es ist, durch eine kosteneffiziente Verringerung von Kohlendioxid-Emissionen zum weltweiten Klimaschutz beizutragen. Nach dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz bedürfen die Betreiber bestimmter industrieller Anlagen für die Freisetzung von Treibhausgasen einer Genehmigung. Dem Betreiber der Anlage werden Zertifikate über die Befugnis zur Emission von Treibhausgasen zugeteilt, und zwar nach Maßgabe des Zuteilungsgesetzes 2007; dieses legt die Gesamtmenge an Kohlendioxid-Emissionen in Deutschland für die Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 fest. Durch eine wachsende Verknappung der Berechtigungen soll die Reduzierung der Treibhausgase erreicht werden. I. Die Verfassungsbeschwerde der in Deutschland tätigen Aluminiumproduzenten (1 BvR 1847/05), die sich gegen das Zuteilungsgesetz 2007 richtete, wurde von der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts nicht zur Entscheidung angenommen, da sie nicht binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten des Gesetzes eingelegt worden und damit unzulässig war. II. Auch die Verfassungsbeschwerde eines Unternehmens der Zementindustrie (1 BvR 2036/05) war erfolglos. Dieses hatte vor den Verwaltungsgerichten gegen seine Pflichten nach dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz geklagt. Das Bundesverwaltungsgericht stellte daraufhin fest, dass durch die Einführung des Emissionshandelssystems weder in das europarechtlich geltende Eigentumsgrundrecht noch in die ebenfalls europarechtlich gewährleistete Berufsfreiheit unverhältnismäßig eingegriffen werde. Auch sei kein Verstoß gegen Bestimmungen des Grundgesetzes erkennbar, insbesondere seien die im TEHG getroffenen Zuständigkeitsregeln mit den verfassungsrechtlichen Kompetenzbestimmungen vereinbar. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen. Die 3. Kammer des Ersten Senats kam zu dem Ergebnis, dass die Verfassungsbeschwerde bereits weitgehend unzulässig ist; insbesondere hält sie, soweit eine Grundrechtsverletzung durch abgeleitetes Gemeinschaftsrecht geltend gemacht wird, nicht die im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Oktober 1986 (Solange II Entscheidung) aufgestellten Voraussetzungen ein. Im Übrigen fehlt es an der Erfolgsaussicht der Sache:

43 1. Die Zuständigkeitsvorschrift des 20 TEHG ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die darin geregelte Zuständigkeitsverteilung zwischen Landesbehörden und dem Umweltbundesamt entspricht trotz in der Verwaltungspraxis bestehender Anfangsschwierigkeiten und Auslegungsprobleme noch den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Normenklarheit und Widerspruchsfreiheit. 20 TEHG begründet in der Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht keine verfassungsrechtlich unzulässige Form der Mischverwaltung. Mitentscheidungsbefugnisse zwischen dem Umweltbundesamt und den Landesbehörden sind danach nicht vorgesehen. Das Umweltbundesamt und die Landesbehörden entscheiden für den ihnen jeweils zugewiesenen Sachbereich in eigener Verantwortung. Schließlich werden durch die Zuständigkeitsverteilung in 20 TEHG auch nicht die Vorgaben des Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG verletzt. Danach kann der Bund für Angelegenheiten, für die ihm die Gesetzgebung zusteht, durch Bundesgesetz selbständige Bundesoberbehörden errichten. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Bund die Aufgabenübertragung an das Umweltbundesamt nach 20 Abs. 1 Satz 2 TEHG für einen bundeseinheitlichen Vollzug für erforderlich gehalten hat. 2. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verletzt wegen der unterlassenen Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens (Art. 234 EG) nicht das Recht der Beschwerdeführerin auf den gesetzlichen Richter. Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften noch nicht vor oder hat er die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung nur als entfernte Möglichkeit, so wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur dann verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat. Vorliegend ist eine willkürliche Handhabung des Kooperationsverhältnisses nach Art. 234 EG nicht festzustellen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit den Vorgaben der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften bezüglich der gemeinschaftsrechtlichen Grundrechte des Eigentumsschutzes und der Berufsfreiheit auseinandergesetzt und ist zu einem vertretbaren Ergebnis gekommen. Dabei ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Bundesverwaltungsgericht in Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben eine detailliertere Verhältnismäßigkeitsprüfung als der Gerichtshof durchgeführt hat, die der Kontrolldichte deutscher Gerichte entspricht. Dies ist Teil des Dialogs der Gerichte in der Gemeinschaft. Vgl. hierzu auch Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts zum Normenkontrollantrag.

44 Normenkontrollantrag von Sachsen-Anhalt in Sachen Emissionshandel erfolglos Seit dem Jahr 2005 besteht in Europa die Möglichkeit, mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen zu handeln. Grundlage hierfür ist die von der Europäischen Gemeinschaft erlassene Emissionshandelsrichtlinie. Danach sind von den teilnehmenden Staaten an die ansässigen Betriebe Emissionszertifikate auszugeben. Sie berechtigen zum Ausstoß einer bestimmten Menge von Treibhausgasen. Unterschreiten die Emissionen die in den Emissionszertifikaten festgelegten Grenzen, können die betreffenden Unternehmen die Zertifikate an andere Unternehmen verkaufen, deren Treibhausgasausstoß die ihnen zugewiesenen Kontingente überschreitet. Der Handel soll auf eine kosteneffiziente und wirtschaftlich effiziente Weise auf eine Verringerung von Treibhausgasemissionen hinwirken. Der deutsche Gesetzgeber hat in Umsetzung des Gemeinschaftsrechts unter anderem das Zuteilungsgesetz 2007 (ZuG 2007), das am 31. August 2004 in Kraft getreten ist, erlassen. Dieses legt die Gesamtmenge an Kohlendioxid- Emissionen in Deutschland für die Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 sowie Regeln für die Zuteilung von Emissionsberechtigungen fest. Das Zuteilungsgesetz 2007 unterscheidet zwischen bestehenden Anlagen und Neuanlagen. Neuanlagen werden bei der Zuteilung von Berechtigungen gegenüber bestehenden Anlagen aufgrund unterschiedlicher Zuteilungsregeln grundsätzlich begünstigt. Eine besondere Zuteilungsregelung enthält 12 ZuG 2007, der die Anerkennung frühzeitiger Emissionsminderungen vorsieht. Emissionsminderungen auf Grund von Modernisierungsmaßnahmen zwischen dem und dem werden für zwölf auf den Abschluss der Modernisierungsmaßnahme folgende Kalenderjahre bei der Zuteilung gegenüber nicht modernisierten Bestandsanlagen bevorteilt. Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, dass die erheblichen Vorleistungen bei der Sanierung der Industrie und Energiewirtschaft insbesondere in den neuen Bundesländern jedenfalls teilweise bei der Zuteilung berücksichtigt werden können. Das vorliegende Normenkontrollverfahren betrifft 12 ZuG Die Regierung des Landes Sachsen-Anhalt ist der Meinung, dass die Norm insbesondere mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar sei, da sie frühzeitige Modernisierungsmaßnahmen nicht hinreichend würdige. Besonders für viele ostdeutsche Unternehmen ergäben sich hierdurch Wettbewerbsnachteile. Unternehmen, die durch Modernisierungsmaßnahmen in den neunziger Jahren bereits frühzeitig zur Minderung von Treibhaus-Emissionen beigetragen haben, würden benachteiligt. Deren Vorleistungen würden entweder gar nicht (bei Modernisierung bis 1994), oder verglichen mit Neuanlagen nur zu einem geringen Maß (bei Modernisierung bis einschließlich 2002) anerkannt. Im Vergleich mit Unternehmen, die in der Vergangenheit keinerlei Emissionsreduktion herbeigeführt haben, würden Unternehmen, die am längsten und umfangsreichsten zur Minderung des Kohlendioxidausstoßes beigetragen haben, bei der handelbaren Emissionsmenge stark benachteiligt. Der Normenkontrollantrag hatte keinen Erfolg. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts stellte fest, dass 12 ZuG 2007 mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Insbesondere verletzt die Regelung nicht das Gleichbehandlungsgebot. Die Bevorzugung von Neuanlagen bzw. nach 2005 modernisierten Anlagen gegenüber frühzeitig modernisierten Anlagen ist sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber darf im Interesse eines aktiven Klimaschutzes besondere Investitionsanreize für zusätzliche Neuanlagen und künftige Modernisierungen vorsehen. Hierin liegen gerade Sinn und Zweck des Emissionshandels.

45 Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: I. Das Bundesverfassungsgericht kann die Verfassungsmäßigkeit des 12 ZuG 2007 vollumfänglich prüfen. Zwar wird auch die innerstaatliche Umsetzung von Richtlinien des Gemeinschaftsrechts, die zwingende Vorgaben enthalten, vom Bundesverfassungsgericht und den Fachgerichten nicht am Maßstab des Grundgesetzes gemessen, solange die Europäischen Gemeinschaften einen wirksamen Schutz der Grundrechte der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell gewährleisten, der dem vom Grundgesetz jeweils als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist (Solange II - Rechtsprechung). Die Anerkennung frühzeitiger Emissionsminderungen, wie 12 ZuG 2007 sie vorsieht, ist jedoch ausdrücklich in das Gestaltungsermessen der Mitgliedstaaten gestellt und hat daher keinen verpflichtenden Charakter. II. 12 ZuG 2007 verletzt nicht das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG. Eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Anlagen, bei denen bereits frühzeitig Emissionsminderungen vorgenommen wurden ( 12 ZuG 2007), gegenüber Anlagen, die im Jahr 2005 oder später durch eine Neuanlage ersetzt wurden ( 10 ZuG 2007), liegt nicht vor. Die Begünstigung von Neuanlagen gegenüber Anlagen mit frühzeitigen Emissionsminderungen bei der Vergabe von Zertifikaten ist sachlich gerechtfertigt. 10 ZuG 2007 hat in besonderem Maße die Zielerreichung die Minderung der Treibhausgasemissionen bis 2012 um 21 % gegenüber 1990 im Blick. Die Vorschrift schafft für zusätzliche Neuanlagen Innovationsanreize und dient damit dem aktiven Klimaschutz. Maßnahmen, die vor Inkrafttreten des Emissionshandelssystems ergriffen wurden, haben dagegen keine weiteren Klimaschutzeffekte. Bei 12 ZuG 2007 geht es nur noch um eine angemessene Honorierung für Vergangenes. Auch bei einem Vergleich der Zuteilung für nach dem 1. Januar 2005 vorgenommene bloße Modernisierungen von Altanlagen mit der Zuteilung für frühzeitige Emissionsminderungen nach 12 ZuG 2007 kann eine verfassungsrechtlich ungerechtfertigte Ungleichbehandlung nicht festgestellt werden. Der Gesetzgeber darf für künftige Modernisierungen besondere Anreize vorsehen, zumal dann, wenn die erreichten Kohlendioxid-Reduktionen von beträchtlichem Ausmaß sind. Hierin liegen gerade Sinn und Zweck des Emissionshandels. Eine verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von unter 12 ZuG 2007 fallenden Anlagen im Vergleich zu Anlagen, die vor dem Jahr 1994 modernisiert wurden, liegt ebenfalls nicht vor. Zwar erhält ein Betreiber, der seine Anlagen bis Ende 1993 modernisiert und dadurch zur Reduktion der Treibhausgase beigetragen hatte, keine Vergünstigung. Er wird behandelt wie Betreiber nicht modernisierter Bestandsanlagen. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch gerechtfertigt. Die Anknüpfung an den Stichtag 31. Dezember 1993 ist von der Bundesregierung sachgerecht damit begründet worden, dass belastbares Datenmaterial, das für die Feststellung einer relevanten frühzeitigen Emissionsminderungsmaßnahme erforderlich ist, anderenfalls nicht greifbar gewesen wäre. Im Übrigen ist auch die Erwägung des Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass er solche Maßnahmen unter klimapolitischem Blickwinkel aus Sicht des heutigen Standes der Technik nicht mehr für besonders honorierungswürdig hält, die bei Inkrafttreten des Emissionshandels mindestens elf Jahre zurück liegen und von denen heute kein zusätzlicher Nutzen für eine weitere Reduktion der Treibhausgasemissionen mehr ausgeht.

46 Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde eines Strafverteidigers gegen die Überwachung seines Mobiltelefonanschlusses Der Beschwerdeführer, ein Rechtsanwalt, wurde für einen des schweren Raubes verdächtigen Mandanten als Verteidiger tätig. Im Ermittlungsverfahren gegen den beschuldigten Mandanten, der sich nach Italien abgesetzt hatte, ordnete das Amtsgericht die Überwachung des Mobiltelefonanschlusses des Beschwerdeführers an, um auf diese Weise den Aufenthaltsort des Beschuldigten zu ermitteln. In der Folgezeit leitete die Staatsanwaltschaft auch ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachts der Geldwäsche ein. Dieses Verfahren wurde jedoch nach Durchführung verschiedener strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen (Verlängerung der Telefonüberwachung, Durchsuchung der Kanzlei- und Wohnräume) eingestellt. Der Beschwerdeführer legte unter anderem gegen die erstmalige Anordnung der Telefonüberwachung Beschwerde ein. Das Landgericht verwarf die Beschwerde als unbegründet. Zwar trage die Begründung des Amtsgerichts die erstmalige Überwachungsanordnung nicht, da die Überwachung des Telefons eines Strafverteidigers nur dann in Betracht komme, wenn er selbst Beschuldigter einer Katalogtat sei. Dieser Begründungsfehler sei jedoch geheilt worden, da bereits im Zeitpunkt der erstmaligen Anordnung der Telefonüberwachung auf Grund der damaligen Beweislage der Verdacht der Geldwäsche gegen den Beschwerdeführer bestanden habe. Die Verfassungsbeschwerde war erfolgreich, soweit sie sich gegen die erstmalige Überwachungsanordnung richtet. Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hob die gerichtlichen Entscheidungen auf, da sie den Beschwerdeführer in seinem Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) und in seiner Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) verletzen. Hinsichtlich der übrigen, ebenfalls angegriffenen Ermittlungsmaßnahmen wurde die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Die erstmalige Anordnung der Telefonüberwachung und der sie bestätigende Beschluss des Landgerichts verletzen den Beschwerdeführer in seinem Fernmeldegeheimnis. Zwar ist es nicht von vorneherein und in jedem Fall unstatthaft, den Fernsprechanschluss eines Rechtsanwalts, der sich als Strafverteidiger betätigt, nach Maßgabe der Strafprozessordnung überwachen zu lassen. Anders verhält es sich jedoch, wenn die Maßnahme auf die Überwachung der Kommunikation zwischen Strafverteidiger und seinem beschuldigten Mandanten abzielt. Eine derartige Abhörmaßnahme stünde in unlösbarem Widerspruch zur Rechtsgarantie des unüberwachten mündlichen Verkehrs zwischen dem Strafverteidiger und dem Beschuldigten. Diese Rechtsgarantie dient der Gewährleistung einer wirksamen Strafverteidigung, indem sie die Vertrauensbeziehung zwischen dem Verteidiger und dem Beschuldigten nach außen abschirmt und gegen Eingriffe schützt. Da zwischen dem Beschwerdeführer und dem Beschuldigten ein Verteidigerverhältnis bestanden hatte, war die Überwachungsanordnung verfassungswidrig.

47 Eine Heilung der Überwachungsanordnung im Beschwerdeverfahren war hier durch ein Auswechseln der rechtlichen Begründung nicht möglich. Für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Maßnahme kommt es allein auf die konkrete Anordnung auf der Grundlage der vom Ermittlungsrichter vorgenommenen Prüfung des Tatverdachts an, nicht dagegen auf einen anderen möglichen, vom Ermittlungsrichter aber nicht angenommenen und nicht geprüften Tatverdacht. Im Zeitpunkt der Überwachungsanordnung war gegen den Beschwerdeführer noch nicht einmal ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Vielmehr richtete sich das damalige Ermittlungsverfahren ausschließlich gegen den Mandanten des Beschwerdeführers, und die Maßnahme diente allein der Ermittlung seines Aufenthaltsorts. Der Ermittlungsrichter hatte im Zeitpunkt des Erlasses der Überwachungsanordnung einen Anfangsverdacht gegen den Beschwerdeführer nicht geprüft. Ebenso wenig ergibt sich dementsprechend aus dem Beschluss, dass Ziel der Maßnahme die Gewinnung von Beweisen im Hinblick auf eine etwaige Geldwäschestraftat des Beschwerdeführers wäre. Die Abhörmaßnahme erhielte durch den Austausch nicht nur der Anlasstat, sondern auch des Beschuldigten und der Zielrichtung ein wesentlich anderes Gepräge. Darüber hinaus hat eine Berücksichtigung des verfassungsrechtlich besonders geschützten Mandatsverhältnisses nicht stattgefunden, da das Amtsgericht trotz entgegenstehender Anhaltspunkte nicht vom Vorliegen eines Verteidigerverhältnisses zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Mandanten ausgegangen ist.

48 Verfassungsbeschwerde des Anwalts von El Masri gegen Telefonüberwachung erfolgreich Der Beschwerdeführer ist anwaltlicher Vertreter des von Dezember 2003 bis Mai 2004 mutmaßlich von Geheimdienstkreisen entführten Khaled El Masri. Im Januar 2006 ordnete das Amtsgericht München die Überwachung des Telefonund Telefaxanschlusses der Rechtsanwaltskanzlei des Beschwerdeführers sowie seiner beiden Mobilfunkgeräte an. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass auf Grund der verstärkten Medienberichterstattung über den Fall El Masri damit gerechnet werden müsse, dass die Täter der Entführung telefonisch mit dem Geschädigten oder dem Beschwerdeführer in Verbindung träten, um eine Lösung des Falles zu diskutieren. Das Landgericht München I bestätigte die Überwachungsanordnung. Aufgrund des Ende 2005 (wieder-) erwachten Medieninteresses sei die Annahme des Amtsgerichts nicht zu beanstanden, dass sich dem Täterkreis nahe stehende Personen an den Beschwerdeführer wenden könnten, um Vereinbarungen zu treffen, die den Geschädigten aus dem Blickfeld der Medien nehmen sollten. Die gegen die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts erhobene Verfassungsbeschwerde war erfolgreich. Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hob die Entscheidungen auf, da sie den Beschwerdeführer in seinem Fernmeldegeheimnis und seiner Berufsausübungsfreiheit verletzen. Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Der in der Anordnung der Abhörmaßnahme liegende Eingriff in das Fernmeldegeheimnis ist nicht gerechtfertigt. Die Maßnahme diente zwar dem legitimen öffentlichen Zweck der Aufklärung und Verfolgung schwerer Straftaten. Der Eingriff war jedoch unverhältnismäßig. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer von den Tätern kontaktiert werden würde, war von vornherein so gering, dass die Erfolgsaussichten der Maßnahme außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs standen. Die Umstände, die aus Sicht der Fachgerichte Kontakte zwischen dem Beschwerdeführer und dem Täterumfeld erwarten ließen, sind wenig konkret und tragen lediglich den Charakter von Vermutungen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das Ende der Entführung schon mehr als eineinhalb Jahre zurücklag. Soweit sich die Fachgerichte auf ein Ende des Jahres 2005 (wieder-) erwachtes Medieninteresse berufen, bleiben die Angaben zu unbestimmt. Das Landgericht setzt sich insbesondere nicht damit auseinander, dass bereits ab Beginn des Jahres 2005, auch in der ausländischen Presse und auch unter Nennung des Namens des Beschwerdeführers, über die Verschleppung des El Masri durch Geheimdienstkreise berichtet worden war. Es ist nicht ersichtlich, weshalb eine Kontaktaufnahme durch die Täter erst und gerade ab Januar 2006 zu erwarten gewesen wäre. Darüber hinaus verletzt die Maßnahme die Berufsausübungsfreiheit des Beschwerdeführers. Die herausgehobene Bedeutung einer nichtkontrollierten Berufsausübung eines Rechtsanwalts zum Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant gebietet die besonders sorgfältige Beachtung der Eingriffsvoraussetzungen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und hätte die Fachgerichte zu einer Ablehnung der Anordnung veranlassen müssen.

49 Begrenzung der gesetzlichen Rechtsanwaltsvergütung bei besonders hohen Streitwerten verfassungsgemäß Mit Wirkung zum 1. Juli 2004 wurde die Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung durch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) ersetzt. Wie bereits nach der früheren Regelung berechnen sich die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit nach dem Gegenstandswert der Angelegenheit, dem bestimmte Gebührensätze zugeordnet werden. Welche Gebühren im Einzelnen anfallen, hängt von der Art der vom Rechtsanwalt vorgenommenen Tätigkeit ab. Die Vereinbarung einer höheren Vergütung ist grundsätzlich zulässig. Niedrigere Vergütungen können nur in außergerichtlichen Angelegenheiten vereinbart werden. Nach den früheren Bestimmungen war die Höhe des Gegenstandswerts und damit die Höhe der gesetzlichen Vergütung nach oben nicht begrenzt, während das nunmehr geltende Rechtsanwaltsvergütungsgesetz eine Begrenzung vorsieht: Nach 22 Abs. 2 RVG beträgt der Gegenstandswert höchstens 30 Millionen Euro, bei mehreren Auftraggebern insgesamt höchstens 100 Millionen Euro. Damit beläuft sich bei einem Auftraggeber eine Gebühr auf maximal Kommt es zum Rechtsstreit vor den Zivilgerichten, fallen im ersten Rechtszug bei einer 1,3-Verfahrensgebühr und einer 1,2-Terminsgebühr also maximal netto an. Demgegenüber betrug nach früherem Recht bei einem Rechtsstreit vor den Zivilgerichten mit einem Streitwert beispielsweise von 50 Millionen Euro die Vergütung netto , bei 200 Millionen Euro Streitwert netto Die Verfassungsbeschwerden einer aus Rechtsanwälten bestehenden Partnergesellschaft und einer Rechtsanwaltssozietät gegen die gesetzliche Kappungsgrenze waren ohne Erfolg. Die Begrenzung der gesetzlichen Gebühren für Rechtsanwälte bei Streitigkeiten mit besonders hohen Gegenstandswerten ist mit dem Grundgesetz vereinbar, insbesondere ist das Grundrecht der Berufsfreiheit nicht verletzt. Dies entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts. Die Entscheidung ist mit 7 : 1 Stimmen ergangen. Richter Gaier hat der Entscheidung eine abweichende Meinung angefügt. Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: 1. In der angegriffenen Änderung des bestehenden Systems der Anwaltshonorierung durch die Einführung von Wertgrenzen für die Bestimmung der gesetzlichen Vergütung liegt weder ein Eingriff in die Berufsfreiheit noch eine Maßnahme mit eingriffsgleicher Wirkung. Die gesetzliche Vergütungsregelung dient dem Schutz der Rechtsuchenden, indem in generalisierender Form für alle anwaltlichen Leistungen Pauschalvergütungssätze vorgesehen sind. Die gesetzlichen Gebühren geben dem Rechtsuchenden Rechtssicherheit bei der Kalkulation der möglichen Kosten. Die gesetzliche Regelung geht typisierend vor und sichert daher nicht in jedem Einzelfall, dass die Gebühr genau dem Wert und dem Umfang der anwaltlichen Leistung entspricht. Bestimmend ist insofern das gesetzgeberische Ziel, den Anwälten für ihre Tätigkeit insgesamt eine angemessene Vergütung zu ermöglichen. Darüber hinaus steht dem Rechtsanwalt der Weg einer Honorarvereinbarung offen. Der gesetzlichen Gebührenregelung kommt daher insoweit nur dispositive Wirkung zu. An dieser Rechtslage hat sich durch die Neuregelung im Grundsatz nichts geändert. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit bleibt unberührt. Dass potentielle Mandanten möglicherweise eine anwaltliche Betreuung unter Anwendung der gesetzlichen Gebühr bevorzugen, widerspricht dem Gedanken der Vertragsfreiheit nicht. Gelingt es dem Anwalt nicht, ein höheres

50 Honorar zu vereinbaren, realisiert sich das allgemeine Risiko, das mit der wirtschaftlichen Verwertung einer beruflich erbrachten Leistung am Markt verbunden ist. Die frühere Gebührenregelung, die jenseits der Wertgrenze höhere Gebühren vorsah und daher für die Rechtsanwälte einen geringeren Anreiz für Honorarvereinbarungen enthielt, hat keinen Vertrauensschutztatbestand geschaffen und den Rechtsanwälten das Risiko eines Misslingens von Honorarverhandlungen nicht mit der Wirkung abgenommen, dass eine Veränderung der gesetzlich geschaffenen Anreizstruktur als Grundrechtseingriff oder Maßnahme mit eingriffsgleicher Wirkung anzusehen wäre. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass durch die dispositive Gebührenfestlegung für Großverfahren jenseits der Wertgrenze eine Gebührenvereinbarung so stark erschwert wird, dass darin eine Beeinträchtigung der Berufsfreiheit liegt. In den vorliegend maßgebenden Großverfahren ist aus Sicht der am Streit Beteiligten die absolute Summe des Anwaltshonorars im Verhältnis zu dem absoluten Wert der im Streit befindlichen Angelegenheit regelmäßig nicht von maßgebender Bedeutung für die Bereitschaft zur Führung eines Prozesses. Dementsprechend wird das Interesse der Beteiligten an einem kompetenten, gegebenenfalls durch eine Mehrzahl spezialisierter Anwälte geleisteten rechtlichen Beistand in vielen Fällen so groß sein, dass sie bereit sein werden, dafür auch ein ausgehandeltes Honorar zu zahlen. 2. Selbst wenn ein Eingriff oder wie Richter Gaier in seinem Sondervotum meint eine eingriffsgleiche Beeinträchtigung der Berufsfreiheit anzunehmen wäre, ist die Neuregelung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die angegriffenen Bestimmungen werden dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht. Ziel der angegriffenen auf die Sicherung einer ordnungsgemäß funktionierenden Rechtspflege ausgerichteten Regelung ist es, im Interesse effektiver Justizgewähr bei hohen Streitwerten das Entstehen unverhältnismäßig hoher Gebühren zu vermeiden. Darüber hinaus dient die Regelung gesetzlicher Gebühren für anwaltliche Tätigkeiten, insbesondere die Festlegung der Mindestgebühr, die im Falle einer Honorarvereinbarung nicht unterschritten werden darf, auch dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Rechtsanwaltschaft. Bei Abwägung der Vor- und Nachteile für die jeweils betroffenen Rechtsgüter der Rechtsanwälte einerseits und der Rechtsuchenden andererseits begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Gesetzgeber durch die veränderte Gebührenregelung den Zugang zum Gericht erleichtert und dadurch den Schutz der rechtsuchenden Bürger verstärkt hat, ohne den Anwälten ein angemessenes Honorar zu verweigern. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass Anwälten mit der Begrenzung auf Gebühren, die bei einem Streitwert von 30 Millionen Euro entstehen, ein im Verhältnis zu ihrer Leistung angemessenes Honorar verweigert wird und es ihnen dann, wenn der Aufwand eine höhere Honorierung erfordert, grundsätzlich nicht möglich ist, dies durch Honorarvereinbarung zu sichern.

51 Sondervotum des Richters Gaier Nach Auffassung des Richters Gaier stellt die gesetzliche Regelung eine eingriffsgleiche Beeinträchtigung der Berufsfreiheit dar. Sie hindere den Berufsträger an der privatautonomen Vereinbarung seines Honorars. Die Möglichkeit der Vereinbarung einer höheren als der gesetzlich geregelten Vergütung ändere hieran nichts Entscheidendes. Denn die Regelung der gesetzlichen Gebühren schwäche die Position der Rechtsanwälte bei Verhandlungen über Honorarvereinbarungen insbesondere deshalb, weil in Rechtsstreitigkeit nur die gesetzlichen Gebühren, nicht aber ein höheres vereinbartes Honorar zu erstatten sei. Darüber hinaus entspreche die Begrenzung der gesetzlichen Vergütung der Rechtsanwälte nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Es fehle an einem angemessenen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen von Rechtsanwälten und Mandanten. Die Regelung belaste einseitig die betroffenen Rechtsanwälte, weil ein kostendeckendes Honorar insbesondere bei aufwändigen und langwierigen Verfahren mit extrem hohen Streitwerten nicht sichergestellt sei. Sie würden zur Subventionierung der Rechtsverfolgung leistungsstarker Mandanten und insbesondere großer Wirtschaftsunternehmen herangezogen, während die breite Masse der Rechtsuchenden mit einem vergleichsweise deutlich höheren Kostenrisiko belastet bleibe. Ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen der Rechtsuchenden und den Interessen der Rechtsanwälte könne nur durch eine Gebührenstruktur ohne Kappungsgrenze erfolgen, die jedoch bei hohen Streitwerten zu einem erheblich geringeren Honorar als nach früherem Recht führen müsse.

52 Einführung des Ethikunterrichts in Berlin als Pflichtfach verfassungsgemäß Mit Wirkung für das Schuljahr 2006/2007 wurde im Land Berlin für die Jahrgangsstufen 7 bis 10 der öffentlichen Schulen das Fach Ethik als ordentliches Lehrfach eingeführt. Grundlage hierfür ist eine neu gefasste Bestimmung des Schulgesetzes für das Land Berlin. Die Einführung des Lehrfachs erfolgte zunächst in der Jahrgangsstufe 7, in den Folgejahren wird der Unterricht auf jeweils eine weitere Jahrgangsstufe erstreckt. Der Ethikunterricht tritt als Pflichtfach ohne Abmeldemöglichkeit neben den Religionsunterricht. Die Teilnahme am Religionsunterricht ist freiwillig. Nachdem ihre Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen das Schulgesetz als unzulässig abgewiesen worden war (vgl. hierzu Pressemitteilung Nr. 67/2006 vom 20. Juli 2006), beantragten die Beschwerdeführer eine 13- jährige Schülerin und ihre Eltern unter Berufung auf religiöse Erwägungen und Gewissensbedenken bei der Berliner Schulverwaltung die Befreiung des Mädchens von der Teilnahme am Ethikunterricht. Zugleich stellten sie beim Verwaltungsgericht den Eilantrag auf Freistellung vom Besuch des Unterrichtsfachs Ethik. Ihr Begehren blieb ohne Erfolg. Die nunmehr erneut erhobene Verfassungsbeschwerde ist von der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts nicht zur Entscheidung angenommen worden, da die Einführung eines verbindlichen Ethikunterrichts ohne Abmeldemöglichkeit weder die Religionsfreiheit der Schülerin noch das Erziehungsrecht ihrer Eltern verletzen. Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Die Offenheit für eine Vielfalt von Meinungen und Auffassungen ist konstitutive Voraussetzung einer öffentlichen Schule in einem freiheitlichdemokratisch ausgestalteten Gemeinwesen. Der Landesgesetzgeber darf der Entstehung von religiös oder weltanschaulich motivierten Parallelgesellschaften entgegenwirken und sich um die Integration von Minderheiten bemühen. Integration setzt nicht nur voraus, dass die religiös oder weltanschaulich geprägte Mehrheit jeweils anders geprägte Minderheiten nicht ausgrenzt; sie verlangt auch, dass diese sich selbst nicht abgrenzt und sich einem Dialog mit Andersdenkenden und Andersgläubigen nicht verschließt. Dies im Sinne gelebter Toleranz einzuüben und zu praktizieren, kann für den Landesgesetzgeber eine wichtige Aufgabe der öffentlichen Schule sein. Die Fähigkeit aller Schüler zu Toleranz und Dialog ist eine Grundvoraussetzung nicht nur für die spätere Teilnahme am demokratischen Willensbildungsprozess, sondern auch für ein gedeihliches Zusammenleben in wechselseitigem Respekt vor den Glaubensüberzeugungen und Weltanschauungen anderer. Im Rahmen des staatlichen Erziehungsauftrags darf der Landesgesetzgeber mit Rücksicht auf die tatsächlichen Gegebenheiten und die religiöse Orientierung der Bevölkerung daher die Einführung eines gemeinsamen Ethikunterrichts für alle Schüler ohne Abmeldemöglichkeit vorsehen, um so die damit verfolgten legitimen Ziele gesellschaftlicher Integration und Toleranz zu erreichen und den Schülern eine gemeinsame Wertebasis zu vermitteln. Der Berliner Landesgesetzgeber durfte davon ausgehen, dass bei einer Separierung der Schüler nach der jeweiligen Glaubensrichtung und einem getrennt erteilten Religionsunterricht oder der Möglichkeit der Abmeldung von einem Ethikunterricht den verfolgten Anliegen möglicherweise nicht in gleicher Weise Rechnung getragen werden könne wie durch einen gemeinsamen Pflicht-Ethikunterricht. Der betroffenen Schülerin wird die Teilnahme am Religionsunterricht auch nicht in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise erschwert. Der freiwillige Besuch des Zusatzfachs Religion führt lediglich zu einer geringfügigen zeitlichen Mehrbelastung und besteht zudem unabhängig davon, ob zu den verbindlichen Fächern der Ethikunterricht gehört oder nicht.

53 Drängeln im Stadtverkehr kann strafbare Nötigung sein Dichtes, bedrängendes Auffahren auf den Vordermann kann insbesondere bei gleichzeitigem Betätigen von Lichthupe und Hupe den Tatbestand der Nötigung gemäß 240 Strafgesetzbuch erfüllen und zwar auch dann, wenn es im innerörtlichen Verkehr stattfindet. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des Einzelfalls. Dies entschied die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts. Damit war die Verfassungsbeschwerde eines wegen versuchter Nötigung zu einer Geldstrafe verurteilten Beschwerdeführers erfolglos. Der Beschwerdeführer war mit seinem Fahrzeug innerorts über eine Strecke von knapp 300 Metern bei einer Geschwindigkeit von 40 bis 50 km/h einem vor ihm fahrenden Verkehrsteilnehmer dicht aufgefahren, um diesen zu schnellerem Fahren oder einer Freigabe der Fahrbahn zu veranlassen. Dabei hatte er seine Lichthupe und teilweise auch die Hupe eingesetzt. Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Gewaltanwendung im Sinne des Nötigungsparagrafen liegt vor, wenn der Täter durch körperliche Kraftentfaltung Zwang auf sein Opfer ausübt und dieser Zwang nicht lediglich psychisch wirkt, sondern körperlich empfunden wird. Pauschale Wertungen darüber, wann ein Verhalten im Straßenverkehr körperlichen Zwang auf einen anderen Verkehrsteilnehmer ausübt, können nicht getroffen werden. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Von Bedeutung sind unter anderem die Dauer und Intensität des bedrängenden Auffahrens, die gefahrenen Geschwindigkeiten, die allgemeine Verkehrssituation zum Zeitpunkt des dichten Auffahrens und ob der Täter bei dem Auffahrvorgang zugleich Hupe oder Lichthupe betätigt hat. All diese Faktoren lassen einzeln oder im Verbund Rückschlüsse auf die Auswirkungen des auf seine strafrechtliche Relevanz zu überprüfenden Verhaltens des Betroffenen zu. Werden diese Auswirkungen körperlich empfunden, führen sie also zu physisch merkbaren Angstreaktionen, liegt Zwang vor, der Gewalt sein kann. Auch innerorts ist ein nötigendes Verhalten grundsätzlich möglich. Allerdings bedarf es hier wegen der im Regelfall niedrigeren gefahrenen Geschwindigkeiten einer besonders genauen Prüfung, ob Nötigungsunrecht insbesondere in Abgrenzung zu einer bloßen Ordnungswidrigkeit durch Unterschreiten des Sicherheitsabstandes vorliegt. Diese Maßstäbe hat das Landgericht nicht verkannt. Die angegriffene Entscheidung ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

54 Bayerisches Spielbankenmonopol verfassungsgemäß Das durch Art. 2 Abs. 2 Spielbankengesetz in Bayern errichtete staatliche Spielbankenmonopol ist in seiner derzeitigen rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung verfassungsgemäß. Der Eingriff in die Berufsfreiheit an entsprechender Tätigkeit interessierter privater Unternehmer ist durch überwiegende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dies entschied die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts. Damit war die Verfassungsbeschwerde einer privaten Spielbank- Betreibergesellschaft in Gründung, die sich gegen die Versagung einer Spielbankerlaubnis und mittelbar gegen das staatliche Spielbankenmonopol in Bayern gewandt hatte, erfolglos. Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Dem in Bayern bestehenden staatlichen Spielbankenmonopol liegen legitime Gemeinwohlziele zugrunde. Die gesetzlichen Beschränkungen des Betriebs von Spielbanken dienen in erster Linie der Abwehr von Gefahren für die Bevölkerung, die sich aus der Ausnutzung der Spielleidenschaft ergeben können. Dabei soll der Umstand genutzt werden, dass gegenüber staatlichen Betrieben umfangreichere und intensivere Informations-, Kontroll- und Einwirkungsmöglichkeiten bestehen als gegenüber privaten Unternehmen. Die Bekämpfung von Spiel- und Wettsucht, der Schutz der Spieler vor betrügerischen Machenschaften und ein weitergehender Verbraucherschutz sowie die Abwehr von Gefahren aus mit dem Spiel verbundener Folge- und Begleitkriminalität sind besonders bedeutsame Gemeinwohlziele, die eine Beschränkung der Berufsfreiheit grundsätzlich rechtfertigen können. In seiner gegenwärtigen rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung wahrt das in Bayern errichtete staatliche Spielbankenmonopol auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Es ist konsequent auf das Ziel der Bekämpfung von Spielsucht und problematischem Spielverhalten ausgerichtet. Das Spielbankengesetz begrenzt die Zahl möglicher Spielbanken und beschränkt sie auf bestimmte Orte. Zudem enthalten die Spielbankordnung und die derzeit geltende Spielbankenerlaubnis Maßgaben, die einen hinreichenden rechtlich bindenden Rahmen für eine effektive Suchtprävention bilden. Zu nennen sind insbesondere die Spielverbote etwa für Personen unter 21 Jahren, die Möglichkeit der Selbstsperre, das Kreditverbot sowie die Schulung der Spielbankmitarbeiter in der Suchtprävention. Über die Vorschriften zur Spielbankenaufsicht, die dem Innenministerium zugewiesen ist, sichert das Spielbankengesetz den Vorrang der ordnungsrechtlichen Ziele vor den finanziellen Interessen des Staates. Die rechtlichen Vorgaben werden auch in der praktischen Ausgestaltung umgesetzt. So hat die Staatliche Lotterieverwaltung ein Sozialkonzept erstellt, das Maßnahmen zum Spielerund Jugendschutz vorsieht. In allen Spielbanken finden sich Informationen über Spielsucht und mögliche Hilfsangebote. Die Spielbanken werden nicht in auffallender oder im Alltag allgegenwärtiger Form beworben.

55 Bürgenhaftung des Hauptunternehmers nach dem Arbeitnehmer- Entsendegesetz verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden Nach 1 a Arbeitnehmer-Entsendegesetz haftet ein Unternehmer, der einen Nachunternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt, für die tariflichen Mindestlohnansprüche der bei dem Nachunternehmer beschäftigten Arbeitnehmer wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Diese Vorschrift ist verfassungsgemäß. Der hierdurch bewirkte Eingriff in die durch Art. 12 Grundgesetz geschützte unternehmerische Betätigungsfreiheit der Bauunternehmer ist durch überragend wichtige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dies entschied die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts. Damit war die Verfassungsbeschwerde eines Hauptunternehmers, der von den Arbeitsgerichten zur Zahlung des tariflichen Mindestlohns an einen Arbeitnehmer des von ihm beauftragten portugiesischen Nachunternehmers verurteilt worden war, erfolglos. Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Der Gesetzgeber verfolgt mit der Regelung verfassungsrechtlich legitime Ziele. Indem die betroffenen Arbeitnehmer mit dem Hauptunternehmer einen weiteren Schuldner erhalten, soll sichergestellt werden, dass sie den rechtlich garantierten Mindestlohnanspruch tatsächlich durchsetzen können. Die Erstreckung der tariflichen Mindestlöhne auf Außenseiter soll einem Verdrängungswettbewerb über die Lohnkosten entgegenwirken, dem insbesondere kleine und mittlere Betriebe nicht standhalten können. Diese Maßnahme soll zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Bausektor beitragen. Sie dient damit auch der Erhaltung als wünschenswert angesehener sozialer Standards und der Entlastung der bei hoher Arbeitslosigkeit oder bei niedrigen Löhnen verstärkt in Anspruch genommenen Systeme der sozialen Sicherheit. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist in Verbindung mit der Sicherung sozialer Mindeststandards ein besonders wichtiges Ziel, bei dessen Verwirklichung dem Gesetzgeber gerade unter den gegebenen schwierigen arbeitsmarktpolitischen Bedingungen ein relativ großer Entscheidungsspielraum zugestanden werden muss. Dieser Gemeinwohlbelang, dem auch die Bürgenhaftung Rechnung zu tragen versucht, besitzt eine überragende Bedeutung. Die Bürgenhaftung erscheint auch nicht deshalb als unangemessen, weil dem Hauptunternehmer keine Möglichkeiten zur Verfügung stünden, um sich vor der Inanspruchnahme durch die Arbeitnehmer zu schützen. Nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Vorstellung des Gesetzgebers soll sich der Hauptunternehmer gerade darum bemühen, nur Nachunternehmer zu beauftragen, die eine größtmögliche Gewähr für die Erfüllung der Mindestlohnansprüche der Arbeitnehmer bieten. Eine Unzumutbarkeit der Bürgenhaftung folgt auch nicht daraus, dass sie dem Hauptunternehmer verschuldensunabhängig ohne hinreichende Verantwortungsbeziehung zu dem die Haftung auslösenden Sachverhalt auferlegt würde. Erfüllt der vom Hauptunternehmer beauftragte Nachunternehmer die Mindestlohnansprüche seiner Arbeitnehmer nicht, verwirklicht sich genau das zusätzliche Risiko, das der Hauptunternehmer geschaffen hat, indem er sich des Nachunternehmers zur Ausführung der von ihm geschuldeten, aber nicht durch eigene Arbeitnehmer erbrachten Bauleistungen bedient hat.

56 Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Aufrechterhaltung von Untersuchungshaft Der Beschwerdeführer befindet sich seit dem 15. Juli 2006 wegen des Verdachts des versuchten Mordes mit schwerer Brandstiftung in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft hat noch keine Anklage erhoben. Im September 2006 verwarf das Landgericht Nürnberg-Fürth die Haftbeschwerde des Beschwerdeführers als unbegründet. Im Januar 2007 ordnete das Oberlandesgericht Nürnberg die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus an. Die Besonderheiten des Falles machten gründliche Ermittlungen erforderlich, für die eine lange Bearbeitungszeit zu veranschlagen sei. Das ursprüngliche Geständnis werde von der Verteidigung nicht anerkannt und müsse unabhängig hiervon nachgeprüft werden. Der Abschluss der polizeilichen Ermittlungen sei für die nächste Zeit zu erwarten, nachdem vor kurzem mehrere beim Landeskriminalamt eingeholte Stellungnahmen eingegangen seien. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers, mit der er sich gegen die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft wandte, war erfolgreich. Die 3. Kammer des Zweiten Senats hob den Haftfortdauerbeschluss des Oberlandesgerichts auf, da er den Beschwerdeführer in seinem Freiheitsgrundrecht in Verbindung mit seinem Anspruch auf ein faires Verfahren verletze. Der Beschluss des Oberlandesgerichts lasse nicht mit der in Haftsachen zu fordernden Gewissheit erkennen, dass das Verfahren nicht durch der Justiz anzulastende Fehler in verfassungswidriger Weise verzögert wurde. Das Oberlandesgericht muss unverzüglich erneut in der Sache entscheiden. Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Nach 121 Abs. 1 StPO darf Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zugelassen haben und die Fortdauer der Haft rechtfertigen. Die Sechs-Monats-Frist stellt dabei nur eine Höchstgrenze dar. Aus 121 Abs. 1 StPO kann nicht der Schluss gezogen werden, dass das Strafverfahren bis zu diesem Zeitpunkt nicht dem Beschleunigungsgebot gemäß geführt werden muss. Die Vorschrift erfordert ihrem Wortlaut nach eine doppelte Prüfung. Zum einen müssen Feststellungen darüber getroffen werden, ob die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder andere wichtige Gründe ein Urteil bislang noch nicht zugelassen haben (erste Stufe). Liegen derartige Gründe vor, ist zum anderen erforderlich, dass sie die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigen (zweite Stufe). Der Beschluss des Oberlandesgerichts verhält sich zu diesen Voraussetzungen nicht. Vor allem legt er nicht dar, worin die besonderen Schwierigkeiten oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder gar ein anderer wichtiger Grund bestanden haben sollen, die ein Urteil bislang nicht zuließen. Schließlich hat das für die Durchführung der Hauptverhandlung zuständige Landgericht Nürnberg-Fürth bereits in seiner Haftbeschwerdeentscheidung vom September 2006 festgestellt, dass gegen die Einführung der Aussagen des Beschwerdeführers in das Verfahren keine Bedenken bestehen. Stattdessen beschränkt sich das Oberlandesgericht auf die Feststellung, die Besonderheiten des Falles machten gründliche Ermittlungen erforderlich, für die eine lange Bearbeitungszeit zu veranschlagen sei. Eine Subsumtion unter die engen Voraussetzungen des 121 Abs. 1 StPO ist darin nicht zu erkennen. Weder werden die Besonderheiten des Falles aufgezeigt noch wird dargelegt, welche Ermittlungsmaßnahmen in welchem Stadium des Verfahrens ergriffen wurden. Die materielle Grundrechtsposition des Betroffenen darf nicht durch eine systematische Verkürzung des einfach-rechtlichen Anwendungsprogramms

57 des 121 Abs. 1 StPO entwertet werden. Das Grundrecht der persönlichen Freiheit und das Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren verlangen eine hinreichende Begründung, die das Bundesverfassungsgericht in die Lage versetzt, eine Verletzung des Beschleunigungsgebots in Haftsachen zu prüfen. Ungeachtet dessen könnte die Fortdauer der Untersuchungshaft auch nicht mit der Erwägung gerechtfertigt werden, der Beschwerdeführer habe ohnehin mit einer mehrjährigen Haftstrafe zu rechnen. Die Schwere der Tat und die im Raum stehende Straferwartung sind im Zusammenhang mit 121 StPO ohne jede Bedeutung. Sollte sich im Rahmen der nunmehr erneut durchzuführenden Haftprüfung ergeben, dass über einen Zeitraum von mehreren Wochen oder Monaten hinweg keine verfahrensfördernden Ermittlungshandlungen stattgefunden haben, kann eine Fortdauer der bereits mehr als sechs Monate andauernden Untersuchungshaft nicht angeordnet werden. Organklage der Bundestagsabgeordneten Gauweiler und Wimmer gegen Tornado-Einsatz auch in der Hauptsache erfolglos Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit Beschluss vom 29. März 2007 die Organklage der Bundestagsabgeordneten Gauweiler und Wimmer in Sachen "Tornado-Einsatz" gemäß 24 BVerfGG verworfen. Nach 24 BVerfGG können unzulässige oder offensichtlich unbegründete Anträge durch einstimmigen Beschluss des Gerichts verworfen werden. Die Antragsteller sind als einzelne Abgeordnete nicht befugt, Rechte des Bundestags im Organstreit als Prozessstandschafter geltend zu machen. Eine Verletzung eigener Statusrechte als Abgeordnete haben sie nicht dargetan. Ihr Antrag ist daher unzulässig (vgl. auch Pressemitteilung Nr. 29/2007 vom 12. März 2007 zur Entscheidung über den Eilantrag der beiden Abgeordneten). Keine Strafbarkeit nach 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB bei vorsatzlosem Sich-Entfernen vom Unfallort Nach 142 Abs. 1 des Strafgesetzbuches wird ein an einem Verkehrsunfall Beteiligter bestraft, der sich in Kenntnis des Unfalls vom Unfallort entfernt, ohne zuvor den anderen Unfallbeteiligten und Geschädigten die Feststellung seiner Personalien ermöglicht zu haben. Nach 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB wird darüber hinaus auch der Unfallbeteiligte bestraft, der sich zwar berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, die erforderlichen Feststellungen aber nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht. Letztere Tatbestandsalternative betrifft zum Beispiel den Fall, dass der Unfallbeteiligte eine verletzte Person ins Krankenhaus bringt.

58 Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer vom Amtsgericht Herford wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort verurteilt. Er hatte mit seinem Auto beim verbotswidrigen Überholen auf einem Baustellenabschnitt Rollsplitt aufgewirbelt, wodurch an dem überholten Fahrzeug Schäden in Höhe von knapp Euro entstanden. Als der Beschwerdeführer auf das Gelände einer ca. 500 Meter entfernten Tankstelle einbog, machte ihn der Geschädigte dort auf den Unfall aufmerksam. Der Beschwerdeführer bestritt den Überholvorgang und entfernte sich, ohne dem Geschädigten die Feststellung seiner Personalien zu ermöglichen. Da dem Beschwerdeführer nicht nachgewiesen werden konnte, das schadensverursachende Ereignis bemerkt zu haben, schied nach Auffassung des Amtsgerichts eine Verurteilung nach 142 Abs. 1 StGB aus. Das Gericht sah aber die Tatbestandsalternative des 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB als erfüllt an, da das unvorsätzliche Entfernen vom Unfallort also das Entfernen in Unkenntnis des Unfalls dem berechtigten oder entschuldigten Entfernen gleichzusetzen sei und der Beschwerdeführer die erforderlichen Feststellungen nicht nachträglich ermöglicht habe. Mit dieser Rechtsauffassung folgte das Gericht einer langjährigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Die gegen die Verurteilung gerichtete Verfassungsbeschwerde war erfolgreich. Die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts stellte fest, dass die Erstreckung der Strafbarkeit nach 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB auf Fälle, in denen sich der Unfallbeteiligte in Unkenntnis des Unfalls vom Unfallort entfernt ( unvorsätzliches Entfernen ), gegen das strafrechtliche Analogieverbot (Art. 103 Abs. 2 GG) verstößt. Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Das strafrechtliche Analogieverbot schließt jede Rechtsanwendung aus, die über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht. Da Gegenstand der Auslegung gesetzlicher Bestimmungen immer nur der Gesetzestext sein kann, markiert der mögliche Wortsinn des Gesetzes die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation. Der Auslegung des 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB, die auch das unvorsätzliche und nicht nur das berechtigte oder entschuldigte Sich-Entfernt-Haben vom Unfallort unter diese Norm subsumiert, steht die Grenze des möglichen Wortsinns der Begriffe berechtigt oder entschuldigt entgegen. Diese beiden gesetzlichen Begriffe kennzeichnen einen Sachverhalt, der an den in 142 Abs. 1 StGB beschriebenen anschließt: Wer sich als Unfallbeteiligter an einem Unfallort befindet und also die erforderlichen Feststellungen ermöglichen muss, darf sich unter bestimmten, durch die Begriffe berechtigt oder entschuldigt näher gekennzeichneten Voraussetzungen entfernen; er muss dann aber die Feststellungen nachträglich ermöglichen. Über diesen Sinngehalt geht das unvorsätzliche Sich- Entfernt-Haben hinaus. Wer sich berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt, handelt unter ganz anderen Voraussetzungen als derjenige, der das mangels Kenntnis des Unfallgeschehens tut. Dieses Ergebnis wird durch historische Auslegungsgesichtspunkte gestützt. Dem Gesetzgeber kam es darauf an, auch nachträgliche Feststellungen zu ermöglichen, wenn sich ein Beteiligter ausnahmsweise vom Unfallort entfernen durfte. Der Gesetzgeber begründete dies damit, dass von dem Unfallbeteiligten ein gewisses Maß an Mitwirkung gefordert werden könne, wenn ihm die Rechtsordnung das Sich-Entfernen ermögliche. Eine ausdrückliche und ausnahmsweise Erlaubnis, sich zu entfernen, verträgt sich nicht mit einer Auslegung des 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB, die jegliches straflose Sich-Entfernt-Haben unter die Norm fasst.

59 Eilantrag des ZDF gegen Film-Verbot weitgehend erfolgreich Am 19. März 2007 beginnt vor dem Landgericht Münster die auf mehrere Tage angesetzte Verhandlung gegen 18 Bundeswehrausbilder, die ihre Untergebenen in einer Kaserne im westfälischen Coesfeld misshandelt haben sollen. Im Vorfeld der Verhandlung ordnete das Gericht den Ausschluss von Foto- und Fernsehteams aus dem Sitzungssaal für einen Zeitraum von 15 Minuten vor Prozessbeginn und 10 Minuten nach Prozessende an. Hiergegen richtet sich die Verfassungsbeschwerde des ZDF, das eine Fernsehberichterstattung über das Strafverfahren beabsichtigt. Zugleich hat das ZDF den Antrag gestellt, im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes seinem dreiköpfigen Fernsehteam die Anfertigung von Filmaufnahmen bis zum Einzug des Gerichts in den Sitzungssaal zu ermöglichen. Der Eilantrag des ZDF war weitgehend erfolgreich. Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat den Vorsitzenden der 8. Strafkammer des Landgerichts Münster angewiesen, dem Fernsehteam des ZDF zu ermöglichen, vor Beginn und am Ende der Verhandlungen Filmaufnahmen der im Sitzungssaal anwesenden Verfahrensbeteiligten einschließlich der Angeklagten zu fertigen, und hierbei die Anwesenheit der Richter und Schöffen der Strafkammer im Sitzungssaal zu gewährleisten. Die Fernsehbilder dürfen jedoch nur nach Anonymisierung der Gesichter der Angeklagten weitergegeben und veröffentlicht werden. Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: Bei der gebotenen Abwägung kommt den Belangen der Antragstellerin Vorrang zu. Die besonderen Umstände der Straftat sowie die über diese konkrete Straftat hinausreichende aktuelle öffentliche Diskussion über das Verhalten von Militärangehörigen begründen ein gewichtiges Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Mit dem angeordneten umfassenden Verbot der Anfertigung von Filmaufnahmen würde die Antragstellerin unwiederbringlich gehindert, dem gegenwärtig besonders lebhaften Interesse der Öffentlichkeit auch an einer Bildberichterstattung über die beteiligten Personen Rechnung zu tragen. Demgegenüber sind Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Richter und Schöffen aus einer Anfertigung und Verbreitung von Filmaufnahmen von diesen hinzunehmen, da sie kraft des ihnen übertragenen Amtes anlässlich einer öffentlichen Verhandlung ohnedies im Blickfeld der Öffentlichkeit unter Einschluss der Medienöffentlichkeit stehen. Eine Beeinträchtigung von Belangen der Wahrheitsfindung aus der Zulassung von Filmaufnahmen der Angeklagten und ihrer Verteidiger steht gleichfalls nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Die Rechtsanwälte haben in ihrer Funktion als Organ der Rechtspflege grundsätzlich Aufnahmen hinzunehmen, soweit sie als Beteiligte in einem Verfahren mitwirken, an dessen bildlicher Darstellung ein öffentliches Informationsinteresse besteht. Bei den Angeklagten handelt es sich um Unteroffiziere der Bundeswehr und damit um einen Personenkreis, bei dem die Fähigkeit vorausgesetzt werden darf, sich der öffentlichen Aufmerksamkeit auch in ungewohnten Situationen gewachsen zu zeigen. Werden Filmaufnahmen der Angeklagten vor der Weitergabe und Veröffentlichung anonymisiert, wiegen die aus den verbleibenden Möglichkeiten ihrer Identifizierung zu erwartenden Nachteile gering.

60 Regelung über obligatorisches Streitschlichtungsverfahren verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden Die im Gütestellen- und Schlichtungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen vorgesehene Verpflichtung zur Durchführung eines außergerichtlichen Schlichtungsverfahrens vor einer Inanspruchnahme der staatlichen Gerichte ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere verstößt die Regelung nicht gegen den allgemeinen Justizgewährungsanspruch. Mit dieser Begründung hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsbeschwerde eines Beschwerdeführers nicht zur Entscheidung angenommen, dessen Schadenersatzklage über 310 DM vom Amtsgericht wegen Nichtdurchführung eines Schlichtungsverfahrens abgewiesen worden war. Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Die Regelung über die obligatorische Streitschlichtung, die der einverständlichen Konfliktbewältigung und damit der Entlastung der Ziviljustiz dient, belastet den Rechtsuchenden nicht unangemessen. Ihm wird in keinem Fall der Zugang zu den staatlichen Gerichten versperrt. Die Regelung erschwert ihn zwar und führt bei einem Scheitern des Einigungsversuchs zu Verzögerungen und höheren Kosten. Dieser möglichen Beeinträchtigung stehen aber hinreichende Vorteile für den Rechtsuchenden gegenüber. Im Erfolgsfalle führt die außergerichtliche Streitschlichtung dazu, dass eine Inanspruchnahme der staatlichen Gerichte wegen der schon erreichten Einigung entbehrlich ist, so dass die Streitschlichtung für die Betroffenen kostengünstiger und vielfach wohl auch schneller erfolgen kann als eine gerichtliche Auseinandersetzung. Der Gesetzgeber durfte auch davon ausgehen, dass die gesetzlichen Eignungskriterien, die für die als Gütestellen handelnden Personen maßgeblich sind, nicht voll mit denen identisch sein müssen, die für den Einsatz rechtsberatender Berufe kennzeichnend sind. Der Erfolg eines auf eine einverständliche Konfliktbewältigung zielenden Verfahrens kann auch davon abhängen, dass nicht nur die rechtliche Prägung eines Konflikts beachtet wird, sondern auch andere Gesichtspunkte einbezogen werden, etwa die Beziehung der Parteien belastende und in der Folge den Konflikt prägende Elemente. Eine restriktive Auslegung der Regelung dahingehend, dass bei erkennbarer Aussichtslosigkeit die Durchführung des Schlichtungsverfahrens entbehrlich wird, ist verfassungsrechtlich nicht geboten. Der Gesetzgeber durfte typisierend davon ausgehen, dass der erfolglose Verlauf vorprozessualer Gespräche zwischen den Parteien nicht zwingend auf die Aussichtslosigkeit eines Schlichtungsverfahrens hindeutet.

61 Gesetzliches Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare muss Ausnahmetatbestand zulassen Die Bundesrechtsanwaltsordnung untersagt Rechtsanwälten Vereinbarungen, durch die eine Vergütung oder ihre Höhe vom Ausgang der Sache oder vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig gemacht wird oder nach denen der Rechtsanwalt einen Teil des erstrittenen Betrages als Honorar erhält. Vergleichbare Regelungen bestehen für Patentanwälte, für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte sowie für Wirtschaftsprüfer. Im vorliegenden Fall macht eine Rechtsanwältin die Verfassungswidrigkeit des Verbots anwaltlicher Erfolgshonorare geltend. Sie war 1990 von zwei in den USA lebenden Mandanten beauftragt worden, deren Ansprüche wegen eines in Dresden gelegenen Grundstücks durchzusetzen, das dem Großvater der Mandanten gehört hatte und von den nationalsozialistischen Machthabern enteignet worden war. Der Rechtsanwältin wurde angeboten, dass sie als Honorar ein Drittel des erstrittenen Betrages erhalten sollte. In der Folgezeit erwirkte die Beschwerdeführerin zugunsten ihrer Mandanten eine Entschädigung in Höhe von insgesamt DM. Hiervon erhielt sie absprachegemäß DM. Das Anwaltsgericht bewertete die Streitanteilsvergütung als Verstoß gegen die Grundpflichten eines Rechtsanwalts und erteilte der Beschwerdeführerin deswegen einen Verweis und verurteilte sie zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von , die der Anwaltsgerichtshof auf herabsetzte. Die Verfassungsbeschwerde der Rechtsanwältin, mit der diese die Verfassungswidrigkeit des gesetzlichen Verbots anwaltlicher Erfolgshonorare geltend machte, war teilweise erfolgreich. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts stellte fest, dass das gesetzliche Verbot mit dem Grundrecht auf freie Berufsausübung insoweit nicht vereinbar ist, als das Gesetz keine Ausnahmen vorsieht und damit das Verbot selbst dann zu beachten ist, wenn der Rechtsanwalt mit der Vereinbarung eines Erfolgshonorars besonderen Umständen in der Person des Auftraggebers Rechnung trägt, die diesen sonst davon abhielten, seine Rechte zu verfolgen. Der Gesetzgeber hat bis zum 30. Juni 2008 eine Neuregelung zu treffen. Bis dahin bleibt das gesetzliche Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare jedoch anwendbar; deshalb hat das Bundesverfassungsgericht die im vorliegenden Fall ausgesprochene berufsgerichtliche Verurteilung der Beschwerdeführerin verfassungsrechtlich nicht beanstandet. Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: Mit dem Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare verfolgt der Gesetzgeber Gemeinwohlziele, die auf vernünftigen Erwägungen beruhen und daher die Beschränkung der Berufsausübung der Rechtsanwälte legitimieren können. Das Verbot dient zum einen dem Schutz der anwaltlichen Unabhängigkeit, die unverzichtbare Voraussetzung für eine funktionierende Rechtspflege ist. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die anwaltliche Unabhängigkeit bei Vereinbarung eines Erfolgshonorars gefährdet sieht. So kann die zur Wahrung der Unabhängigkeit gebotene kritische Distanz des Rechtsanwalts zum Anliegen des Auftraggebers Schaden nehmen, wenn sich ein Rechtsanwalt auf eine Teilhabe am Erfolgsrisiko einer Rechtsangelegenheit eingelassen hat. Vor allem aber liegt die Befürchtung nicht völlig fern, dass mit der Vereinbarung einer erfolgsbasierten Vergütung für unredliche Berufsträger ein zusätzlicher Anreiz geschaffen werden kann, den Erfolg um jeden Preis auch durch Einsatz unlauterer Mittel anzustreben. Ein weiterer legitimer Zweck des Verbots von Erfolgshonoraren ist in dem Schutz der Rechtsuchenden vor einer Übervorteilung durch überhöhte Vergütungssätze zu sehen. Einem unredlichen Rechtsanwalt ist es möglich, den Mandanten durch unzutreffende Darstellung der Erfolgsaussichten oder übertriebene Schilderung des zu erwartenden

62 Arbeitsaufwandes zur Vereinbarung einer unangemessen hohen Vergütung zu bewegen. Schließlich ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber die Zulässigkeit eines Erfolgshonorars als Gefährdung der prozessualen Waffengleichheit einschätzt, weil der Beklagte im Gegensatz zum Kläger nicht über die Möglichkeit verfügt, sein Kostenrisiko auf vergleichbare Art zu verlagern. Zur Verfolgung dieser Gemeinwohlziele kann das Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare auch als geeignet und erforderlich angesehen werden. Das Verbot von Erfolgshonoraren ist jedoch insoweit unangemessen, als es keine Ausnahmen zulässt und damit selbst dann zu beachten ist, wenn der Rechtsanwalt mit der Vereinbarung einer erfolgsbasierten Vergütung besonderen Umständen in der Person des Auftraggebers Rechnung trägt, die diesen sonst davon abhielten, seine Rechte zu verfolgen. Bei der Entscheidung der Rechtsuchenden über die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe ist die Kostenfrage von maßgebender Bedeutung. Auch Rechtsuchende, die auf Grund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse keine Prozesskostenhilfe oder Beratungshilfe beanspruchen können, können vor der Entscheidung stehen, ob es ihnen die eigene wirtschaftliche Lage vernünftigerweise erlaubt, die finanziellen Risiken einzugehen, die angesichts des unsicheren Ausgangs der Angelegenheit mit der Inanspruchnahme qualifizierter rechtlicher Betreuung und Unterstützung verbunden sind. Nicht wenige Betroffene werden das Kostenrisiko auf Grund verständiger Erwägungen scheuen und daher von der Verfolgung ihrer Rechte absehen. Für diese Rechtsuchenden ist das Bedürfnis anzuerkennen, das geschilderte Risiko durch Vereinbarung einer erfolgsbasierten Vergütung zumindest teilweise auf den vertretenden Rechtsanwalt zu verlagern. In solchen Fällen fördert die Unzulässigkeit anwaltlicher Erfolgshonorare nicht die Rechtsschutzgewährung, sondern erschwert den Weg zu ihr. Der Gesetzgeber kann dieses Regelungsdefizit dadurch beseitigen, dass er zwar an dem Verbot grundsätzlich festhält, jedoch für die oben genannte Fallgruppe einen Ausnahmetatbestand eröffnet. Zum Schutz der Vermögensinteressen der Rechtsuchenden und zum Schutz des Vertrauens in die Anwaltschaft kann außerdem die Wirksamkeit der Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Erfüllung vergütungsbezogener Informationspflichten des Rechtsanwalts gegenüber dem Mandanten abhängig gemacht werden. Schließlich ist der Gesetzgeber nicht gehindert, dem verfassungswidrigen Regelungsdefizit dadurch die Grundlage zu entziehen, dass das Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare völlig aufgegeben oder an ihm nur noch unter engen Voraussetzungen, wie etwa im Fall unzulänglicher Aufklärung des Mandanten, festgehalten wird.

63 Keine Ballungsraumzulage für Beamte zum Ausgleich der erhöhten Lebenshaltungskosten in München Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit Urteil vom 6. März 2007 die Verfassungsbeschwerde eines Beamten, der die Gewährung einer Ballungsraumzulage zum Ausgleich der erhöhten Lebenshaltungskosten in München begehrt, zurückgewiesen. Weder das Alimentationsprinzip noch der Leistungsgrundsatz verpflichteten den Besoldungsgeber in der gegenwärtigen Lage, erhöhten Lebenshaltungskosten in München durch einen spezifischen Ausgleich Rechnung zu tragen. Zum Sachverhalt vgl. Pressemitteilung Nr. 102/2006 vom 30. Oktober 2006 Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: I. Es existiert kein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums, der den Gesetzgeber verpflichtete, bei der Festsetzung der Bezüge einen spezifischen Ausgleich für regional erhöhte Lebenshaltungskosten zu gewähren. Geschützt sind nur diejenigen Regelungen, die das Bild des Beamtentums in seiner überkommenen Gestalt maßgeblich prägen, so dass ihre Beseitigung auch das Wesen des Beamtentums antasten würde. Zu diesem Kernbestand von Strukturprinzipien gehören unter anderem das Alimentationsprinzip und der Leistungsgrundsatz. Dem Ortszulagensystem der Beamtenbesoldung kommt dagegen kein in diesem Sinne wesensprägender Charakter zu. Bei der Ausgestaltung der Zulagen zur Beamtenbesoldung handelt es sich um eine Detailregelung, die keinen zwingenden Bezug zur Angemessenheit der Alimentation aufweist. Für diese sind vielmehr die Nettobezüge maßgeblich, mithin das, was sich der Beamte von seinem Gehalt tatsächlich leisten kann. Hierfür ist nicht entscheidend, ob die Bezüge aus dem Grundgehalt, aus Grundgehalt und Ortszulage oder aus anderen Komponenten bestehen. Sieht der Gesetzgeber keinen gesonderten Ausgleich für die örtlich bedingten Lebenshaltungskosten vor, so kann dies im Hinblick auf die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nicht missbilligt werden, wenn sich die Bezüge gleichwohl auch in Ballungsräumen noch als angemessen erweisen und damit der Alimentierungspflicht Rechnung getragen wird. II. Der Besoldungsgesetzgeber ist durch das Alimentationsprinzip gegenwärtig nicht verpflichtet, erhöhte Lebenshaltungskosten in München durch einen spezifischen Ausgleich abzufedern. Das Alimentationsprinzip gehört zu den verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Der Beamte muss über ein Nettoeinkommen verfügen, das seine rechtliche und wirtschaftliche Sicherheit und Unabhängigkeit gewährleistet und ihm über die Befriedigung der Grundbedürfnisse hinaus einen seinem Amt angemessenen Lebenskomfort ermöglicht. Die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse unterscheiden sich regional teilweise erheblich, so dass unterschiedliche Nettobeträge erforderlich sein können, damit die Beamten in der Lage sind, sich in der Lebenswirklichkeit annähernd das Gleiche zu leisten. Es verletzt das Alimentationsprinzip daher nicht, wenn bei der Bemessung der Bezüge von Beamten, die das gleiche Amt innehaben, an Wohnsitz oder Dienstort anknüpfende Abstufungen vorgesehen werden, sofern sich solche regionalen Unterscheidungen nach Anlass und Ausmaß der Differenzierung vor dem Gleichheitssatz rechtfertigen lassen. Welche Alimentation angemessen ist, bedarf allerdings der Konkretisierung durch den Gesetzgeber und ist von den jeweiligen Verhältnissen abhängig.

64 Es ist nicht zu beanstanden, dass es der Gesetzgeber unterlassen hat, einen spezifischen Ausgleich für in Ballungsräumen erhöhte Lebenshaltungskosten vorzusehen. Die in bestimmten Ballungsräumen vergleichsweise hohen Preise spiegeln die dortige Lebensqualität wider. Sie bringen unter anderem zum Ausdruck, dass ein Leben in dem betreffenden Standort von einer Vielzahl von Menschen als attraktiv bewertet wird. Zwar trifft es zu, dass Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen von Teilen dessen, was die Attraktivität des Lebens an Orten mit hohem Preisniveau ausmacht, gerade aus Kostengründen nicht oder nur eingeschränkt profitieren können. Auch wenn berücksichtigt wird, dass etwa Teile des kulturellen Angebots, gehobene Einkaufsmöglichkeiten und innerstädtische Wohnungen nur von Personen mit höherem Einkommen intensiv oder überhaupt genutzt werden können, ist die Einschätzung nicht offensichtlich verfehlt, dass auch für Bezieher niedrigerer Einkommen den höheren Lebenshaltungskosten Vorteile gegenüberstehen, die dagegen sprechen, die geringere Kaufkraft des Beamtengehalts in diesen Räumen ohne weiteres mit einem entsprechend geringeren Lebensstandard gleichzusetzen. Als Beispiele seien nur die in Ballungsräumen reichhaltigeren Bildungsangebote und medizinischen Versorgungsmöglichkeiten, vielfältigere Freizeit- und Unterhaltungsangebote auch in den niedrigeren Preissegmenten oder ortsspezifische Vorteile wie die Nähe zu attraktiven Erholungsgebieten genannt. Hinzu kommt, dass für die Amtsangemessenheit der Besoldung eines Beamten nicht allein der Vergleich zum Lebensstandard von Beamten in kostengünstigeren Regionen ausschlaggebend ist. Die Amtsangemessenheit der Alimentation des Beamten bestimmt sich auch durch ihr Verhältnis zu den Einkommen, die für vergleichbare und auf der Grundlage vergleichbarer Ausbildung erbrachte Tätigkeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes erzielt werden. Es ist indes nicht dargetan, dass Beamte wie der Beschwerdeführer gegenüber vergleichbaren Erwerbstätigen außerhalb des öffentlichen Dienstes in einem Umfang benachteiligt würden, dass deshalb die Alimentation in München und Umgebung nicht mehr als standesgemäß angesehen werden könnte. Es ist allerdings Aufgabe des Gesetzgebers, die tatsächliche Entwicklung der Lebenshaltungskosten auf relevante Unterschiede zwischen Stadt und Land zu beobachten, um möglichen Verstößen gegen den Alimentationsgrundsatz angemessen begegnen zu können. III. Eine Handlungspflicht des Gesetzgebers ergibt sich auch nicht aus dem Leistungsgrundsatz. Da die Bezüge so zu bemessen sind, dass sie dem Beamten eine Lebenshaltung ermöglichen, die der Bedeutung seines jeweiligen Amtes entspricht, muss sich die Stufung der Ämter auch in der Realität wieder finden. Dies besagt aber nicht, dass die realen Lebensverhältnisse eines Beamten der Besoldungsgruppe A 13 in München mit denen eines Beamten der Besoldungsgruppe A 12 oder A 11 an einem anderen Ort zu vergleichen wären. Einem Vergleich zugänglich sind insoweit allein die Beamten der verschiedenen Besoldungsgruppen am selben Ort. Der Gesetzgeber geht zulässigerweise davon aus, dass die Beamten den unterschiedlichen Lebensverhältnissen in München und an Orten außerhalb dieses Ballungsraums durch entsprechende Lebensgestaltung Rechnung tragen.

65 Gesetzgeber darf die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung für künstliche Befruchtung auf Ehepaare beschränken Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, dass der Gesetzgeber die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen für eine künstliche Befruchtung auf Personen beschränkt, die miteinander verheiratet sind. Dies entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Urteil vom 28. Februar 2007 auf eine Vorlage des Sozialgerichts Leipzig. (Zum Sachverhalt vgl. Pressemitteilung Nr. 76 vom 29. August 2006) Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: 1. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz liegt nicht vor. Zwar schließt das Gesetz die gesetzlich versicherten Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft von der Sachleistung einer medizinischen Maßnahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft aus. Sie werden dadurch im Verhältnis zu Ehepaaren finanziell benachteiligt und müssen, wenn sie die gewünschte künstliche Befruchtung vornehmen wollen, die gesamten Kosten dafür selbst tragen. Die Ungleichbehandlung wäre im System der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu rechtfertigen, würde die künstliche Befruchtung der Beseitigung einer Krankheit dienen. Dann hätte die Vorschrift, würde sie eine solche Leistung der gesetzlichen Krankenkasse nur Verheirateten, nicht aber unverheirateten Personen zugute kommen lassen, vor dem allgemeinen Gleichheitssatz keinen Bestand. Der Gesetzgeber hat jedoch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nicht als Behandlung einer Krankheit angesehen. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es liegt im Rahmen der grundsätzlichen Freiheit des Gesetzgebers, die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung näher zu bestimmen, auch in einem Grenzbereich zwischen Krankheit und solchen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen eines Menschen, deren Beseitigung oder Besserung durch Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht von vornherein veranlasst ist. Der Gesetzgeber hatte hinreichende sachliche Gründe, die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zur Herbeiführung einer Schwangerschaft auf Ehepaare zu beschränken. Er durfte daran anknüpfen, dass das Bürgerliche Gesetzbuch in Ehegatten Partner einer auf Lebenszeit angelegten Gemeinschaft sieht und sie gesetzlich anhält, füreinander Verantwortung zu tragen. In der nichtehelichen Lebensgemeinschaft kann diese Verantwortung nur freiwillig wahrgenommen werden. Es liegt im Einschätzungsermessen des Gesetzgebers, dass er die eheliche Partnerschaft als besonders geeignet ansieht, die mit den in Frage stehenden medizinischen Maßnahmen verbundenen Belastungen und Risiken gemeinsam zu bewältigen. Der Gesetzgeber durfte die Ehe auch wegen ihres besonderen rechtlichen Rahmens als eine Lebensbasis für ein Kind ansehen, die den Kindeswohlbelangen mehr Rechnung trägt als eine nichteheliche Partnerschaft. So ist die Ehe auf Lebenszeit angelegt und nur unter den Voraussetzungen der Aufhebung oder Scheidung wieder auflösbar, während nichteheliche Partnerschaften jederzeit beendet werden können. Die ehelichen Bindungen bieten einem Kind grundsätzlich mehr rechtliche Sicherheit, von beiden Elternteilen betreut zu werden. Auch sind Ehegatten einander gesetzlich verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie zu unterhalten. Dieser Unterhalt ist mit auf die Bedürfnisse der gemeinsamen Kinder ausgerichtet, begünstigt auch sie und bestimmt maßgeblich ihre wirtschaftliche und soziale Situation. Eine

66 solche Verpflichtung besteht bei Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht. 2. Ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlich garantierten Schutz von Ehe und Familie liegt ebenfalls nicht vor. Art. 6 Abs. 1 GG kann keine Verpflichtung des Gesetzgebers entnommen werden, die Entstehung einer Familie durch medizinische Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit den Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung zu fördern. Es wäre dem Gesetzgeber allerdings verfassungsrechtlich nicht verwehrt, auch nichtehelichen Partnern den Weg einer Finanzierung der künstlichen Befruchtung durch die gesetzliche Krankenversicherung zu öffnen.

67 Durchsuchung und Beschlagnahme bei CICERO verletzen Pressefreiheit Die Anordnung der Durchsuchung der Redaktionsräume von CICERO und die Beschlagnahme der dort aufgefundenen Beweismittel stellen einen verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Eingriff in die Pressefreiheit des Beschwerdeführers dar. Die Gerichte haben dem verfassungsrechtlich gebotenen Informantenschutz nicht hinreichend Rechnung getragen. Die bloße Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses in der Presse durch einen Journalisten reicht nicht aus, um einen zu einer Durchsuchung und Beschlagnahme ermächtigenden Verdacht der Beihilfe des Journalisten zum Geheimnisverrat zu begründen. Erforderlich sind vielmehr spezifische tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer von einem Geheimnisträger bezweckten Veröffentlichung des Geheimnisses und damit einer beihilfefähigen Haupttat. Solche Anhaltspunkte lagen im Fall der Durchsuchung der Redaktionsräume des Politmagazins CICERO nicht vor. Dies entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Urteil vom 27. Februar Damit war die Verfassungsbeschwerde des Chefredakteurs von CICERO erfolgreich. Die Entscheidung ist mit 7 : 1 Stimmen ergangen. (Zum Sachverhalt vgl. Pressemitteilung Nr. 69/2006 vom 31. Juli 2006) Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: I. Die Anordnung der Durchsuchung der Redaktion und die Beschlagnahme der dort gefundenen Beweismittel verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Pressefreiheit. 1. Die Durchsuchung der Presseräume stellt wegen der damit verbundenen Störung der redaktionellen Arbeit eine Beeinträchtigung der Pressefreiheit dar. Durch die Anordnung der Beschlagnahme von Datenträgern zum Zwecke der Auswertung ist den Ermittlungsbehörden darüber hinaus die Möglichkeit des Zugangs zu redaktionellem Datenmaterial eröffnet worden. Dies greift in besonderem Maße in die vom Grundrecht der Pressefreiheit umfasste Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit ein, aber auch in ein etwaiges Vertrauensverhältnis zu Informanten. 2. Der Eingriff ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Die Gerichte haben bei der Auslegung und Anwendung der zur Durchsuchung und Beschlagnahme ermächtigenden Normen dem verfassungsrechtlich gebotenen Informantenschutz nicht hinreichend Rechnung getragen. Der den gerichtlichen Anordnungen zugrunde liegende Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer reichte für eine Durchsuchung der Redaktionsräume und die Beschlagnahme von Beweismitteln nicht aus. a) 353 b StGB stellt die unbefugte Offenbarung eines Dienstgeheimnisses unter Strafe. Allein die Veröffentlichung des Geheimnisses in der Presse deutet allerdings nicht zwingend auf das Vorliegen einer derartigen Haupttat durch den Geheimnisträger hin. Der Tatbestand des 353 b StGB ist beispielsweise nicht verwirklicht und eine Beihilfe daher nicht möglich, wenn Schriftstücke oder Dateien mit Dienstgeheimnissen versehentlich oder über eine nicht zur Geheimhaltung verpflichtete Mittelsperson nach außen gelangen. Will der Geheimnisträger dem Journalisten nur Hintergrundinformationen liefern und erfolgt die Veröffentlichung abredewidrig, ist die Tat mit der Offenbarung des Geheimnisses bereits beendet; dann kann eine Beihilfe durch die nachfolgende Veröffentlichung gar nicht mehr geleistet werden. In solchen Fällen kann eine Durchsuchung und Beschlagnahme nicht mit dem Ziel der Aufklärung einer Beihilfehandlung des Journalisten angeordnet werden.

68 b) Durchsuchungen und Beschlagnahmen in einem Ermittlungsverfahren gegen Presseangehörige sind verfassungsrechtlich unzulässig, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend dem Zweck dienen, die Person des Informanten zu ermitteln. Auch wenn die betreffenden Angehörigen von Presse oder Rundfunk selbst Beschuldigte sind, dürfen in gegen sie gerichteten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Beihilfe zum Dienstgeheimnisverrat Durchsuchungen sowie Beschlagnahmen zwar zur Aufklärung der ihnen zur Last gelegten Straftat angeordnet werden, nicht aber zu dem Zweck, Verdachtsgründe insbesondere gegen den Informanten zu finden. Das Risiko einer Verletzung des verfassungsrechtlich gebotenen Informantenschutzes ist besonders groß, wenn der Verdacht einer Beihilfe allein darauf gestützt wird, dass das Dienstgeheimnis in der Presse veröffentlicht worden ist und das maßgebende Schriftstück allem Anschein nach unbefugt in die Hände des Journalisten gelangt war. In einer solchen Situation kann die Staatsanwaltschaft den betroffenen Journalisten durch Einleitung eines gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens zwar verfassungsrechtlich zulässig zum Beschuldigten machen. Würde jedweder Verdacht aber auch für die Anordnung von Durchsuchung und Beschlagnahme bei Angehörigen von Presse und Rundfunk ausreichen, hätte die Staatsanwaltschaft es in ihrer Hand, durch die Entscheidung zur Einleitung des Ermittlungsverfahrens den besonderen grundrechtlichen Schutz der Medienangehörigen zum Wegfall zu bringen. Deshalb müssen die strafprozessualen Normen über die Durchsuchung und Beschlagnahme dahingehend ausgelegt werden, dass die bloße Veröffentlichung des Dienstgeheimnisses durch einen Journalisten nicht ausreicht, um einen diesen Vorschriften genügenden Verdacht der Beihilfe des Journalisten zum Geheimnisverrat zu begründen. Zu fordern sind vielmehr spezifische tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer vom Geheimnisträger bezweckten Veröffentlichung des Geheimnisses und damit einer beihilfefähigen Haupttat. c) Nach diesen Maßstäben widersprach die vorliegend angeordnete Durchsuchung und Beschlagnahme dem von der Pressefreiheit gewährleisteten Schutz der Redaktionsarbeit unter Einschluss des Informantenschutzes. Die Anordnung erfolgte in einer Situation, in der es keine Anhaltspunkte außer der Veröffentlichung des Berichts in der Zeitschrift dafür gegeben hatte, dass ein Geheimnisverrat durch den Geheimnisträger vorliegen könnte. Alle Ermittlungen in diese Richtung waren zuvor erfolglos geblieben. Damit sollte die Durchsuchung letztlich vorwiegend die Ermittlung des mutmaßlichen Informanten aus dem Bundeskriminalamt ermöglichen. II. Darüber hinaus verletzt der Beschluss des Landgerichts, in welchem das Gericht die Erledigung der gegen die Beschlagnahmebestätigung gerichteten Beschwerde festgestellt hat, den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes. Angesichts der schwer wiegenden Beeinträchtigungen der Pressefreiheit musste es dem Beschwerdeführer ermöglicht werden, die Bestätigung der Beschlagnahme redaktionellen Materials einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen.

69 Heimlicher Vaterschaftstest darf im gerichtlichen Verfahren nicht verwertet werden Gesetzgeber muss aber Verfahren allein zur Feststellung der Vaterschaft bereitstellen Es entspricht dem Grundgesetz, wenn die Gerichte die Verwertung heimlich eingeholter genetischer Abstammungsgutachten wegen Verletzung des Rechts des betroffenen Kindes auf informationelle Selbstbestimmung als Beweismittel ablehnen. Der Gesetzgeber hat aber zur Verwirklichung des Rechts des rechtlichen Vaters auf Kenntnis der Abstammung seines Kindes von ihm (neben dem Vaterschaftsanfechtungsverfahren) ein geeignetes Verfahren allein zur Feststellung der Vaterschaft bereitzustellen. Dem Gesetzgeber wird aufgegeben, bis zum 31. März 2008 eine entsprechende Regelung zu treffen. Dies entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Urteil vom 13. Februar Der Verfassungsbeschwerde lag der Fall einer Vaterschaftsanfechtungsklage zugrunde, die auf einen heimlich eingeholten DNA-Vaterschaftstest gestützt war. Die Zivilgerichte hatten die Verwertung des Gutachtens als Beweismittel abgelehnt. (Zum Sachverhalt vgl. Pressemitteilung Nr. 77/2006 vom 30. August 2006) Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde: I. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet nicht nur das Recht eines Mannes auf Kenntnis der Abstammung des ihm rechtlich zugeordneten Kindes, sondern auch auf Verwirklichung dieses Rechts. Der Gesetzgeber hat es unter Verletzung dieses Grundrechtsschutzes unterlassen, einen Verfahrensweg zu eröffnen, auf dem das Recht auf Kenntnis der Abstammung in angemessener Weise geltend gemacht und durchgesetzt werden kann. 1. Zwar besteht die Möglichkeit, auf privatem Wege mit Einwilligung des Kindes beziehungsweise seiner sorgeberechtigten Mutter unter Verwendung von Genmaterial des Kindes ein Vaterschaftsgutachten einzuholen und dadurch Kenntnis über die Abstammung zu erlangen. Dieser Weg ist jedoch bei Fehlen der erforderlichen Einwilligung rechtlich verschlossen, da ein mit Hilfe von genetischem Datenmaterial heimlich eingeholter Vaterschaftstest auf einer nicht zu rechtfertigenden Verletzung des Rechts des betroffenen Kindes auf informationelle Selbstbestimmung basiert, vor der die staatlichen Organe Schutz zu bieten haben. Vor ungewollten Zugriffen auf das genetische Datenmaterial eines Kindes ist auch dessen sorgeberechtigte Mutter zu schützen. Zur verfassungsrechtlich geschützten elterlichen Sorge gehört auch, im Interesse des Kindes darüber zu entscheiden, ob jemand genetische Daten des Kindes erheben und verwerten darf. 2. Das Recht eines Mannes auf Kenntnis der Abstammung eines Kindes von ihm verlangt aber für Fälle, in denen Zweifel an der Vaterschaft bestehen, die Eröffnung eines Verfahrens, in dem die Abstammung geklärt werden kann, ohne dass daran zwingend weitere rechtliche Folgen geknüpft werden. Mit der Eröffnung eines solchen Verfahrens schränkt der Gesetzgeber über den hiermit notwendigerweise verbundenen Zugriff auf die genetischen Daten des Kindes zwar das Recht des Kindes auf informationelle Selbstbestimmung ein. Da es sich um Daten handelt, die in Beziehung zu denen des Mannes stehen können, der rechtlicher Vater des Kindes ist, ist das Recht des Kindes, diese Daten nicht preiszugeben, ihm gegenüber aber weniger schützenswert. Auch Grundrechte der Mutter stehen der Bereitstellung eines Verfahrens zur Klärung und Feststellung der Abstammung eines Kindes von ihm nicht entgegen. Zwar räumt das Persönlichkeitsrecht

70 der Mutter das Recht ein, selbst darüber zu befinden, ob und wem sie Einblick in ihr Geschlechtsleben gibt. Allerdings ist damit kein unzulässiger Eingriff in den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung der Mutter verbunden. Der Eingriff dient dem vorrangigen Ziel der Klärung, ob das Kind aus ihrer Beziehung mit dem rechtlichen Vater hervorgegangen ist, der wiederum ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf Kenntnis hat, ob das Kind von ihm abstammt. 3. Das Vaterschaftsanfechtungsverfahren nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ist kein Verfahren, das dem Recht des Vaters allein auf Kenntnis der Abstammung des Kindes von ihm in verfassungsgemäßer Weise Rechnung trägt. Es beendet die rechtliche Vaterschaft, wenn sich im Verfahren erweist, dass das Kind nicht von seinem rechtlichen Vater abstammt. Zwar kommt es auch zur Klärung der Vaterschaft. Wegen seines überschießenden Zieles der rechtlichen Trennung vom Kind wird aber das Anfechtungsverfahren nicht dem Recht eines Mannes auch auf bloße Kenntnis der Abstammung eines Kindes von ihm gerecht. Der Wunsch eines rechtlichen Vaters kann sich allein darauf richten, zu wissen, ob das Kind wirklich von ihm abstammt, ohne zugleich seine rechtliche Vaterschaft aufgeben zu wollen. Auch die gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen die Vaterschaft angefochten werden kann, sind, bezogen auf die Verfolgung des Interesses, Kenntnis von der Abstammung seines Kindes zu erlangen, unverhältnismäßig. Geht es lediglich um die Verfolgung dieses Ziels steht dem Recht des Vaters auf Kenntnis der Abstammung kein entsprechend gewichtiges, schützenswertes Interesse von Kind und Mutter gegenüber. Daher wäre es nicht gerechtfertigt, ein Verfahren zur Klärung und Feststellung der Abstammung an dieselben Darlegungslasten und Fristen zu binden, die für die Anfechtungsklage maßgeblich sind. Zur Verfahrenseröffnung reichte hier aus, wenn der rechtliche Vater Zweifel an der Abstammung des Kindes von ihm vorträgt. II. Nach diesen Maßstäben ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Es entspricht dem Grundgesetz, wenn die Gerichte die Verwertung heimlich eingeholter genetischer Abstammungsgutachten wegen Verletzung des Rechtes des betroffenen Kindes auf informationelle Selbstbestimmung als Beweismittel ablehnen. Auch der Umstand, dass bislang kein Verfahren zur Verfügung steht, das es einem Mann ermöglicht, allein die Abstammung eines ihm rechtlich zugeordneten Kindes zu klären und feststellen zu lassen, führt nicht dazu, ein solches besonders schützenswertes Interesse des Beschwerdeführers anerkennen zu können. III. Auf welche Weise der Gesetzgeber seiner Verpflichtung zur Bereitstellung eines Verfahrens allein auf Feststellung der Vaterschaft nachkommt, liegt in seiner Gestaltungsfreiheit. Allerdings ist er gehalten, Sorge dafür zu tragen, dass im Vaterschaftsanfechtungsverfahren das verfassungsrechtlich geschützte Interesse des Kindes, gegebenenfalls seine rechtliche und soziale familiäre Zuordnung zu behalten, auch weiterhin Berücksichtigung findet. So etwa kann er sicherstellen, dass die nun leichter zu erwerbende Kenntnis des rechtlichen Vaters, nicht biologischer Vater zu sein, im Anfechtungsverfahren in bestimmten Fällen nicht sogleich zur Beendigung der rechtlichen Vaterschaft führt. Das Urteil ist, soweit es die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen bestätigt, mit 6 : 2 Stimmen ergangen, im übrigen einstimmig.

71 Erbschaftsteuerrecht in seiner derzeitigen Ausgestaltung verfassungswidrig Die durch 19 Abs. 1 ErbStG angeordnete Erhebung der Erbschaftsteuer mit einheitlichen Steuersätzen auf den Wert des Erwerbs ist mit dem Grundgesetz unvereinbar. Denn sie knüpft an Werte an, deren Ermittlung bei wesentlichen Gruppen von Vermögensgegenständen (Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteilen an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben) den Anforderungen des Gleichheitssatzes nicht genügt. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, spätestens bis zum 31. Dezember 2008 eine Neuregelung zu treffen. Bis zu der Neuregelung ist das bisherige Recht weiter anwendbar. Dies entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Beschluss vom 7. November 2006 (Tag der Beschlussfassung des Senats, nicht der Abfassung der schriftlichen Gründe). Rechtlicher Hintergrund: In 19 Abs. 1 ErbStG ist unabhängig davon, aus welchen Vermögensarten sich Nachlass oder Schenkung zusammensetzen, für alle steuerpflichtigen Erwerbe einheitlich ein nach dem Wert des Erwerbs progressiver, in drei nach Verwandtschaftsgraden abgestuften Steuerklassen unterteilter Prozentsatz des Erwerbs als der Steuertarif bestimmt. Um mittels dieses Tarifs zu einem in Geld zu entrichtenden Steuerbetrag zu gelangen, müssen die dem steuerpflichtigen Erwerb unterfallenden Vermögensgegenstände in einem Geldbetrag ausgewiesen werden. Bei nicht als Geldsumme vorliegenden Steuerobjekten ist deshalb die Umrechnung in einen Geldwert mittels einer Bewertungsmethode erforderlich, um eine Bemessungsgrundlage für die Steuerschuld zu erhalten. Das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz bestimmt, dass sich die Bewertung nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes (BewG) richtet. Die Werte der einzelnen Vermögensgegenstände werden danach nicht einheitlich, sondern auf unterschiedliche Art und Weise ermittelt. Das Gesetz nennt als Regelfall den gemeinen Wert, also den Verkehrswert. Bei der Bewertung inländischen Grundbesitzes kommt in wichtigen Teilbereichen ein Ertragswertverfahren zur Ermittlung des Grundbesitzwerts zur Anwendung. Der Wert des Betriebsteils von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen bemisst sich nach seinem Ertragswert. Darüber hinaus bedient sich das Erbschaftsteuerrecht bei der Bewertung von Betriebsvermögen des Steuerbilanzwerts. Die Vorlage durch den Bundesfinanzhof betrifft die Frage, ob die Anwendung des einheitlichen Steuertarifs gemäß 19 Abs. 1 ErbStG auf alle Erwerbsvorgänge wegen gleichheitswidriger Ausgestaltung der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage bei den unterschiedlichen Vermögensarten verfassungswidrig ist. Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: I. Dem geltenden Erbschaftsteuerrecht liegt die Belastungsentscheidung des Gesetzgebers zugrunde, den beim jeweiligen Empfänger mit dem Erbfall oder der Schenkung anfallenden Vermögenszuwachs zu besteuern. Diese Belastungsentscheidung hat mit Blick auf den Gleichheitssatz Auswirkungen auf die Bewertung des anfallenden Vermögens als den ersten Schritt bei der Ermittlung der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage. Die gleichmäßige Belastung der Steuerpflichtigen hängt davon ab, dass für die einzelnen zu einer Erbschaft gehörenden wirtschaftlichen Einheiten und Wirtschaftsgüter Bemessungsgrundlagen gefunden werden, die deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbilden. Eine diesem Gebot genügende Erbschafts- und Schenkungs-

72 besteuerung ist nur dann gewährleistet, wenn sich das Gesetz auf der Bewertungsebene einheitlich am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel orientiert. Nur dieser bildet den durch den Substanzerwerb vermittelten Zuwachs an Leistungsfähigkeit zutreffend ab und ermöglicht eine gleichheitsgerechte Ausgestaltung der Belastungsentscheidung. In der Wahl der Wertermittlungsmethode ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei. Die Bewertungsmethoden müssen aber gewährleisten, dass alle Vermögensgegenstände in einem Annäherungswert an den gemeinen Wert erfasst werden. Stellt der Gesetzgeber schon bei der Bewertung auf andere Bewertungsmaßstäbe ab, so löst er sich von seiner Belastungsgrundentscheidung und legt damit strukturell Brüche und Wertungswidersprüche des gesamten Regelungssystems an. Bei den weiteren, sich an die Bewertung anschließenden Schritten zur Bestimmung der Steuerbelastung darf der Gesetzgeber auf den so ermittelten Wert der Bereicherung aufbauen und Lenkungszwecke, etwa in Form zielgenauer und normenklarer steuerlicher Verschonungsregelungen, ausgestalten. Die Bewertungsebene dagegen ist aus verfassungsrechtlichen Gründen bereits vom Ansatz her ungeeignet zur Verfolgung außerfiskalischer Förderungs- und Lenkungsziele im Erbschaftsteuerrecht. II. Das geltende Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht genügt diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht. Die erbschaftsteuerlichen Bewertungsvorschriften führen bei wesentlichen Gruppen von Vermögensgegenständen nicht zu dem gemeinen Wert angenäherten Steuerwerten. Sie sind nicht ausreichend belastungsgleich und folgerichtig ausgestaltet. 1. Beim Betriebsvermögen verhindert die weitgehende Übernahme der Steuerbilanzwerte strukturell die Annäherung an den gemeinen Wert. Dies führt zu Besteuerungsergebnissen, die mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar sind: Nach der gesetzlichen Regelung ( 109 Abs. 1 BewG) werden die zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter mit ihrem Steuerbilanzwert angesetzt. Dieser stimmt aber nur in Ausnahmefällen mit dem jeweiligen Verkehrswert des Wirtschaftsguts (Teilwert) überein. So können durch bilanzpolitische Maßnahmen wie zum Beispiel die Wahl von degressiver oder linearer Abschreibung, Sofortabschreibungen oder erhöhten Absetzungen und Sonderabschreibungen sowie auch durch spätere Wertsteigerungen so genannte stille Reserven also vereinfacht ausgedrückt Differenzen zwischen dem Verkehrswert eines Wirtschaftsguts und seinem niedrigeren Buchwert gebildet werden, die bei der Bewertung des Betriebsvermögens nicht berücksichtigt werden. Zudem fließen immaterielle Wirtschaftsgüter wie etwa der Geschäfts- oder Firmenwert eines Unternehmens in die erbschaftsteuerliche Bewertung nicht ein. Das hat regelmäßig zur Folge, dass der Steuerwert gerade von ertragstarken Unternehmen weit hinter dem gemeinen Wert zurückbleibt, weil der den Wert bestimmende Faktor des Ertrags keine Berücksichtigung findet. Die Übernahme der Steuerbilanzwerte bewirkt mithin für Betriebsvermögen mit hoher Wahrscheinlichkeit wenn auch nicht stets einen deutlich unter dem gemeinen Wert liegenden Steuerwert. Darüber hinaus bewirkt die durch den Steuerbilanzwertansatz erzielte Begünstigungswirkung keine zielgerichtete und gleichmäßig wirkende Steuerentlastung, sondern tritt völlig ungleichmäßig und damit willkürlich ein. Durch den Steuerbilanzwertansatz ist die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage davon abhängig, ob und in welchem Umfang der Erblasser oder Schenker bilanzpolitische Maßnahmen ergriffen hat. Die vielfältigen Möglichkeiten, über die Bilanzpolitik Einfluss auf den erbschaftsteuerlichen Wertansatz zu nehmen, eröffnen sich den Inhabern von Betriebsvermögen in stark

73 differierendem Ausmaß. Die Regelung kommt den Erwerbern von Betriebsvermögen folglich in ganz unterschiedlichem Umfang zugute. Zudem fehlt es der Regelung mit Blick auf die vom Gesetzgeber genannten Lenkungsziele an einer ausreichend zielgerichteten Ausgestaltung. Mit der Übernahme der Steuerbilanzwerte wollte der Gesetzgeber insbesondere mittelständische Personenunternehmen von der Erbschaft- und Schenkungsteuer entlasten. Tendenziell wird aber gerade der Übergang des Betriebsvermögens von solchen Unternehmen gefördert, die der Entlastung am wenigsten bedürfen. Denn begünstigt wird besonders der Erwerb ertragstarker Unternehmen, bei denen Entnahmen zur Begleichung der Erbschaftsteuerschuld am ehesten möglich sein dürften. Das Fehlen eines Nachversteuerungsvorbehalts führt zusätzlich dazu, dass auch Erwerber eines Betriebsvermögens in den Genuss der Steuerbegünstigung kommen, die eine Fortführung des Unternehmens nicht beabsichtigen. 2. Auch beim Grundvermögen genügt die erbschaftsteuerliche Ermittlung der Bemessungsgrundlage schon auf der Bewertungsebene nicht den Anforderungen des Gleichheitssatzes und führt deshalb zu Besteuerungsergebnissen, die mit dem Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren sind. a) Bei bebauten Grundstücken wird durch das gesetzlich angeordnete ( 146 Abs. 2 Satz 1 BewG) vereinfachte Ertragswertverfahren mit einem starren Einheitsvervielfältiger von 12,5 eine Bewertung mit dem gemeinen Wert regelmäßig verfehlt. Mit dem vereinfachten Ertragswertverfahren wollte der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien eine Bewertung mit durchschnittlich ca. 50 % des Kaufpreises also des gemeinen Werts erreichen und durch diese niedrige Erbschaftsbesteuerung Investitionsanreize für Grundvermögen schaffen sowie die Bau- und Wohnungswirtschaft positiv beeinflussen. Dieser gesetzgeberische Versuch einer steuerlichen Lenkung auf der Bewertungsebene steht aber in unauflösbarem Widerspruch zu den aus dem Gleichheitssatz folgenden verfassungsrechtlichen Vorgaben. Die Bewertungsmethode führt im rechnerischen Durchschnitt nicht nur zu Grundbesitzwerten, die etwa 50 % des gemeinen Werts erreichen, so dass eine Annäherung an den gemeinen Wert nicht erfolgt. Vielmehr differieren die Einzelergebnisse auch in erheblicher Anzahl zwischen weniger als 20 % und über 100 % des gemeinen Werts. Es ist offensichtlich, dass ein einheitlicher Vervielfältiger für bebaute Grundstücke ohne Berücksichtigung der Grundstücksart und der Lage zu erheblichen Bewertungsunterschieden im Verhältnis zum gemeinen Wert führen muss und der Bewertung daher Zufälliges und Willkürliches anhaftet. Keiner abschließenden Prüfung und Entscheidung bedarf deshalb die Frage, ob der Gesetzgeber das auf der Bewertungsebene verfolgte Ziel, den Erwerb bebauter Grundstücke nur auf der Basis hälftiger Verkehrswerte mit Erbschaftsteuer zu belasten, verfassungsrechtlich zulässig auf der zweiten Ebene der Bemessungsgrundlagenermittlung etwa im Wege einer eindeutigen Verschonungsbestimmung, nach der bebaute Grundstücke nur mit 50 % ihres gemeinen Werts zum Ansatz kommen hätte erreichen können. Mit den Belangen der Bau- und insbesondere Wohnungswirtschaft hat der Gesetzgeber gewichtige Gemeinwohlgründe angeführt, die grundsätzlich geeignet erscheinen, Verschonungsnormen zu rechtfertigen, die den Erwerb von Grundvermögen aufgrund Erbschaft oder Schenkung steuerlich begünstigen. Die Frage, in welchem Umfang eine auf sie gestützte Entlastung verfassungsrechtlich zulässig wäre, kann aber hier offen bleiben.

74 b) Die in 148 BewG seiner bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Fassung geregelte Bewertung von Erbbaurechten und mit Erbbaurechten belasteten Grundstücken ist ebenfalls mit dem Erfordernis einer Bewertung, die die Wertverhältnisse in ihrer Relation realitätsgerecht abbildet, nicht vereinbar. Der Grundbesitzwert des belasteten Grundstücks wird schematisch starr durch einheitliche Vervielfältigung des nach den vertraglichen Bestimmungen im Besteuerungszeitpunkt zu entrichtenden jährlichen Erbbauzinses mit dem Faktor 18,6 bestimmt, ohne dass die Restlaufzeit des Erbbaurechts oder das Fehlen einer Heimfallentschädigung berücksichtigt oder die Höhe des Erbbauzinses hinterfragt werden. Das führt dazu, dass in einer Vielzahl von Fällen sowohl bei der Bewertung des Grundstücks als auch der des Erbbaurechts teils zugunsten des Erwerbers, teils zu seinen Lasten erheblich vom gemeinen Wert abgewichen wird. Zu dieser Erkenntnis ist auch der Gesetzgeber gelangt. Denn im Entwurf für das Jahressteuergesetz 2007 wird ausgeführt, die jetzige Regelung führe insbesondere bei kurzen Restlaufzeiten zu nicht vertretbaren Bewertungsergebnissen. c) Schließlich entspricht auch die Wertermittlung für unbebaute Grundstücke ( 145 BewG) der Anforderung, die Wertverhältnisse in ihrer Relation realitätsgerecht abzubilden, jedenfalls inzwischen nicht mehr. Grund hierfür ist die gesetzlich angeordnete, bis Ende 2006 geltende Festschreibung der Wertverhältnisse auf den 1. Januar Die Preisentwicklung auf dem Grundstücksmarkt führt dazu, dass die vergangenheitsbezogenen Werte sowohl die Wertverhältnisse innerhalb der Gruppe der unbebauten Grundstücke nicht mehr in ihrer Relation realitätsgerecht abbilden als auch nicht mehr den Gegenwartswerten anderer Vermögensgegenstände entsprechen. Damit führt die Wertbemessung nach dem bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Recht zu verfassungswidrigen Besteuerungsergebnissen. 3. Auch die Erbschaftsbesteuerung der Erwerber von Anteilen an Kapitalgesellschaften ist in nicht mit dem Gleichheitssatz vereinbarer Weise ausgestaltet. Bei den zu schätzenden, nicht börsennotierten Anteilen führt der vom Gesetzgeber angeordnete Steuerbilanzwertansatz zu Steuerwerten, die im Regelfall deutlich hinter der Teilbewertung zurückbleiben. Zwar sind nach den gesetzlichen Vorgaben anders als beim Betriebsvermögen die Ertragsaussichten des Unternehmens zu berücksichtigen. Gleichwohl werden durch den vom Gesetzgeber angeordneten Steuerbilanzwertansatz auch für die zu schätzenden Anteile an Kapitalgesellschaften Steuerwerte erzielt, die im Durchschnitt deutlich unter dem gemeinen Wert liegen. Darüber hinaus wirkt sich die Übernahme der Steuerbilanzwerte wiederum parallel zum Betriebsvermögen für die Anteile an Kapitalgesellschaften in ganz unterschiedlicher Weise aus. Die Gesellschaften sind in höchst unterschiedlichem Maße in der Lage, von den Bilanzierungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen. Das bewirkt zwingend eine große Streubreite der Steuerwerte im Verhältnis zu den Verkehrswerten. Darüber hinaus führt die für die zu schätzenden Anteile an Kapitalgesellschaften angeordnete Übernahme der Steuerbilanzwerte auch zu einer großen Kluft gegenüber den übrigen Anteilen an Kapitalgesellschaften, deren Bewertung anhand des Kurswerts beziehungsweise aus zeitnahen Verkäufen abgeleitet erfolgt und darum im Regelfall zu deutlich höheren Werten führt. 4. Schließlich verstößt auch die Bewertung von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen gegen die aus dem Gleichheitssatz folgenden Anforderungen und führt deshalb zu Besteuerungsergebnissen, die mit dem Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren sind. Für den Betriebsteil ist der Ertragswert als Bewertungsziel vorgegeben. Damit wird

75 bereits strukturell eine Erfassung der im Vermögenszuwachs liegenden Steigerung der Leistungsfähigkeit des Erben oder Beschenkten verfehlt, die sich aufgrund der der Erbschaftsteuer zugrunde liegenden gesetzgeberischen Konzeption gerade nach dem bei einer Veräußerung unter objektivierten Bedingungen erzielbaren Preis, nicht aber allein nach dem vermittels der Vermögenssubstanz erzielbaren Ertrag bemisst. Die Bewertung von Wohnteil und Betriebswohnungen orientiert sich am gemeinen Wert als Wertkategorie. Insoweit gilt das zum Grundvermögen Gesagte entsprechend. Die dort festgestellten verfassungsrechtlichen Mängel führen auch hier schon auf der Bewertungsebene zu Verstößen gegen den Gleichheitssatz. III. Trotz Unvereinbarkeitserklärung mit dem Gleichheitssatz ist es im vorliegenden Fall geboten, ausnahmsweise die weitere Anwendung des geltenden Erbschaftsteuerrechts bis zur gesetzlichen Neuregelung zuzulassen. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum 31. Dezember 2008 zu treffen. Dabei ist er verfassungsrechtlich gehalten, sich auf der Bewertungsebene einheitlich am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel zu orientieren. Dem Gesetzgeber ist es unbenommen, bei Vorliegen ausreichender Gemeinwohlgründe in einem zweiten Schritt der Bemessungsgrundlagenermittlung mittels Verschonungsregelungen den Erwerb bestimmter Vermögensgegenstände zu begünstigen. Die Begünstigungswirkungen müssen ausreichend zielgenau und innerhalb des Begünstigtenkreises möglichst gleichmäßig eintreten. Schließlich kann der Gesetzgeber auch mittels Differenzierungen beim Steuersatz eine steuerliche Lenkung verfolgen.

76 Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Änderung eines Bebauungsplans zu Lasten des Bauherrn im gerichtlichen Verfahren Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass eine Gemeinde, die von der Widerspruchsbehörde zur Erteilung einer Baugenehmigung verpflichtet worden ist, im Rahmen ihrer Anfechtungsklage gegen den Widerspruchsbescheid eine nach Erlass des Widerspruchsbescheids von ihr selbst herbeigeführte, dem Bauherrn nachteilige Änderung des maßgeblichen Bebauungsplans geltend machen kann. Die Bauherrin, ein Einzelhandelsbetrieb, stellte bei der Klägerin einen Bauantrag für die Erweiterung der Verkaufsfläche ihres Lebensmittel-Discountgeschäfts von 700 qm um 147 qm. Die Klägerin, die als Große Kreisstadt zugleich untere staatliche Bauaufsichtsbehörde ist, lehnte den Antrag ab. Auf den Widerspruch der Bauherrin verpflichtete das zuständige Regierungspräsidium als Widerspruchsbehörde die Klägerin zur Erteilung der Baugenehmigung, soweit es um die planungsrechtliche Beurteilung des Vorhabens geht. Die Klägerin erteilte die Baugenehmigung jedoch nicht, sondern erhob Anfechtungsklage gegen den Widerspruchsbescheid, die das Verwaltungsgericht abwies. Während des anschließenden gerichtlichen Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof beschloss und veröffentlichte die Klägerin eine Änderung des maßgeblichen Bebauungsplans, aus der sich nach ihrer Ansicht die Unzulässigkeit des Umbauvorhabens der Beigeladenen ergibt. Der Verwaltungsgerichtshof ließ diese nachträgliche Änderung des Bebauungsplans mit der Begründung unberücksichtigt, dass maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt der Erlass des Widerspruchsbescheides sei. Er wies die Berufung der Klägerin zurück, ohne auf den zwischenzeitlich geänderten Bebauungsplan einzugehen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs aufgehoben und entschieden, dass für die Beurteilung der Rechtslage auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen sei. Bereits im gemeindlichen Anfechtungsprozess müsse geprüft werden, ob die im Widerspruchsbescheid bejahten planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Baugenehmigung zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung weiterhin gegeben seien. Eine dem Bauherrn nachteilige Änderung der Rechtslage dürfe die Gemeinde selbst durch Änderung des maßgeblichen Bebauungsplans herbeiführen, solange eine Baugenehmigung nicht erteilt worden sei. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Rechtsstreit an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Denn dieser hat nach seiner Rechtsauffassung konsequent nur Feststellungen für die Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2004 getroffen und eine Überprüfung des zwischenzeitlich von der Klägerin bekannt gemachten Änderungsbebauungsplans für entbehrlich gehalten. Der Verwaltungsgerichtshof wird nunmehr die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben.

77 Bundesnachrichtendienst zur Auskunft an Journalisten verpflichtet Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass der Bundesnachrichtendienst verpflichtet ist, einem Journalisten Auskunft über ihn betreffende personenbezogene Daten zu erteilen, auch soweit diese in Akten enthalten sind. Der Kläger ist als Journalist bei der Berliner Zeitung tätig. Darin wurde Anfang November 2005 ein Artikel veröffentlicht, in dem über die Observation eines Journalisten durch den Bundesnachrichtendienst berichtet wurde. Das Thema wurde in den folgenden Wochen von anderen Medien aufgegriffen. Im November 2005 beauftragte das Parlamentarische Kontrollgremium des Deutschen Bundestages den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof a.d. Dr. Schäfer als Sachverständigen, den in der Presse erhobenen Vorwürfen nachzugehen, der Bundesnachrichtendienst habe über längere Zeiträume hinweg Journalisten überwacht, um so deren Informanten aus dem Bundesnachrichtendienst zu enttarnen. Im Mai 2006 wurde das in der Öffentlichkeit als "Schäfer-Bericht" bezeichnete Gutachten des Sachverständigen in einer teilweise anonymisierten Fassung veröffentlicht. In den Monaten Mai und Juni 2006 wurde in der Presse mehrfach darüber berichtet, dass ein namentlich bezeichneter Leipziger Journalist Informationen über den Kläger gegen Entgelt an den Bundesnachrichtendienst weitergegeben habe. Der Kläger begehrte daraufhin vom Bundesnachrichtendienst Auskunft darüber, "welche Informationen und Daten Sie über mich gespeichert haben". Der Bundesnachrichtendienst entsprach dem Auskunftsbegehren des Klägers nur hinsichtlich elektronisch gespeicherter Daten. Dagegen lehnte er Auskünfte über den Inhalt seiner Akten ab. Die daraufhin erhobene Klage, für die das Bundesverwaltungsgericht in erster und letzter Instanz zuständig war, hatte Erfolg. Nach 7 Satz 1 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst (BNDG) erteilt der Bundesnachrichtendienst dem Betroffenen auf Antrag Auskunft über zu seiner Person nach 4 BNDG gespeicherte Daten. Obwohl in 4 Abs.1 BNDG nur von der Speicherung von Informationen in Dateien die Rede ist, muss 7 BNDG in Anbetracht des Grundrechts des Bürgers auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 1 Abs. 1 i.v.m. Art. 2 Abs. 1 GG verfassungskonform dahin ausgelegt werden, dass zu "gespeicherten Daten" auch solche zählen, die in Akten enthalten sind, ohne elektronisch gespeichert zu sein. Der Ausgleich zwischen dem individualrechtlichen Auskunftsanspruch und dem nachrichtendienstlichen Geheimhaltungsinteresse wird dadurch gewährleistet, dass 7 BNDG für die Auskunftsgewährung auf 15 des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) verweist. Danach unterbleibt eine Auskunftserteilung u.a. dann, wenn eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Auskunftserteilung zu besorgen ist. Auf gerichtliche Nachfrage hin hat der Bundesnachrichtendienst ausdrücklich erklärt, dass die in 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 BVerfSchG genannten Geheimhaltungsgründe einer Auskunftserteilung an den Kläger nicht im Wege stehen. Er hat sich lediglich "grundsätzlich aus Rechtsgründen daran gehindert" gesehen, dem Auskunftsbegehren zu entsprechen. Deshalb war der Klage stattzugeben.

78 Neuer Zeitpunkt für die Beurteilung der Ausweisung von Ausländern Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass bei Ausweisungen von Ausländern Änderungen der Sach- und Rechtslage von den Tatsachengerichten zu berücksichtigen sind. Bisher hatte der für das Ausländerrecht zuständige 1. Senat aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nur bei EU-Bürgern und weiteren gemeinschaftsrechtlich privilegierten Ausländern die Berücksichtigung nachträglicher Veränderungen verlangt. Durch die heutige Entscheidung wird die bisherige Rechtsprechung, wonach bei den übrigen Ausländern (sog. Drittstaater) auf den Zeitpunkt der behördlichen Ausweisungsverfügung abzustellen ist, aufgegeben und der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung nunmehr auch für diese Ausländer ins gerichtliche Verfahren verlagert. In dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ging es um die Ausweisung eines 32-jährigen jugoslawischen Staatsangehörigen, der im Alter von 18 Jahren nach Deutschland gekommen war und 1999 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhalten hatte. Im November 2002 wurde er aus dem Bundesgebiet ausgewiesen, nachdem er wegen Geldwäsche zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden war. Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hob die Ausweisung hingegen auf. Er stellte bei seiner Entscheidung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides ab und hielt die Ausweisung angesichts der besonderen Umstände der Tat sowie der Integration des seit 1993 erwerbstätigen Klägers für unverhältnismäßig. Auf die Revision des beklagten Landes hat der 1. Senat entschieden, dass nunmehr in allen Ausweisungsverfahren auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung der Tatsachengerichte abzustellen ist. Das gilt ab Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes im August Der Senat hat dies im Wege einer Gesamtschau insbesondere auf zwei Gründe gestützt. Zum einen ist nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Bundesverfassungsgerichts zur Verhältnismäßigkeit von Ausweisungen im Hinblick auf einen möglichen Eingriff in das Privat- und Familienleben (Art. 8 EMRK) und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) eine Prüfung nach den aktuellen Verhältnissen erforderlich. Zum anderen verlangen inzwischen auch einige der dem Richtlinienumsetzungsgesetz zugrundeliegenden EU-Richtlinien von den Gerichten hinsichtlich der Ausweisung bestimmter Drittstaater eine zeitnahe Beurteilung der Gefahr, die von dem Ausländer für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Im Fall des Klägers führt die Verlagerung des maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung der Ausweisung zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an den Verwaltungsgerichtshof. Denn dieser hat nach damaliger Rechtslage konsequent nur Feststellungen für die Sachlage zum Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Ausweisungsverfahrens im Jahr 2002 getroffen. Der Verwaltungsgerichtshof wird nunmehr auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung abzustellen haben. Dabei wird er auch zu berücksichtigen haben, dass der Kläger sich aufgrund der durch das Zuwanderungsgesetz zum 1. Januar 2005 geänderten Rechtslage und der damit verbundenen gesetzgeberischen Aufwertung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis auf besonderen Ausweisungsschutz berufen kann.

79 Beschränkung des Waffenerwerbs durch Sportschützen rechtmäßig Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass organisierte Sportschützen innerhalb eines halben Jahres regelmäßig nur zwei Schusswaffen gleich welcher Art erwerben dürfen. In den entschiedenen Fällen hatte die Waffenbehörde den Klägern, die einem Schießsportverein angehören, eine Erlaubnis zum Erwerb einer unbegrenzten Anzahl von Einzellader-Langwaffen, von Repetier-Langwaffen, von einläufigen Einzellader-Kurzwaffen sowie von Perkussionswaffen erteilt, die Erlaubnis aber jeweils mit der Einschränkung versehen, wonach innerhalb eines halben Jahres regelmäßig nicht mehr als zwei Waffen dieser Art erworben werden dürfen (sog. Erwerbsstreckungsgebot). Die Kläger griffen mit ihren Klagen die Einschränkungen an und machten geltend, dass das im Waffengesetz vorgesehene Erwerbsstreckungsgebot nur auf andere Arten von Schusswaffen, nämlich auf die als "Kontingentwaffen" bezeichneten halbautomatischen Langwaffen und mehrschüssigen Kurzwaffen, angewendet werden dürfe, bei denen eine erhöhte Missbrauchsgefahr bestehe. Es beziehe sich dagegen nicht auf die von der Erlaubnis erfassten, als weniger gefährlich geltenden Waffenarten. Die von den Klägern erhobenen Klagen sind in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat die Zusätze in den Erlaubnisurkunden als rechtmäßig angesehen und die Revisionen der Kläger zurückgewiesen. Dabei hat es besonderes Gewicht dem Umstand beigemessen, dass das Erwerbsstreckungsgebot bei einer anderen Auslegung des Waffengesetzes nur einen sehr schmalen Anwendungsbereich hätte, weil von den "Kontingentwaffen" ohnehin nur eine geringe Anzahl erworben und besessen werden darf, so dass das Ziel der Norm, die Anlegung von Waffensammlungen unter dem Deckmantel des Sportschützentums zu verhindern, vor allem bei denjenigen Waffenarten erreicht werden muss, deren Erwerb ohne zahlenmäßige Begrenzung möglich ist. Damit wird zugleich das allgemeine Ziel des Gesetzes gefördert, im Interesse der öffentlichen Sicherheit so wenig Waffen wie möglich in den Besitz von Privatleuten gelangen zu lassen.

80 Die Deutsche Bahn Netz AG ist verpflichtet, ihre Strecken in einem betriebssicheren Zustand vorzuhalten Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass das Eisenbahn-Bundesamt die Deutsche Bahn Netz AG zu Recht dazu verpflichtet hat, die Hunsrückquerbahn zwischen Stromberg und Morbach wieder in einen befahrbaren Zustand zu versetzen. Die klagende Deutsche Bahn Netz AG ist Eigentümerin der im Hunsrück gelegenen Eisenbahnstrecke Langenlonsheim Stromberg Simmern Büchenbeuren Morbach Hermeskeil (sog. Hunsrückquerbahn). Im April 2003 sperrte sie die Teilstrecke Stromberg Morbach wegen Sicherheitsmängeln, seitdem findet dort kein Zugverkehr mehr statt. Mit Bescheiden vom Oktober 2003 gab das Eisenbahn-Bundesamt der Klägerin auf, die festgestellten Mängel in der Betriebssicherheit der Strecke zu beseitigen. Hiergegen wandte die Klägerin ein, die dadurch entstehenden Kosten seien aus Trassenerlösen nicht abzudecken. Aktuell bestehe auch kein Verkehrsbedürfnis. Außerdem dürfe sie abwarten, bis abschließend entschieden sei, ob ein Ausbau der Strecke zur Anbindung des Flughafens Hahn erfolge; in einem solchen Fall seien die Mittel für eine reine Instandsetzung nutzlos eingesetzt. Das Gleiche gelte, wenn ein solcher Ausbau nicht stattfinde; in diesem Fall wolle sie die Strecke stilllegen. Die Vorinstanzen haben ihre Klage jeweils abgewiesen. Auch die Revision der Klägerin blieb ohne Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Auffassung der Beklagten bestätigt, dass die Klägerin als Eisenbahninfrastrukturunternehmen nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG) die Pflicht trifft, ihre Strecken in einem betriebssicheren Zustand für den Eisenbahnverkehr vorzuhalten und die Strecken, wenn dieser Unterhaltungspflicht nicht entsprochen wurde, wieder in einen betriebssicheren Zustand zu versetzen. Gegenüber dieser Pflicht kann sich die Klägerin nicht auf die fehlende Wirtschaftlichkeit solcher Maßnahmen wegen unzureichender Trassenerlöse berufen, die Unterhaltung der Strecke aus eigenem Entschluss einstellen und die Strecke nicht nur vorübergehend sperren. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit dem in 11 AEG geregelten Stilllegungsverfahren den Weg vorgegeben, wie sich die Eisenbahninfrastrukturunternehmen in einer solchen Situation von ihrer Unterhaltungspflicht befreien können. Über das Erfordernis einer behördlichen Genehmigung und die hieran geknüpften Voraussetzungen für die dauernde Einstellung des Betriebs soll sichergestellt werden, dass die Infrastruktur für den Eisenbahnverkehr nur dann verloren geht, wenn dem Unternehmen der Betrieb wirtschaftlich nicht mehr zuzumuten ist und auch kein Dritter gefunden werden kann, der die Strecke zu übernehmen bereit ist. Damit soll das Zugangsrecht der Eisenbahnverkehrsunternehmen gesichert und Wettbewerb im Eisenbahnverkehr ermöglicht werden.

81 Einberufung zum Grundwehrdienst bei Ausbildung im sog. dualen Studiengang Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte sich mit den Voraussetzungen zu beschäftigen, unter denen die Ausbildung eines Wehrpflichtigen im sog. dualen Studiengang seiner Einberufung zum Grundwehrdienst entgegensteht. Unter einem dualen Studiengang wird eine Ausbildung verstanden, die eine praktische Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf ("Lehre"), z.b. im Beruf des Mechatronikers, Elektronikers für Automatisierungstechnik, Kaufmanns für Bürokommunikation oder Fachinformatikers, mit einem gleichzeitigen Studium an einer Fachhochschule verbindet. Der Studiengang führt nacheinander zu zwei Abschlüssen, nämlich zum Berufsabschluss und zum Hochschulgrad Diplom oder Bachelor. Ihm liegen Vereinbarungen mit Unternehmen zugrunde, die die praktische Ausbildung im Wechsel mit Studienphasen an der Fachhochschule durchführen. Nach dem Wehrpflichtgesetz können Studierende einberufen werden, bis sie das dritte Semester erreicht haben. Auszubildende werden dagegen von Beginn der Berufsausbildung an zurückgestellt; sie stehen in der Regel danach für den Wehrdienst zur Verfügung. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass die Wehrersatzbehörden bei ihrer Entscheidung über einen Zurückstellungsantrag des Wehrpflichtigen die Ausbildung im dualen Studiengang wie ein Fachhochschulstudium zu behandeln haben. Das bedeutet, dass der Wehrpflichtige auch nach dem Beginn seines Studiums weiterhin zum Wehrdienst einberufen werden kann und ein Zurückstellungsgrund erst nach Absolvierung von zwei Semestern oder einem entsprechend langen Abschnitt der praktischen Ausbildung gegeben ist. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts kommt der duale Studiengang unter den für das Verständnis der Zurückstellungsvorschriften maßgeblichen Gesichtpunkten dem Fachhochschulstudium und nicht einer Berufsausbildung gleich, obwohl er (auch) auf dieses Ziel ausgerichtet ist. Es hat dabei unter dem Gesichtspunkt der Wehrgerechtigkeit berücksichtigt, dass dieser Personenkreis sonst wegen der Länge der dualen Ausbildung einerseits und der auf 25 Jahre abgesenkten Altersgrenze andererseits in vielen Fällen überhaupt nicht einberufen werden könnte.

82 Kein Anspruch auf Rücknahme bestandskräftiger Ausweisungen von Unionsbürgern Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass Unionsbürger keinen Anspruch darauf haben, dass rechtswidrige, aber bestandskräftig gewordene Ausweisungen von den Ausländerbehörden aufgehoben werden. Sie haben aber Anspruch auf Befristung des durch die Ausweisung ausgelösten und weiterhin geltenden Einreise- und Aufenthaltsverbots. Der Kläger, ein italienischer Staatsangehöriger, erstrebt die Aufhebung seiner Ausweisung aus dem Jahr Er ist im Bundesgebiet geboren und aufgewachsen. Im Zeitpunkt der Ausweisung lebte er mit einer Deutschen zusammen; die zwei aus dieser Verbindung hervorgegangenen deutschen Kinder waren noch minderjährig. Das beklagte Land Baden-Württemberg hatte den Kläger im Jahr 1998 aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen, nachdem dieser mehrfach, insbesondere wegen Eigentumsund Vermögensdelikten, zu Freiheitsstrafen von insgesamt mehr als drei Jahren verurteilt worden war. Die Ausländerbehörde war von einer sog. Regel-Ausweisung ausgegangen und hatte kein Ermessen ausgeübt. Der Kläger hatte hiergegen keine Klage erhoben und war nach Bestandskraft der Ausweisung nach Italien abgeschoben worden. Nach unerlaubter Wiedereinreise in das Bundesgebiet und erneuter Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren u.a. wegen Diebstahls und schwerer räuberischer Erpressung beantragte er im Mai 2004 die Rücknahme der bestandskräftigen Ausweisung sowie hilfsweise die Befristung ihrer Wirkungen. Diesen Antrag lehnte das Regierungspräsidium Stuttgart im September 2004 ab. Es führte im Einzelnen aus, dass die Ausweisung rechtmäßig und deren Rücknahme deshalb ausgeschlossen sei. Eine Befristung komme wegen der vom Kläger nach wie vor ausgehenden hohen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht in Betracht. Die dagegen gerichtete Klage hatte vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim teilweise Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hielt die Ausweisung für rechtswidrig, weil sie wegen der gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsberechtigung des Klägers nicht ohne eine einzelfallbezogene Ermessensausübung hätte ergehen dürfen. Da die Ausländerbehörde dies bei ihrer Entscheidung über die Rücknahme der Ausweisung verkannt habe, müsse sie eine neue Ermessensentscheidung über die Rücknahme treffen. Einen zwingenden Anspruch auf Rücknahme der rechtswidrigen Ausweisung habe der Kläger dagegen nicht. Zu dem Befristungsantrag hielt der Verwaltungsgerichtshof eine Entscheidung nicht für erforderlich. Auf die Revisionen des Klägers und des beklagten Landes hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts das Berufungsurteil hinsichtlich der Rücknahme der Ausweisung im Ergebnis bestätigt. Er hält die wegen des Bescheids vom September 2004 zur Überprüfung anstehende Ausweisung aus dem Jahre unabhängig von Gemeinschaftsrecht - für rechtswidrig. Denn der Kläger hätte schon wegen seiner Verwurzelung im Bundesgebiet nur im Ermessenswege ausgewiesen werden dürfen. Der Senat hat seine Rechtsprechung anlässlich neuerer Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie des Bundesverfassungsgerichts dahingehend weiterentwickelt, dass bei Regel-Ausweisungen ein zur Ausübung von Ermessen führender Ausnahmefall dann anzunehmen ist, wenn höherrangiges Recht unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falles eine Einzelfallwürdigung gebietet. Beim Kläger lagen diese Voraussetzungen vor, weil er als Unionsbürger im Bundesgebiet geboren und aufgewachsen war und im Zeitpunkt der Ausweisung mit einer Deutschen und den gemeinsamen Kindern zusammenlebte. Demzufolge war die Ausweisung rechtswidrig. Da die Behörde ihr Rücknahmeermessen nicht ausgeübt hat, muss sie über die Rücknahme erneut entscheiden; ihre Revision blieb deshalb erfolglos. Auf der anderen Seite hat der Kläger - wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat - keinen Anspruch darauf, dass die rechtswidrige Ausweisung von der Ausländerbehörde in jedem Fall aufgehoben wird. Die Aufrechterhaltung der Ausweisung erweist sich trotz ihrer Rechtswidrigkeit nicht als "schlechthin unerträglich", so dass bei der Ausübung des Rücknahmeermessens dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit kein größeres Gewicht zukommt als dem Prinzip der Rechtssicherheit. Insoweit hatte die Revision des Klägers keinen Erfolg. Auf seine Revision wurde die Sache aber wegen des hilfsweise gestellten Befristungsantrags an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Über diesen Hilfsantrag hätte der Verwaltungsgerichtshof bei sachdienlicher Auslegung des Klageantrags entscheiden müssen, da der Kläger mit seinem Hauptantrag nur teilweise Erfolg gehabt hat. Diese Prüfung wird er nun nachholen müssen.

83 Verkehrsbeschränkungen zur Abwehr von Feinstaubimmissionen müssen erneut geprüft werden Die Landeshauptstadt München hat Verkehrsbeschränkungen zur Verringerung gesundheitsschädlicher Feinstaubpartikel-Immissionen mit unzutreffender Begründung abgelehnt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger verlangt die Verurteilung der Landeshauptstadt insbesondere zu straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen, mit denen die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für Feinstaubpartikel bei seiner Wohnung am Mittleren Ring erreicht wird. An einer Messstelle in der Nähe seiner Wohnung wurde der maßgebliche Grenzwert deutlich überschritten. Die Landeshauptstadt München lehnte solche Maßnahmen ab mit der Begründung, zunächst müsse der Freistaat Bayern einen Aktionsplan zur Luftreinhaltung aufstellen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hielt die Ablehnung für rechtmäßig. Auf die Revision des Klägers hin hat das Bundesverwaltungsgericht dieses Urteil aufgehoben. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits in seiner Entscheidung vom 29. März 2007 (BVerwG 7 C 9.06 Pressemitteilung Nr. 18/2007) festgestellt hat, war der Freistaat Bayern verpflichtet, einen Aktionsplan aufzustellen. Solange er seiner Pflicht nicht nachkommt, dürfen die örtlichen Behörden nicht Einzelmaßnahmen zur Abwehr gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch Feinstaubimmissionen unterlassen. Der Betroffene kann verlangen, dass die Behörden bei gesundheitsrelevanten Grenzwertüberschreitungen einschreiten. Sie müssen dann unter mehreren rechtlich möglichen insbesondere verhältnismäßigen Maßnahmen eine Auswahl treffen. Als verhältnismäßige Maßnahme kommt hier beispielsweise eine Umleitung des LKW-Durchgangsverkehrs in Betracht. Da der Verwaltungsgerichtshof offen gelassen hat, ob an der Wohnung des Klägers die Gefahr einer unzulässigen Grenzwertüberschreitung besteht, musste der Rechtsstreit an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen werden.

84 Abschiebungsverbot wegen Krankheit führt zu Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass eine vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gegenüber einem Asylbewerber ausgesprochene Androhung der Abschiebung in sein Heimatland aufzuheben ist, wenn nachträglich im gerichtlichen Verfahren ein Abschiebungsverbot wegen erheblicher konkreter Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit nach 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz - AufenthG - festgestellt wird. Damit hat der nunmehr für das Asylrecht zuständige 10. Senat eine seit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes im Jahre 2005 umstrittene Frage geklärt. Nach der früheren Rechtslage blieb die Abschiebungsandrohung des Bundesamts in einem solchen Fall bestehen und entfiel erst mit der Erteilung eines Aufenthaltstitels. Das Bundesverwaltungsgericht hat nun entschieden, dass nach der neuen Rechtslage in solchen Fällen die vom Bundesamt ausgesprochene Androhung der Abschiebung in diesen Staat - anders als nach der früheren Rechtslage - stets aufzuheben ist. Dies ergibt sich nach Auffassung des Senats jedenfalls aus dem kürzlich in Kraft getretenen Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August Danach ist allein das Bundesamt für die Feststellung aller zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote nach 60 AufenthG bei Asylbewerbern zuständig. Das Bundesamt - und nicht wie früher die Ausländerbehörde - hat folglich auch das in Ausnahmefällen noch eröffnete behördliche Ermessen im Rahmen der Soll-Vorschrift des 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG auszuüben. Damit kann auch bei Feststellung eines solchen Abschiebungsverbots die Androhung der Abschiebung in den betreffenden Staat - ebenso wie bei den übrigen zwingenden Abschiebungsverboten - keinen Bestand mehr haben. Der Entscheidung lag der Fall eines aus Aserbaidschan stammenden Ehepaares armenischer Abstammung zugrunde. Die Eheleute hatten mit ihren (im Übrigen erfolglosen) Asylklagen im Berufungsverfahren auch geltend gemacht, sie dürften nicht nach Aserbaidschan abgeschoben werden, weil sie wegen der dort erlittenen Übergriffe an einer posttraumatischen Belastungsstörung litten, die sich im Falle einer Rückkehr erheblich verschlimmern würde. Das Oberverwaltungsgericht Weimar hatte die von den Klägern vorgelegten fachärztlichen Atteste nicht für ausreichend gehalten und das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ohne weitere Aufklärung verneint. Das Bundesverwaltungsgericht hat darin im Fall des Ehemannes einen Verfahrensmangel gesehen und die Sache insoweit an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Revision der Ehefrau hatte dagegen keinen Erfolg, weil das von ihr vorgelegte Attest keinen Anlass für weitere gerichtliche Aufklärung bot.

85 Nächtliche Lärmbelästigungen durch Windenergieanlagen Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat sich in einem heute verkündeten Urteil mit mehreren Fragen zu Lärmbelästigungen durch Windenergieanlagen insbesondere in der Nachtzeit befasst. Dabei ging es um Fragen, die die Revisibilität sowie die Auslegung und Anwendung der auf der Grundlage des Bundesimmissionsschutzgesetzes ergangenen Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm - betreffen. Die Kläger, die ein zu einer Hofanlage gehörendes Gebäude bewohnen, wenden sich gegen die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Windenergieanlage im Außenbereich in einem Abstand von ca. 340 m; die Anlage wird bereits seit einigen Jahren betrieben. Das Verwaltungsgericht Koblenz und das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz haben die Baugenehmigung aufgehoben, da durch die genehmigte Errichtung und den Betrieb der Windenergieanlage schädliche Umwelteinwirkungen auf das Wohnhaus der Kläger einwirkten und sie insbesondere unzumutbare Lärmbelästigungen zur Nachtzeit zu erwarten hätten. Die Revision der Beigeladenen gegen dieses Urteil blieb ohne Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass die Regelungen der TA Lärm auch in einem Baugenehmigungsverfahren für eine immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlage als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift auszulegen und anzuwenden sind und damit im Revisionsverfahren beachtliche Rechtsnormen des Bundesrechts darstellen. In Übereinstimmung mit dem Oberverwaltungsgericht ist das Bundesverwaltungsgericht ferner zu dem Ergebnis gelangt, dass der in Nr. 6.9 der TA Lärm vorgesehene "Messabschlag bei Überwachungsmessungen" von 3 db(a) nicht angerechnet werden kann, wenn auf eine Nachbarklage gegen eine Baugenehmigung die auf das betreffende Gebäude einwirkenden Lärmimmissionen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch eine Messung ermittelt worden sind. Denn dieses Verfahrensstadium ist noch dem Genehmigungsverfahren zuzurechnen und nicht als Teil der den Behörden aufgegebenen regelmäßigen Überwachung anzusehen. Auch die Einwendungen der Beigeladenen gegen die Einbeziehung eines vor dem Fenster einer Wohnküche liegenden Immissionspunkts blieben ohne Erfolg. Denn eine Küche, die nicht lediglich der Zubereitung der Mahlzeiten sondern auch dem sonstigen Aufenthalt der Bewohner dient, ist als schutzbedürftiger Raum im Sinne von Nr. A.1.3 TA Lärm (in Verbindung mit einer DIN-Norm) anzusehen. Erfolglos blieb die Revision auch hinsichtlich des Impulszuschlags, den ein Gutachter nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts zu Recht berücksichtigt hatte. Die Frage, ob ein derartiger Impulszuschlag nach Nr. A TA Lärm anzurechnen ist, bestimmt sich danach, ob die kurzzeitige Pegelerhöhung wegen ihrer Auffälligkeit außergewöhnlich störend ist. Dies hat das Oberverwaltungsgericht in Würdigung des Einzelfalls fehlerfrei bejaht.

86 Ausländische Importeure von Getränken in Einwegverpackungen können wegen des sog. "Dosenpfands" Feststellungsklagen gegen die Bundesländer erheben Ausländische Getränkeimporteure, die sich gegen Pfanderhebungs- und Rücknahmepflichten bei Einwegverpackungen wenden, können auf der Grundlage der neuen Verpackungsverordnung - anders als zuvor - durch eine Feststellungsklage gegen das für den Normvollzug zuständige Bundesland Rechtsschutz erlangen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Die Klägerinnen sind mittelständische Unternehmen mit Sitz in Österreich, die Getränke in Einwegverpackungen nach Deutschland exportieren. Sie sind der Auffassung, dass die Pfandpflicht ihnen gegenüber wegen europarechtlicher Vorgaben unanwendbar ist. Die gegen zwei Bundesländer erhobenen Klagen blieben in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht ging u.a. davon aus, dass den Klägerinnen ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung gegenüber dem Bundesland fehlt. Aus Gründen der Prozessökonomie und der Effektivität müsse der Rechtsschutz im Wege einer ausnahmsweise gegen die Bundesrepublik Deutschland als Normgeber der Verpackungsverordnung zu richtenden Klage gebündelt werden. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg verneinte das Bestehen eines konkreten Rechtsverhältnisses zwischen den Klägerinnen und dem Bundesland. Ein Rechtsverhältnis liege ausschließlich gegenüber dem Bund als Normgeber vor. Dem ist das Bundesverwaltungsgericht nicht gefolgt. Ein konkretes, der Feststellungsklage zugängliches Rechtsverhältnis liege vor, wenn die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten überschaubaren Sachverhalt streitig sei. Dies sei hier im Verhältnis zu den für den Gesetzesvollzug zuständigen Bundesländern der Fall. Angesichts des somit gegebenen Rechtsschutzes bestehe keine Notwendigkeit für eine "ausnahmsweise" gegen den Bund zu richtende Feststellungsklage. Ob die Klagen wegen des geltend gemachten Verstoßes des sog. Dosenpfands gegen Europarecht begründet seien, könne mangels tatsächlicher Feststellungen vom Revisionsgericht derzeit nicht beurteilt werden. Zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat das Bundesverwaltungsgericht die Streitsachen deshalb an die Vorinstanzen zurückverwiesen.

87 Versammlungsfreiheit für "Klagemauer" gegen den Irakkrieg Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass die Veranstaltung zu dem Thema "Gegen die Militärintervention im Irak und anderswo", die im Mai 2003 in Berlin hätte stattfinden sollen, eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes und damit im Sinne des Grundgesetzes war. Der Kläger meldete bei dem Polizeipräsidenten in Berlin für die Zeit vom 8. bis 26. Mai 2003 eine Veranstaltung zu dem genannten Thema an. Ziel der Veranstaltung sollte es sein, Menschen zu einer Äußerung über ihre Haltung zur Militärintervention im Irak zu bewegen. Hierzu sollten sie auf Karten schriftliche Meinungsäußerungen abgeben, die dann an einer Lattenkonstruktion, die vom Kläger als "Klagemauer" bezeichnet wird, öffentlich angebracht werden sollten. Im Holzrahmen sollten zudem Fotos von Kriegsopfern gezeigt werden. Mit Bescheid vom 7. Mai 2003 stellte der Beklagte fest, dass die angemeldete Veranstaltung keine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes sei. Die Veranstaltung ähnele einem Informationsstand, dessen Betrieb nicht dem Versammlungsgesetz unterfalle. Dem ist das von dem Kläger angerufene Verwaltungsgericht gefolgt. Auf die von dem Kläger erhobene Sprungrevision hat das Bundesverwaltungsgericht die Versammlungseigenschaft der streitigen Veranstaltung festgestellt. Die angemeldete Veranstaltung unterfiel dem Schutz des Versammlungsgesetzes und des Grundgesetzes. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts handelte es sich nicht um den Betrieb eines Informationsstandes. Hierbei wird zufällig vorbeikommenden Personen ein einseitiges Informationsangebot unterbreitet. Nach der Konzeption der streitigen Veranstaltung sollte diese einen Rahmen bieten, in den Außenstehende einbezogen werden sollten. Diese sollten unter den von dem Veranstalter gesetzten Thema in einen kollektiven Meinungsbildungs- und Meinungsäußerungsprozess im Zusammenhang mit dem Veranstaltungsthema eintreten. Die Veranstaltung war darauf gerichtet, zunächst unbeteiligte Personen dazu zu veranlassen, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten.

88 Klage von Globalisierungsgegner gegen polizeiliche Meldeauflage erfolglos Der Kläger wollte im Jahr 2001 an Demonstrationen gegen den sog. G 8-Gipfel in Genua teilnehmen. Der Polizeipräsident zu Berlin rechnete ihn aufgrund polizeilicher Erkenntnisse und nach zwei jugendgerichtlichen Verfahren der gewaltbereiten linksextremistischen Szene zu und erlegte ihm für einen Zeitraum von acht Tagen in der Zeit des Gipfeltreffens die Verpflichtung auf, sich täglich bei der zuständigen Polizeiwache zu melden. Damit sollte er an der Begehung von Straftaten in Genua im Zusammenhang mit den dort erwarteten Demonstrationen gehindert werden. Die Vorinstanzen haben die Klage auf nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der auf die polizeiliche Generalermächtigung gestützten Verfügung abgewiesen. Nach dieser Rechtsgrundlage können zur Abwehr einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung die erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden. An die tatsächliche Feststellung des Berufungsgerichts, dass vom Kläger eine solche Gefahr ausging, sowie an die im Berufungsurteil unternommene Auslegung des Berliner Landesrechts war das Bundesverwaltungsgericht bei seiner revisionsrechtlichen Überprüfung gebunden. Es hat die Revision des Klägers zurückgewiesen, weil es einen Verstoß der Meldeauflage gegen Bundesrecht nicht hat feststellen können. Dies betrifft insbesondere die Prüfung anhand des Grundrechts des Klägers auf Versammlungsfreiheit nach Artikel 8 GG. Die Meldeauflage ist ein erforderliches und angemessenes Mittel, um Versammlungen vor der Teilnahme von Personen zu schützen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als gewaltbereit einzustufen sind. Kein Anspruch eines Lebenspartners gegen die Versorgungseinrichtung der Bezirksärztekammer Koblenz auf Hinterbliebenenrente Der Kläger begründete mit einem bei der Bezirksärztekammer versicherten, ehemals selbständig in eigener Praxis tätigen Arzt eine Lebenspartnerschaft. Nach dem Tod des Arztes beantragte der Kläger eine Hinterbliebenenrente. Die Bezirksärztekammer lehnte den Antrag unter Hinweis auf ihre Satzung mit der Begründung ab, nur der überlebende Ehegatte eines Mitglieds sei anspruchsberechtigt, nicht jedoch ein überlebender Lebenspartner. Diese Regelung könne nicht auf überlebende Lebenspartner übertragen werden. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat entschieden, dass der Ausschluss eines überlebenden Lebenspartners von der Hinterbliebenenrente, wie er nach dem vom Revisionsgericht hinzunehmenden Satzungsrecht bestand, nicht gegen Bundes- oder Europarecht verstößt. Die Satzungsbestimmung, nach der die Witwe oder der Witwer eines Arztes oder einer Ärztin Hinterbliebenenrente erhält, der überlebende Lebenspartner oder die überlebende Lebenspartnerin aber nicht, verstößt insbesondere nicht gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot. Eine Bevorzugung der Ehe gegenüber der Lebenspartnerschaft ist wegen des der Ehe zukommenden besonderen verfassungsrechtlichen Schutzes zulässig, wenn sie auch nicht zwingend geboten ist. Der Satzungsgeber darf sich bei typisierender Betrachtung an der unterschiedlichen Versorgungssituation von Ehen und Lebenspartnerschaften orientieren. Er bleibt aber gehalten, nach angemessener Zeit zu prüfen, ob sich die Versorgungssituation überlebender Ehepartner und diejenige überlebender Lebenspartner in der Lebenswirklichkeit annähert und ob sich daher eine Anpassungsnotwendigkeit ergibt.

89 Änderung des Lehrfaches eines "nicht mehr glaubenden" Theologieprofessors ist rechtens Ein Theologieprofessor an einer staatlichen Hochschule muss es hinnehmen, wenn das ihm ursprünglich zugewiesene Fach "Neues Testament" entzogen und er aus der Theologenausbildung der evangelischen theologischen Fakultät ausgeschlossen wird, nachdem er sich öffentlich vom Christentum losgesagt hat. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden. Der Kläger war 1983 als Professor an die Universität Göttingen berufen und mit der Vertretung des Faches "Neues Testament" beauftragt worden sagte er sich durch verschiedene Veröffentlichungen und öffentliche Erklärungen vom christlichen Glauben los und erklärte, er sei "nicht mehr Glaubender". Die Universität erteilte ihm daraufhin den Auftrag, fortan das Fach "Geschichte und Literatur des frühen Christentums" zu vertreten; dieses Fach ist für angehende Theologen und Religionslehrer kein Prüfungsfach. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Begründung, es handele sich bei der Änderung um einen unzulässigen Eingriff in seine Wissenschaftsfreiheit. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung der Universität bestätigt. Die theologische Fakultät der Universität Göttingen ist eine konfessionsgebundene Einrichtung, sie dient der Ausbildung des theologischen Nachwuchses der evangelischen Kirche wie auch der Vertiefung und Übermittlung von Glaubenssätzen. Die an ihr tätigen Hochschullehrer üben damit ein konfessionsgebundenes Amt aus. Dafür ist nur geeignet, wer ein entsprechendes Bekenntnis hat. Die Universität ist berechtigt und in Evidenzfällen sogar verpflichtet, ihren Lehrbetrieb so zu organisieren, dass dieser den kirchlichen Eignungsanforderungen genügt. Die Änderung des zugewiesenen Faches ist verhältnismäßig. Sie lässt das staatliche Amt des Hochschullehrers unangetastet. Der Kläger ist auch nicht gehindert, sich weiterhin außerhalb der Theologenausbildung am Lehr- und Prüfungsbetrieb der Universität zu beteiligen und Doktoranden und Habilitanden zu betreuen.

90 Bedenken gegen Zulässigkeit der Feststellungsklage zur Weiternutzung des Flughafens Berlin-Tempelhof Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat in einem Schreiben an die DB Station & Service AG Bedenken gegen die Zulässigkeit ihrer kürzlich erhobenen Feststellungsklage zur Weiternutzung des Flughafens Berlin-Tempelhof geäußert und um Stellungnahme zu den dadurch aufgeworfenen Fragen gebeten. Mit der gegen das Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung des Landes Brandenburg gerichteten Klage erstrebt die DB Station & Service AG die Feststellung, dass der Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld vom 13. August 2004 durch die unbefristete Weiternutzung des Flughafens Berlin-Tempelhof als Sonderflughafen für Privat- und Geschäftsverkehr in seinem rechtlichen Bestand nicht beeinträchtigt würde. Der DB Station & Service AG wird durch den Planfeststellungsbeschluss für Berlin- Schönefeld die Erschließung des Flughafens durch Fern- und S-Bahn gestattet. Außerdem möchte sie in dem genannten Umfang den Flughafen Berlin-Tempelhof als Betreiberin unbefristet weiterführen. Der Senat von Berlin hat demgegenüber die Schließung des Flughafens Tempelhof zum 31. Oktober 2008 (Widerruf der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung und planungsrechtliche Entwidmung des Flughafengeländes) verfügt und dies u.a. damit begründet, dass durch einen Weiterbetrieb der Planfeststellungsbeschluss für den Flughafen Berlin-Schönefeld rechtlich gefährdet würde. Zunächst verweist der zuständige 4. Senat des Gerichts auf erhebliche Bedenken gegen die von der Klägerin angenommene erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts. Es sei zweifelhaft, ob die im so genannten Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz geregelte spezielle Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts Klagen dieser Art erfasse, abgesehen davon, dass die Geltungsdauer dieses Gesetzes am 16. Dezember 2006 abgelaufen sei. Vielmehr spreche viel dafür, dass das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg nach den allgemeinen Regelungen über die Zuständigkeit als erste Instanz anzurufen sei. Deshalb werde eine Verweisung des Rechtsstreits an dieses Gericht erwogen. Zudem bestünden Zweifel, ob die Feststellungsklage, wie von der Prozessordnung gefordert, ein konkretes feststellungsfähiges Rechtsverhältnis betreffe oder ob vom Gericht in Wahrheit nur eine Art Rechtsgutachten über mögliche künftige Entwicklungen erbeten werde. Nach dem geltenden, als Rechtsverordnung erlassenen und alle öffentlichen Stellen bindenden Landesentwicklungsplan Flughafenstandortentwicklung der Länder Berlin und Brandenburg müssten die Flughäfen Berlin-Tegel und Berlin-Tempelhof mit Inbetriebnahme der Kapazitätserweiterung am Standort Schönefeld geschlossen und ihre Flächen einer anderen Nutzung zugeführt werden. Damit sei nach der derzeitigen Rechtslage eine unbefristete Weiternutzung von Tempelhof auch als eingeschränkter Sonderflughafen ausgeschlossen. Solange diese Regelungen des Landesentwicklungsplanes nicht entsprechend geändert worden seien was die beiden Landesregierungen bislang abgelehnt hätten und solange der Umfang und die Gründe einer etwaigen Änderung des landesplanerischen Konzepts nicht bekannt seien, sei völlig ungewiss, welche möglichen rechtlichen Auswirkungen eine Offenhaltung von Tempelhof auf den Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld haben könnte. Ein Gericht sei derzeit nicht in der Lage, das Feststellungsbegehren der Klägerin verlässlich zu beurteilen.

91 Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für die Vergabe von Aufträgen unterhalb der Schwellenwerte des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen Öffentliche Auftraggeber beschaffen Waren, Bau- und Dienstleistungen im Wettbewerb und im Wege offener Vergabeverfahren. Für Aufträge, die bestimmte, durch Verordnung festgelegte Schwellenwerte erreichen oder überschreiten (diese betragen z.b. für Bauaufträge zurzeit 5 Millionen ), ist im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen eine Nachprüfung der Vergabepraxis durch Vergabekammern und auf sofortige Beschwerde hin durch das für die Vergabekammer zuständige Oberlandesgericht im ordentlichen Rechtsweg vorgesehen. In letzter Zeit war streitig geworden, in welchem Rechtsweg die Vergabe von Aufträgen unterhalb der Schwellenwerte überprüft werden kann. In einem Vergaberechtsstreit hatten die angerufenen Verwaltungsgerichte den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für gegeben erachtet. Das schließlich als letztinstanzliches Gericht angerufene Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat entschieden, dass auch für die gerichtliche Kontrolle der Vergabe von so genannten unterschwelligen Aufträgen die ordentlichen Gerichte zuständig sind. Tragend für die Entscheidung ist der Umstand, dass auch öffentliche Auftraggeber bei der Vergabe von Aufträgen unbeschadet ihrer öffentlichrechtlichen Bindungen wie jeder andere Auftraggeber als Nachfrager am Markt auftreten. Die öffentliche Hand bewegt sich bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in aller Regel auf dem Boden des Privatrechts, so dass für Streitigkeiten über die hierbei vorzunehmende Auswahl unter den Bietern nicht der Verwaltungsrechtsweg, sondern der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben ist. Widerruf von Waffenbesitzkarten bei "Altbesitz" Der Kläger wandte sich gegen den Widerruf von fünf Waffenbesitzkarten, die ihm der beklagte Polizeipräsident in den Jahren 1992 bis 1994 nebst zugehöriger Munitionserwerbsberechtigung erteilt hatte und in die insgesamt sieben Waffen eingetragen sind. Nach In- Kraft-Treten des Waffengesetzes vom 11. Oktober 2002 WaffG 2002 widerrief der Beklagte diese Erlaubnisse mit der Begründung, der Kläger sei nach Erteilung der Waffenbesitzkarten, aber vor In-Kraft-Treten des neuen Waffengesetzes wegen eines Verbrechens strafgerichtlich verurteilt worden. Die Vorinstanzen haben die Klage dagegen abgewiesen. Die Revision des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Nach 45 Abs. 2 WaffG 2002 ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zu ihrer Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis setzt u. a. voraus, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen nach 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG Personen nicht, die rechtskräftig wegen eines Verbrechens verurteilt worden sind, wenn seit Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung zehn Jahre noch nicht verstrichen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass diese Voraussetzungen auch dann erfüllt sind, wenn die strafgerichtliche Verurteilung bereits vor dem In-Kraft-Treten des neuen und hinsichtlich der Anforderungen an die Zuverlässigkeit des Waffenbesitzers verschärften Gesetzes erfolgt ist.

92 Versammlungsfreiheit für "Fuckparade 2001" Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass der Polizeipräsident in Berlin die Veranstaltung Fuckparade 2001 als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes und damit im Sinne des Grundgesetzes hätte behandeln müssen. Der Kläger meldete für den 14. Juli 2001 die Veranstaltung Fuckparade Jahre Hateparade als Gegendemonstration zur Berliner Love Parade an. Die Veranstaltung sollte in Berlin als Sternmarsch stattfinden und auf drei näher bezeichneten Routen zum Alexanderplatz führen. Dort sollte eine Abschlusskundgebung stattfinden. Gerechnet wurde mit etwa Teilnehmern, die von 40 bis 50 Lautsprecherwagen begleitet werden sollten. Von den Lautsprecherwagen sollten verschiedene Discjockeys Techno- Musik unterschiedlicher Stile spielen. Als Themen der Veranstaltung wurden in der Anmeldung angegeben Keine Zensur durch Kommerz, Love Parade raus aus dem Tiergarten, Leben statt Hauptstadtwahn und Keine Party ist illegal. Während der Veranstaltung sollten Tausende von Handzetteln verteilt werden, die die genannten Forderungen wiedergeben und näher begründen. Danach sollte sich die Veranstaltung insbesondere gegen die Verdrängung von Anhängern bestimmter Techno-Musikstile aus den angestammten Stadtgebieten, gegen die Schließung von Clubs und die Auflösung von Partys sowie gegen die kommerzialisierte Love Parade als Pseudo-Demo richten. Auf den auf dem Sternmarsch mitgeführten Lastkraftwagen sollten Banner angebracht werden, die auf die Forderungen der Veranstaltung hinweisen sollten. In dem Internetauftritt des Klägers wurden diese Anliegen dargelegt und begründet. Auf Veranlassung des Klägers und unter Hinweis auf die "Fuckparade" fand eine Podiumsveranstaltung u.a. mit Politikern zu dem Thema Wie wichtig sind Sub- und Clubkultur für eine lebenswerte Stadt statt. Der Polizeipräsident in Berlin teilte dem Kläger mit, dass die angemeldete Veranstaltung nicht die Voraussetzungen einer Versammlung erfülle, weil sich die Rolle der Teilnehmer auf das Zuhören und Tanzen beschränke und das Verteilen der Handzettel und die Spruchbänder der Veranstaltung nicht das entscheidende Gepräge verleihen würden. Dem sind das von dem Kläger angerufene Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht gefolgt. Das Bundesverwaltungsgericht ist dem entgegengetreten. Die von dem Kläger angemeldete Veranstaltung war als Versammlung zu behandeln, weil nicht zweifelsfrei auszuschließen ist, dass die Veranstaltung mit Blick auf ihr Gesamtgepräge für einen Außenstehenden erkennbar auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet war. Bei der Beurteilung des Gesamtgepräges einer Veranstaltung sind mit Blick auf die besondere Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit im Wege einer Gesamtschau alle maßgeblichen Gesichtspunkte mit der ihnen zukommenden Bedeutung zu berücksichtigen. Dem hat das Oberverwaltungsgericht nicht ausreichend Rechnung getragen. Es hat mehrere relevante Umstände unberücksichtigt gelassen. Nach der vom Bundesverwaltungsgericht angestellten eigenständigen Beurteilung des Gesamtgepräges der Veranstaltung war diese als Versammlung zu behandeln. Dafür, dass die Veranstaltung erkennbar auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sein sollte, sprechen insbesondere die Handzettel, auf denen die Forderungen der Veranstaltung wiedergegeben und näher beschrieben wurden, und die beabsichtigte Wiedergabe der Forderungen auf den an den Lastkraftwagen befestigten Bannern. Von Bedeutung sind auch der Internetauftritt des Klägers, in dem die Forderungen der Veranstaltung ausführlich dargelegt und begründet wurden, und die von dem Kläger initiierte Podiumsdiskussion. Angesichts der zahlreichen aussagekräftigen Umstände, die für eine Versammlung sprechen, kann nicht angenommen werden, dass die auf Musik, Tanz und Unterhaltung gerichteten Elemente der Veranstaltung im Vordergrund gestanden hätten.

93 BVerwG schließt sich BFH-Rechtsprechung zum Grundsteuererlass bei strukturellem Leerstand an Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat sich der Auffassung des Bundesfinanzhofes in München angeschlossen, dass ein Grundsteuererlass gemäß 33 Abs. 1 Grundsteuergesetz (GrStG) nicht nur bei atypischen und vorübergehenden Ertragsminderungen in Betracht kommt, sondern auch strukturell bedingte Ertragsminderungen nicht nur vorübergehender Natur erfassen kann. Das Bundesverwaltungsgericht hatte im Jahr 2001 entschieden, dass ein Grundsteuererlass wegen einer Ertragsminderung für Mietobjekte nicht in Betracht kommt, wenn diese auf die allgemeine Wirtschaftslage, d.h. auf einen so genannten strukturellen Leerstand zurückzuführen ist. Von einer solchen Situation seien alle Grundstückseigentümer betroffen. Deshalb komme nicht ein auf den Einzelfall bezogener Steuererlass in Betracht. Der in der Unvermietbarkeit zum Ausdruck kommende geringere Wert des Mietobjekts könne nur bei einer Neufestsetzung des Einheitswertes berücksichtigt werden. Ein Grundsteuererlass sei deshalb nur in Fällen atypischer und vorübergehender Ertragsminderung zu gewähren. Von dieser Rechtsprechung will der Bundesfinanzhof in einem von ihm zu entscheidenden Fall abweichen. In dem hierfür vorgesehenen Verfahren vor dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat das Bundesverwaltungsgericht mitgeteilt, dass es an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr festhalte. Klage gegen Planfeststellungsbeschluss "DA- Erweiterung A3XX" (Airbus Hamburg- Finkenwerder) erfolglos Die Klage eines Anwohners gegen den Planfeststellungsbeschluss "DA-Erweiterung A3XX" vom 8. Mai 2000 ist auch vor dem Bundesverwaltungsgericht ohne Erfolg geblieben. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute die Revision gegen das klagabweisende Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 2. Juni 2005 zurückgewiesen. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss soll es der Airbus Deutschland GmbH ermöglichen, in Hamburg-Finkenwerder das Großraumflugzeug A380 zu bauen. Er gestattet u.a., eine Teilfläche des als Europäisches Vogelschutzgebiet und als "Natura 2000"-Gebiet gemeldeten Mühlenberger Lochs zu verfüllen und dort eine Baufläche für die Erweiterung des Werks herzurichten, die Start- und Landebahn des Werksflugplatzes auf 2684 m zu verlängern und den Flugbetrieb auszuweiten. Die Baumaßnahmen sind im Wesentlichen abgeschlossen. Ein weiterer Planfeststellungsbeschluss vom 29. April 2004, der die Grundlage für eine Verlängerung der Start- und Landebahn um nochmals 589 m schafft, war nicht Gegenstand des Verfahrens. Der Kläger hatte geltend gemacht, dass die teilweise Verfüllung des Mühlenberger Lochs gegen die EU-Vogelschutz- und die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) verstoße. Außerdem sei das Vorhaben nicht gemeinnützig, sondern ausschließlich privatnützig. Ein privatnütziger Flugplatz, der zu einer erheblichen Lärmbelastung der Anwohner führe, dürfe nicht zugelassen werden. Die Möglichkeit, die Anwohner auf Schallschutzfenster und Belüftungseinrichtungen zu verweisen, bestehe nur bei einem dem allgemeinen Verkehr dienenden Verkehrsflughafen. Jedenfalls müsse ihm eine Entschädigung für die Beeinträchtigung seines Außenwohnbereichs gewährt werden.

94 Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass ein nur lärmbetroffener Anwohner nicht rügen kann, eine mit dem Flugplatzausbau zusammenhängende wasserbauliche Maßnahme hier die teilweise Verfüllung des Mühlenberger Lochs verstoße gegen die Vogelschutz- und die FFH-Richtlinie. Das deutsche Naturschutzrecht begründe eine solche Befugnis nicht. Auch das Gemeinschaftsrecht verleihe dem Einzelnen nicht das Recht, die Beachtung der Vogelschutz- und der FFH-Richtlinie zu verlangen. Diese Richtlinien schützten die Lebensräume der wildlebenden Tiere und Pflanzen, nicht dagegen das Interesse der in ihrer Nähe lebenden Menschen. Bei der Planfeststellung von Flugplätzen unterscheidet das Luftverkehrsgesetz nicht zwischen gemein- und privatnützigen Vorhaben. Wenn ein Luftverkehrsbedarf besteht und der private Sonderflugplatz geeignet und erforderlich ist, diesen Bedarf zu decken, ist auch die Planung eines solchen Flugplatzes gerechtfertigt. Das Luftverkehrsgesetz lässt es zu, die Anwohner zugunsten eines privaten Sonderflugplatzes auf passiven Schallschutz und gegebenenfalls eine Außenwohnbereichsentschädigung zu verweisen. Die Lärmschutzbelange der Anwohner dürfen im Wege der Abwägung jedoch nur zurückgestellt werden, wenn hinreichend gewichtige Gründe für das Vorhaben sprechen. Hier hatte die Planfeststellungsbehörde ein öffentliches Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens bejaht, weil die Produktion des A380 positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, den Luftfahrtstandort Hamburg und die gesamte regionale Wirtschaftsstruktur habe. Die Europäische Kommission hat diese Einschätzung in ihrer Stellungnahme vom 19. April 2000 geteilt. Die Planfeststellungsbehörde hat ihren Abwägungsspielraum nicht überschritten, indem sie die Lärmschutzbelange der Anwohner hinter diesen für das Vorhaben sprechenden Belangen zurückgestellt hat. Der Kläger ist nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts im Innern der Wohnung durch Lärmschutzfenster und Lüftungseinrichtungen vor unzumutbarem Lärm geschützt. Ein Anspruch auf Entschädigung für die Beeinträchtigung des Außenwohnbereichs steht ihm schon deshalb nicht zu, weil der Lärm nach den nicht zu beanstandenden Ermittlungen des Oberverwaltungsgerichts einen Dauerschallpegel von 60,4 db(a) und damit die vom Oberverwaltungsgericht bei 62 db(a) gezogene Zumutbarkeitsgrenze nicht überschreiten wird. Ob das Oberverwaltungsgericht im Außenwohnbereich zu Recht 3 db(a) weniger als bei einem Verkehrsflughafen als zumutbar angesehen hat, konnte das Bundesverwaltungsgericht deshalb offen lassen.

95 Weitergabe vertraulicher Informationen durch ehemalige Generäle der Bundeswehr war ein Dienstvergehen Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat entschieden, dass die beiden vom Bundespräsidenten auf Vorschlag des Bundesverteidigungsministers im Januar 2006 in den einstweiligen Ruhestand versetzten Bundeswehrgeneräle schuldhaft ihre Dienstpflicht verletzt haben, über bei ihrer dienstlichen Tätigkeit ihnen bekannt gewordene Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren ( 14 Soldatengesetz). Dementsprechend hat das Gericht ihre Beschwerden gegen die durch den Bundesverteidigungsminister bei gleichzeitiger Einstellung der disziplinaren Vorermittlungen erfolgte Feststellung eines Dienstvergehens als unbegründet zurückgewiesen. Der ehemalige stellvertretende Generalinspekteur der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis hatte im Oktober 2005 unbefugterweise vertrauliche Informationen über den Stand von disziplinaren Vorermittlungen gegen studierende Offiziere aus seinem Befehlsbereich dem dienstlich damit nicht befassten stellvertretenden Inspekteur des Heeres auf dessen Wunsch zur Verfügung gestellt, der Vater eines dieser Studenten war. Dieser wiederum hatte diese Informationen und Unterlagen, darunter einen Vermerk des ermittelnden Wehrdisziplinaranwalts mit den Kennzeichnungen "Nicht zu den Akten! Information für die Amtsführung" sowie "Persönlich! Personalangelegenheit!", an seinen Sohn weitergegeben. Das Bundesverwaltungsgericht hat festgestellt, dass es sich bei den weitergegebenen Informationen und Unterlagen weder um "Mitteilungen im dienstlichen Verkehr" noch um "offenkundige Tatsachen" handelte. Sie waren auch nicht als Tatsachen zu qualifizieren, die "ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen". Denn Disziplinarsachen genießen sowohl im persönlich-privaten Interesse des betroffenen Soldaten als auch im dienstlichen Interesse einen besonderen Vertraulichkeitsschutz. Die dabei anfallenden personenbezogenen Daten sind durch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung besonders geschützt. Sie dürfen nur auf gesetzlicher Grundlage unter strikter Beachtung der Schutzwirkungen dieses Grundrechts offenbart werden. Beide Generäle konnten sich bei der Weitergabe der Informationen und Unterlagen auch weder auf den gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechtfertigungsgrund der mutmaßlichen Einwilligung der durch die Weitergabe der geschützten Daten verletzten Soldaten noch auf eine Pflichtenkollision berufen. Das geltende Recht eröffnet auch einem Bundeswehrgeneral keinen Anspruch darauf, dass ein Kamerad ihm unter Verstoß gegen gesetzliche Verschwiegenheitspflicht Beistand leistet. Ein für die beiden Bundeswehrgeneräle unvermeidbarer Verbotsirrtum lag nicht vor. Bei ihnen als langjährigen Berufsoffizieren mit großen Erfahrungen auch als Disziplinarvorgesetzte hätten sich Zweifel an ihrem Vorgehen regen müssen. Diese hätten sie gegebenenfalls durch Einholung von qualifiziertem Rechtsrat klären müssen. Dies haben sie jedoch unterlassen.

96 Missbrauchsaufsicht bei der Telekommunikation Telekommunikationsmärkte unterliegen nur dann einer besonderen Missbrauchsaufsicht durch die Bundesnetzagentur, wenn es sich um von dieser Behörde definierte und analysierte Märkte handelt, auf denen die Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts nicht ausreicht. So entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Nach dem Telekommunikationsgesetz darf u.a. ein Anbieter eines öffentlichen Telefonauskunftsdienstes, der über beträchtliche Marktmacht verfügt, seine Stellung nicht missbräuchlich ausnutzen. Ein Machtmissbrauch wird, anders als dies sonst im Wettbewerbsrecht der Fall ist, schon dann vermutet, wenn das marktmächtige Unternehmen sich selbst bei intern genutzten oder am Markt angebotenen Leistungen günstigere Bedingungen einräumt als anderen Unternehmen. Gegen einen Machtmissbrauch kann die Bundesnetzagentur einschreiten. Die klagende Telegate AG lastete der Deutschen Telekom AG ein derartiges missbräuchliches Verhalten an. Telegate betreibt einen öffentlichen Telefonauskunftsdienst. Auf diesem Markt konkurriert sie mit der Telekom, die ebenfalls eine öffentliche Telefonauskunft anbietet. Die Telekom gibt über ihre hundertprozentige Tochter Deutsche Telekom Medien GmbH Telefonbücher heraus. Auf den vorderen Informationsseiten wie auch teilweise auf den Einbanddecken dieser Telefonbücher wird auf den Auskunftsdienst der Telekom und dessen Telefonnummer hingewiesen. Die Telefonnummern anderer Dienste werden nicht genannt. Telegate beanstandete dieses Verhalten der Telekom und verlangte von der Bundesnetzagentur, dagegen einzuschreiten. Als dieser Antrag erfolglos blieb, erhob Telegate Klage zum Verwaltungsgericht. Sie sah eine Diskriminierung darin, dass sich die Telekom, die den Markt für Telefonverzeichnisse beherrsche, auf dem von ihr gleichfalls beherrschten Markt für Telefonauskünfte eine zusätzliche Bekanntheit und Nachfrage verschaffe, um so ihre Marktanteile auf dem Auskunftsmarkt zu verteidigen bzw. auszubauen. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin bestätigte das Bundesverwaltungsgericht jetzt dieses Urteil. Die besondere Missbrauchsaufsicht durch die Bundesnetzagentur auf dem Telekommunikationssektor ist hinsichtlich des oben erwähnten Diskriminierungsverbotes strenger als die allgemeine Missbrauchsaufsicht durch das Bundeskartellamt. Nach dem Telekommunikationsgesetz ist die besondere Missbrauchsaufsicht als ein Teil der Marktregulierung ausgestaltet. Diese ist nur vorgesehen für spezielle Märkte, auf denen ein wirksamer Wettbewerb gegenwärtig nicht stattfindet und voraussichtlich auch noch längerfristig nicht stattfinden wird. Diese Märkte muss die Bundesnetzagentur zuvor in einem eigens dafür vorgesehenen Verfahren definieren. Daran fehlt es für den hier umstrittenen Telefonauskunftsmarkt. Deshalb bleibt es insoweit bei der Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts, die aber nicht der Bundesnetzagentur, sondern dem Bundeskartellamt obliegt. Ob das beanstandete Verhalten der Telekom, die exklusive Nennung der eigenen Auskunftsnummer auf den vorderen Seiten der Telefonbücher, nach den Maßstäben des allgemeinen Wettbewerbsrechts eine missbräuchliche Ausnutzung von Marktmacht darstellt, hatte das Bundesverwaltungsgericht nicht zu entscheiden.

97 Klagen gegen das atomrechtliche Endlager "Schacht Konrad" rechtskräftig abgewiesen Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat mit heute bekannt gegebenen Beschlüssen vom 26. März 2007 die Beschwerden der Stadt Salzgitter, der Gemeinden Lengede und Vechelde sowie eines Landwirts aus Salzgitter gegen die Nichtzulassung der Revision in den jeweiligen Urteilen des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg zurückgewiesen. Die Klagen richteten sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Niedersächsischen Umweltministeriums für die Errichtung und den Betrieb des Bergwerks "Konrad" in Salzgitter als Endlager für radioaktive Abfälle mit geringer Wärmeentwicklung. Die Gemeinden befürchteten Beeinträchtigungen ihrer Planungshoheit und ihres Eigentums an öffentlichen Einrichtungen durch die Zulassung des Vorhabens, das sie u.a. wegen Fehleinschätzung der Risiken des Transports der atomaren Abfälle, von Flugzeugabstürzen und terroristischen Anschlägen sowie der Langzeitrisiken für rechtswidrig hielten. Aus den gleichen Gründen rügte der Landwirt die drohende Entziehung seiner Existenzgrundlage. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg erklärte sämtliche Einwände für unbegründet und ließ die Revision gegen seine Urteile vom 8. März 2006 nicht zu. Das Bundesverwaltungsgericht hat die dagegen erhobenen Beschwerden zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, keiner der drei gesetzlich abschließend aufgezählten Zulassungsgründe liege vor. Die Kläger hätten nicht dargelegt, dass der Sache grundsätzliche Bedeutung im Sinne der Fortbildung des Rechts zukomme oder die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abwichen; sie hätten auch keinen Verfahrensfehler aufgezeigt. Damit sind die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 8. März 2006 rechtskräftig.

98 Kein Anspruch auf Entschädigung nach dem Vermögensgesetz für missbräuchlich deutlich unter Wert erworbenes jüdisches Eigentum Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute in zwei Verfahren entschieden, wann ein Erwerber jüdischen Eigentums in der Zeit des Nationalsozialismus im Sinne von 7a Absatz 3b Satz 2 Vermögensgesetz VermG in schwerwiegendem Maße eine Stellung missbraucht hat mit der Folge, dass ein Anspruch auf Entschädigung ausgeschlossen ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat einen solchen schwerwiegenden Missbrauch auch für den Fall angenommen, dass der Vermögensgegenstand unter Ausnutzung der damaligen Lage deutlich unter Wert erworben wurde. Nicht erforderlich ist eine herausgehobene Position in Staat, Partei oder Wirtschaft. Die Kläger begehren jeweils eine Entschädigung für durch die DDR entzogene bzw. an die ursprünglichen Eigentümer restituierte Grundstücke. Diese Grundstücke hatten die Rechtsvorgänger der Kläger in der Zeit des Nationalsozialismus von Personen jüdischer Herkunft erworben. In beiden Fällen lag der Kaufpreis unter dem seinerzeitigen Einheitswert. Mit Rücksicht hierauf wurden die Anträge der Kläger auf Entschädigung abgelehnt. Die Verwaltungsgerichte Gera und Dresden gaben den Klagen statt und verpflichteten den Freistaat Thüringen bzw. die Landeshauptstadt Dresden zur Gewährung einer Entschädigung. Sie stellten fest, dass die Rechtsvorgänger der Kläger keine besondere Stellung im NS-Regime innegehabt und auch selbst keinen Druck auf die Verkäufer hinsichtlich der Modalitäten des Verkaufs oder der Höhe des Kaufpreises ausgeübt hatten. Die Verwaltungsgerichte verneinten deshalb den schwerwiegenden Missbrauch einer Stellung zum eigenen Vorteil nach 7a Absatz 3b Satz 2 VermG. Das Bundesverwaltungsgericht hat dahin erkannt, dass eine missbrauchsfähige Stellung im Sinne des 7a Absatz 3b Satz 2 VermG keine besondere Stellung im nationalsozialistischen Unrechtssystem voraussetzt. Eine zum eigenen Vorteil oder fremden Nachteil missbräuchlich ausnutzbare Stellung lag bereits in der Möglichkeit des Erwerbs von Eigentum verfolgter Personen unter Wert durch selbst nicht Verfolgte. Schon die Ausnutzung dieser ungleichen Position des Nichtverfolgten gegenüber dem entrechteten Personenkreis kann den gesetzlich sanktionierten Missbrauch begründen. Das Gesetz verlangt aber einen schwerwiegenden Missbrauch. Ein lediglich unangemessener" Kaufpreis reicht hierfür nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, soweit nicht andere Missbrauchsumstände hinzutreten, ein gravierendes Missverhältnis zum maßgeblichen Wert. Als Leitlinie hierfür gilt eine Unterschreitung des damaligen Verkehrswerts um mehr als 25%; ist der Verkehrswert nicht bekannt, ist an festgestellte Einheitswerte anzuknüpfen. In Anwendung dieser Grundsätze hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden im Ergebnis bestätigt, weil der im Jahre 1938 vereinbarte Kaufpreis um weniger als 10% unter dem festgestellten Einheitswert lag. In dem anderen Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Gera zurückverwiesen, weil noch zu klären ist, ob an den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Einheitswert oder den im Jahre 1957 rückwirkend erhöhten Einheitswert anzuknüpfen ist.

99 Anspruch auf Aktionsplan zur Abwehr von Feinstaubimmissionen zweifelhaft Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg wird zu klären haben, ob nach europäischem Gemeinschaftsrecht ein von Feinstaubpartikel-Immissionen Betroffener von der zuständigen Behörde die Aufstellung eines "Aktionsplans" verlangen kann. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute beschlossen, eine entsprechende Vorabentscheidung einzuholen. Der Kläger verlangt die Verurteilung des Freistaats Bayern zur Aufstellung eines Aktionsplans, der Maßnahmen gegen gesundheitsschädliche Feinstaubpartikel- Immissionen festlegt. Bei seiner Wohnung am Mittleren Ring in München wurde der maßgebliche Grenzwert in den Jahren 2005 und 2006 deutlich überschritten. Der Verwaltungsgerichtshof hat Bayern zur Aufstellung eines Aktionsplans verpflichtet, der die Einhaltung des Grenzwerts soweit wie möglich sicherstellt. Den weitergehenden Antrag, mit dem der Kläger die Aufstellung eines zur unbedingten Einhaltung des Grenzwerts geeigneten Aktionsplans beanspruchte, hat er abgelehnt. Gegen das Urteil haben der Kläger und der Freistaat Bayern Revision eingelegt. Das Bundesverwaltungsgericht ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zu der Auffassung gelangt, dass der Kläger nach nationalem Recht keinen Anspruch auf Erstellung eines Aktionsplans hat. Die zuständige Behörde ist nach deutschem Recht und nach europäischem Gemeinschaftsrecht verpflichtet, in einem Aktionsplan geeignete Maßnahmen zur Verringerung der Gefahr einer Überschreitung des Immissionsgrenzwerts festzulegen. Ein Aktionsplan kann insbesondere ein koordiniertes System von Beschränkungen des Straßenverkehrs sowie der Emissionen von Industriebetrieben und Heizungsanlagen vorsehen. Ein Aktionsplan dieser Art besteht für München bisher nicht. Ein Drittbetroffener kann aber nicht verlangen, dass die Behörde ihrer Pflicht zur Aufstellung eines Aktionsplans nachkommt. Das deutsche Recht unterscheidet zwischen der Aufstellung eines Aktionsplans und der Durchsetzung der darin festgelegten Maßnahmen. Nach diesem zweistufigen Konzept wird die Luftqualität noch nicht durch den Aktionsplan, sondern erst durch die Verwirklichung der vorgesehenen Maßnahmen verbessert. Solange ein Aktionsplan nicht aufgestellt ist, kann der Drittbetroffene sein Recht auf Abwehr gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch Feinstaubpartikel im Wege der Klage auf Durchführung planunabhängiger Maßnahmen wie z.b. Straßenverkehrsbeschränkungen durchsetzen. Bei gesundheitsrelevanten Grenzwertüberschreitungen muss die Behörde regelmäßig einschreiten. Damit steht dem Drittbetroffenen unabhängig von einem Aktionsplan effektiver Rechtsschutz zur Verfügung. Demgegenüber dient ein Aktionsplan eher dem Behördeninteresse an einer kohärenten Bündelung der Maßnahmen unter Vermeidung einer Vielzahl von Einzelansprüchen. Gemeinschaftsrecht gewährt dem Drittbetroffenen einen Anspruch auf Schutz vor grenzwertüberschreitenden Feinstaubemissionen und auf effektive Durchsetzung dieses Rechts. In welcher Weise der Drittbetroffene sein Recht wahrnehmen kann, überlässt das Gemeinschaftsrecht der verfahrensautonomen Regelung des Mitgliedstaats. Allerdings werfen die einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts Auslegungszweifel auf. Dies verpflichtet das Bundesverwaltungsgericht, gemäß Art. 234 des EG-Vertrags eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen.

100 Mitbestimmung des Personalrats bei "Ein- Euro-Jobs" Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat in zwei heute verkündeten Entscheidungen, die sich auf die Städte Mainz und Wetzlar beziehen, das Recht der kommunalen Personalräte zur Mitbestimmung bei der Besetzung sog. Ein-Euro-Jobs durch die Kommune festgestellt. Nach 16 Abs. 3 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch sollen für Dauerarbeitslose Gelegenheiten für im öffentlichen Interesse liegende, zusätzliche Arbeiten geschaffen werden. Den Personen, die solche Arbeiten verrichten, wird zusätzlich zum Arbeitslosengeld II eine angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen gezahlt. In den vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Streitfällen kamen Arbeitslose bei Stadtverwaltungen in folgenden Funktionen zum Einsatz: Betreuung des Informationsschalters im Stadthaus, Aktualisierung und Umorganisation des Bauaktenarchivs, gärtnerische Pflegearbeiten in den öffentlichen Grünanlagen, Unterstützungsarbeiten in Kindertagesstätten und Jugendzentren sowie bei örtlichen Erhebungen und Geschwindigkeitsmessungen. Die Einsatzdauer betrug sechs Monate, die Mehraufwandsentschädigung bis zu 1,30 Euro/Stunde, die wöchentliche Beschäftigungszeit zwanzig bzw. dreißig Stunden. In beiden Fällen machte der Personalrat der Stadt ein Mitbestimmungsrecht bei Einstellungen geltend. Der Oberbürgermeister als Leiter der Verwaltung trat dem jeweils mit der Begründung entgegen, dass keine Einstellungen im Sinne des Mitbestimmungstatbestands vorlägen. Unter dem personalvertretungsrechtlichen Begriff der Einstellung wird allgemein die Eingliederung in die Dienststelle durch Aufnahme einer weisungsabhängigen Tätigkeit verstanden; ein Arbeitsverhältnis muss nicht notwendig begründet werden. Die Frage, ob der Einsatz von Ein-Euro-Kräften" als mitbestimmungspflichtige Einstellung zu werten ist, wird in der Rechtsprechung und im Schrifttum unterschiedlich beantwortet. Auch in den beiden vorliegenden Fällen sind die Vorinstanzen zu entgegengesetzten Ergebnissen gelangt. Der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts gab den Personalräten recht und bestätigte das von ihnen in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht. Die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen unterliegen bei der Verrichtung von im öffentlichen Interesse liegenden zusätzlichen Arbeiten wie Arbeitnehmer der Weisungsbefugnis des Dienststellenleiters. Dieser ist bei der Auswahl des Personenkreises nicht an die Entscheidung der für die Leistung von Arbeitslosengeld II zuständigen Arbeitsgemeinschaft (Arge) gebunden. Deswegen hat der Personalrat im Interesse der regulären Beschäftigten der Stadt zu prüfen, ob der betreffende Hilfebedürftige für die fragliche Tätigkeit geeignet ist und ob die ausgewählten Einsatzbereiche das Merkmal der Zusätzlichkeit erfüllen. Mit diesem Erfordernis soll sichergestellt werden, dass durch die Tätigkeit erwerbsfähiger Hilfebedürftiger reguläre Beschäftigungsmöglichkeiten nicht verdrängt werden.

101 Rechte von Versicherten bei Tarifwechsel Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute für den Fall des Tarifwechsels innerhalb eines Leistungsbereichs der privaten Krankenversicherung die Rechte der Versicherungsnehmer gestärkt. Leistungsbereiche sind jeweils ambulante Heilbehandlung, stationäre Heilbehandlung sowie Krankenhaustagegeldversicherungen mit Kostenersatzfunktion, Zahnbehandlung und Zahnersatz, Krankenhaustagegeld in anderen Fällen, Krankentagegeld, Kurtagegeld und Kuren, oder Pflegekosten und -tagegeld. Das klagende Versicherungsunternehmen bietet Krankenversicherungsverträge an. In einem bestimmten Tarif versichert es seit längerem u.a. Aufwendungen für Zahnbehandlung, Zahnersatz, Zahn- und Kieferregulierung, jeweils ohne Begrenzung der Erstattungsfähigkeit. Außerdem bietet es einen neuen Tarif an, der eine sog. Zahnstaffel enthält. Diese bedeutet, dass in den ersten 48 Monaten die Erstattung von Aufwendungen für Zahnersatz, Implantate, funktionsanalytische und funktionstherapeutische Behandlungen sowie Kieferorthopädie auf einen bestimmten gestaffelten Rechnungsbetrag beschränkt ist. Diese Beschränkung gilt nicht für zahnärztliche Heilbehandlungen aufgrund von Unfällen, schweren nicht vermeidbaren Erkrankungen des Kausystems oder schwerer Allgemeinerkrankung. Die Zahnstaffel betrifft nicht konservierende Zahnbehandlung und prophylaktische Leistungen. Der Versicherungsbeitrag für den neuen Tarif ist geringer als der für den alten Tarif. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hatte gegenüber dem Versicherungsunternehmen angeordnet, dass im Rahmen von Tarifwechseln die Vorversicherungszeit in dem bisherigen Tarif bei der Einstufung in die Zahnstaffel anzurechnen sei. Wie bereits das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat das Bundesverwaltungsgericht die Anordnung für rechtmäßig angesehen. Die Bundesanstalt war zu der Anordnung auf der Grundlage des Versicherungsaufsichtsgesetzes befugt. Das Versicherungsunternehmen hat die versicherungsvertragsrechtliche Bestimmung des 178f Abs. 1 des Versicherungsvertragsgesetzes nicht genügend berücksichtigt. Nach dieser Vorschrift, die für den Versicherer zwingendes Recht darstellt, kann der Versicherungsnehmer bei bestehendem Versicherungsverhältnis vom Versicherer verlangen, dass dieser Anträge auf Wechsel in andere Tarife mit gleichartigem Versicherungsschutz unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Alterungsrückstellung annimmt. Damit soll insbesondere älteren Versicherungsnehmern ermöglicht werden, aus einem wegen der Altersstruktur mit hohen Prämien belastenden Tarif in einen attraktiveren Tarif zu wechseln, ohne bereits erworbene Rechte zu verlieren, zu denen auch der Ablauf von Wartezeiten gehört. Die sog. Zahnstaffel hat das Bundesverwaltungsgericht wie eine Wartezeit behandelt. Denn (nur) während der Dauer der Leistungsbegrenzungen auf einen Höchstbetrag werden darüber hinausgehende Leistungen nicht erbracht. Die Begrenzungen wirken insoweit wie eine Wartezeit. Infolgedessen müssen die unter der Geltung des alten Tarifs zurückgelegten Versicherungszeiten gemäß 178f Abs. 1 des Versicherungsvertragsgesetzes auf die Wartezeit nach dem neuen Tarif angerechnet werden.

102 Bekundung von Sympathie für eine neue gewaltfreie Politik der PKK im Jahre 2001 kein Einbürgerungshindernis Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute in zwei Verfahren entschieden, dass allein die Unterzeichnung einer Erklärung im Jahre 2001 mit der Überschrift Selbsterklärung: Auch ich bin ein PKK'ler" den Anspruch eines türkischen Staatsangehörigen kurdischer Volkszugehörigkeit auf Einbürgerung als Deutscher nicht ausschließt. In beiden Fällen stand nicht im Streit, dass die übrigen Voraussetzungen einer Anspruchseinbürgerung nach 10 Staatsangehörigkeitsgesetz StAG erfüllt waren. Umstritten war allein, ob dem Anspruch auf Einbürgerung der Ausschlussgrund des 11 Satz 1 Nr. 2 StAG entgegenstand. Danach besteht ein Anspruch auf Einbürgerung u.a. nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen unterstützt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Der Ausschlussgrund entfällt, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat dahin erkannt, dass die bloße Unterzeichnung der PKK-Selbsterklärung im Jahre 2001 jedenfalls wie in beiden Streitfällen dann keine Unterstützung solcher die Sicherheit oder auswärtige Belange gefährdenden Bestrebungen ist, wenn sie nach den Begleitumständen nur eine zustimmende Meinungskundgabe für die in der Erklärung hervorgehobene neue", seit zwei Jahren friedliche, gewaltfreie Linie der PKK" gewesen ist. Die Sympathiebekundung für eine PKK, die damals wie es in der Erklärung heißt in einem Zeitraum von zwei Jahren keine einzige Aktion unter Anwendung von Gewalt durchgeführt hat" und die sich mit ausschließlich politischen Mitteln für eine friedliche und demokratische Lösung der kurdischen Frage" einsetzt, ist wenn wie im Falle der Kläger keine weitergehenden Aktivitäten für die verbotenen Organisationen der PKK hinzukommen keine Unterstützung von gegen die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gerichteten oder deren auswärtige Belange gefährdenden Bestrebungen gewesen. Das ergibt sich auch nicht daraus, dass die Staatsanwaltschaft in beiden Fällen einen strafbaren Verstoß gegen das vereinsrechtliche Betätigungsverbot angenommen, die Strafverfahren aber wegen geringer Schuld der Kläger eingestellt hat. Deshalb ist in beiden Verfahren der Anspruch auf Einbürgerung nicht ausgeschlossen. Da schon keine den Einbürgerungsanspruch ausschließende Unterstützung von die Sicherheit der Bundesrepublik gefährdender Bestrebungen vorlag, kommt es ferner auch nicht darauf an, ob sich die Kläger von einer Unterstützung der PKK glaubhaft abgewandt haben und wie sich die PKK weiter entwickelt hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat in beiden Verfahren im Ergebnis das beklagte Land Baden-Württemberg zur Einbürgerung der Kläger verpflichtet.

103 Entscheidungen des Bundesgerichtshofs Zulässigkeit des von DocMorris betriebenen Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln muss nochmals überprüft werden Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute eine vorinstanzliche Entscheidung, mit der ein früheres Vorstandsmitglied der von den Niederlanden aus agierenden Internet-Apotheke DocMorris zur Unterlassung des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und der darauf bezogenen Werbung verurteilt worden ist, aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Kammergericht hatte der vom Verband Sozialer Wettbewerb in Berlin erhobenen Unterlassungsklage mit der Begründung stattgegeben, der von DocMorris in der Zeit bis 2001 betriebene Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und die entsprechende Werbung seien nach den damals geltenden Vorschriften rechts- und wettbewerbswidrig gewesen und auch nunmehr nach der Freigabe eines solchen Versandhandels unter bestimmten Bedingungen unzulässig. Auch nach der 2004 in Kraft getretenen Neuregelung ist der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nur zulässig, wenn er in dem Ursprungsland zugelassen ist und dort ein der deutschen Rechtslage vergleichbares Schutzniveau besteht. Das Kammergericht hatte auf das in den Niederlanden geltende geschriebene Gesetzesrecht abgestellt, das den deutschen Schutzstandards nicht gerecht werde. Im Übrigen fehle es bei Versandapotheken in den Niederlanden schon an einem Gebot zur Führung einer Präsenzapotheke. Der Bundesgerichtshof hat sich dieser Beurteilung nicht angeschlossen. Beim Vergleich der Sicherheitsstandards in Deutschland und in den Niederlanden sei nicht allein auf die jeweils gegebene Gesetzeslage, sondern auf die jeweilige Rechtslage im Blick auf die tatsächlich bestehenden Sicherheitsstandards abzustellen. Auch wenn das niederländische Recht den Versandhandel mit Arzneimitteln nicht von der Führung einer Präsenzapotheke abhängig mache, könne dies einem Versandhandelsunternehmen nicht entgegengehalten werden, das tatsächlich eine Präsenzapotheke betreibe. Davon sei auch das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung in einer im Juni 2005 ergangenen Bekanntmachung ausgegangen. An dieser Bekanntmachung, nach der in den Niederlanden für den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln dem deutschen Recht vergleichbare Sicherheitsstandards bestünden, soweit Versandapotheken gleichzeitig eine Präsenzapotheke unterhielten, werde sich das Berufungsgericht in der neuen Verhandlung maßgeblich zu orientieren haben. Es werde daher insbesondere zu prüfen haben, ob DocMorris auch früher schon eine den niederländischen Vorschriften entsprechende Präsenzapotheke betrieben hat.

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