Erfahrungsaustausch Immobilien Nutzung / Mißbrauch Internet und Telefonie durch Klienten/-innen

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1 Erfahrungsaustausch Immobilien Nutzung / Mißbrauch Internet und Telefonie durch Klienten/-innen BEB-Fachtagung Dienstleistungsmanagement vom bis in der Diakonie Michaelshofen Jürgen Groh Dipl. Verwaltungswirt (FH), Dipl. Jurist BruderhausDiakonie, Stiftungsmanagement Recht und Vertragswesen Folie 1

2 Fallbeispiel Diakonische Behindertenhilfeeinrichtung (Einrichtung) betreibt dezentral und gemeinwesensnah in der Stadt RT eine ambulant betreute Wohngruppe mit 6 Plätzen. Den Klienten/-innen der Wohngruppe stehen unentgeltlich ein Festnetztelefonanschluss und ein PC mit Internetzugang zur Nutzung zur Verfügung. Bestimmte Nutzungsbeschränkungen sind den Klienten/-innen mündlich erläutert worden Die Einrichtung ist Inhaber des Telefon- bzw. Internetanschlusses. Zur Sicherheit sind 0190 und 0900 Nummern technisch gesperrt. Mit den Telefon- bzw. Internetdiensteanbietern sind Flat-Rate Tarife vereinbart. Folie 2

3 Fallbeispiel Handlungen des Klienten, Heinz Becker*: I. Anruf bei der Telefonauskunft 118XX II. Anruf bei der Telefon Chat Nummer 040 / 359XXXX III. Download eines Gedichtes aus dem Internet IV. Download eines Musikstückes aus dem Internet * Fiktiver Name; Übereinstimmungen mit Namen von Personen sind rein zufällig Folie 3

4 I. Anruf bei der Telefonauskunft 118XX Die Telefonrechnung der Einrichtung weist daraufhin im Folgemonat einen Betrag von insgesamt ,85 aus. Folie 4

5 I. Anruf bei der Telefonauskunft 118XX Was ist passiert? Herr Becker hat sogenannte Premium Dienste (auch Mehrwertdienste oder Servicenummern genannt) in Anspruch genommen. Mit Wahl der Premium Dienste Nummer werden neben den Kosten für die reine Verbindungsherstellung zusätzliche Kosten für die bereitgestellten Dienste fällig. Premium Dienste sind bestimmten Nummern zugewiesen, z.b. 118 XY 0900 und Dienste können sein: Auskunft, Telefonsex, Partnervermittlung, etc Herr Becker hat die technische Sperrung umgangen, indem er bei der Telefonauskunft 118XX anrief und sich durch den zusätzlichen Service der Auskunft an eine 0190 Nummer weiterverbinden ließ. Folie 5

6 I. Anruf bei der Telefonauskunft 118XX Wie ist die Rechtslage? Die BruderhausDiakonie ist Anschlussinhaber und muss somit die anfallenden Kosten vollständig tragen. Begründung: Rechtssicherheit Pflicht zur Anschlusssicherung. Ein Regress gegenüber dem Klient scheitert spätestens beim faktischen Vollzug wegen fehlendem Vermögen. Was ist zu tun? Sachverhalt ermitteln. Rechnung prüfen und zahlen. Folie 6

7 I. Anruf bei der Telefonauskunft 118XX Was ist zu tun? Rufnummernsperrungen. Erzieherische Maßnahmen prüfen und ggf. vornehmen: - z.b. Telefonverbot für Herrn Becker. - (Teil-)Beträge von Herrn Becker (in Raten) zurückfordern. Ggf. Bevollmächtigten informieren und Maßnahmen abstimmen. Folie 7

8 Fallbeispiel Handlungen des Klienten, Heinz Becker: I. Anruf bei der Telefonauskunft 118XX II. Anruf bei der Telefon Chat Nummer 040 / 359XXXX III. Download eines Gedichtes aus dem Internet IV. Download eines Musikstückes aus dem Internet Folie 8

9 II. Anruf bei der Telefon Chat Nummer 040 / 359XXXX Herr Becker erhält 2 Wochen später eine an Ihn adressierte Rechnung in Höhe von 56,00 für die Bestellung einer Telefon Chat Pauschale für 30 Tage. Folie 9

10 II. Anruf bei der Telefon Chat Nummer 040 / 359XXXX Was ist passiert? Kein Premium Dienst. Herr Becker hat hier telefonisch wohl einen Vertrag über eine Telefon Chat Pauschale für 30 Tage abgeschlossen. Adressdaten wurden wohl bei Vertragsabschluss erfragt. Wie ist die Rechtslage?. Willenserklärung von Herrn Becker ist wirksam: - Keine (partielle) Geschäftsunfähigkeit. - Wirksamkeit grundsätzlich unabhängig von gesetzlicher Betreuung. Folie 10

11 II. Anruf bei der Telefon Chat Nummer 040 / 359XXXX Wie ist die Rechtslage?. Vertragsabschluss ist wegen Nachweisproblemen anzunehmen. Vertragliche Ansprüche des Telefon Chat Anbieters richten sich ausschließlich gegen Herrn Becker. Grundsätzlich keine Regressansprüche von Herrn Becker gegen die Einrichtung (Ausnahmefälle denkbar). Verbraucherschutzrechte - insbesondere Widerrufsrecht - bestehen, da Fernabsatzvertrag. Ggf. weitere rechtliche Möglichkeiten vorhanden. Folie 11

12 II. Anruf bei der Telefon Chat Nummer 040 / 359XXXX Was ist zu tun? Unterstützung von Herrn Becker im Rahmen des Betreuungsauftrages. Rasche Ermittlung des Sachverhaltes, z.b. Gespräch mit Herrn Becker. Ggf. Bevollmächtigten informieren und weiteres Vorgehen abstimmen. Herrn Becker bei der Ausübung und Wahrung seiner Rechte unterstützen, zum Beispiel durch: - Zügige Formulierung Widerrufschreiben; - Rechtszeitiger Einwurf des Schreiben zur Fristwahrung; - (Hilfsweise) Kündigung. Dokumentation des Vorganges. Folie 12

13 II. Anruf bei der Telefon Chat Nummer 040 / 359XXXX Was ist zu tun? Ggf. auf weitere Zahlungserinnerungen, Mahnungen reagieren.. Bei Einschaltung eines Inkassobüros / eines Rechtsanwalts ist gegenüber diesem der Sachverhalt nochmals schriftlich darzustellen. Spätestens bei Eingang eines gerichtlichen Mahnbescheides prüfen, ob rechtlicher Beistand eingeschaltet wird. Rufnummernsperrungen -> Geeignetes Mittel? Erzieherische Maßnahmen prüfen und ggf. vornehmen, zum Beispiel: - (Zeitweises) Telefonverbot für Herrn Becker. Folie 13

15 III. Download eines Gedichtes aus dem Internet Herr Becker erhält 3 Wochen später eine an Ihn adressierte Rechnung in Höhe von 96,00 für die Bestellung eines 12 Monatszugang. Folie 15

16 III. Download eines Gedichtes aus dem Internet Was ist passiert? Nutzung des Internetdienstes: world wide web (WWW). Bei Aufruf bzw. bei Anzeige einer Webseite des WWW über das Internet werden die Kosten für die reine Verbindungsherstellung zum Internet fällig, zusätzliche Kosten für den Aufruf bzw. die Anzeige einer Webseite entstehen (zur Zeit) nicht. Herr Becker hat hier über das Internet wohl einen Vertrag über einen 12 Monatszugang abgeschlossen. Adressdaten wurden wohl bei Vertragsabschluss erfragt. Folie 16

17 III. Download eines Gedichtes aus dem Internet Wie ist die Rechtslage?. Willenserklärung von Herrn Becker ist wirksam (vgl. auch oben). Abschluss eines Vertrages mit welchem Inhalt (Stichwort Kostenfallen )? Kostenfallen: Im WWW unterbreitete kostenpflichtige Angebote, bei denen der durchschnittlich, verständige Internetnutzer wegen der Art dieses Angebots und wegen der weiteren Umstände der Angebotspräsentation eigentlich mit keiner Kostenpflichtigkeit rechnet. Deutlich erkennbarer Hinweis auf die Entgeltlichkeit notwendig. Ansonsten i.d.r. unentgeltlicher Vertrag zustande gekommen ( Einzelfallbeurteilung). Vertragliche Ansprüche des Anbieters richten sich ausschließlich gegen Herrn Becker. Folie 17

18 III. Download eines Gedichtes aus dem Internet Wie ist die Rechtslage?. Grundsätzlich keine Regressansprüche von Herrn Becker gegen die Einrichtung auch das Fungieren als sog. Access Provider durch die Einrichtung ändert hieran grundsätzlich nichts (Ausnahmefälle denkbar). Verbraucherschutzrechte - insbesondere Widerrufsrecht - bestehen, da Fernabsatzvertrag. Ggf. weitere rechtliche Möglichkeiten vorhanden. Folie 18

19 III. Download eines Gedichtes aus dem Internet Was ist zu tun?. Unterstützung von Herrn Becker im Rahmen des Betreuungsauftrages. Rasche Ermittlung des Sachverhaltes, z.b. Gespräch mit Herrn Becker; Wichtig: Screenshots der Internetseite vornehmen. Ggf. Bevollmächtigten informieren und weiteres Vorgehen abstimmen. Herrn Becker bei der Ausübung und Wahrung seiner Rechte unterstützen, zum Beispiel durch: - Zügige Formulierung Widerrufschreiben; - Rechtszeitiger Einwurf des Schreiben zur Fristwahrung; - (Hilfsweise) Kündigung. Dokumentation des Vorganges.. Folie 19

20 III. Download eines Gedichtes aus dem Internet Was ist zu tun?. Ggf. auf weitere Zahlungserinnerungen, Mahnungen reagieren.. Bei Einschaltung eines Inkassobüros / eines Rechtsanwalts ist gegenüber diesem der Sachverhalt nochmals schriftlich darzustellen. Spätestens bei Eingang eines gerichtlichen Mahnbescheides prüfen, ob rechtlicher Beistand eingeschaltet wird. Erzieherische Maßnahmen prüfen und ggf. vornehmen, zum Beispiel: - (Zeitweises) Internetverbot für Herrn Becker. Ggf. Sperrung von Internetseiten (Firewall); Form der Anbindung an das Internet maßgeblich Folie 20

22 IV. Download eines Musikstückes aus dem Internet Die Einrichtung erhält einen Monat später eine Abmahnung wegen Verstoß gegen das Urheberrecht. Folie 22

23 IV. Download eines Musikstückes aus dem Internet Was ist passiert? Herr Becker hat aus dem www mittels einer sog. Tauschbörse ( Filesharing) kostenlos ein Musikstück heruntergeladen. Tauschbörse: Nutzer greifen hier i.d.r. über spezielle Computerprogramme auf Netzwerke zu, um dort mit anderen Nutzern Daten auszutauschen bzw. weiterzugeben. Bei der an sich legalen Teilnahme an einer Tauschbörse werden im Regelfall Dateien von den einzelnen Nutzern gleichzeitig sowohl herunterladen, als auch versendet bzw. hochladen. Für urheberrechtlich geschützte Daten, die auf einer Tauschbörse der Nutzeröffentlichkeit angeboten und ggf. an diese versandt werden, muss eine Einwilligung durch den Urheber vorliegen. Folie 23

24 IV. Download eines Musikstückes aus dem Internet Was ist passiert? Herr Becker hat beim Herunterladen eines Musikstückes illegalerweise gleichzeitig das Musikstück Disco Pogo der Künstlergruppe Die Atzen (Frauenarzt und Manny Marc) auf der Tauschbörse bittorent angeboten. Abmahnung der Urheberrechtsverletzung i.v.m. folgenden Forderungen: - die Abgabe einer Unterlassungserklärung mit Vereinbarung einer Vertragsstrafe (häufig 5001 ) bei erneutem Verstoß. - Zahlung von Schadensersatz für die begangene Verletzung. Folie 24

25 IV. Download eines Musikstückes aus dem Internet Wie ist die Rechtslage? Der Inhaber das Internetanschlusses ist für die Urheberrechtsverletzung verantwortlich und haftet. Begründung: Betrieb eines Internetanschlusses als abstrakte Gefahrenquelle Pflicht zur Sicherung Ein Regress gegenüber dem Klient scheitert spätestens beim faktischen Vollzug wegen fehlendem Vermögen. Häufig lässt sich der Nutzer nicht ermitteln. Die IP-Adresse stellt grundsätzlich keine zuverlässige Auskunft über die Person dar, die zu einem konkreten Zeitpunkt einen bestimmten Internetanschluss nutzt. Folie 25

26 IV. Download eines Musikstückes aus dem Internet Was ist zu tun? Prüfen, ob rechtlicher Beistand eingeschaltet wird. Abgabe einer (modifizierten) Unterlassungserklärung. Außergerichtliche Verhandlungen über die Höhe des Schadensersatzes. Erzieherische Maßnahmen prüfen und ggf. vornehmen, zum Beispiel: - (Zweitweises) Internetverbot für Herrn Becker Ggf. Bevollmächtigten informieren und Maßnahmen abstimmen Ggf. Internetseiten sperren Form (Firewall); Form der Anbindung an das Internet maßgeblich. Folie 26

27 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Folie 27

28 Exkurs: Widerrufrecht Voraussetzungen Verbrauchervertrag : Vertrag zwischen Unternehmer und Verbraucher (natürliche Person!) Vertriebsformen: - Haustürgeschäfte. - Fernabsatzverträge. - Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr. Bei anderen Geschäften gibt es kein Widerrufsrecht. Gesetzliches Recht zum Widerruf aus Verbraucherschutzgründen Folie 28

29 Exkurs: Widerrufrecht Ausübung Widerrufsrecht Dem Verbraucher Klient/-in - steht ein Widerrufsrecht zu. Durch den Widerruf ist der Verbraucher nicht mehr an seine Willenserklärung gebunden. a) Erklärung, Form und Inhalt des Widerrufs Durch Klienten/-in selbst; Bei Vertretung sollte die/der Bevollmächtigte bzw. die/der gesetzliche Betreuer/-in ebenfalls mit unterzeichnen. Textform -> Sinnvollerweise immer mittels schriftlichem Brief. Wille zum Widerruf muss erkennbar sein; Person des Widerrufenden ebenfalls; Zudem muss der widerrufene Vertrag identifizierbar sein. Adressat des Widerrufs ist der Vertragspartner. Folie 29

30 Exkurs: Widerrufrecht Ausübung Widerrufsrecht b) Widerrufsfrist Das Widerrufsrecht besteht nicht zeitlich unbegrenzt, sondern ist fristgebunden. Dauer: Grundsätzlich zwei Wochen. Fristbeginn: Erhalt einer Widerrufsbelehrung. Für die Einhaltung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Das Widerrufsrecht erlischt nicht, sofern nicht ordnungsgemäß belehrt worden ist, d.h. der Verbraucher keine Widerrufsbelehrung erhalten hat. Nicht ausreichend ist es, wenn die Belehrung über das Widerrufsrecht in den AGB s des Unternehmens ohne deutliche Hervorhebung versteckt ist. Folie 30