Deckt das geplante Gesetz zur Entgeltgleichheit den Gesetzgebungsbedarf ab?
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- Bärbel Zimmermann
- vor 5 Jahren
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1 , Fachanwältin für Arbeitsrecht Deckt das geplante Gesetz zur Entgeltgleichheit den Gesetzgebungsbedarf ab? Juristische Fachtagung Entgeltgleichheit WSI in Kooperation mit der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin,
2 Der Gesetzgebungsbedarf: Wirksame Durchsetzung des Rechtsprinzips der Entgeltgleichheit nach Art. 157 AEUV (ex Art. 141 EGV) Jeder Mitgliedstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher. 2
3 Der Gesetzgebungsbedarf: Wirksame Durchsetzung des Rechtsprinzips der Entgeltgleichheit nach Art. 157 AEUV (ex Art. 141 EGV) Jeder Mitgliedstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher. 3
4 Der Gesetzgebungsbedarf im Einzelnen: Begriffe rechtlich definieren relevante Zielgruppen erfassen: alle Akteure, die das Entgelt verantwortlich gestalten (= einzelne Arbeitgeber, Tarifvertragsparteien, Betriebsparteien) sowie potentiell betroffene Beschäftigte Verbindliche rechtliche Prüfung regeln (Prüfverfahren) Verbindliche Beseitigung von festgestellter Entgeltdiskriminierung regeln 4
5 Sind die rechtlichen Begriffe klar definiert? Welche Vereinbarungen unterliegen dem Entgeltgleichheitsgebot? Der einzelne Arbeitsvertrag unterliegt ebenso dem Entgeltgleichheitsgebot wie ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung Das steht aber nur in der Begründung! (Seite 39, vorletzter Absatz, zu 3 Abs. 1) Der Transparenz wäre gedient, wenn dieser Satz im Gesetz stünde - als 3 Abs. 1 Satz 2 5
6 Sind die rechtlichen Begriffe klar definiert? Keine Definition von unmittelbarer oder mittelbarer Entgeltdiskriminierung geschlechtsbezogene unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung im Hinblick auf Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen ist verboten - 3 Abs. 1 und 2 AGG finden Anwendung Warum wird nicht erklärt, was unter unmittelbarer und mittelbarer Entgeltungleichheit zu verstehen ist? Können potentiell Betroffene erkennen, dass die Formulierung 3 Abs. 1 und 2 AGG finden Anwendung bedeuten soll, dass sich dort die Definition von unmittelbarer oder mittelbarer Benachteiligung versteckt? 6
7 Sind die rechtlichen Begriffe klar definiert? Aber Definition, wann unterschiedliches Entgelt keine mittelbare Diskriminierung ist mittelbare Benachteiligung liegt nicht vor, wenn das unterschiedliche Entgelt durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich sind ( 3 Abs. 3) Warum wird nachdem nicht definiert wurde, wann eine mittelbare Entgeltdiskriminierung vorliegt nun erklärt, wann sie nicht vorliegt? 7
8 Sind die rechtlichen Begriffe klar definiert? Missverständliches Beispiel für mögliche Rechtfertigung mittelbarer Entgeltdiskriminierung Arbeitsmarktbezogene Kriterien können ein unterschiedliches Entgelt rechtfertigen, soweit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wurde ( 3 Abs. 3 Satz 2, Quelle: EuGH , Enderby ) gilt im Verhältnis zweier unterschiedlicher, aber gleichwertiger Tätigkeiten (Logopädin/Apotheker) nicht etwa bei gleicher Tätigkeit, was der Gesetzgeber nicht klarstellt 8
9 Sind die rechtlichen Begriffe klar definiert? Keine Regelung, dass unmittelbare Entgeltdiskriminierung nie zu rechtfertigen ist mittelbare Benachteiligung liegt nicht vor, wenn das unterschiedliche Entgelt durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich sind ( 3 Abs. 3) Aus der Formulierung des Satzes 1 ergibt sich, dass es für die unmittelbare Entgeltungleichbehandlung wegen des Geschlechts keine Möglichkeit der Rechtfertigung gibt. (Begründung Seite 40, 4. Absatz) Warum steht dieser Satz nicht im Gesetz? Als 3 Abs. 3 Satz 2. 9
10 Sind die rechtlichen Begriffe klar definiert? Erfüllungsanspruch, Verjährung, Ausschlussfrist Klarstellung: Anspruch auf vorenthaltene Entgeltbestandteile ist Erfüllungsanspruch Folglich gelten ausschließlich die Verjährungsfristen des Bürgerlichen Gesetzbuches Neu: Kollektiv-rechtlich geregelte Ausschlussfristen finden keine Anwendung Offen: Was ist mit arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen? 10
11 Sind die rechtlichen Begriffe klar definiert? Kein Hinweis auf Entschädigungsanspruch in Fällen von Entgeltdiskriminierung! Im Übrigen gelten für Entschädigung und Schadensersatz im Rahmen von Entgeltbenachteiligungen wegen des Geschlechts die Regelungen des 15 AGG (Begründung Seite 48) Aus dem geplanten Gesetz ist nicht ersichtlich, dass im Fall von Entgeltdiskriminierung ein Rechtsanspruch auf Entschädigung besteht der übrigens im bestehenden Arbeitsverhältnis nicht auf drei Bruttomonatsentgelte beschränkt ist! 11
12 Sind alle relevanten Zielgruppen erfasst? Individueller Auskunftsanspruch Zielgruppe Beschäftigte / Zielgruppe Arbeitgeber: Individueller Auskunftsanspruch gerichtet auf geschlechtsspezifische Entgeltunterschiede bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ( 10) Koalitionsausschuss : nur in Betrieben ab 200 Beschäftigten 12
13 Sind alle relevanten Zielgruppen erfasst? Auskunftsanspruch Wer muss ihn erfüllen? Koalitionsausschuss : Arbeitgeber, wenn kein Tarifvertrag Anwendung findet Betriebsrat, wenn Tarifvertrag Anwendung findet Wenn es keinen Betriebsrat gibt, aber Tarifvertrag Anwendung findet: Von den regionalen Tarifparteien benannte Vertreter - betriebsfremde Akteure würden Einblick in betriebliche Daten erhalten! 13
14 Sind alle relevanten Zielgruppen erfasst? Auskunftsanspruch Einschränkung bei Tarifbindung Was bringt der Auskunftsanspruch? In Fällen der Tarifbindung ( unmittelbare Anwendbarkeit eines Tarifvertrags ), reicht als Antwort auf die Anfrage die Nennung dieser Regelungen sowie die Angabe, wo die Regelungen einzusehen sind ( 11 Abs. 3) Dem liegt der Glaube zugrunde, dass in Tarifregelungen die Gleichbezahlung ohnehin festgeschrieben sei wie auch die Bildzeitung meint Das mag für gleiche Arbeit gelten, gleichwertige Arbeit ist in Tarifverträgen aber nicht immer gleich bewertet 14
15 Sind alle relevanten Zielgruppen erfasst? Auskunftsanspruch Fortschritt für Betroffene? Was bringt der Auskunftsanspruch? Kommt der Arbeitgeber seiner Auskunftspflicht nicht nach oder ist die erteilte Antwort offensichtlich unvollständig, lässt dies eine Benachteiligung in Bezug auf das Entgelt vermuten. Kein Hinweis auf mögliche Unterstützung durch ADS beim Versuch einer außergerichtlichen Klärung Weiterhin nur individuelle Klagemöglichkeit 15
16 Sind alle relevanten Zielgruppen erfasst? Keine Erweiterung der Rechte von Betriebsräten Betriebsrat: mit 87 Abs. 1 Nr. 12 BetrVG wird verdeutlicht, dass das MBR bei Fragen der Lohngestaltung oder leistungsbezogener Entgelte auch immer unter dem Aspekt des Entgeltgleichheitsgebotes zu bewerten ist und der Durchsetzung der tatsächlichen Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern dienen soll (Gesetzesbegründung, Seite 74) 16
17 Sind alle relevanten Zielgruppen erfasst? Keine Verfahren zur Prüfung von Tarifverträgen Tarifvertragsparteien: Tarifvertragsparteien sind aufgefordert, im Rahmen ihrer Aufgaben und Handlungsmöglichkeiten an der Verwirklichung des in 1 genannten Ziels mitzuwirken. Sie sind insbesondere aufgefordert, die Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern durch geeignete Maßnahmen zu fördern ( 6 Abs. 2) 17
18 Deckt das geplante Gesetz den Gesetzgebungsbedarf ab? Lückenhafte Definition der Grundsätze, Begriffe und Ansprüche zum Gebot der Entgeltgleichheit In Unternehmen mit bis zu 200 Beschäftigten: Gar keine Rechte zur Durchsetzung von Entgeltgleichheit In Unternehmen ab 201 Beschäftigten ( 10 Abs. 2: mehr als ) lediglich individueller Auskunftsanspruch In Unternehmen ab 501 Beschäftigen ( 17 Abs. 1: mehr als ) zusätzlich Aufforderung zur Prüfung der Entgeltsysteme - mit irgendeinem Prüfverfahren 18
19 Deckt das geplante Gesetz den Gesetzgebungsbedarf ab? Mit den Regelungen im Gesetzentwurf vom Dezember 2015 und den Eckpunkten vom kann das Ziel, die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicherzustellen, nicht erreicht werden. 19
20 Deckt das geplante Gesetz den Gesetzgebungsbedarf ab? Abschließend darf ich Ihnen versichern: Ich weiß, dass Kritisieren immer leichter ist als Gestalten. Deshalb möchte ich alle, die an der Erarbeitung des Gesetzentwurfs mitgewirkt haben, bitten: Seien Sie mir nicht allzu böse es war hier und heute meine Aufgabe, den Entwurf kritisch zu betrachten. Und die Kritik am Entwurf ist nicht etwa gleichbedeutend mit Kritik an seinen Autorinnen und Autoren. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit! 20
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