Schulden, Reformstau, Wahlgeschenke: Vergreisende Republik, verkalkte Politik?
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- Jörn Grosse
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1 Schulden, Reformstau, Wahlgeschenke: Vergreisende Republik, verkalkte Politik? Prof. Dr. Michael Eilfort 1
2 Ehrbarer Staat? Nur die Spitze des Schuldenbergs ist sichtbar Vergangenheit heute Zukunft Schuldenstand (in der Vergangenheit angehäufte Schulden) Aktuelles Haushaltsdefizit Implizite, ehrlich gerechnete Schulden (Schulden, die durch ungedeckte Leistungsversprechen entstehen, wenn alles weiterläuft wie bisher) Tatsächliche Staatsverschuldung (= Nachhaltigkeits- bzw. Tragfähigkeitslücke) 2
3 3
4 Gesamtverschuldung des Staates 2016 (Nachhaltigkeitslücke) Nachhaltigkeitslücke (= Summe aus impliziter und expliziter Staatsschuld) in Prozent des BIP, g = 1,5%, r = 3,0%, Basisjahr Sichtbare (explizite) Staatsschuld Sichtbare (explizite) Staatsschuld 74,9 % 103 Euro 136,8 % Notwendige Abgabenerhöhung 10,0 % Notwendige Ausgabensenkung 8,5 % 211,7 % 291 Euro 188 Euro Unsichtbare (implizite) Staatsschuld Unsichtbare (implizite) Staatsschuld Tatsächliche Staatsverschuldung (in % des BIP) pro Bürger notwendiger Betrag zur Tilgung der Staatsschuld * (in Euro monatlich) Insgesamt: 6,2 Billionen Euro * Betrag, den jeder (heute lebende) Bundesbürger unabhängig von Steuern und Sozialabgaben bis zu seinem Lebensende zusätzlich pro Monat an den Staat abführen müsste, um die Schuldenlast des Staates zu begleichen. Quelle: Bahnsen/Manthei/Raffelhüschen (2016). 4
5 Grundlage des sozialen Friedens: Das deutsche Steuer- und Transfersystem hat starke Umverteilungswirkung. * Daten für die Jahre 2014 oder falls nicht verfügbar jeweils aktuellster Wert aus den Vorjahren. Quelle:OECD (2017), Income Distribution and Poverty Dataset ( 5
6 Umverteilung in Deutschland funktioniert : Die Steuerprogression ist zentrale Stütze der Sozialen Marktwirtschaft 35% 30% 25% Abzug von Steuern und Sozialabgaben Einkomm mensanteil 20% 15% 10% Empfang von staatlichen Transfers 5% 0% Dezile Marktäquivalenzeinkommen (2008) Nettoäquivalenzeinkommen (2008) Datenquelle: SOEP Quelle: IAW / Universität Tübingen, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät (2011/2013), Aktualisierung der Berichterstattung über die Verteilung von Einkommen und Vermögen in Deutschland, im Auftrag des BMAS, Bonn. Wirtschaftlicher Erfolg ermöglicht sozialen Ausgleich, Leistungsträger sind solidarisch: Die am besten verdienenden 10 % der Einkommensteuerpflichtigen sorgen für 54,5 % des gesamten Einkommensteueraufkommens. 6
7 Anteil der Sozialausgaben* am Bundeshaushalt ( ) Massiver Ausbau des Wohlfahrtsstaats: Leistungsausweitung und Fehlanreize gehen Hand in Hand. * Ohne soziale Leistungen für Folgen von Krieg und politischen Ereignissen; 2016 Haushaltsplan; 2017: Regierungsentwurf; : Finanzplanung Quelle: BMF (2016), Finanzbericht
8 Die demographische Wachstumsbremse Veränderung der Erwerbspersonenzahl zwischen 2010 und 2060 (in Prozent) 40% 30% 20% 10% 6% 10% 11% 14% 18% 23% 24% 27% 0% -10% -20% -10% -10% -13% -12% -18% -18% -17% -7% -6% -4% -2% -1% -30% -40% -50% -23% -28% -31% -31% -35% -34% -40% -41% -41% Datenquelle: Europäische Kommission. Neben der Bevölkerungsalterung wird in vielen Staaten auch das Erwerbspersonenpotential zurückgehen. Trotz Produktivitätszuwächsen wird dies das Wachstum des BIP bremsen. 8
9 Wahlbeteiligung nach Altersgruppen In Prozent der Wahlberechtigten, Bundestagswahlen ab 1983 % Wahlbeteiligung in Alter: und mehr Insgesamt unter Jahr der Bundestagswahl (1994/1998 keine Angaben wegen Aussetzung der Wahlstatistik) Datenquelle: Statistisches Bundesamt 9
10 10
11 Die demographische Innovationsbremse Wähler nach Alter 100,0 90,0 80,0 in Prozent der Wähler 70,0 60,0 50,0 40,0 30,0 20,0 10,0 0, Jahr Quelle: Endgültige Ergebnisse der Bundestagswahl 2009, Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen. 11
12 12
13 Intergenerative Verteilungswirkungen des Rentenpakets mit Berücksichtigung der zukünftigen Beitragssatzentwicklung wer zu spät geboren wird, den bestraft die Politik Finanzieller Vorteil in Euro, Barwert über den verbleibenden Lebenszyklus, g = 1,5%, r = 3,0%. Quelle: Forschungszentrum Generationenverträge 13
14 Rentenpaket Milliarden Euro (netto) Rentenerhöhung ,5 % Ost / 2,1 % West Rentenerhöhung ,95 % Ost / 4,25 % West Rentenerhöhung ,6 % Ost / 1,9 % West 14
15 Außenwanderung im Zeitablauf ( ) In 2015: Zuzüge: Fortzüge: Saldo: Personen Personen Personen 2016: Eigene Projektion. Fortzüge sind als negative Werte dargestellt. Quelle: BMI, BAMF. 15
16 Quelle: Bahnsen/Manthei/Raffelhüschen (2016). 16
17 Flaschenhals 2020 Beschlossen zu Lasten der Beitragszahler ca. 10 Mrd. Euro jährlich seit 2014 für die Rentengeschenke, ca. 8 Mrd. Euro jährlich seit 2015 für Leistungsausweitungen in Kranken- und Pflegeversicherung Beschlossen zu Lasten der Steuerzahler ca. 15 Mrd. Euro jährlich für die Folgen ungesteuerter Zuwanderung Dazu kommen bis zum bzw. ab dem Flaschenhals ,5 Mrd. Euro jährlich an zusätzlich notwendigem Bundeszuschuss in die Rentenversicherung, eine Steigerung der Pensionslasten der Länder um durchschnittlich ca. 25 Prozent, die volle Kostenwirkung des Brexit, die Griechenlandabschreibungen und deutlich höhere Ausgaben für innere und äußere Sicherheit sowie Infrastruktur 17
18 in Prozent des BIP EU Nachhaltigkeitsranking 2016 Explizite Schulden + Implizite Schulden = Nachhaltigkeitslücke 2016 (Gesamtschulden) Nachhaltigkeitslücke Kroatien Estland Lettland Dänemark Italien Bulgarien Ungarn Portugal Deutschland Polen Schweden Österreich Tschechien Frankreich Litauen Slowakei Griechenland Malta Niederlande Entwicklung ggü Rumänien Vereinigtes Königreich Schuldenabbau 22 Finnland Zypern etwa gleichbleibend 24 Slowenien Belgien Schuldenanstieg 26 Spanien Irland Luxemburg ø EU Quelle: Europäische Kommission, eigene Berechnung. 18
19 Der Euro als Risiko: Währungsunion auf dem Niveau einer Bananen-Republik? verletzten Mitglieder der Eurozone 107 Mal die dreiprozentige Defizitgrenze. Sanktionen: Null. Seit 2010 wurden die Nichtbeistandsklausel und das Verbot der monetären Staatsfinanzierung faktisch außer Kraft gesetzt: Durch Hilfskredite, EZB-Anleihekäufe und Targetsalden entstanden Haftungsrisiken von über einer Billion Euro, allein für das im Juli 2015 zahlungsunfähige Griechenland haften europäische Steuerzahler mit 400 Milliarden Euro. Im Rahmen des Europäischen Semesters sprach die EU-Kommission länderspezifische Reformempfehlungen aus. 656 wurden überprüft. Vollständig umgesetzt: Elf (1,7 Prozent). Mit der Banken-Union (Aufsicht 2014, Abwicklungsmechanismus 2016) sollte der Bail-in die Belastung der Steuerzahler ersetzen. Bislang drei (italienische) Fälle 2016/2017. Im Mai 2017 genehmigte Brüssel für Monte dei Paschi die italienische Staats- /Steuerzahlerhilfe. 19
20 Wirtschaftswachstum in Deutschland: Nachlassende Dynamik, geringere Verteilungsspielräume? (Veränderung des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts gegenüber dem Vorjahr in %) Quelle: Statistisches Bundesamt
21 Projizierte Quote des expliziten Schuldenstands (in % des BIP) -Modellrechnung 90% 80% 70% 60% 50% 40% Annahmen: reales BIP-Wachstum: 1,5 % Inflationsrate: 2,0 % => nom. BIP-Wachstum: 3,5% Haushaltsdefizit dauerhaft: 0,0 % Stand: März 2016 Ausgangswerte (2015) Quelle: AMECO-Database Schuldenstand: 2.168,3 Mrd. BIP: 3.026,6 Mrd. => Schuldenstandsquote: 71,6% 30% 20% 10% 0%
22 Regionale und kommunale Einkommensteuerautonomie 22
23 23
24 Das Allheilsversprechen Grundeinkommen Ordnungspolitische Kritikpunkte: Entwertung von Leistungsgerechtigkeit und Eigenverantwortung Abschaffung des Subsidiaritätsprinzips, Äquivalenzprinzips und des Bedürftigkeitsprinzips Erosion tragender gesellschaftlicher Normen: Ende der Arbeits-/Leistungsgesellschaft Praktische Schwächen: Finanzierung vollkommen ungeklärt und unrealistisch (z.b. 50% MwSt) Stilllegungsprämie statt Befreiung vom Arbeitszwang : Unrealistisches Menschenbild Fehlanreize: Verlockungen des Augenblicks vor allem für Jugendliche verhängnisvoll Im Zeitablauf ist zudem eine sinkende Akzeptanz bei den (netto-)steuerzahlenden Erwerbstätigen zu befürchten Abschaffung aller sonstigen Sozialleistungen ist illusorisch => Nebeneinander von Sozialstaatsbürokratie + Grundeinkommen wahrscheinlich Überbietungswettbewerb der Parteien Sogwirkung auf (ungesteuerte) Zuwanderung würde immens verstärkt 24
25 Hans Jonas, Das Prinzip Verantwortung : Der schlechten Prognose den Vorrang zu geben gegenüber der guten, ist verantwortungsbewusstes Handeln im Hinblick auf zukünftige Generationen Die Unheilsprophezeiung wird gemacht, um ihr Eintreffen zu verhüten, und es wäre die Höhe der Ungerechtigkeit, etwaige Alarmisten später damit zu verspotten, dass es doch gar nicht so schlimm gekommen sei: Ihre Blamage mag ihr Verdienst sein. Stiftung Marktwirtschaft Besuchen Sie uns auch auf:
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