(aus: Salecl, Renata : Politik des Phantasmas: Nationalismus, Feminismus und Psychoanalyse, Turia & Kant, Wien 1994)
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1 Salecl Renata 'HU3RVWVR]LDOLVWLVFKH0RUDOLVFKH.RQVHQV (aus: Salecl, Renata : Politik des Phantasmas: Nationalismus, Feminismus und Psychoanalyse, Turia & Kant, Wien 1994) $EVWUDFW Die Autorin beleuchtet Hintergründe und Methoden des Nationalismus, der nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Diktaturen in den osteuropäischen Ländern entstand. Sie unterscheidet zwischen zwei Varianten von Ideologien die zur Schaffungen einer neuen nationalen Ideologie führen sollen. Der moralische Konsens, der christliche Werte als Fundament für nationalen Zusammenhalt sieht (im Text werden Kroatien und Slowenien als Beispiele angeführt), und den autoritären, populistisch-nationalistischen Diskurs (am Beispiel Serbien), der orthodoxe kommunistische und faschistische Elemente miteinander verbindet. Zentrale Theorie für die Wirksamkeit dieser neuen Ideologien ist nach Salecl das Phantasma. 6FKODJZ UWHU Phantasma, Nationalismus, Abtreibung, Feminismus, postsozialistischer moralischer Konsens, Salecl, Ducrot Wolfgang Schweitzer, VO Medienpädagogik: Medienbildung, Medienkompetenz, Medienkultur Univ.-Prof. Dr. Thomas A. Bauer, Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Universität Wien,, WS 2004/2005
2 =XVDPPHQIDVVXQJ Gegenwärtig erlebt der Nationalismus in ehemaligen kommunistischen Ländern Osteuropas einen bedrohlichen Aufschwung. Dass gerade diese Länder von dieser Entwicklung betroffen sind erklärt sich Salecl darin, dass die kommunistischen Parteiherrschaften traditionelle Gesellschaftsgefüge und mit ihr soziale Identifikation zerstört haben und so als Abgrenzung zum offiziellen ideologischen System nur mehr die Identifikation mit der Nation blieb. Diese neue nationale Identifikation machen sich momentan sowohl Ex-Opposition als auch alte Parteikräfte zu Nutzen. Salecl unterscheidet zwischen zwei verschieden Arten wie nationale Identifikation politisch benützt wird. Der moralische Konsens verwendet christliche Werte, wie das Verbot der Abtreibung, um die Nation zu einen. Er ist in katholischen Ländern wie Polen, Slowenien und Kroatien zu finden. Der vor allem in Serbien vertretene autoritäre, populistisch-nationalistische Diskurs, vermischt hingegen orthodoxe kommunistische und faschistische Elemente. Salecls zentraler Punkt in ihrer Theorie warum diese Bewegungen eine gewisse Macht aufbauen können liegt in den 3KDQWDVPHQ. Phantasma, ein Begriff aus der Psychoanalyse ist die Art und Weise, wie sie (die Menschen) ihr Begehren rund um ein traumatisches Element strukturieren, das nicht symbolisiert werden kann. 1 Sowohl die rechtsgerichtete Opposition als auch der autoritäre Populismus kreieren Phantasmen über die Bedrohung der Nation um sich als Beschützter dieser darzustellen. Salecl betont, dass Nationalismus immer auf dem Phantasma des Feindes beruht, eines Fremden, der sich in unsere Gesellschaft eingeschlichen hat und uns ständig mit seinen Verhaltensweisen, seinem Diskurs und seinen Ritualen bedroht, die nicht von unserer Art sind. Gleichgültig, was dieser Andere tut, er bedroht uns mit seiner Existenz. 2 1 Salecl, Renata : Politik des Phantasmas : Nationalismus, Feminismus und Psychoanalyse, Turia & Kant, Wien 1994, S.13 2 ebd. S.25
3 Jacques Alain Miller beschreibt diesen Hass, als den Hass auf das Genießen des Anderen, das heißt auf die besondere Art, wie der Andere genießt. 3 Salecl meint dazu: Deshalb ist der Hass auf den Anderen im Grunde der Hass auf das eigene Genießen. Intoleranz gegenüber dem Genießen des Anderen produziert Phantasmen darüber, wie Angehörige von bestimmten Nationen ihr eigenes Genießen organisieren. 4 Salecl stellt die Haltungen zur Abtreibungen von Vertretern des moralischen Konsenses in westlichen und post-sozialistischen Systemen gegenüber. Dazu erklärt sie die Position des Sozialismus zur Abtreibung. So wurde in den ehemaligen kommunistischen osteuropäischen Ländern die Abtreibung seitens des Staates nie moralische verurteilt, vielmehr war die benötigte Genehmigung, die sich eine Frau vor einer Abtreibung von einem Komitee holen musste (meist eine reine Formalsache), ein Instrument des Staates die Geburtenrate zu kontrollieren bzw. die Frau als Arbeitskraft zu erhalten. In jedem Fall war es eine Demonstration der Macht des Staates über den Körper der Frau: Mütter waren darauf beschränkt Kinder zu gebären, die Erziehung zum ergebenen Kommunisten war hingegen Aufgabe des Staates. Obwohl offiziell nicht existent, spielte die patriarchalische Ideologie im Kommunismus also Sehrwohl eine Rolle. Daher war es für den postsozialistischen moralischen Konsens nicht schwer die patriarchalische Ideologie zu adaptieren. Es wurde einfach Moral in ein früher unmoralisches System gebracht. Salecl stellt nun eine Verbindung zwischen Nationalismus und dem moralischen Verurteilen von Abtreibungen her, indem sie herausstreicht, dass in postsozialistischen Ländern Abtreibung als Gefahr für die Nation dargestellt wird. So meinte zum Beispiel die frühere kroatische Opposition, dass auch ein Fötus ein Kroate sei. Salecl dazu: dann zeigt das klar, dass eine Meinung über die Abtreibung auch eine Meinung über die Zukunft der Nation ist. 5. Zentrales Phantasma in der Abtreibungsfrage des postsozialistischen moralischen Konsenses ist für Salecl das Phantasma über die Frau basierend auf der Hypothese 3 vgl. Miller, Jacques-Alain (1985/86) Extimité Unpublished Seminar 4 Salecl, Renata : Politik des Phantasmas : Nationalismus, Feminismus und Psychoanalyse, Turia & Kant, Wien 1994, S.27 5 ebd. S.36
4 , dass die Frau und die Nation das Begehren gemeinsam haben: zu gebären. Diesem fundamentalen weiblichen Begehren ist die Vorstellung des exzessiven weiblichen Genießens (Jouissance) entgegengesetzt: während Mütter glorifiziert werden, nimmt man Frauen, die ihre natürliche Aufgabe vergessen, als exzessiv wahr. 6 $XVZHUWXQJ Geschickt entlarvt Salecl in ihrem Text mit welchen Strategien rechtsgerichtete Parteien in vormals kommunistischen Ländern versuchen sich als Erlöser zu präsentieren und das Volk mittels Nationalismus vermeintlich zu einen. Auch die Position gegen Abtreibung erscheint dank Salecl in einem neuen Licht, nämlich als Instrument den Nationalismus zu stärken. Zentrales Element in ihrem Artikel ist das Phantasma, mit Hilfe diese Begriffes erklärt sie anschaulich die Art wie Politik kommuniziert wird und wie versucht wird in den Köpfen der Leute Bilder entstehen zu lassen ohne Botschaften explizit auszusprechen. Die Strategie die eigentliche Botschaft nicht explizit auszusprechen findet bei Ducrot eine theoretische Untermauerung. So ist nach Ducrot das sprechende Individuum für die Aussage empirisch verantwortlich, für die semantische Struktur der Aussage ist es hingegen irrelevant. Auf der Ebene der semantischen Struktur unterscheidet Ducrot wiederum zwischen Sprecher (ist für die Kundgabe verantwortlich) und Sager (dessen Standpunkt ausgedrückt werden soll). Der Sprecher kann allerdings verschiedene Positionen annehmen, das heißt verschiedene Sager nacharmen. 7 Diese Strategie als Wähler zu kennen und zu erkennen ist sicher nicht nur in dem, von Salecl beschriebenen neuen politischen Umfeld der osteuropäischen Staaten immens wichtig, denn selbstverständlich wird diese auch in westeuropäischen Ländern praktiziert. 6 ebd. S.39 7 Ducrot, Oswald, Le dire et le dit, Paris, 1991, Hermann
5 %LEOLRJUDSKLH Ducrot, Oswald: Dire et ne pas dire: principes de sémantique linguistique ; Paris ; Hermann, 1991 Lacan, Jacques: Schriften Aufl.; Frankfurt a. M., 1975 Miller, Jacques-Alain: Extimité Unpublished Seminar, 1985/86 Salecl, Renata: Politik des Phantasmas: Nationalismus, Feminismus und Psychoanalyse; Wien; Turia & Kant, 1994
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