Forschungsstelle für Sozialrecht und Gesundheitsökonomie. Fachtagung
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- Ralf Schwarz
- vor 6 Jahren
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1 Forschungsstelle für Sozialrecht und Gesundheitsökonomie Fachtagung Öffentliche Unternehmen oder Private Versorger? Die Zukunft des Krankenhausmarktes Bayreuth, 12.Dezember 2002 ******** Ernst Bruckenberger DRG-Mindestmengen versus flächendeckende Versorgung, Zukunft der Krankenhausplanung 1
2 Bisheriges Ergebnis In Deutschland gibt es nicht nur eine seit Jahren stereotyp beklagte doppelt besetzte Facharztschiene, sondern auch ein doppelt besetztes Ordnungssystem. Dabei werden von der Marktwirtschaft allerdings nur die wettbewerblichen Begriffe und Thesen entliehen, von der Daseinsvorsorge jedoch nach wie vor die ausgeprägte Neigung zur Reglementierung und das damit verbundene reale Verhalten übernommen. Hier die Worte, dort die Taten. Im Ergebnis führte dies systemimmanent dazu, dass bei einem vorgegebenen Deckel (Beitragssatzstabilität) der Verwaltungsaufwand für das Gesundheitssystem zu Lasten der Beschäftigten (Leistungsverdichtung) bei dennoch steigenden Ausgaben und wachsendem Frust ununterbrochen zunimmt und für die Behandlung der Patienten selbst immer weniger Mittel übrig bleiben. 2
3 Folgen des Fallpauschalensystems für die Krankenhausplanung 3
4 Ungeklärter ordnungspolitischer Rahmen Wettbewerb (Dienstleistung) statt Daseinsfürsorge Fallpauschalensystem als sektorale Lösung Das Fallpauschalensystem wird eingeführt, ohne dass die künftige Finanzierung der Investitionskosten der Krankenhäuser und die Auswirkungen auf die anderen Versorgungssektoren geklärt werden. Bei den ambulanten, stationären und rehabilitiven Versorgungssektoren gelten damit auch in den nächsten Jahren unterschiedliche Finanzierungs- und Abrechnungssysteme (monistisch, dualistisch, trialistisch, Gebühren, Fallpauschalen, Pflegesätze, Mischformen usw.). 4
5 Unveränderte Rechtsgrundlagen Die Krankenhausplanung umfasst nach dem KHG nur eine Vorhalteplanung. Das Fallpauschalengesetz eröffnet keine neuen rechtlichen Kategorien, die ein Abgehen von der bisherigen Planung gesetzlich legitimieren würden. Der Sicherstellungsauftrag umfasst die Verpflichtung zur Vorhaltung und den Betrieb von Krankenhäusern, nicht die Krankenhausplanung. 5
6 Wandel des Planungsgegenstandes Seit 1973 Angebotsorientierte Krankenhausplanung der Länder, legitimiert durch die Investitionsfinanzierung (Mittelverwendungsplanung) - Kongruenz zwischen Planungs- und Vergütungseinheit Ab 2003 (tendenziell ab 1992) Parallele Planungskompetenz zwischen Ländern und Vertragsparteien - Aufhebung der Kongruenz zwischen Planungs- und Vergütungseinheit Ab 2007 (zunehmend ab 2003) Tendenziell Leistungsmengensteuerung durch die Vertragsparteien bei noch ungeklärter Investitionsfinanzierung ( Einkaufsmodell ), Kongruenz zwischen Planungs- und Vergütungseinheit über Fallpauschalen 6
7 Planungsgegenstand ist das Krankenhaus Bei dem gegebenen dualistischen Finanzierungssystem kann sich die Krankenhausplanung weiterhin nur auf die notwendigen baulich apparativen Vorhaltungen, nicht jedoch auf die darin erbrachten Leistungen beziehen. So gesehen war die bisherige Krankenhausplanung eigentlich immer schon eine Rahmenplanung, da sie den Rahmen (Vorhaltung) für die zu erbringenden Leistungen vorgab. Gegenstand der Krankenhausplanung war und ist das Krankenhaus und nicht die Erfüllung der Leistungsansprüche. Das Krankenhaus soll wirtschaftlich gesichert werden, das Krankenhaus wird in den Krankenhausplan aufgenommen, das Krankenhaus hat Anspruch auf Förderung und wird in das Investitionsprogramm aufgenommen, der Versorgungsvertrag mit dem Krankenhaus wird gekündigt usw. 7
8 Kein Eingriff in Grundrechte ohne gesetzliche Grundlage Die geltenden gesetzlichen Grundlagen bieten keine Ermächtigung in das Grundrecht der Krankenhausträger aus Art. 12 GG einzugreifen. Ein Eingriff in Grundrechte, beispielsweise in Form einer Leistungsplanung - in welcher Form auch immer - erfordert eine gesetzliche Grundlage. Nach wie vor ist das Bett essentiale Voraussetzung für die Anerkennung einer vollstationären Behandlung und damit konstitutiv für die Krankenhausplanung. Für die damit in Zusammenhang stehenden Leistungen trifft dies aufgrund des medizinischen Fortschrittes immer weniger zu, für die Fallpauschalen überhaupt nicht. Sie sind nur eine jederzeit veränderbare Form der Vergütung, aber keine Leistungen und können deshalb auch nicht Gegenstand der Krankenhausplanung im Sinne des KHG sein. 8
9 Rahmenplanung bzw. Leistungsplanung Die Rechtsgrundlagen für die Krankenhausplanung sind seit 1973 unverändert ( angebotsorientierte Mittelverwendungsplanung) Eine Rahmenplanung bedeutet weniger, eine Leistungsplanung mehr Planungsaufwand Rahmenvorgaben besitzen keine Rechtsverbindlichkeit, sie sind nur ein Verwaltungsinternum. Entscheidend ist der Feststellungsbescheid oder die Vereinbarung. Eine Leistungsplanung des Staates als Einschränkung der Berufsfreiheit bedarf einer gesetzlichen Regelung (gibt es derzeit nur für die Transplantationen) Die Leistung als Planungsgröße ist rechtlich ungeklärt und mehrdeutig (Fall, Operation, diagnostische Leistung, Gruppen von Leistungen usw.?) 9
10 Unter Berücksichtigung der Fallzahl des Jahres 2001 und einer Verweildauerreduzierung von 20 % müssten ab 2005 bundesweit Betten abgebaut werden. 10
11 Krankenhausplanung oder Vergaberecht Der im EG-Vertrag vorgegebene Regelfall ist die wettbewerbsorientierte Wirtschaftverfassung, wohingegen die Leistungen der Daseinsvorsorge Ausnahmetatbestände darstellen. Spätestens dann, wenn die Krankenhausplanung keine Festlegung des einzelnen Standortes und der konkreten baulichen und apparativen Vorhaltung mehr umfassen würde, sondern nur mehr unverbindliche Rahmenvorgaben für eine Art Einkaufsmodell -welcher Art auch immer- wird das Vergaberecht bei der Verteilung der Leistungen (Fallpauschalen?) auf die einzelnen Krankenhäuser an Bedeutung gewinnen. Der Gesetzgeber wird dann sicherlich gezwungen sein, die problematische Überlagerung krankenhausrechtlicher, verwaltungsverfahrensrechtlicher und vergaberechtlicher Bestimmungen aufzulösen und eine praktikable Lösung anzubieten. 11
12 Veränderung der Angebotsstrukturen 12
13 Einfluss des Fallpauschalensystems auf die Krankenhausplanung 13
14 Wohnortnahe Versorgung (Radius ist 20 km) 14
15 Kooperative Regionalisierung in Niedersachsen
16 Qualität durch Konzentration Vorgabe von Mindestmengen 16
17 Vorgabe von Mindestmengen planbarer Leistungen durch die Selbstverwaltung auf Bundesebene Der Gesetzgeber unterstellt im FPG einen linearen monokausalen Zusammenhang zwischen Operationshäufigkeit (Quantität) und Qualität des Behandlungsergebnisses Realität: Unterschiede im Patientenalter, bei den Hygienevoraussetzungen, den Operationsmethoden, der Erfahrung, dem Arzneimitteleinsatz, usw., Sektoraler Lösungsansatz - nicht prozessorientiert Ungeklärtes statistisches Erfassungsproblem (in Deutschland wird der Fall und nicht der Patient erfasst) - Datenschutzprobleme Die Brisanz der Mindestmengen liegt in der Verrechtlichung und der Komplexität des Gesamtsystems - kein Vertrauen in den Markt 17
18 Vorgabe von Mindestmengen planbarer Leistungen Mengenverteilung in Deutschland
19 Diagnosenverteilung (Menge) in Deutschland
20 Diagnosenverteilung in den Krankenhäusern Niedersachsen
21 Vorgabe von Mindestmengen (Fällen) Neubildungen der Brust (NI)
22 Vorgabe von Mindestmengen (Operationen) Neubildungen der Brust (NI) 22
23 Vorgabe von Mindestmengen (Fällen) Schlaganfall (NI) 23
24 Verteilung der Mindestmengen in Niedersachsen 24
25 Zukunft der Krankenhausplanung 25
26 Voraussetzung für eine erfolgreiche Krankenhausplanung Klare unmissverständliche Rechtsgrundlagen sowie eine Klärung der ordnungspolitischen Grundlagen - nicht vorhanden Eine zeitnahe qualifizierte Datengrundlage auf der Basis der DRG`s incl. Wanderbewegungen und Kosten, auch für andere Sektoren - nicht vorhanden Ausreichende Fördermittel zu einer kurz- bis mittelfristigen Veränderung der Angebotsstruktur - nicht vorhanden 26
27 Ungeklärte ordnungspolitische Entscheidungen Wettbewerb oder Daseinsvorsorge Sektorale oder integrierte Angebotsstruktur Personelle oder institutionelle fachärztliche Integration Rehabilitation als Gesamtpaket oder als Einzelmaßnahmen Krankenversicherung oder Rentenversicherung Europäische oder nationale Gestaltungshoheit 27
28 Koalitionsvereinbarung zum Gesundheitswesen Beitragssatzstabilisierung (Vorschaltgesetz) Möglichkeit von Einzelverträgen auch für Krankenhäuser Modifizierung des Kontrahierungszwanges Anpassung des Sicherstellungsauftrages Kein Hinweis auf die monistische Finanzierung! Stärkung der integrierten Versorgung Prävention wird eigenständige Säule Patientenbeauftragter und Patientenquittung Neuorientierung für ein frauenspezifisches Gesundheitswesen Einrichtung von interdisziplinäre Brustkrebszentren Unterstützung alternativer Vorsorge- und Behandlungsmethoden 28
29 Absehbare Entwicklung Kurz- und mittelfristig wird die Entwicklung des Krankenhauswesens bei unveränderter Rechtslage von einer konfliktträchtigen verwaltungsaufwendigen parallelen Planungs- und Steuerungskompetenz zwischen den Planungsbehörden und der Selbstverwaltung geprägt sein. Eine völlig unzureichende öffentliche Investitionsförderung führt zu einer abnehmenden Akzeptanz von staatlichen Planungsentscheidungen und zu einer sich beschleunigenden unstrukturierten Privatisierung. Im Ergebnis ist unter den gegebenen widersprüchlichen rechtlichen und (un)ordnungspolitischen Vorgaben eine zukunftsfähige Entwicklung des deutschen Krankenhauswesens als Teil eines funktionierenden freien Gesundheitssystems in Frage zu stellen. Eine staatliche Reglementierung ist gegenwärtig tendenziell nicht auszuschließen. 29
30 Herzlichen Dank für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit Lehrbeauftragter der Medizinischen Hochschule Hannover Hitzackerweg 1 a Hannover Tel.: ernst@bruckenberger.de Home: 30
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