REPUBLIK ÖSTERREICH BUNDESMINISTERIUM FÜR JUSTIZ
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- Hinrich Holtzer
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1 REPUBLIK ÖSTERREICH BUNDESMINISTERIUM FÜR JUSTIZ Erlass vom 18. August 2009 zur Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) 1. ALLGEMEINES (EINLEITUNG) Ziel dieses Erlasses ist eine kurze und informative Darstellung der Entwicklung und des Inhalts der Neuregelung. Der unabhängigen Rechtsprechung soll damit in keiner Weise vorgegriffen werden. a) Entstehung Bereits bei den Verhandlungen über den Beitritt Österreichs, Schwedens und Finnlands zum Römer Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht von 1980 (EVÜ) regte Österreich unterstützt von den meisten anderen Mitgliedstaaten eine Revision dieses Übereinkommens an. Das betraf vor allem eine Neuregelung des Verbauchervertragsstatuts, das durch zahlreiche Sonderkollisionsregeln in Richtlinien zersplittert und unübersichtlich geworden war. Nachdem durch den Vertrag von Amsterdam die Zuständigkeit für das Internationale Privatrecht auf die Europäische Gemeinschaft übergegangen war, legte die Europäische Kommission nach Konsultationen mit den Mitgliedstaaten, den Gemeinschaftsorganen und der interessierten Fachöffentlichkeit am einen Verordnungsentwurf vor. Nach sehr kontroversieller Debatte im Rat, wobei nicht nur das Verbrauchervertragsstatut, sondern auch andere Fragen, wie etwa die Drittwirkung der Zession oder die Beachtlichkeit fremder Eingriffsnormen, strittig waren, und intensiver Beratung mit dem Europäischen Parlament konnte die Verordnung schließlich in erster Lesung verabschiedet werden. Die Verordnung ist im Amtsblatt ABl. Nr. L 177 vom , S. 6, kundgemacht. 1
2 b) Teil des europäischen internationalen Zivilrechts Die Verordnung bildet zusammen mit der EuGVVO und der Rom II-Verordnung ein einheitliches europäisches System des internationalen Zivilverfahrensrechts und des Internationalen Privatrechts, dies auf dem Gebiet des Schuldrechts. Wegen der doch nicht unwesentlichen Ausnahmen vom Anwendungsbereich ist dieses System freilich nicht lückenlos. c) Rechtspolitisches Ziel Rechtspolitisches Hauptanliegen ist die Vermeidung des so genannten Forum Shoppings : Auch wenn sich der Kläger einen von mehreren Gerichtsständen wählen kann, soll er damit nicht auch das maßgebende Recht wählen können. Vor welchem europäischen Gericht er auch klagt, der Anspruch soll immer nach demselben Recht beurteilt werden. Weiters soll die Rom I-Verordnung die rechtliche Beurteilung leichter vorhersehbar machen und die Rechtsanwendung in auslandsbezogenen Fällen vereinfachen. Die Verordnung geht vom Grundsatz der Parteienautonomie aus, vernachlässigt aber nicht den Schutz der schwächeren Partei, indem sie Rechtswahlbeschränkungen zu Gunsten der Verbraucher, Versicherungsnehmer und Arbeitnehmer vorsieht. 2. ANWENDUNGSBEREICH a) Zeitlicher Anwendungsbereich Die Verordnung ist (mit Ausnahme der Regelung über die Pflicht der Mitgliedstaaten zur Bekanntgabe der einschlägigen Verträge an die Europäische Kommission nach Art. 26) ab anzuwenden. Sie gilt nach Art. 28 nur für Verträge, die nach dem geschlossen werden. (Der Wortlaut dieser Bestimmung soll aber dahin berichtigt werden, dass die Verordnung alle Verträge, die nach dem Inkrafttreten geschlossen worden sind, erfasst; sie soll in diesem Sinn für Verträge gelten, die ab dem geschlossen worden sind.) b) Örtlicher Anwendungsbereich Die Rom I-Verordnung gilt nicht in Dänemark. Großbritannien hat die Verordnung nachträglich angenommen, sodass sie entgegen dem Erwägungsgrund 45 auch in 2
3 Großbritannien angewendet wird. Die entsprechende Entscheidung vom ist im Amtsblatt ABl. Nr. L 10 vom , S. 22, kundgemacht. Die Verordnung ist aber auch dann anzuwenden, wenn das verwiesene Recht nicht das eines Staates ist, in dem sie gilt (Art. 2). c) Sachlicher Anwendungsbereich Die Verordnung ist auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwenden, die einen Auslandsbezug haben (Art. 1 Abs. 1). Das Schuldverhältnis muss im Zivil- und Handelsrecht begründet sein. Als nicht zivil- und handelsrechtlich sind ausdrücklich Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten ausgenommen. Auch sachenrechtliche Ansprüche sind nicht von der Verordnung erfasst. Art. 1 Abs. 2 nimmt eine Reihe von Schuldverhältnissen aus, die auf Verträgen beruhen oder in die Nähe vertraglicher Schuldverhältnisse kommen, wie solche mit familienrechtlicher Grundlage, Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen, gesellschaftsrechtliche Vereinbarungen oder Trusts. Vorvertragliche Schuldverhältnisse (Ansprüche aus culpa in contrahendo) sind ausdrücklich von Art. 12 der Rom II-Verordnung umfasst und daher von der Rom I-Verordnung ausgenommen (Art. 1 Abs. 2 lit. i). Ausgenommen sind auch bestimmte Betriebsversicherungen, die in manchen Staaten die Rolle des Sozialversicherers übernehmen (Art. 1 Abs. 2 lit. j). d) Verhältnis zu internationalen Übereinkommen, nationalem Recht und Gemeinschaftsrecht Die Verordnung ist direkt anzuwenden, in ihrem sachlichen und zeitlichen Anwendungsbereich verdrängt sie das nationale Recht (die 36 bis 45 IPRG sind schon anlässlich des Beitritts Österreichs zum EVÜ aufgehoben worden; darüber hinaus soll das IPRG demnächst an die Rom I-Verordnung angepasst werden). Das Verhältnis zu internationalen Verträgen ist in Art. 25 geregelt. Danach gelten einschlägige Kollisionsnormen in bereits bestehenden Verträgen weiter (Abs. 1), außer diese Verträge stehen nur zwischen Mitgliedstaaten in Kraft (Abs. 2). Österreich hat gemäß Art. 26 einige bilaterale Verträge, meistens mit Nachbarstaaten, notifiziert. Die Europäische Kommission wird diese Liste ebenso wie die Notifizierungen der anderen Mitgliedstaaten im Amtsblatt kundmachen. Da die Rom I-Verordnung den 3
4 Kollisionsnormen in Verträgen, die nur zwischen Mitgliedstaaten in Kraft stehen, vorgeht, bleiben nur die einschlägigen Verweisungsnormen in Verträgen mit Drittstaaten unberührt. Sonstige einschlägige gemeinschaftsrechtliche Regelungen (Kollisionsnormen für besondere Gegenstände) gehen der Verordnung vor (Art. 23). Dieser Grundsatz hat eine Ausnahme, nämlich Art. 7 über Versicherungsverträge, der sonstigem Gemeinschaftsrecht vorgeht. Damit sind die kollisionsrechtlichen Richtlinien zum Versicherungskollisionsrecht obsolet geworden, weil die Rom I-Verordnung den gesamten Regelungsbereich dieser Richtlinien abdeckt. Die Verordnung derogiert damit auch dem Bundesgesetz über internationales Versicherungsvertragsrecht für den Europäischen Wirtschaftsraum (IVVG), das ja Richtlinienrecht umsetzt. Anlässlich der in Bälde anstehenden Änderungen des IPRG soll auch das IVVG aufgehoben werden. Die Kollisionsregeln des KSchG ( 13a) und des TNG ( 12) werden hingegen weiter gelten, weil sie Sonderkollisionsnormen in Richtlinien umsetzen, die der Verordnung vorgehen. (Die Verordnung beseitigt die Rechtszersplitterung in diesem Bereich daher entgegen den eingangs erwähnten Intentionen nicht.) Nicht ausdrücklich geregelt ist der Fall, dass eine gemeinschaftsrechtliche Regelung allgemein das Herkunftslandprinzip verwirklicht oder die gegenseitige Anerkennung verlangt, also nicht eine Kollisionsnorm im herkömmlichen Sinn enthält, aber eine Regelung mit auch kollisionsrechtlichem Charakter oder Wirkung. Im Hinblick auf den Erwägungsgrund 40 wird man nicht den Umkehrschluss ziehen dürfen, dass die Verordnung solchen Bestimmungen vorgeht, weil sie keine Kollisionsnormen seien. e) Verhältnis zum Übereinkommen von Rom (EVÜ) Art. 24 regelt das Verhältnis zum EVÜ gesondert. In den Mitgliedstaaten ausgenommen deren überseeische Gebiete tritt die Verordnung an seine Stelle. Mit Mitgliedstaaten sind nicht die Vertragsstaaten des EVÜ gemeint, sondern Art. 1 Abs. 4 der Rom I-Verordnung die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, auf die die Verordnung anzuwenden ist. Dänemark ist in diesem Sinn kein Mitgliedstaat. Großbritannien hatte ursprünglich zwar nicht optiert, mittlerweile aber seine Teilnahme entsprechend bekannt gegeben, sodass es auch als Mitgliedstaat im Sinn der Verordnung anzusehen ist (siehe näher oben Punkt b). Wenn immer ein Sachverhalt von einem österreichischen Gericht zu beurteilen ist, muss es auf der Grundlage der 4
5 Verordnung prüfen, welches Recht anzuwenden ist. Ein dänisches Gericht hingegen wird diese Prüfung nach dem EVÜ vornehmen. Es spielt keine Rolle, welches Recht nach dieser Prüfung anzuwenden ist und ob ein Bezug zu Dänemark besteht oder nicht (siehe ebenfalls oben unter b). 3. EINHEITLICHE KOLLISIONSNORMEN (Kapitel II) a) Freie Rechtswahl (Art. 3) Die Regelung der Rechtswahl übernimmt wörtlich Art. 3 EVÜ. Nur für die konkludente Rechtswahl wurde eine etwas abweichende Formulierung gewählt. Die Rechtswahl muss sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrages oder den Umständen des Falles ergeben; hinreichende Sicherheit im Sinn des Art. 3 EVÜ genügt nicht. Neu ist der Vorbehalt zwingenden Gemeinschaftsrechts, wenn alle Sachverhaltselemente in einem oder mehreren Mitgliedstaaten belegen sind (Abs. 4). b) Mangels Rechtswahl anzuwendendes Recht (Art. 4) Abs. 1 bestimmt das maßgebende Recht für bestimmte Vertragstypen. Die Liste enthält die Verträge mit der größten praktischen Bedeutung, wie Kauf und Dienstleistungsverträge, Verträge, bei denen nicht so klar ist, wer die charakteristische Leistung erbringt (Franchiseverträge), und schließlich Vertragstypen, die nicht nach der charakteristischen Leistung angeknüpft werden können oder sollen (Versteigerung, Börsegeschäfte Verträge innerhalb multilateraler Systeme, Verträge über dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen, Vertriebsverträge). Dieser Liste folgt in Abs. 2 eine abstrakte Auffangregel. Verträge, die nicht aufgelistet sind, sowie gemischte Verträge sind wie bisher nach dem Recht der Vertragspartei zu beurteilen, die die charakteristische Leistung erbringt. Die Ausweichbestimmung des Abs. 3 verleiht der Regelung die erforderliche Flexibilität, wie sie das EVÜ dadurch erreicht, dass es ähnlich wie 1 IPRG grundsätzlich auf das Recht verweist, das die stärkste Beziehung zum Sachverhalt hat. Wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Vertrag eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem nach den Abs. 1 und 2 bestimmten Staat aufweist, ist das Recht des Staates dieser offensichtlich engeren Verbindung anzuwenden. 5
6 Abs. 4 ist eine letzte Auffangregel. Das Recht, zu dem der Sachverhalt die engste Verbindung hat, ist in den Fällen anzuwenden, in denen das anzuwendende Recht nach Abs. 1 und 2 nicht bestimmt werden kann. Die in der Artikelreihe folgenden Sonderkollisionsnormen für bestimmte Verträge gehen der allgemeinen Regel des Art. 4 vor. Wenn ein Vertragsverhältnis unter eine der folgenden Bestimmungen zu subsumieren ist, ist diese und nicht Art. 4 anzuwenden. Der Beförderungsvertrag etwa ist nicht als Dienstleistungsvertrag im Sinn des Art. 4 Abs. 1 lit. b zu behandeln, sondern als Beförderungsvertrag nach Art. 5. c) Beförderungsverträge (Art. 5) Abs. 1 übernimmt für die Beförderung von Gütern die Regelung des Art. 4 Abs. 4 EVÜ mit modernerer Terminologie. In erster Linie ist das von den Parteien gewählte Recht anzuwenden. Mangels Rechtswahl ist das Recht des Beförderers maßgebend, wenn es das Recht des Staates ist, in dem die Güter entweder vom Beförderer übernommen oder abgeliefert werden oder in dem der Absender seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Subsidiär ist das Recht des vereinbarten Ablieferungsortes maßgebend. Eine solche Rückfallsregel fehlt im EVÜ. Abs. 2 bestimmt, welches Recht auf den Personenbeförderungsvertrag anzuwenden ist. Weil die Personenbeförderung häufig ein Verbrauchervertrag sein wird, aber wegen ihrer Besonderheiten rechtlich nicht wie ein Verbrauchervertrag behandelt werden kann (der Beförderer kann im Allgemeinen den gewöhnlichen Aufenthalt des Vertragspartners nur schwer vorhersehen), statuiert die Verordnung eine Sonderregel. Diese beschränkt zwar so wie die Bestimmung über den Verbrauchervertrag die Rechtswahl, stellt aber anders als diese auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Beförderten nur dann ab, wenn ein weiteres Anknüpfungselement dazu kommt, nämlich Abgangsort oder Bestimmungsort. Sonst ist das Recht des Beförderers maßgebend. Gewählt werden kann nur eines der folgenden Rechte: Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der beförderten Person oder des Beförderers, Recht der Hauptverwaltung des Beförderers, Recht des Abgangsortes und schließlich Recht des Bestimmungsorts. Abs. 3 übernimmt die Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 3 für alle Beförderungsverträge. 6
7 d) Verbraucherverträge (Art. 6) Gegenüber dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag wurde diese Bestimmung im Zuge einer sehr schwierigen Kompromissfindung wieder dem Art. 5 EVÜ angenähert; sie weist aber dennoch entscheidende Unterschiede auf: Der sachliche Anwendungsbereich ist umfassender, er ist nicht grundsätzlich auf Verträge über die Lieferung von beweglichen Sachen und die Erbringung von Dienstleistungen beschränkt; auch wird die Beschränkung des Anwendungsbereichs auf bestimmte Fallkonstellationen durch allgemeine Anwendungsvoraussetzungen ersetzt. Teil des Kompromisses ist auch Art. 23, der Richtlinienrecht den Vorrang einräumt und so die ursprünglich intendierte Rechtsbereinigung verhindert. Die Sonderkollisionsnormen des 13a KSchG und 11 TNG gelten daher weiter. Abs. 1 umgrenzt den Anwendungsbereich der Bestimmung, indem er das Verhältnis zu anderen Sonderregeln der Verordnung, nämlich Art. 5 (Beförderungsverträge) und Art. 7 (Versicherungsverträge) klarstellt; diese Bestimmungen gehen dem Art. 6 vor (Erwägungsgrund 32). Weiters umschreibt die Regelung den Verbrauchervertrag und lehnt sich dabei an Art. 15 Abs. 1 EuGVVO an (der allerdings nur den Begriff des Verbrauchers, nicht auch den des Unternehmers umschreibt). Auch für die weiteren Anwendungsvoraussetzungen, die nach der Tätigkeit des Unternehmers abgrenzen, nimmt die Bestimmung Anleihe bei Art. 15 EuGVVO. In Anlehnung an dessen Abs. 1 lit. c ist das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Verbrauchs anzuwenden, wenn der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Staat ausübt, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder wenn er seine Tätigkeit auf diesen Staat (allein oder neben anderen) ausrichtet. In beiden Fällen muss der Vertrag in den Bereich dieser unternehmerischen Tätigkeit fallen. Der Erwägungsgrund 24 weist nicht nur auf die Parallele zur EuGVVO hin, sondern gibt vielmehr die seinerzeitige Erklärung des Rates zur Auslegung des Begriffs ausrichten wieder, um über das Internet geschlossene Verträge richtig einordnen zu können. Abs. 2 lässt auch für Verbraucherverträge die Rechtswahl grundsätzlich zu. Diese Möglichkeit ist wie in Art. 5 Abs. 2 EVÜ beschränkt. Die Rechtswahl darf nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz zwingender Bestimmungen entzogen wird, den das mangels Rechtswahl anzuwendende Recht gewährt. Abs. 3 stellt klar, dass Verbraucherverträge, die die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und b nicht erfüllen, nach Art. 3 und 4 anzuknüpfen sind. 7
8 Abs. 4 nimmt fünf verschiedene Vertragstypen vom Anwendungsbereich der Bestimmung (Abs. 1 und 2) aus. Das gilt zunächst nach lit. a wie nach Art. 5 Abs. 4 zweiter Fall EVÜ für bestimmte Dienstleistungsverträge (etwa Beherbergungsverträge) und nach lit. b (Art. 5 Abs. 4 erster Fall und Abs. 5 EVÜ) für Beförderungsverträge obwohl schon Abs. 1 den Art. 5 vorbehält. Die Ausnahme nach lit. c für Verträge über dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie Bestandsverträge über Liegenschaften ausgenommen wieder Teilzeitnutzungsverträge ist erforderlich, weil Art. 6 nicht mehr wie Art. 5 EVÜ nur für Verträge über bewegliche Sachen gilt. Ausgenommen sind weiters vertragliche Beziehungen, die Finanzinstrumente bestimmen, etwa eine Fondsbeteiligung oder die Begebung von Wertpapieren (lit. d). Solche Vertragsbeziehungen müssen standardisiert und für eine Vielzahl von Vertragspartnern gleich sein, damit die Instrumente fungibel bleiben. Die Erwägungsgründe 28 bis 30 begründen diese Ausnahme ausführlich. Darüber hinaus sind Verträge im Rahmen eines Abrechnungssystems für den Handel von Finanzinstrumenten im Sinn des Art. 4 Abs. 1 lit. h von Art. 6 ausgenommen. Auch solche Abrechnungssysteme können nur funktionieren, wenn stets nur ein Recht anzuwenden ist. Die Ausnahme ist erforderlich, weil es Abrechnungssysteme gibt, an denen sich auch Verbraucher beteiligen können. e) Versicherungsverträge (Art. 7) Außer den Versicherungsverträgen nach Art. 1 Abs. 2 lit. j (Versicherungen mit sozialversicherungsrechtlichem Charakter) regelt die Verordnung das auf Versicherungsverträge anzuwendende Recht umfassend. Im Gegensatz zum EVÜ nimmt die Verordnung Versicherungen, die Risiken in Drittstaaten abdecken, sowie Rückversicherungen nicht vom Anwendungsbereich aus. Da Art. 23 dem Art. 7 Vorrang vor einschlägigem Gemeinschaftsrecht einräumt, sind die Richtlinien und die diese Richtlinien umsetzenden nationalen Regeln das ist für Österreich das Bundesgesetz über internationales Versicherungsvertragsrecht für den Europäischen Wirtschaftsraum, BGBl. Nr. 89/1993, obsolet, es wird daher aufgehoben werden. Art. 7 Abs. 1 umschreibt den Anwendungsbereich der Sonderregelung des Art. 7. Soweit sie nicht anzuwenden ist, gelten die übrigen Bestimmungen, nämlich die Art. 3, 4 und 6 der Rom I-Verordnung. Art. 7 ist demnach auf Versicherungsverträge anzuwenden, die Großrisiken im Sinn des Abs. 2 abdecken, dies unabhängig von der 8
9 Belegenheit des Risikos. Auf andere Versicherungsverträge ist Art. 7 anzuwenden, wenn die Risiken in den Mitgliedstaaten belegen sind, also nicht auf Verträge, die in Drittstaaten belegene Risiken abdecken.. Abs. 2 regelt das auf Versicherungen über Großrisiken anzuwendende Recht. Primär ist das gewählte Recht maßgebend, mangels Rechtswahl das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts (Art. 19) des Versicherers, wenn nicht eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat besteht. Abs. 3 beschränkt die Rechtswahl für Versicherungsverträge, die nicht Großrisiken abdecken. Die Bestimmung lässt nur die Wahl bestimmter Rechtsordnungen zu, die eine Beziehung zum Vertragsgegenstand oder zu den Vertragsparteien aufweisen. Sie übernimmt die Richtlinienregelung mit ihrem Umsetzungsspielraum. Die Parteien können von einer größeren Wahlfreiheit Gebrauch machen, die ihnen die Rechtsordnung des Staates einräumt, in dem das Risiko belegen ist (lit. a) oder in dem der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (lit. b); Gleiches gilt, wenn der Versicherungsnehmer den Vertrag zu gewerblichen, industriellen oder freiberuflichen Zwecken abschließt und die Versicherung mehrere Risiken abdeckt (lit. e). Bei Lebensversicherungen können die Parteien weiters das Recht des Mitgliedstaats wählen, dessen Staatsangehörigkeit der Versicherungsnehmer hat (lit. c), bei Verträgen, in denen sich gedeckten Risiken auf Schadensfälle begrenzen, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem eintreten können, in dem das Risiko belegen ist, das Recht jenes Mitgliedstaats (lit. d). Mangels Rechtswahl ist das Recht des Staates maßgebend, in dem das Risiko belegen ist. Dabei verweist die Rom I- Verordnung für die Umschreibung der Belegenheit des Risikos im Einzelnen auf das versicherungsrechtliche Richtlinienrecht (das insoweit nicht obsolet wird). Abs. 4 enthält Zusatzregeln für Pflichtversicherungen. Abs. 5 verwirklicht für Versicherungsverträge über Risiken in mehreren Staaten das so genannte Mosaikprinzip. Für die kollisionsrechtliche Beurteilung wird der Vertrag aufgeteilt und so behandelt, als bestünde er aus mehreren Teilverträgen. f) Individualarbeitsverträge (Art. 8) Abgesehen von redaktionellen Änderungen unterscheidet sich die Regelung von Art. 6 EVÜ nur in zwei Punkten: Der Fall, dass der Arbeitnehmer keinen gewöhnlichen Arbeitsort hat, wird ausdrücklich geregelt. In diesem Fall ist das Recht des Staates 9
10 maßgebend, von dem aus der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrages seine Arbeit verrichtet. Wenn es aber weder einen gewöhnlichen Arbeitsort gibt noch einen Ort, von dem aus der Arbeitnehmer seine Arbeit verrichtet, ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem sich Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer einstellt (Abs. 3). Diese Regelung ist dem Art. 19 Z. 2 lit. b EuGVVO nachgebildet. Der Erwägungsgrund 34 weist dazu auf Eingriffsnormen des Staates hin, in den der Arbeitnehmer im Einklang mit der Entsenderichtlinie, 96/71/EG, entsendet worden ist, und bemerkt, dass sie von der Verweisungsnorm unberührt bleiben. Der Erwägungsgrund 36 spricht einen Fall an, der in der Praxis zu Zweifeln geführt hat. Wird der Arbeitnehmer in einen anderen Staat entsendet, so soll eine solche Entsendung nicht allein deswegen als nicht vorübergehend angesehen werden, weil er dort mit dem ursprünglichen oder mit einem zur selben Unternehmensgruppe gehörenden Arbeitgeber einen neuen Arbeitsvertrag abschließt, g) Eingriffsnomen (Art. 9) Die Kritik an Art. 7 EVÜ, wonach die Bestimmung zu unklar sei und dem Bemühen zuwiderlaufe, Regeln zu schaffen, die es den Parteien möglich machten, im Voraus zu wissen, welches Recht letztlich anzuwenden sei, hat eine erneute eingehende Diskussion ausgelöst (die ähnlich schon zu Art. 16 der Rom II-Verordnung geführt worden ist). Nun wird in Abs. 1 die Eingriffsnorm definiert. Es ist eine Norm, die sich aus öffentlichem Interesse, insbesondere zur Wahrung der politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation des Staates, gegen die Verweisung auf ein anderes Recht durchsetzen soll. Zwingende Regeln zum Schutz einer Vertragspartei können eine solche Eingriffsnorm nur sein, wenn sie auch entsprechende öffentliche Interessen verfolgen und zu deren Wahrung angewendet werden sollen, obwohl im Übrigen ein anderes Recht maßgebend ist. Anders als die Rom II-Verordnung regelt Abs. 3 die Berücksichtigung der fremden Eingriffsnorm. Die Regelung übernimmt nicht die Regelung des Art. 7 Abs. 1 EVÜ (zu der einige Mitgliedstaaten einen Vorbehalt erklärt haben), sondern präzisiert sie und schränkt ihren Anwendungsbereich ein. Nur Eingriffsnormen des Staates sollen berücksichtigt werden können, in dem Vertragspflichten erfüllt werden sollen, und auch das nur insoweit, als die Eingriffsnorm die Erfüllung des Vertrages unrechtmäßig werden lässt. 10
11 h) Einigung und materielle Wirksamkeit (Art. 10) Art. 10 übernimmt wörtlich den Art. 8 EVÜ. i) Form (Art. 11) In einer redaktionell etwas geänderten Fassung übernimmt die Regelung Art. 9 EVÜ und erweitert die Möglichkeiten, zur Formgültigkeit zu gelangen. Es genügt die Einhaltung der Formvorschriften der lex causae, des Ortsrechts, des Rechts des Aufenthalts einer der Vertragsparteien oder ihres Vertreters bei Vertragsabschluss oder des Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts einer der Vertragsparteien und beim einseitigen Rechtsgeschäft der erklärenden Person. j) Geltungsbereich des anzuwendenden Rechts (Art. 12) Die Bestimmung übernimmt den Art. 10 EVÜ. k) Rechts-, Geschäfts- und Handlungsunfähigkeit (Art. 13) Die Bestimmung übernimmt den Art. 11 EVÜ. l) Übertragung der Forderung (Art. 14) Von der Regelung des Art. 12 EVÜ weicht die Bestimmung nur in zwei Punkten ab: Abs. 1 ist nicht bloß auf die Verpflichtungen zwischen Zedent und Zessionar, sondern auch auf das Verhältnis zwischen diesen Vertragsteilen anzuwenden. Erwägungsgrund 38 begründet diese Änderung mit der Notwendigkeit einer Klarstellung, dass auch die dinglichen Aspekte des Vertrages zwischen Zedent und Zessionar erfasst sein sollen (also das Verfügungsgeschäft). Neu ist weiters Abs. 3, der die Zessionsregeln ausdrücklich auch auf die Sicherungszession anwendbar erklärt. Die Bemühungen, eine Regelung für die Wirkung der Zession gegenüber Dritten und die Rangordnung der zedierten Forderung gegenüber Rechten Dritter zu regeln, sind (wieder) gescheitert. Weder der Gleichlauf mit dem Forderungsstatut, der Abgrenzungsschwierigkeiten etwa zu der in Abs. 2 geregelten Frage der Übertragbarkeit vermieden hätte, noch die Anknüpfung an das Recht des Zedenten war für die erforderliche Mehrheit akzeptabel. Der Kompromissvorschlag, der nach Art 11
12 der Forderung unterschieden hat, wurde als zu kompliziert verworfen. Da die Verordnung diese Frage ungeregelt lässt, wird im Einzelfall auf nationales oder internationales Recht (das UNCITRAL Zessionsübereinkommen von Österreich allerdings nicht ratifiziert regelt diese Frage) zurückzugreifen sein. m) Gesetzlicher Forderungsübergang (Art. 15) Die Bestimmung stimmt wörtlich mit dem Art. 19 der Rom II-Verordnung überein und gleicht bis auf einige geringfügige redaktionelle Abweichungen dem Art. 13 Abs. 1 EVÜ. n) Mehrfache Haftung (Art. 16) Der Regress bei Schuldnermehrheit ist wie in Art. 20 Rom II-Verordnung in einem eigenen Artikel und klarer als in Art. 13 Abs. 2 EVÜ geregelt: Dafür ist die lex cause maßgebend, also das auf das Verhältnis zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger anzuwendende Recht. o) Aufrechnung (Art. 17) Voraussetzungen und Wirkungen einer nicht vertraglich vereinbarten Aufrechnung, sind nach dem Statut der Forderung zu beurteilen, gegen die aufgerechnet wird. Eine entsprechende Regelung enthält das EVÜ nicht. p) Beweis (Art. 18) Die Bestimmung übernimmt den Art. 14 EVÜ mit einigen sprachlichen Anpassungen. 4. SONSTIGE VORSCHRIFTEN (Kapitel III) a) Gewöhnlicher Aufenthalt (Art. 19) Der gewöhnliche Aufenthalt der Parteien ist ein wichtiges Anknüpfungsmerkmal. Da der Begriff an mehreren Stellen verwendet wird (etwa in den Art. 4 bis 8, 10 und 11), wird er in einer eigenen Bestimmung definiert. Die Definition folgt inhaltlich dem Art. 4 Abs. 2 EVÜ, sie ist aber um eine Regelung für die beruflich tätige natürliche Person ergänzt worden. In diesem Fall ist der Ort ihrer Hauptniederlassung gemeint. 12
13 b) Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung (Art. 20) Die Verweisungsnormen der Verordnung sind anders als die des IPRG grundsätzlich Sachnormverweisungen. Der internationale Entscheidungseinklang wird durch die Vereinheitlichung der Verweisungsnormen hergestellt. Die Bestimmung übernimmt Art. 15 EVÜ wörtlich, ergänzt um den Vorbehalt einer anderen Regelung in der Verordnung. Nationales IPR wird etwa in Art. 7 Abs. 3 und 4 vorgesehen (erweiterte Rechtswahlmöglichkeit für bestimmte Versicherungsverträge). c) Öffentliche Ordnung im Staat des angerufenen Gerichts (Art. 21) Anders als nach Art. 16 EVÜ kann die Anwendung einer Vorschrift des verwiesenen Rechts nur dann versagt werden, wenn sie offensichtlich mit der öffentlichen Ordnung des Forumstaates unvereinbar ist. d) Staaten ohne einheitliche Rechtsordnung (Art. 22) Die Bestimmung entspricht dem Art. 19 EVÜ. e) Verhältnis zu Gemeinschaftsrechtsakten (Art. 23), Beziehung zum Übereinkommen von Rom (Art. 24) und Verhältnis zu bestehenden internationalen Übereinkommen (Art. 25), Verzeichnis der Übereinkommen (Art. 26) Diese Bestimmungen werden im Abschnitt über den Anwendungsbereich behandelt (siehe oben Punkt 2. d und e). f) Überprüfungsklausel (Art. 27) Die Kommission wird bis über die Anwendung der Verordnung berichten und eine Folgenabschätzung für neue Regeln über den Versicherungsvertrag vorlegen. Weiter wird die Regelung des Verbrauchervertragsstatuts einer Prüfung unterzogen. Schließlich wird die Kommission Schritte zur Lösung der Frage der Drittwirkung der Zession setzen. g) Zeitliche Anwendbarkeit (Art. 28) Diese Bestimmung ist oben im Abschnitt über den Anwendungsbereich behandelt (siehe Punkt 2 a). 13
14 5. LITERATUR Folgende Gesamtdarstellungen der Verordnung sind in deutscher Sprache erschienen: Heiss, Die Vergemeinschaftung des internationalen Vertragsrechts durch Rom I und ihre Auswirkungen auf das österreichische internationale Privatrecht, JBl 2006, , Bitter, Auslegungszusammenhang zwischen der Brüssel I-Verordnung und der künftigen Rom I-Verordnung, IPRax 2008, , Hartenstein, Rom I-Entwurf und Rom II-Verordnung: zur Bedeutung zukünftiger Änderungen im Internationalen Privatrecht für das Seerecht, TranpR 2008, Mankowski, Die Rom I-Verordnung - Änderungen im europäischen IPR für Schuldverträge, IHR 2008, Leible/Lehmann, Die Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ( Rom I ), RIW 2008, Posch, Strukturelle und semantische Unzulänglichkeiten im vergemeinschafteten Internationalen Schuldrecht, wbl 2008, Heiss, Rom I und II: Vorschlag für ein österreichisches Anpassungsgesetz unter Berücksichtigung der neuen Richtlinien 2008/48/EG und 2008/122/EG, ZfRV 2009, (BMJ-C30.011/0004-I 9/2009) 14
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