8) Wenn eine Frauenquote eingeführt wird, wie sollte diese Quote konzipiert sein? BDL: Moderat, alles andere ist politisch nicht durchsetzbar.
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- Edith Geiger
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1 Diversität fördert die Kreativität, die Effizienz und den Output in der Wissenschaft Interview zum Thema Frauenquote in der Wissenschaft mit Frau Professor Barbara Dauner-Lieb Frau Prof. Dr. Barbara Dauner-Lieb (BDL) ist Inhaberin des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht, für Arbeitsrecht und Europäische Privatrechtsentwicklung sowie Direktorin des Instituts für Arbeits- und Wirtschaftsrecht an der Universität zu Köln. Sie ist Programmbeauftragte des Deutsch-Französischen Studienganges der Universität zu Köln. Von war sie Prorektorin für Internationales und Öffentlichkeitsarbeit der Universität zu Köln. Außerdem ist sie als Richterin am Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein- Westfalens tätig. Darüber hinaus engagiert sie sich u.a. als Mitglied des Fachkollegiums Rechtswissenschaften der DFG. 1) Warum haben Sie sich für diesen beruflichen Weg entschieden? BDL: Lernen und Lehren sind meine Lebensthemen. Ich habe immer komplexe Zusammenhänge unterrichten wollen. Ob ich in der Industrie praktisch arbeite (Anmerkung JuKo: BDL war vor Ihrer wissenschaftlichen Karriere Prokuristin eines börsennotierten Unternehmens), heute im Verfassungsgericht dem Bürger einen komplexen Sachverhalt nahe bringe oder im Hörsaal stehe, immer lerne ich und gebe das Gelernte weiter. Für die Rechtswissenschaften als Studienfach habe ich mich entscheiden, weil ich andere Optionen als den 1972 typisch weiblichen Beruf der Lehrerin haben wollte. Außerdem ist Jura sehr vielfältig: Geisteswissenschaften, Sprache, Rhetorik und Kunst, Kampf, Spiel und Analyse vereinen sich hier. Schließlich kann man mit juristischen Kenntnissen ganz reale Probleme lösen. Was kann ich tun, wenn die Wand meiner Mietwohnung schimmelt? Wie man solche Fragen beantwortet, lernen die Studenten bereits in den ersten Semestern. 2) Wie hoch ist der Frauenanteil bei Ihnen im Institut / in der Fakultät? Ist dieser für Ihr Fach eher hoch oder niedrig? BDL: Ich habe nie nach dem Geschlecht eingestellt und trotzdem immer eine gemischte Truppe gehabt. Bei mir herrscht eine besondere Atmosphäre. Ein Bewerber muss zu mir passen und 1
2 Humor haben. Das Fachliche ist selbstverständlich. Aktuell arbeiten am Lehrstuhl zwei Habilitandinnen, ein Habilitand, ein männlicher wissenschaftlicher Mitarbeiter sowie drei Studenten und eine Studentin. An der juristischen Fakultät der Universität zu Köln sind von 35 Professuren fünf mit Professorinnen besetzt, das ist deutlich besser als der bundesweite Durchschnitt für juristische Fakultäten. Das liegt daran, dass es hier schon früh eine Professorin gab. Eine Berufungskommission mit Frauen Frauen, die mit den Männern akademisch auf einer Stufe stehen läuft anders ab. Frauen können z.b. darauf bestehen, mehrere Frauen zur Bewerbung einzuladen und ihnen ein Chance geben. 3) Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für die geringe Zahl von Frauen in leitenden Positionen in der Wissenschaft, insbesondere in Ihrem Fach? (Die Frage zielt in die Richtung: Wodurch werden Frauen vor allem daran gehindert in universitäre Spitzenpositionen vorzudringen?) Werden Ihrer Einschätzung nach Frauen in Forschung und Lehre benachteiligt? Wenn ja, wie äußert sich diese Benachteiligung? BDL: Die Ursachen für den niedrigen Frauenanteil an deutschen juristischen Fakultäten sind vielfältig. Jura ist ein konservatives Fach und gute Frauen können außerhalb der Universität erfolgreich sein. Neben einer universitären Karriere existieren für hervorragend qualifizierte Juristinnen in der Verwaltung und an den Gerichten interessante, alternative Karrierewege, die oftmals auch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie erlauben. Tendenziell wird an Frauen ein höherer Maßstab angelegt als an Männer. Manchmal werden sie nur zum Schein zu Bewerbungsverfahren eingeladen, obwohl man sie gar nicht auf der Liste haben will. Allerdings müssen Frauen auch professioneller agieren, insbesondere in Bewerbungssituationen und bei Berufungsverhandlungen. Da gibt es viel zu viele seltsame Vortragsthemen, unpassende Bekleidung und Unsicherheiten beim Vortrag und in der Diskussion. Frauen machen außerdem oft den Fehler, zu denken dass nur die Sache zählt. Wenn kein Platz ist, nehme ich eben das kleine Zimmer, sagen sie. Frauen müssen aber verstehen, wie Hierarchien ticken. Status und Prestige zählen und damit auch die Größe der Zimmer, des Mitarbeiterstabs und die Wahl des Autos. Männer sind meist besser vernetzt als Frauen. Frauen schreiben oft den Bericht zu Ende, während der männliche Kollege zum 2
3 Netzwerken ein Bier trinken geht. Man darf nicht das geschätzte Mädchen für Alles werden, sondern muss karrierefähig, fokussiert und in der Lage sein, Prioritäten zu setzen. 4) Haben Sie selbst in Ihrem beruflichen Werdegang Benachteiligungen als Frau erfahren? BDL: Offene Diskriminierung so wie man das aus der Medizin mitunter hört, gibt es bei Juristen nicht. Juristen lernen ja, Entscheidungen so zu verpacken, dass nur zulässige Begründungen verwendet werden. Das heißt aber nicht, dass unschöne Dinge nicht passieren auch mir. Gender ist bei Juristen noch ein belächeltes, etwas peinliches Thema. Das liegt wohl daran, dass wir in Rechtsstrukturen, nicht in tatsächlichen Strukturen denken. Daher gibt es nicht sehr viel Sensibilität für solche Fragen und es ist einem niemand dankbar, wenn man Gleichstellungsthemen aufbringt. 5) Führt der Generationenwechsel Ihrer Meinung nach automatisch zu einer verbesserten Gleichstellung von Frauen und Männern? BDL: Der Generationenwechsel ändert nichts, auch wenn es sehr nette Männer gibt. Es ändert sich nur in dem Maße etwas, in dem Frauen oben in den Spitzenpositionen ankommen. Nur in gemischten Teams kommen unterschiedliche Perspektiven zur Geltung. Diversität fördert außerdem die Kreativität, die Effizienz und den Output einer Gruppe. Das ist insbesondere in der Wissenschaft und für die Universitäten von Bedeutung. 6) Sind Sie persönlich für oder gegen die Einführung einer Frauenquote in Forschung und Lehre? Welche wesentlichen Argumente sprechen Ihrer Meinung nach für bzw. gegen die Einführung einer Frauenquote? BDL: Meine Einstellung zur Frauenquote wechselt immer wieder. Prinzipiell hoffe ich, dass es auf natürliche Weise, ohne Zwang geht. Auf der anderen Seite möchte ich noch erleben, dass die Situation zu meiner Pensionierung besser ist als zur Zeit meines Studienbeginns Damals dachten wir alle, dass es nur noch eine Frage weniger Jahre ist, bis die Gleichstellung vollständig erreicht ist. 40 Jahre später aber sieht man, dass sich nur wenig verändert hat. Wenn die Quote da wäre, müssten sich Universitäten und Unternehmen auch daran halten. 3
4 7) Glauben Sie, dass eine Frauenquote die Akzeptanz von Frauen in der Wissenschaft beeinträchtigen würde? BDL: Nein, überhaupt nicht. Natürlich hat es auch bei meiner Wahl ins Landesverfassungsgericht gut gepasst, dass ich eine Frau bin. Trotzdem hat das keine Auswirkungen auf meine Rolle unter den Kollegen. Es gibt in der Politik jede Menge Quoten, wie regionale Herkunft und politische Ausrichtung. Hat es schon einmal der Akzeptanz eines Mannes geschadet, dass er als Kandidat aus Hessen oder als Vertreter eines bestimmten oberbayerischen Kreises eine Position bekam? Von solchen Überlegungen sollten Frauen sich nicht abschrecken lassen: Lieber mit Quote dabei sein als gar nicht mitspielen können. 8) Wenn eine Frauenquote eingeführt wird, wie sollte diese Quote konzipiert sein? BDL: Moderat, alles andere ist politisch nicht durchsetzbar. 9) Wenn eine Frauenquote eingeführt wird, wie sollte diese Quote konzipiert sein? Was halten Sie von dem Modell, das das Junge Kolleg vorschlägt? BDL: Das Konzept des Jungen Kollegs ist schon gut. Eine schnellere Einführung einer Quote auf alle Positionen innerhalb einer Fakultät und nicht nur in Bezug auf Neueinstellungen wäre unfair gegenüber männlichen Bewerbern und politisch auch nicht durchsetzbar. 10) Sollte eine Frauenquote im Bereich universitärer Forschung eingeführt werden, muss diese auch durch Kontrollen und Sanktionen durchgesetzt werden. Was wäre aus Ihrer Sicht ein geeignetes Sanktions- bzw. Quotenförderungsinstrument? BDL: Bei Nichteinhaltung der Quote sollte es keine Bestrafungen geben, sondern ein Belohnungs-/Bonussystem bei Erreichen der Quote. Davon sollte dann die gesamte Fakultät, nicht nur ein Institut profitieren, damit die allgemeine Akzeptanz gesteigert wird. 11) Sehen Sie Alternativen zur Einführung einer Frauenquote, um den Anteil von Frauen in leitenden Positionen in der Wissenschaft zu stärken? 4
5 BDL: Als Alternative werden ja oft Mentoringprogramme angeführt. Ich habe mich als Mentorin auch schon sehr engagiert. Die jungen Damen in den jüngeren Semestern sind sich aber des Themas nicht so bewusst. Das Heulen und Zähneklappern geht mit der Habilitation los. Mentorenprogramme helfen da nur begrenzt. Rollenvorbilder helfen wohl mehr. Wichtig wäre die Einführung einer Art Quote bei wissenschaftlichen Tagungen und in Fachgremien. Hier sollte ebenfalls eine Art Kaskadenmodell Anwendung finden. Dies würde es Frauen zunehmend ermöglichen sich und ihre Arbeit der wissenschaftlichen Gemeinschaft zu präsentieren und damit ihre Chancen auf eine universitäre Spitzenposition zu erhöhen. 12) Wie müsste sich die Arbeitssituation für Frauen verbessern? Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Sie? BDL: Natürlich ist eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf wichtig. Aber das kann für mich nicht heißen, dass Kinder in die Ganztagsbetreuung gehen und die Mutter sechs Wochen nach der Geburt schon wieder 60 Stunden die Woche im Labor stehen muss. Auch die beste Kinderbetreuung kann das Chaos mit Kindern nicht ganz auffangen. Wir brauchen mehr Lockerheit und müssen akzeptieren, dass man auch mal ein Jahr für die Familie aussetzt. Wir brauchen mehr Toleranz, wenn aufgrund von Familienzeiten im Lebenslauf Lücken entstehen und die Publikationsleistung in dieser Zeit geringer ausfällt. Als ich meine Habilitation schrieb hat sich meine Mutter immer einen Tag in der Woche vollständig um meinen kleinen Sohn gekümmert. In dieser Zeit konnte ich konzentriert arbeiten. Darum plädiere ich für Stipendien für Haushaltshilfen, Babysitter und andere Alltagshilfen. Das könnte mehr Raum für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf schaffen. 5
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