Einführung in die Linguistik
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- Hans Frei
- vor 6 Jahren
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1 Einführung in die Linguistik Friedemann Pulvermüller
2 Syntax Semantik Pragmatik
3 Syntax Semantik Pragmatik Satzbegriff Satz vs. Satzverwendung Sprachliche Handlungen, Sprechakte Sprechakttypen Beschreibung sprachlicher Handlungen (BEHAUPTEN, AUFFORDERN)
4 Satzbegriff
5 Sätze oder nicht? (1) Ich bin ein Berliner. (2) Ik bin ein Berliner. (3) Ich sein ein Berliner. (7) Dem Ländle sei Vadder hat e Mack. (8) Die Australier stehen alle auf dem Kopf. (9) Wir lebten im Land der Toten. (10)Farblose grüne Ideen schlafen wütend. (11)Meine die Männer verlangen jede Lohn. (12)Fleißige Syntaxen arbeiten für die Fahrerin.
6 Was ist ein Satz? Ein Satz ist das, was wahr oder falsch sein kann. Ein Satz ist das, was bejaht oder verneint werden kann. Jeder Satz besteht aus dem Prädikat und dem Subjekt. Ein Satz ist eine grammatisch geformte kleinste Redeeinheit, die ihren Inhalt im Hinblick auf sein Verhältnis zur Wirklichkeit zum Ausdruck bringt.
7 Was ist ein Satz? Wer das Sprechen als menschliche Handlung auffaßt, findet, daß es wie in jeder menschlichen Tätigkeit, die den Charakter eines wohlgeordneten Handeins trägt, so auch im Sprechen sachgemäße Einheiten gibt. Dürfen wir also sagen: was beim Hämmern ein Schlag, das ist beim Sprechen ein Satz? (Bühler, Sprachtheorie 1934, S.364) [A] sentence is the smallest linguistic unit that can be used to perform a complete action that is distinctively linguistic. (Alston, Philosophy of language, 1964, S.33) Ein Satz ist die kürzeste sprachliche Einheit, mit deren Äußern wir eine vollständige sprachliche Handlung vollziehen können. (Heringer, Wort f Wort, 1978, S.25)
8 Satzdefinitionen, Kriterien Wirklichkeitsbezug Wahrheit/Falschheit Bestandteile: Subjekt und Prädikat Handlungsbezug: Werkzeug zum sprachlichen Handlen
9 Diskussion: Bitte beurteilen Sie die Angemessenheit der Satzdefinitionen und der ihnen zugrundeliegenden Kriterien unter Berücksichtigung der folgenden?sätze?! Das Auto startet. Startet das Auto? Starte das Auto! Er machte Stroh zu Gold Vorsicht! Guten Tag. Bitte gib mir das Eis! Danke. Du auch? Nein. Doch. Platte!
10 Satzbegriff, Synposis Sätze sind Mittel zu verschiedenen Zwecken. Wirklichkeitsbezug und Wahrheit können für manche Sätze nicht behauptet werden. Strukturelle Kriterien schliessen Strukturen mit wichtigen Kommunikationsfunktionen aus. Ein handlungsbezogener Satzbegriff scheint am ehesten angemessen. AUFGABE: Nehemn Sie Stellung zur Satzdefinition im aktuellen Duden!
11 Was ist ein Satz? Wer das Sprechen als menschliche Handlung auffaßt, findet, daß es wie in jeder menschlichen Tätigkeit, die den Charakter eines wohlgeordneten Handeins trägt, so auch im Sprechen sachgemäße Einheiten gibt. Dürfen wir also sagen: was beim Hämmern ein Schlag, das ist beim Sprechen ein Satz? (Bühler, Sprachtheorie 1934, S.364) [A] sentence is the smallest linguistic unit that can be used to perform a complete action that is distinctively linguistic. (Alston, Philosophy of language, 1964, S.33) Ein Satz ist die kürzeste sprachliche Einheit, mit deren Äußern wir eine vollständige sprachliche Handlung vollziehen können. (Heringer, Wort f Wort, 1978, S.25)
12 Satz und Satzverwendung
13 Satz und Satzverwendung Wie ist der Zusammenhang zwischen Satztypen und den sprachlichen Handlungen, die mit diesen Satztypen vollzogen werden können?
14 Ich hab ja nur gefragt! A legt die Füsse auf den Couchtisch B: Musst Du denn immer deine Füsse auf den Tisch legen. Hab ich Dir nicht 100 mal gesagt, daß ich das A: (unterbricht, lauter) Hör doch endlich einmal auf mit Deinem blöden Gemaule! (Pause) B: Ich hab ja nur gefragt.
15 Satzarten
16 Satzarten Im Aussagesatz wird etwas Bestimmtes ausgesagt. Wir machen eine Rundfahrt. Der Fragesatz enthält eine Frage. Machen wir eine Rundfahrt? Der Aufforderungssatz enthält eine Aufforderung. Macht eine Rundfahrt!
17 Sind diese Behauptungen angemessen? Wie ist der Zusammenhang zwischen Satz und Aussage? Kann man über Sätze sagen, dass sie Fragen/ Aufforderungen enthalten?
18 Machen wir die Rundfahrt Wozu wird dieser Satz verwendet?
19 An der Talsperre A schlägt vor: Machen wir die Rundfahrt? B fragt zurück: Machen wir die Rundfahrt? C bestätigt: Machen wir die Rundfahrt!
20 Verschiedene sprachliche Handlungen können mit dem selben Satz gemacht werden A schlägt vor: Machen wir die Rundfahrt? B fragt zurück: Machen wir die Rundfahrt? C bestätigt: Machen wir die Rundfahrt!
21 Sprechakt und Satzäußerung
22 Sprechakt und Satzäußerung
23 Sprechakt, Satzäußeung und Festlegung
24 Wie kommt man von der Satzstruktur zur Satzverwendung?
25 Satzart und Sprechakt Es ist inkorrekt zu behaupten, dass Satzarten Sprechakte enthalten! Sätze sind Instrumente, um sprachliche Handlungen zu vollziehen. Es besteht eine komplexe (many-many) Beziehung zwischen Satzart und Satzverwendung / Sprechakt.
26 Satzart und Sprechakt, Synopsis Aussagesätze ( Wir machen eine Rundfahrt ) können verwendet werden um zu BEHAUPTEN, BESTÄTIGEN, FRAGEN, VORSCHLAGEN, BEFEHLEN, ANKLAGEN etc. Fragesätze ( Machen wir eine Rundfahrt ) können verwendet werden, um zu FRAGEN, VORSCHLAGEN, BESTÄTIGEN, BEFEHLEN, ANKLAGEN etc. Aufforderungssätze ( Macht eine Rundfahrt ) können verwendet werden, um zu BEFEHLEN, VORSCHLAGEN etc.
27 Sprachliche Handlungen und Sprechakttypen
28 Sprechakttypen Für lange Zeit beschäftigten sich Logiker und Philosophen vor allem mit Aussage- und Behauptungssätzen. Die zugrundeliegende Idee war, daß es die Funktion der Sprache sei, Wirklichkeit abzubilden. Die Sprechakttheorie kritisiert diese Sichtweise und weist auf das breite Spektrum der Funktionen der Sprache hin. Austin, How to do things with words? 1962; Searle, Speech acts, 1969
29 Sprechaktklassifikationen Austin und Searle entwickelten je ein ausführliches Klassifikationssystem für sprachliche Handlungen oder Sprechakte. Diese Systeme sind heute als Systematik von geringer Bedeutung. Sie sind jedoch nützlich, wenn man sich einen Überblick über die Vielfalt der sprachlichen Handlungsmöglichkeiten / Sprechakttypen verschaffen möchte.
30 Sprechakttypen ASSERTIVA: behaupten, eine Hypothese aufstellen, mitteilen, vorhersagen, diagnostizieren, beschreiben, klassifizieren DIREKTIVA: auffordern, befehlen, bitten, (an)raten, einladen, erlauben KOMMISSIVA: versprechen, geloben, schwören, in Aussicht stellen, ankündigen EXPRESSIVA: sich entschuldigen, gratulieren, kondolieren, danken, Freude ausdrücken DEKLARATIVA: beleidigen, schuldig sprechen, taufen, Krieg erklären, Kompliment machen Searle, Expression and meaning, 1979
31 Sprechakttypen assertives = speech acts that commit a speaker to the truth of the expressed proposition, e.g. statements and reciting directives = speech acts that are to cause the hearer to take a particular action, e.g. requests, commands and advice commissives = speech acts that commit a speaker to some future action, e.g. promises and oaths expressives = speech acts that express the speaker's attitudes and emotions towards the proposition, e.g. congratulations, excuses and thanks declarations = speech acts that change the reality in accord with the proposition of the declaration, e.g. baptisms, or pronouncing someone husband and wife Searle, Expression and meaning, 1979
32 Frage Searle behauptete, daß sein System der Sprechaktklassifikation (im Gebensatz zum dem von Austin) immer eine eindeutige Zuordnung von Sprechakten zu den fünf Klassen erlaube. Stimmt das?
33 Beschreibung sprachlicher Handlungen
34 Sprechaktbeschreibung (nach Searle) Eine sprachliche Handlung / ein Sprechakt läßt sich auf drei Ebenen beschreiben: Lokutionärer oder Äußerungsakt: alle Aspekte der Äußerung plus popositionaler Akt: zur-sprache- Bringen einer Proposition, daß p. Illokutionärer Akt (oder Kraft): was mit der Äußerung gemacht wird, ihr intendierter Effekt, Ziel (z.b.: Auffordern, Beleidigen). Perlokutionärer Akt: Was beim Hörer mit der Äußerung erreicht wird (besser: Verständnis der sprachlichen Handlung) Searle, Speech acts, 1969
35 Beschreibung sprachlicher Handlungen Welche sprachlichen Handlungen kann man mit Satz (S1) machen? (S1) Das Regal kostest 100 Euro
36 Beschreibung sprachlicher Handlungen A informiert B (teilt B mit), daß das Regal 100 Euro kostet, indem A (S1) äußert. A fordert B auf, zu bezahlen, indem A B mitteilt, daß das Regal 100 Euro kostet, indem A (S1) äußert. A wirft B vor, daß das Regal 100 Euro kostet, indem A (S1) äußert. A setzt den Preis für das Regal bei 100 Euro fest, indem A (S1) äußert.
37 Beschreibungsaspekte: Handlungsverben, indem-relationen, Äußerungsformen A informiert B (teilt B mit), daß das Regal 100 Euro kostet, indem A (S1) äußert. A fordert B auf, zu bezahlen, indem A B mitteilt, daß das Regal 100 Euro kostet, indem A (S1) äußert. A wirft B vor, daß das Regal 100 Euro kostet, indem A (S1) äußert. A setzt den Preis für das Regal bei 100 Euro fest, indem A (S1) äußert.
38 Beschreibungsaspekte: Handlungsverben, indem-relationen, Äußerungsformen A informiert B (teilt B mit), daß das Regal 100 Euro kostet, indem A (S1) äußert. A fordert B auf, zu bezahlen, indem A B mitteilt, daß das Regal 100 Euro kostet, indem A (S1) äußert. A wirft B vor, daß das Regal 100 Euro kostet, indem A (S1) äußert. A setzt den Preis für das Regal bei 100 Euro fest, indem A (S1) äußert.
39 Beschreibungsaspekte: Handlungsverben, indem-relationen, Äußerungsformen A informiert B (teilt B mit), daß das Regal 100 Euro kostet, indem A (S1) äußert. A fordert B auf, zu bezahlen, indem A B mitteilt, daß das Regal 100 Euro kostet, indem A (S1) äußert. A wirft B vor, daß das Regal 100 Euro kostet, indem A (S1) äußert. A setzt den Preis für das Regal bei 100 Euro fest, indem A (S1) äußert.
40 Beschreibungsaspekte: Handlungsverben, indem-relationen, Äußerungsformen A informiert B (teilt B mit), daß das Regal 100 Euro kostet, indem A (S1) äußert. A fordert B auf, zu bezahlen, indem A B mitteilt, daß das Regal 100 Euro kostet, indem A (S1) äußert. A wirft B vor, daß das Regal 100 Euro kostet, indem A (S1) äußert. A setzt den Preis für das Regal bei 100 Euro fest, indem A (S1) äußert.
41 Anmerkung: Klassifikation von Sprechakten Austin und Searle schlugen eine eindeutige Zuordnung von Sprechakten zu größeren Klassen, wie z.b. Assertiva und Direktiva vor. Daß dies nicht angemessen ist, zeigen Fälle, in denen Handlungsmuster dieser Typen in indem-relationen stehen und somit sowohl die Festlegungen des Mitteilens als auch die des Aufforderns eingegangen werden. A fordert B auf, zu bezahlen, indem A B mitteilt, daß das Regal 100 Euro kostet, indem A (S1) äußert.
42 Aspekte der Beschreibung sprachlicher Handlungen
43 Aspekte der Beschreibung sprachlicher Handlungen Jede sprachliche Handlung kann durch eine Reihe von Merkmalen gegenüber anderen sprachlichen Handlungen abgegrenzt werden. Wichtige Merkmale von sprachlichen Handlungen sind: die Äußerungsformen, mit denen sie gemacht werden, ihre sprachlichen Handlungsmuster und Ziele, die Handlungssequenzen, in denen sie vorkommen, die Festlegungen, Ansichten und Absichten, mit denen sie gemacht werden, der weitere, auch nicht-sprachliche Handlungszusammenhang, in dem sie gemacht werden.
44 Sprachliche Handlung vs. Handlungsmuster In der linguistischen Pragmatik wird, ebenso wie in anderen Bereichen der Linguistik, zwischen langue und parole, Sprachsystem und Sprachverwendung, unterschieden. Das word Regal ist ein Element der langue. Die Äußerung dieses Wortes in einem konkreten Zusammenhang ist Element der parole. Die sprachlichen Handlungsmuster BEHAUPTEN, GRÜSSEN und ANTEXTEN sind Handlungsmuster (langue); meine konkrete Behauptung im Seminar, das Hallo vor einer Stunde und die unangekündigte Textmessage vom Freitagabend sind konkrete Handlungen (parole).
45 Festlegungen und Handlungssequenzen: Jede sprachliche Handlung kann durch eine Reihe von Merkmalen gegenüber anderen sprachlichen Handlungen abgegrenzt werden. Wichtige Merkmale von sprachlichen Handlungen sind: die Äußerungsformen, mit denen sie gemacht werden, ihre sprachlichen Handlungsmuster und Ziele, die Handlungssequenzen, in denen sie vorkommen, die Festlegungen, Ansichten und Absichten, mit denen sie gemacht werden, der weitere, auch nicht-sprachliche Handlungszusammenhang, in dem sie gemacht werden.
46 Festlegungen und Handlungssequenzen: Sprachliche Handlungsmuster, die Handlungssequenzen in denen sie TYPISCHEWEISE vorkommen und ihre spezifischen Festlegungen, Ansichten und Absichten sind regelhaft miteinander verbunden.
47 Festlegungen und Handlungssequenzen: MITTEILEN
48 Festlegungen und Handlungssequenzen: MITTEILEN Wenn A B mitteilt, daß p, so legt sich A darauf fest: daß der Sachverhalt, daß p, wahr ist. Falls nicht, so kann B die Mitteilung FÜR FALSCH ERKLÄREN, daß A glaubt, daß der Sachverhalt, daß p, wahr ist. Falls dies nicht der Fall ist, kann B EINWENDEN, daß A gelogen hat, daß A annimmt, daß der Sachverhalt, daß p, für B relevant ist. Falls nicht, so kann B EINWENDEN, daß die Mitteilung unwichtig ist, u.a.
49 Festlegungen und Handlungssequenzen: AUFFORDERN
50 Festlegungen und Handlungssequenzen: AUFFORDERN Wenn A B auffordert zu x-en, so kann B der Aufforderung A s NACHKOMMEN und x-en, die Aufforderung A s ZURÜCKWEISEN, indem B darauf AUFMERKSAM MACHT, daß B ihr nicht nachkommen kann, sich WEIGERN, der Aufforderung A s nachzukommen, indem B MITTEILT, daß B nicht bereit ist, ihr nachzukommen, die Aufforderung A s PROBLEMATISIEREN, indem B BESTREITET daß A s Aufforderung angemessen/gut/ zulässig usw ist
51 Festlegungen und Handlungssequenzen: AUFFORDERN Wenn A B auffordert zu x-en, so kann B der Aufforderung NACHKOMMEN, die Aufforderung ZURÜCKWEISEN, A nimmt an, daß es möglich ist zu x-en. sich WEIGERN, A nimmt an, daß B evtl bereit ist zu x-en. die Aufforderung PROBLEMATISIEREN, A nimmt an, daß es unproblematisch ist, zu x-en. N.B.: es gibt noch viele andere Annahmen (Verständlichkeit, Klarheit, Situationsangemessenheit, Kooperativität).
52 Handlungsstrukturschema
53 Festlegungen und Handlungssequenzen: Jede sprachliche Handlung kann durch eine Reihe von Merkmalen gegenüber anderen sprachlichen Handlungen abgegrenzt werden. Wichtige Merkmale von sprachlichen Handlungen sind: die Äußerungsformen, mit denen sie gemacht werden, ihre sprachlichen Handlungsmuster und Ziele, die Handlungssequenzen, in denen sie vorkommen, die Festlegungen, Ansichten und Absichten, mit denen sie gemacht werden, der weitere, auch nicht-sprachliche Handlungszusammenhang, in dem sie gemacht werden.
54 Literatur Austin JL (1972) Zur Theorie der Sprechakte (How to do things with Words). Stuttgart: Reclam, Kapitel 1. Fritz G, Muckenhaupt M (1984) Kommunikation und Grammatik. Tübingen: Gunter Narr Verlag, Kaptiel 1-7 (besonders 7). Searle JR (1979) Ausdruck und Bedeutung. Frankfurt/M.: Suhrkamp, S
55
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