Mathematik für Anwender II
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- Leander Fried
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1 Prof. Dr. H. Brenner Osnabrück SS 212 Mathematik für Anwender II Vorlesung 58 Der Satz von Green Wir betrachten eine kompakte eilmenge R 2, deren Rand R sich stückweise durch reguläre Kurven parametrisieren lässt. D.h. es gibt abgeschlossene Intervalle I j, j 1,...,k, und geschlossene, überschneidungsfreie (also auf dem halboffenen Intervall injektive), stückweise stetig differenzierbare, reguläre Kurven j : I j R 2 derart, dass ihre Bilder R j j (I j ) untereinander disjunkt sind und ihre Vereinigung gleich R ist. Dabei werden die Kurven so durchlaufen werden, dass stets links liegt. Eine solche eilmenge nennen wir hier eine regulär berandete, ebene eilmenge. Man beachte, dass die einzelnen Intervalle I j selbst in endlich viele Intervalle zerlegt sind, auf denen jeweils eine stetig differenzierbare reguläre Kurve definiert ist. Dies ist beispielsweise bei einem Rechteck der Fall, dessen Rand durch einen geschlossenen Weg parametrisiert wird, der durch 4 lineare eilstücke gegeben wird. Bei einem einzigen Intervall I zerlegt die Kurve die Ebene in einen inneren eil (nämlich ) und einen äußeren eil. Die Eigenschaft, dass bei der Randparametrisierung links liegt, bedeutet, dass der Rand gegen den Uhrzeigersinn durchlaufen wird. Eine mathematisch einwandfreie Definition von diesen Begriffen ist nicht trivial. Wenn zwei (oder mehrere) geschlossene Wege gegeben sind, so können diese nebeneinander oder ineinander liegen. Im zweiten Fall (beispielsweise bei zwei konzentrischen Kreisen) ist die äußere Umrandung gegen den Uhrzeigersinn zu durchlaufen und die innere Umrandung mit dem Uhrzeigersinn. Es sei eine solche regulär berandete, ebene eilmenge und ein stetig differenzierbares Vektorfeld F gegeben, das auf einer offenen Umgebung von definiert sei. Dann gibt es eine Beziehung zwischen dem Integral des Vektorfeldes längs der parametrisierten Randkurven und dem Integral über zur Funktion F 1. Diesen erstaunlichen Zusammenhang kann man auch zur x y Berechnung von Flächeninhalten einsetzen. Es gibt auch höherdimensionale Verallgemeinerungen wie den Satz von Stokes. 1
2 2 Eine typische Situation, in der der Satz von Green anwendbar ist. Satz Es sei R 2 eine regulär berandete, ebene eilmenge mit dem Rand R und es sei F: U R 2 ein auf einer offenen Menge U definiertes stetig differenzierbares Vektorfeld. Dann ist ( F2 F x (x,y) F ) 1 y (x,y) dλ 2, d.h. das Wegintegral zum Vektorfeld F über den Rand von stimmt mit dem zweidimensionalen Integral rechts über überein. Beweis. Wir geben eine Beweisskizze. Da sowohl Wegintegrale als auch Integrale über ebenen Bereichen additiv im Vektorfeld bzw. in der Funktion sind und da partielles Ableiten ebenfalls additiv ist, kann man sich auf Vektorfelder der Form F (F 1,) bzw. (,F 2 ) beschränken. Wir unterteilen den R 2 mit einem Gitter derart, dass für die einzelnen Gitterrechtecke Q gilt, dass Q ganz in liegt oder aber Q aus drei geraden Seiten und einer Berandung besteht, die man als den Graph einer stetig differenzierbaren Funktion in der gegenüberliegenden Seite realisieren kann. Das Integral zur Funktion über ist additiv bezüglich einer solchen Zerlegung. Der in Q durchlaufene Rand stimmt natürlich nur in einer Seite mit einem Stück des Randes von überein. Wenn man aber die Wegintegrale über alle diese eilstücke aufsummiert, so wird jede gerade Seite von Q, die nicht zum Rand von gehört, doppelt durchlaufen, und zwar einmal in die eine Richtung und einmal in die entgegengesetzte Richtung. Daher heben sich diese eilwegintegrale weg und in der Summe bleibt das Wegintegral über den Rand von übrig. Wir gehen also davon aus, dass die Form { (x,y) R 2 a x b, c y h(x) } mit einer stetig differenzierbaren Funktion h: [a,b] R
3 mit h(x) c besitzt. Eine Parametrisierung des Randes wird dann durch die Wege 1 (t) (a,c) + t(1,) mit t [,b a], 2 (t) (b,c) + t(,1) mit t [,h(b) c] (wir parametrisieren also so, dass die Zeit immer bei anfängt), 3 (t) (b,) + ( t,h(b t)) mit t [,b a] und schließlich 4 (t) (a,h(a))+t(, 1) mit t [,h(a) c]. Dabei ist für F (F 1,) F F + F + F b a b a b F 1 (a+t,c)dt++ F 1 (x,c)dx+ a b h(x) a b F 4 b a F 1 (x,h(x))dx F 1 (x,c) F 1 (x,h(x))dx a c F 1 y dλ2. F 1 y dydx F 1 (b t,h(b t))( 1)dt+ Sei nun F (,F 2 ) auf wie zuvor. Für die Abschnitte, auf denen h streng wachsend oder streng fallend ist, kann man durch eine feinere Gitterunterteilung den Graphen auch abhängig von y realisieren. Dabei ensteht eine Situation, die analog zu der schon behandelten Situation ist (wobei sich die Rollen von x und y und die Komponenten des Vektorfeldes vertauschen). Auf einem Abschnitt, auf dem h konstant ist (sagen wir gleich d), ergibt sich die Behauptung unter Verwendung des Satzes von Fubini aus F F + F + F d c d d c c d b c a b d a F 2 (b,c+t)dt++ F 2 (b,y)dy + c F 2 (b,y) F 2 (a,y)dy c x dxdy x dydx x dλ2. d F 2 (a,y)dy F 4 d c F 2 (a,d t)( 1)dt Beispiel Es sei R 2 die eilmenge, die durch die x-achse, die Gleichung x 1 und den Parabelbogen begrenzt wird, und es sei F(x,y) 3
4 4 (e x,xy) ein Vektorfeld. Wir wollen die beiden Integrale im Satz von Green unabhängig voneinander berechnen. Den Rand von kann man durch drei Wege 1, 2, 3 regulär parametrisieren, wobei und 1 (t) (t,), 2 (t) (1,t) 3 (t) ( 1 t, (1 t) 2), (jeweils mit t [,1]) ist. Für das Wegintegral gilt somit F F + F F 1 (t,)dt+ F 3 1 F 2 (1,t)dt F 1 (1 t,1 2t+t 2 )( 1)+F 2 (1 t,1 2t+t 2 )(2t 2)dt e t dt+ 1 tdt+ 1 e ( e 1 t) ( (1 t) 5 ) 1 e 1 t +(1 t)(1 2t+t 2 )(2t 2)dt 1 (1 t) 4 dt Zur Berechnung des Doppelintegrals ist Somit ist x F 1 y y. x F 1 y dλ2 ydλ 2 1 x 2 1 ( 1 2 y2 1 1 x 4 dx 2 1 ( ) x ydydx ) x2 dx
5 Bemerkung Für ein stetig differenzierbares Gradientenfeld F ist(nach Satz 45.11) x (x,y) F 1 (x,y), y so dass das Flächenintegral im Satz von Green gleich ist. Daher muss das Wegintegral ebenfalls sein, was schon in Korollar 54.5 gezeigt wurde (und auch in höheren Dimensionen gilt). Korollar Es sei R 2 eine regulär berandete, ebene eilmenge mit dem Rand R. Dann ist λ 2 () (,x) (y,), d.h. der Flächeninhalt von lässt sich über geeignete Wegintegrale längs des Randes berechnen. Beweis. Dies ergibt sich aus Satz 58.1 für das Vektorfeld F(x,y) (,x) bzw. G(x,y) ( y,). Korollar Es sei R 2 eine regulär berandete, ebene eilmenge mit dem Rand R und dem Flächeninhalt m >. Dann kann man den Schwerpunkt S von durch Integration eines geeigneten Vektorfeldes bestimmen, und zwar ist x S 1 (xy,) 1 (,x 2 ) m R 2m R und y S 1 m R (,xy) 1 2m R (y 2,). Beweis. Wir beweisen die Aussage für die x-koordinate des Schwerpunktes unter Verwendung von Satz Für das Vektorfeld F(x,y) (xy,) ist x F 1 y x und daher ist x S 1 xdλ 2 1 m m x F 1 y dλ2 1 (xy,). m R Für das Vektorfeld G(x,y) (,x 2 ) ist 5 und daher ist x S 1 m xdλ 2 1 2m G 2 x G 1 y 2x G 2 x G 1 y λ2 1 (,x 2 ). 2m R
6 6 Beispiel Es sei der Subgraph der Sinusfunktion zwischen und π. Wir wollen den geometrischen Schwerpunkt von mit Hilfe von Korollar 58.5 berechnen. Der Flächeninhalt von ist bekanntlich m π sin t cos t π 2. Der Rand von wird durch die beiden Wege 1 (t) (t,) und 2 (t) (π t,sin (π t)) (jeweils für t [,π]) parametrisiert. Daher ist die x- Koordinate des Schwerpunkts mit Hilfe des Vektorfeldes F(x, y) (xy, ) gleich x S 1 F F 2 π π (π t)sin (π t)( 1)dt u sin udu 1 2 ( u cos u + sin u) π 1 2 π, was auch aus Symmetriegründen klar ist. Die y-koordinate des Schwerpunktes berechnet sich mit Hilfe des Vektorfeldes G(x,y) (y 2,) zu y S 1 G G 2 π π sin 2 (π t)dt 1 sin 2 udu π 1 8 π. Der Satz von Gauss in der Ebene Definition Zu einer offenen eilmenge V R n und einer zweimal differenzierbaren Funktion u: V R
7 7 nennt man u 2 u + 2 u u 2 x 1 2 x 2 2 x n die Laplace-Ableitung von u. Die Zuordnung u u nennt man auch den Laplace-Operator. Definition Eine zweimal differenzierbare Funktion u: V R auf einer offenen eilmenge V R n heißt harmonisch, wenn ist. u 2 u 2 x u 2 x u 2 x n Eine harmonische Funktion ist also eine (zweifach differenzierbare) Funktion u, die die Laplace-Gleichung u erfüllt. Zu einer komplex-differenzierbaren Funktion g: C C ist sowohl der Real- als auch der Imaginärteil eine harmonische Funktion. Wir möchten aus dem Satz von Green den sogenannten Satz von Gauss für die Ebene ableiten. Dafür beschränken wir uns auf eine offene Menge V R 2 in der Ebene. Zu einer zweimal differenzierbaren Funktion u: V R ( ) u gehört das Gradientenfeld grad u, u. Wir betrachten das Vektorfeld x y ( F(x,y) u y, u ), x das in jedem Punkt senkrecht auf dem Gradienten steht. Aufgrund von Lemma 54.2 ist F(x,y) stets tangential an die Höhenlinie durch den Punkt (x,y). Zwischen diesem Vektorfeld und dem Laplace-Operator besteht der folgende Zusammenhang. Satz Es sei R 2 eine regulär berandete, ebene eilmenge mit dem Rand und es sei u: V R 2 eine auf einer offenen Menge V definierte zweimal stetig differenzierbare Funktion. Dann ist ( u y, u ) udλ 2. x
8 8 Beweis. Wir wenden Satz 58.1 auf das Vektorfeld ( F(x,y) u y, u ) x an. Der Integrand im Doppelintegral ist dann x F 1 y 2 u 2 x + 2 u 2 y u. Bei einer harmonischen Funktion sind also insbesondere die Wegintegrale über geschlossenen Wegen zu dem Vektorfeld F gleich. Bei einer nicht konstanten harmonischen Funktion sind die Höhenlinien übrigens nicht geschlossen. Beispiel Die Funktion u: R 2 R, (x,y) x 2 y 2 ist harmonisch. Daher ist für eine regulär berandete, ebene eilmenge udλ 2 und daher ist nach Satz 58.9 auch ( u y, u ) x (2y,2x). Für B(, 1) ist beispielsweise mit der trigonometrischen Parametrisierung (2y,2x). Dies ergibt sich auch direkt aus 2π (y,x) sin t sin t + cos t cos tdt 2π Beispiel Die Funktion 1 2 sin 2 tdt (t t+ sin t cos t) 2π. u: R 2 R, (x,y) x 2 +y 2 ist nicht harmonisch, ihre Laplace-Ableitung u ist konstant gleich 4. Für die Einheitskreisscheibe B(, 1) ist somit udλ 2 4dλ 2 4π.
9 Daher ist nach Satz 58.9 auch ( u y, u ) x ( 2y,2x) 4π, wobei die trigonometrische Parametrisierung des Einheitskreises bezeichnet. Dies ergibt sich auch direkt aus ( 2y,2x) 2 ( y, x) 2 2 2π 2π 4π. sin t sin t + cos t cos tdt 1dt 9
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11 Abbildungsverzeichnis Quelle Green s-theorem-simple-region.svg, Autor Benutzer Cronholm144 auf Commons, Lizenz CC-by-sa
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