KARIN TONDORF. Entgeltgleichheit? Ja, aber welche?

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1 KARIN TONDORF Entgeltgleichheit? Ja, aber welche? Konferenz Entgeltgleichheit auf dem Prüfstand - Perspektiven auf den Gender Pay Gap Universität Duisburg- Essen am 8. April 2016

2 Übersicht Entgeltgleichheit für Frauen und Männer 1. aus der rechtlichen Perspektive 2. aus der ökonomisch-statistischen Perspektive (Erklärung des Gender Pay Gap) 3. Identifizierte Ansatzpunkte für (politische) Maßnahmen 4. Fazit / Schlussfolgerungen 2

3 1. Entgeltgleichheit - rechtliche Perspektive Definition Grundgesetz/ AGG, Unionsrecht Entgeltgleichheit = Gleiches Entgelt für Männer und Frauen mit gleicher oder gleichwertiger Arbeit Auszuübende Tätigkeit, Arbeitsplatz (personenunabhängig) 3

4 1. Entgeltgleichheit - rechtliche Perspektive Entgeltgleichheit ist gewährleistet, wenn gleiches Entgelt a) für gleiche Arbeit (= weitgehend identische Tätigkeit) gezahlt wird Gärtner Gärtnerin Unmittelbare Entgeltdiskriminierung läge vor, wenn die Frau (bzw. der Mann) ein geringeres Grundentgelt erhielte wegen kürzerer Ausbildung kürzerer Erwerbserfahrung Teilzeitarbeit (Bruttoverdienst/Std.) befristeter Beschäftigung geringerer Verhandlungsstärke 4

5 1. Entgeltgleichheit - rechtliche Perspektive Entgeltgleichheit ist gewährleistet, wenn gleiches Entgelt b) für faktisch gleichwertige Arbeit (= unterschiedliche Inhalte, aber vergleichbares Anforderungsniveau) gezahlt wird IST- Entgelt: Vermessungstechniker Familienhebamme 2.611? Gleiches hohes Entgelt = kein zuverlässiger Indikator für Entgeltgleichheit Unterbewertung von Arbeit möglich SOLL- Entgelt: Vermessungstechniker Familienhebamme 2.800! bei geschlechtsneutraler Bewertung von Arbeit 5

6 1. Entgeltgleichheit - rechtliche Perspektive Wesentliches Problem heute: Sichtbarmachen von mittelbarer Entgeltdiskriminierung: Definition: wenn Vorschriften, Kriterien oder Verfahren, die dem Anschein nach geschlechtsneutral sind, Personen des einen Geschlechts in besonderer Weise benachteiligen, es sei denn Häufige Ursachen: Nichtbewertung von wesentlichen Arbeitsanforderungen Bewertung von Arbeit, Leistung, Erschwernissen, nach unterschiedlichen Maßstäben 6

7 1. Entgeltgleichheit - rechtliche Perspektive Art. 3 Abs. 2, 3 Grundgesetz AGG, Europäisches Recht Bedeutung des Rechtsgrundsatzes der Entgeltgleichheit für die Praxis: von Betroffenen einklagbar verbindlich für Arbeitgeber, Betriebsparteien, Tarifparteien Staat muss Grundrecht gewährleisten. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen dieses Diskriminierungsverbot verstoßen, sind unwirksam. 7

8 2. Entgeltgleichheit ökonomisch-statistische Perspektive Statistische Analyse des Gender Pay Gap - Ökonomische Theorie der Lohnfindung Definition Entgeltgleichheit = Gleiches Entgelt für Männer und Frauen mit gleichen Eigenschaften Produktivitätsrelevante Ausstattungsmerkmale der Personen 8

9 2. Entgeltgleichheit ökonomisch-statistische Perspektive Für die Lohnfindung relevante Eigenschaften sind bei Frauen und Männern in unterschiedlichem Ausmaß vorhanden. Dies rechtfertigt Verdienstunterschiede. * Unterschiede werden erklärt mit Persönlichen Merkmalen (Qualifikation) Ausbildungsabschluss potentielle Berufserfahrung (Alter Ausbildungsjahre 6) Dienstalter *Statistisches Bundesamt, Martin Beck, 2011 Arbeitsplatzbezogene Merkmale (Ungleiche Beschäftigung) Art des Arbeitsvertrages Beschäftigungsumfang Berufsgruppen Branchen Leistungsgruppen Unternehmenszugehörigkeit Unternehmensgröße 9

10 2. Entgeltgleichheit ökonomisch-statistische Perspektive Statistische Analyse des Gender Pay Gap - Ökonomische Theorie der Lohnfindung Was gilt als (Hinweis) auf Diskriminierung? Bei identischer Ausstattung von Frauen und Männern mit für die Lohnfindung relevanten Eigenschaften werden diese bei Frauen niedriger entlohnt. * = Bereinigte Lohnlücke 7% = Unerklärter Anteil der unbereinigten Lohnlücke) *Statistisches Bundesamt, Martin Beck,

11 3. Identifizierte Ansatzpunkte für (politische) Maßnahmen Ökonomisch-statistische Perspektive Herstellung von Entgeltgleichheit Verringerung der Lohnlücke durch: Frauen Erwerbsverhalten Berufs- und Branchenwahl Bildung (inkl. Ausnutzung von Qualifikationen) Erwerbsunterbrechungen Staat Rahmenbedingungen zur besseren Vereinbarkeit Familie/Beruf Girl s Day Frauenquoten Arbeitgeber Chancengleichheit Förderung der Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen Personaleinsatz: z.b. Frauen in Männerberufe 11

12 3. Identifizierte Ansatzpunkte für (politische) Maßnahmen Rechtliche Perspektive Herstellung von Entgeltgleichheit durch: Arbeitgeber/ Betriebsparteien Prüfung von Entgeltregelungen und Entgeltpraxis - Beseitigung von Diskriminierung Tarifparteien Prüfung von Entgeltregelungen, u.a. zur Arbeitsbewertung, Beseitigung von Diskriminierung Staat geeignete Maßnahmen zur tatsächlichen Durchsetzung von Entgeltgleichheit (z.b. durch Gesetz) Betroffene Frauen bzw. Männer: Klage 12

13 4. Kurzes Fazit: Entgeltgleichheit ja, aber welche? Rechtlicher und ökonomisch-statistischer Ansatz: gleiche Begriffe Entgeltgleichheit und diskriminierung, jedoch unterschiedliche Definitionen = Gerechtigkeitsmaßstäbe GPG-Analyse bietet wichtige Informationen über Entgeltunterschiede aufgrund des Geschlechts, nicht jedoch über Entgeltunterschiede bei gleicher und gleichwertiger Arbeit Bereinigter GPG (7%) ist nicht als (etwaiges) Ausmaß von Entgeltdiskriminierung im rechtlichen Sinne zu interpretieren. Eine niedrige (un)bereinigte Entgeltlücke bietet keinen Anlaß zur Beruhigung - auch dann kann große Entgeltdiskriminierung im rechtlichen Sinne vorliegen. Diese gilt es, sichtbar zu machen und zu beseitigen. 13

14 Vielen Dank! Dr. Karin Tondorf Forschung und Beratung zu Entgelt- und Gleichstellungspolitik Seddiner See 14