Gedanken zur Entwicklung der Patientenversorgung in der neuen Legislaturperiode
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- Walter Gerber
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1 Kollegium Medizin und Recht am in Köln Gemeinnütziges Institut für patientenorientierte Versorgungsablaufforschung GmbH Gedanken zur Entwicklung der Patientenversorgung in der neuen Legislaturperiode Wilfried Jacobs Geschäftsführender Gesellschafter
2 Aktuelle gesamtpolitische Ausgangslage 1. Große Koalition zwischen CDU/CSU und SPD wahrscheinlich. Mitgliederbefragung bei SPD läuft. 2. In einer großen Koalition bestehen die größten Chancen, auch große notwendige Reformen umzusetzen (z. B. Pflegereform). 3. Der Koalitionsvertrag liegt auf 185 Seiten vor. Fazit: Man spürt an zahlreichen, auch gesundheitspolitisch entscheidenden Handlungsfelder die kompromissorientierte Handschrift. 1
3 Aktuelle gesamtpolitische Ausgangslage 4. Setzt man alles das um, was im Koalitionsvertrag steht, geht dies nicht ohne hohe Mehrausgaben. Die Gegenfinanzierung dieser Mehrausgaben ist eher unsicher. 5. Im Handlungsfeld Gesundheit und Pflege sind die neuen Orientierungen zum Teil kreativ, aber dennoch keine großen Würfe. 6. Inhalte von Koalitionsverträgen werden auch durch die neuen Ministerinnen und Minister gelebt. Hier gibt es derzeit nur Spekulationen. 2
4 Wer wird Gesundheitsminister? Wer würde bei einer großen Koalition ins Gesundheitsministerium in die Berliner Friedrichstrasse einziehen? Vorweg müsste entschieden werden: An welche Partei ginge das Gesundheitsministerium? In der letzten Großen Koalition waren sowohl das Arbeits- und Sozialministerium als auch das Gesundheitsministerium in den Händen der SPD. (Franz Müntefering und Ulla Schmidt) Ging das Gesundheitsministerium an die SPD, wer wäre ministrabel? 3
5 Mögliche SPD-Kandidaten Prof. Karl Lauterbach MdB Gesundheitspolitischer Sprecher der SPD Carola Reimann MdB Vorsitzende des gesundheitspolitischen Ausschusses des Deutschen Bundestages Cornelia Prüfer-Storcks Senatorin für Gesundheit und Verbraucherschutz in Hamburg 4
6 Mögliche CDU-Kandidaten Ursula von der Leyen MdB derzeitige Arbeits- und Sozialministerin Jens Spahn MdB Mitglied im Ausschuss für Gesundheit und gesundheitspolitischer Sprecher der CDU 5
7 Aktuelle Umfrage (Emnid ) Was sagt Bevölkerung, welches Ministerium sollte bei einer Großen Koalition an welche Partei gehen: CDU/CSU SPD Wirtschaft 61 % Arbeit und Soziales 53 % Finanzen 56 % Umwelt 51 % Innen 54 % Bildung 58 % Verteidigung 48 % Familie 47 % Außen 49 % Gesundheit 46 % 6
8 Umdenken Anmerkungen zur aktuellen Gesundheitspolitik Wilfried Jacobs, August
9 Umdenken 1. Das deutsche Gesundheitssystem gehört zurecht zu den besten der Welt. Dies gilt vor allem für die schnellen Zugänge zu medizinischen Leistungen und für die Vielfalt der Anbieterstrukturen. 2. Trotz des hohen Leistungsstandards des deutschen Gesundheitssystems klagen immer mehr Patienten über die tatsächlichen Abläufe im Medizinbetrieb. 8
10 Umdenken 3. Wir laufen Gefahr, dass wir den noch guten Standard unseres Gesundheitssystems ernsthaft gefährden, indem wir die Patientenorientierung vernachlässigen. 4. Die Gesundheitspolitiker und alle Player im Gesundheitssystem haben mit dazu beigetragen, dass wir den Medizinbetrieb überideologisiert, überbürokratisiert und überökonomisiert haben. Wir hätten im Gesundheitssystem wahrscheinlich auch Vollbeschäftigung ohne Patienten. 9
11 Umdenken 5. Es ist höchste Zeit für ein Umdenken im Gesundheitssystem. Ein Umdenken hin zu mehr Patientenorientierung. Ein Umdenken in der Organisation des Medizinbetriebes. Ein Umdenken in den ökonomischen Orientierungen. 10
12 Umdenken 6. Die für den Patienten notwendige, dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechende qualitätsgesicherte Medizin muss den Rahmen bestimmen für den Einsatz der Mittel. Es darf nicht umgekehrt sein - nach der Methode, wie viel Medizin gibt es in welcher Qualität auch immer für die zur Verfügung gestellten Budgets. 7. Solche Blickveränderungen sind kein Plädoyer gegen eine sinnhafte Ökonomie im Gesundheitssystem. Aber die Anwendung ökonomischer Prinzipien im Gesundheitswesen muss sich an der Ergebnisqualität der individuellen Versorgung ausrichten. 11
13 Umdenken 8. In der Versorgung wird Medizin meist fragmentiert angeboten. Jeder Player sieht auf seinen Bereich (Hausärzte, Fachärzte, Krankenhäuser, Apotheker, Pflegedienste). Offene Frage: Wer stellt die Orientierung auf das Gesamtergebnis für den Patienten sicher? 12
14 Umdenken 9. Was wir brauchen, ist eine lotsenartige Begleitung des Behandlungsprozesses bei Schwerstkranken mit dem Ziel der Sicherung der individuellen Ergebnisqualität. 10. Gute qualitätsgesicherte Versorgung über die gesamte Behandlungskette ist kostengünstiger als eine zu wenig aufeinander abgestimmte fragmentierte Medizin. 13
15 Umdenken 11. Wir geben im Medizinbetrieb Milliarden aus für nicht ausreichend qualitätsgesicherte Medizin, für nicht notwendige Mengen medizinischer Leistungen und sind dann auch noch überrascht, dass uns das Geld fehlt für eine verbesserte Honorierung nachgewiesener Qualität oder echter Innovationen. 14
16 Umdenken 12. Unsere Vergütungssysteme sind sowohl stationär als auch ambulant schon in den Ansätzen falsch. Sie sorgen dafür, dass die Ergebnisqualität nicht zum Verteilmodus des Honorars wird, sondern nur die Menge der Leistungen (auch die unnötigen) belohnt wird und dabei die individuelle Patientenorientierung (sprechende/hörende Medizin) zu kurz kommt. 15
17 Umdenken 13. Anders ausgedrückt: Im deutschen Gesundheitssystem gibt es zu hohe Fallzahlen und zu niedrige Vergütung für gesicherte Qualität und nachgewiesene Patientenorientierung. Vor diesem Hintergrund schaffen es leistungsschwache Anbieter immer, gut über die Runden zu kommen, dies aber auf Kosten der qualitätsorientierten Leistungserbringer und damit letztlich auf Kosten der Patienten. 16
18 Umdenken 14. Die neue Bundesregierung (große Koalition) muss die Chancen nutzen, falsche Anreizsysteme zu stoppen und gute Qualität auch gut zu bezahlen. Wenn nicht jetzt, wann dann 17
19 Gesundheit und Pflege in der Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD, Stand Ambulante Versorgung Der erste Satz des Bereiches Gesundheit und Pflege lautet: Im Zentrum unserer Gesundheitspolitik stehen die Patientinnen und Patienten und die Qualität ihrer medizinischen Versorgung. Verbesserung der Versorgung in unterversorgten Gebieten (Zulassung der Krankenhäuser zur ambulanten Versorgung) Reduzierung der Wartezeiten auf Facharzttermin (nicht länger als vier Wochen); Einrichtung einer Terminservicestelle 18
20 Gesundheit und Pflege in der Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD, Stand Ambulante Versorgung Verbesserung des Entlassmanagements im Krankenhaus Erweiterung der vertraglichen Freiräume der Krankenkassen Ausbau elektronischer Kommunikations- und Informationstechnologien (Telemedizin) 300 Mio. Investitionsfonds für sektorübergreifende Versorgungsformen und für die Versorgungsforschung 19
21 Gesundheit und Pflege in der Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD, Stand Krankenhausversorgung Das Krankenhaus der Zukunft muss gut, gut erreichbar und sicher sein. Die Menschen müssen sich darauf verlassen können, nach dem neuesten medizinischen Stand und in bester Qualität behandelt zu werden. Qualität wird als weiteres Kriterium in der Krankenhausplanung gesetzlich eingeführt. 20
22 Gesundheit und Pflege in der Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD, Stand Krankenhausversorgung Leistungen des Krankenhauses mit nachgewiesener hoher Qualität können von Mehrleistungsabschlägen ausgenommen werden. Auch Zuschläge für besonders gute Qualität sind möglich. Umgekehrt sollen bei unterdurchschnittlicher Qualität für einzelne Leistungen auch höhere Abschläge möglich sein. 21
23 Gesundheit und Pflege in der Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD, Stand Krankenhausversorgung Für vier ausgewählte planbare Leistungen erhalten die Krankenkassen die Möglichkeit, modellhaft Qualitätsverträge mit einzelnen Krankenhäusern abzuschließen. Patienten erhalten bei Operationen die Möglichkeit, eine Zweitmeinung bei einem Facharzt oder Krankenhaus einzuholen (Kosten übernehmen Krankenkassen). 22
24 Gesundheit und Pflege in der Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD, Stand Arzneimittel, Gesundheitsberufe, Prävention Koalition spricht sich für flächendeckende, innovative und sichere Arzneimittelversorgung aus. Der unmittelbare Zugang zu neuen Arzneimitteln für alle Versicherten ist ein hohes Gut. Bekenntnis zur Freiberuflichkeit der Apotheker. Am bestehenden Mehr- und Fremdbesitzverbot wird festgehalten. In 2014 wird ein Präventionsgesetz verabschiedet (Stärkung Gesundheitsförderung in Lebenswelten: KITA, Schule, Betrieb und Pflegeheim). 23
25 Gesundheit und Pflege in der Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD, Stand Finanzierung GKV Der allgemeine paritätisch finanzierte Beitragssatz wird auf 14,6 % festgesetzt, der Arbeitgeberanteil damit bei 7,3 % gesetzlich festgeschrieben. Die gesetzlichen Krankenkassen erheben im Wettbewerb den kassenindividuellen Zusatzbeitrag als prozentualen Satz zum beitragspflichtigen Einkommen. Der heute vom Arbeitnehmer alleine zu tragende Anteil von 0,9 % Beitragssatzpunkte fließt in den Zusatzbeitrag ein. 24
26 Gesundheit und Pflege in der Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD, Stand Pflege Pflege muss für alle Menschen, die auf sie angewiesen sind, bezahlbar bleiben. Es wird ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt. Insbesondere Menschen mit Demenzerkrankung sollen dadurch passgenauere Leistungen erhalten. Ausbau der Leistungen der Pflegeversicherung wie Kurzzeitund Verhinderungspflege. Budgets werden eingeführt. 25
27 Gesundheit und Pflege in der Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD, Stand Pflege Zuschüsse für Wohnumfeld verbessernde Maßnahmen und Ausbau der Anschubfinanzierung für ambulant betreute Wohnformen werden ausgebaut. Die Entwicklung von Angeboten altersgerechter Begleitung und technischer Unterstützungssysteme werden gefördert und in den Leistungskatalog der Pflegeversicherung aufgenommen. Personalmindeststandards in Pflegeeinrichtungen. Dokumentationspflichten und Bürokratie werden auf das Nötigste begrenzt. 26
28 Gesundheit und Pflege in der Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD, Stand Pflege Qualitätsunterschiede der Pflegeeinrichtungen müssen öffentlich deutlich werden. Stärkung der Rolle der Kommunen bei der Planung von regionalen Pflegestrukturen. Erhöhung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung zum um 0,3 Prozentpunkte. 0,1 davon sollen zum Aufbau eines Pflegeversorgungsfonds verwendet werden. 27
29 Anmerkungen zur Pflege Zahl der Pflegebedürftigen wird bis 2050 auf fast fünf Millionen steigen (mehr als einen Verdoppelung). Die Zahl der verfügbaren Töchter sinkt. Die Zahl der Pflegenden wächst. Familienleben findet immer häufiger an unterschiedlichen Orten statt. Während sich die Geschlechterrollen und Familienarrangements verändern, bleiben die bisherigen Reformanstrengungen in der Pflege dem überholten Leitbild der unter einem Dach lebenden Großfamilie mit männlichen Familienernährern verhaftet. Ökonomische und sozialkulturelle Entwicklungen werden ausgeblendet. 28
30 Anmerkungen zur Pflege Damit liegt das Problem in der Pflege auf der Hand: Ein Pflegesystem, das für eine andere gesellschaftliche Realität gemacht ist, überfordert die Pflegenden und stellt die Familien vor Zerreißproben. Die Zukunft des Pflegesystems in Deutschland: familienbasiert oder servicebasiert? Der Pflegesektor ist ein Teil der Wertschöpfung der deutschen Wirtschaft und nicht nur Kostenfaktor. Noch etwas: Wir schätzen in Deutschland die binnenmarktbezogenen Dienstleistungen zu gering. Das Abdrängen der Pflegebranche in den Niedriglohnbereich ist ein Fehler. 29
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