Der Nachbar im Zivilrecht
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- Ute Graf
- vor 8 Jahren
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1 Der Nachbar im Zivilrecht (erweiterte Fassung des gleichnamigen Vortrages von Mag. Habersack beim Amtsleiterseminar 2010 in Bad Schallerbach) I. Allgemeines: Beim Nachbarrecht handelt es sich um Rechtsvorschriften, durch welche die Ausübung des Eigentumsrechtes im Interesse der Nachbarschaft Beschränkungen unterworfen wird bzw. in denen geregelt ist, welche Einwirkungen ein Nachbar trotz seiner Eigentümerposition in Kauf nehmen muss. Es gibt ein öffentlich-rechtliches und ein privates Nachbarrecht. Primär und insbesondere auch bei Immissionen, die örtlich größere Bereiche betreffen können, obliegt die Wahrung des Nachbarrechtes den öffentlich-rechtlichen Normen, zb dem Baurecht, Raumordnungsrecht, Gewerberecht, Wasserrecht udgl. Aus den öffentlich-rechtlichen Vorschriften können sich relativ starke Eigentumsbeschränkungen ergeben. Fehlt dort ein entsprechender Anspruch, so sind in einem solchen Fall die Nachbarn zur Verfolgung ihrer Interessen auf die sich aus Privatrecht ergebenden Rechte beschränkt. Zentrale Nachbarrechtsnormen sind vor allem die 364ff ABGB (Schutz vor Immissionen) und, was Einwirkungen durch Pflanzen vom Nachbargrund betrifft, 422 ABGB. II. 364 ABGB: 364 (2) ABGB lautet: Diese Bestimmung regelt die Befugnisse zweier Liegenschaftseigentümer zueinander. Dabei darf der Eigentümer grundsätzlich nur bis zu seiner Liegenschaftsgrenze wirken. Darüber hinaus sind nur unwesentliche oder ortsübliche Immissionen erlaubt. Der Begriff Immissionen ist im Gesetz selbst nicht definiert, man versteht darunter Einwirkungen, die von einem Nachbargrundstück auf das Grundstück eines anderen ausgehen. Die unzulässigen Immissionen sind im Gesetz lediglich beispielhaft (= demonstrativ) aufgezählt. Der Immissionsbegriff wird von der Rechtsprechung relativ weit gesehen. Über die bereits im Gesetz aufgezählten Beeinträchtigungen, wie Geruch, Lärm, Rauch etc. hinaus gelten: elektrische Wellen, Strahlen und magnetische Felder, Ablagerungen von Sand an einer Grenzmauer, Schneeschmelzwasser, das statt durch eine Dachrinne abzufließen, in den Nachbargrund eindringt, Beeinträchtigungen durch vom Wind verfrachteten Tennissand, verschlagene (Spiel)Bälle, Verunreinigungen des Grundwassers, in Nachbargrund eindringendes Ungeziefer sowie kleinere Tiere, wie zb Mäuse, Flugenten, frei laufende Hühner, deren Fernhaltung praktisch nicht möglich ist usw. Größere Tiere, wie Katzen, Hunde, Kühe können nach der Rechtsprechung nicht auf Basis des 364 ABGB abgewehrt werden. Der Nachbar hat aber hier entsprechende Möglichkeiten mit der Eigentumsfreiheitsund/oder der Besitzstörungsklage. Beispielsweise ist er auch berechtigt, das fremde Tier (durch angemessene Gewalt) zu verjagen, nicht aber zu töten und hat im Falle eines Schadenseintrittes sogar ein zeitlich beschränktes Zurückhalterecht hinsichtlich des Tieres ( 1321 ABGB). Nicht unter den Immissionsbegriff fallen weiters Formen der Nutzung eines Grundstückes, die den Nachbar nur in seinem ästhetischen oder sittlichen Empfinden beeinträchtigen. 1
2 Beispiele: Nachbarn in einem Freibad, Anhäufen von Unrat auf einem Grundstück ohne Geruchsbeeinträchtigung oder Ungeziefer- oder sonstige Einwirkung auf das Nachbargrundstück, das Verbauen der Aussicht durch Bau eines Hochhauses in einer Villengegend, das bloße Betreiben eines Bordells in der Nachbarschaft etc. Bei den Ansprüchen nach 364 (2) ABGB ist zunächst zwischen sogenannten unmittelbaren (= direkten) und sogenannten mittelbaren (= indirekten) Immissionen zu unterscheiden. Unmittelbare Zuleitungen, insbesondere von Abwässern oder Abgasen oder das Eindringen grobkörperlicher Stoffe (Steine etc) braucht ohne besonderen Rechtstitel (zb Servitutsvertrag, entsprechendes Wasserrecht oä) unter keinen Umständen geduldet werden. Diese kann daher unbeschränkt abgewehrt werden. Andere Immissionen sind dann unzulässig, wenn sie 1. das nach den örtlichen Verhältnisses gewöhnliche Maß unterschreiten und 2. die ortsübliche Benützung des Nachbargrundstücks wesentlich beeinträchtigen. Bei den mittelbaren Einwirkungen haben die örtlichen Verhältnisse also eine doppelte Bedeutung, nämlich einerseits für das Maß der Immissionen und andererseits für das Maß der Beeinträchtigung. Mittelbare Immissionen sind daher zu dulden, wenn sie entweder das ortsübliche Maß nicht überschreiten oder, obwohl sie das tun, die ortsübliche Benutzung des Grundstückes nicht bzw. nur unwesentlich beeinträchtigen. - Ortsüblichkeit: unter Ort ist im obigen Zusammenhang nicht etwa eine gesamte politische Gemeinde zu verstehen, sondern es ist auf die typischen faktischen Verhältnisse in einer bestimmten Gegend abzustellen. Zu prüfen ist, was einem bestimmten Gebiet eine bestimmte Prägung gibt (zb Villenviertel, Buschenschankviertel usw). In Städten stellt man auf einen betreffenden Stadtteil ab. Es muss aber doch ein größeres Gebiet sein, einige Häuser oder Gassen für sich allein können in der Regel noch nicht als eigenes Viertel angesehen werden. Flächenwidmungs- und Bebauungspläne spielen bei der Beurteilung der Ortsüblichkeit in der Regel keine Rolle, da auf die faktischen Verhältnisse abzustellen ist. Die örtlichen Verhältnisse können durch den Lauf der Zeit auch verändert werden, so können zb allmählich wachsende Immissionen das Maß des Zulässigen erhöhen. In der Lehre strittig und von der Rechtsprechung (noch) uneinheitlich beantwortet wird allerdings die Frage, welcher konkrete Zeitraum nun notwendig ist, um aus einer bis dahin ortsunüblichen Immission durch Nichtabwehr eine ortsübliche Immission werden zu lassen. Die Meinungen gehen hier sehr weit auseinander und reichen von drei bis - in Anlehnung an die allgemeine Ersitzungs- und Verjährungszeit - sogar 30 Jahre. Beispiel: Herr A akzeptiert die ortsunüblichen Lärmimmissionen vom Nachbargrund, obwohl diese unzumutbar laut auch in der Nacht in seiner Wohnung zu hören sind und er sich daher gerichtlich zur Wehr setzen könnte. Wie lange braucht es, dass diese ursprünglich unzulässige Immission letztlich zulässig wird? Wesentlichkeit der Immission: Es muss durch die Immission die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigt werden. Hiefür kommt es ganz besonders auf die Umstände des Einzelfalles an. Es darf sich jedenfalls nicht um eine nur unbedeutende Erschwerung handeln, vielmehr muss eine spürbare Beeinträchtigung vorliegen. Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht das subjektive Empfinden des sich gestört fühlenden Nachbars maßgeblich, sondern das eines verständigen Durchschnittsmenschen, der sich in der Lage des Gestörten befindet. Bei einem vom Grundstück ausgehenden Musiklärm ist daher zb zu fragen, wie ein 2
3 durchschnittlicher Nachbar solche Geräusche empfindet. Darauf, ob der betreffende Nachbar die Musik hasst oder liebt, ob er cholerisch auf Musik reagiert oder nicht oder ob er schwerhörig ist oder besonders sensibel auf Lärm reagiert, kommt es hingegen nicht an. Wer kann was von wem verlangen? 1. Wer von wem: a) Nachbar: Im österreichischen Rechtssystem gibt es keinen einheitlichen Nachbarbegriff. Wenn daher im ABGB vom Nachbar die Rede ist, sind von diesem Begriff regelmäßig andere Personen umfasst, als zb im Gewerbe- oder Baurecht. Der zivilrechtliche Nachbarbegriff reicht sehr weit. Nachbar isd 364 ABGB ist nicht bloß der Eigentümer eines unmittelbar angrenzenden Grundstücks, sondern jeder Liegenschaftseigentümer, der von der Immission, die vom Grundstück des Störers ausgeht, betroffen ist, egal wie weit dieses nun entfernt ist und egal wie viele Grundstücke dazwischen liegen. Neben dem eigentlichen Liegenschaftseigentümer ist nach ständiger Rechtsprechung beispielsweise auch jeder Mit- oder Wohnungseigentümer, sowie jeder sonst dinglich Berechtigte (zb der Inhaber eines Wohnrechtes) anspruchsberechtigt. Auch dem Bestandnehmer (Mieter, Pächter) stehen entsprechende Abwehrmöglichkeiten zu. b) Anspruchsgegner: ist nicht nur der eigentliche Nachbargrundeigentümer, sondern grundsätzlich auch derjenige, der die Beeinträchtigung unmittelbar herbeiführt, also jeder Störer. Darunter fällt auch derjenige, der seine Rechte vom Eigentümer ableitet, wie zb ein Mieter oder Pächter. 2. Was kann begehrt werden? a) Unterlassungsanspruch: Der beeinträchtigte Grundstückseigentümer kann primär Unterlassung der betreffenden Immission verlangen. Das Klagebegehren hat daher zb auf Unterlassung der vom Grundstück XY ausgehenden Lärmimmission zu lauten. Ein bestimmtes aktives Tun hingegen kann in aller Regel vom Nachbarn nicht verlangt werden. Auch im Falle eines stattgebenden Urteils ist selbiges daher in weiterer Folge erst nach den Regeln der sogenannten Unterlassungsexekution, sprich unter Verhängung von Beugestrafen (Geldstrafen, Haftstrafen) zu vollstrecken. Letztendlich aber kann der Störer sich aussuchen, durch welche konkrete Maßnahme er seiner Unterlassungsverpflichtung nachkommt. Beispiel: Lärmimmission von einem Musikprobenraum. Der Kläger darf nicht verlangen, dass dem Nachbarn die Musikprobe verboten wird. Zu unterlassen ist vielmehr die Geräuschentwicklung, die unzumutbar zum Nachbarn dringt. Wie der Störer diese Geräuschentwicklung verhindert, ob er nun einfach nicht mehr probt oder ob er den Musikprobenraum besser schalldämmt oder sonstige Maßnahmen zur Geräuschverminderung setzt, ist seine Entscheidung. b) Beseitigungsanspruch: Dem beeinträchtigten Grundeigentümer steht darüber hinaus ein Beseitigungsanspruch hinsichtlich von durch Immissionen auf seine Liegenschaft gelangten Substanzen zu, zb verunreinigtes Erdreich etc. c) Sowohl obiger Unterlassungs- als auch der Beseitigungsanspruch sind verschuldensunabhängig. Liegen darüber hinaus auch die Voraussetzungen für Schadenersatz vor (Verschulden, Rechtswidrigkeit, Kausalität etc) kann zusätzlich auch dieser begehrt werden. Beweislast. Die Beweislastverteilung kann oft prozessentscheidend sein. Der Kläger hat sein Eigentum und das Vorliegen einer vom Nachbargrund ausgehenden Immission zu 3
4 beweisen. Der Beklagte hat zu beweisen, dass der Eingriff die Ortsüblichkeit und Wesentlichkeit nicht überschreitet. Damit ist die Beweislage eindeutig für den Gestörten günstig: Er muss im wesentlichen nur die Einwirkung beweisen, während der Störer den wesentlich schwierigeren Beweis erbringen muss, dass die zulässigen Grenzen nicht überschritten werden. Ausgewählte Beispiele aus der Rechtsprechung: - Eindringen von rotem Tennissand: kann als mittelbare Einwirkung grundsätzlich untersagt werden, wenn zb Gartenmöbel jeweils vor ihrer Benützung gereinigt werden müssen, weil sie dick von rotem Staub bedeckt sind. Lediglich durch außergewöhnliche Naturereignisse (orkanartige Stürme) hervorgerufene Versandungen sind dem Tennisplatzbetreiber nicht anzulasten. - Ein auf dem Nachbargrund installierter Beleuchtungskörper kann eine unzulässige Lichtimmission darstellen, wenn dadurch in deutlicher Verschlechterung der bisher bestehenden Verhältnisse die Schlafqualität einer normal empfindlichen Person wesentlich gestört wird. Gleiches wird me auch für die immer öfter anzufindenden überdimensionalen Multimedia-Werbebildschirme gelten. - In einem geschlossenen Siedlungsgebiet sind Störungen durch Baumaßnahmen, soweit sie selbst bei schonender Durchführung notwendig und unvermeidlich sind, zu dulden. - Bei einem Sportplatz ist mit der Anpassung an den technischen Fortschritt (Einbau einer Flutlichtanlage, verbesserte Lautsprecheranlage) zu rechnen und ist die dadurch bedingte größere Zuschauerfrequenz grundsätzlich hinzunehmen. - Eine Ablagerung von Abfällen auf einem Komposthaufen kann dann vom beeinträchtigten Nachbarn untersagt werden, wenn damit in weiterer Folge Geruchsoder Ungezieferbelästigungen resultieren. Der bloße unschöne Anblick (ohne Einwirkung) kann hingegen nicht abgewehrt werden. - In Fremdenverkehrsgemeinden muss beim Straßenbau auf die Nacht- und Wochenendruhe Rücksicht genommen werden. - Tennislärm: Dass ein Tennisbetrieb mit einer Geräuschentwicklung verbunden ist, liegt in der Natur der Sache. Es ist dabei jedoch die Besonderheit und Andersartigkeit der Lärmbelästigung zu berücksichtigen. Insbesondere bedeutet ein zu duldender Straßenlärm nicht, dass nun auch der Tennislärm hingenommen werden muss. In Folge seiner Andersartigkeit (Impulsartigkeit) und der sozialen Geräusche der Tennisspieler (laute Zurufe, Flüche etc) werden diese als zusätzlich unangenehm empfunden. Gleiches gilt beispielsweise auch für Schiessstätten und dem Lärm aus einer Kegelbahn. Auch bei der Beurteilung einer Lärmbelästigung durch Proben einer Musikkapelle etwa ist nicht nur die Lautstärke, sondern auch die Lärmlästigkeit, vor allem die Tonhöhe, die Dauer und die Eigenart der Geräusche maßgeblich. - Gaststättenbetrieb: Immissionen durch zu- und abfahrende Gäste können dem Betreiber zugerechnet und gegebenenfalls abgewehrt werden, da der Unternehmen den Nutzen aus dem Kundenverkehr zieht. Auch Verunreinigungen durch menschliche Ausscheidungen, die durch Lokalgäste immer wieder auf einem bestimmten Nachbargrundstück verursacht werden, sind als typische Folge der Unternehmensführung dann untersagbar, wenn dem Betreiber bekannt war, dass das Nachbargrundstück bereits wiederholt verunreinigt wurde. - Nächtliches Baden und Duschen zur Unzeit, das ist jedenfalls die Zeit von Uhr früh, an Sonn- und Feiertagen bis 7.00 Uhr früh, kann abgewehrt werden, wenn ein Wohnungsnachbar dadurch in seiner Nachtruhe gestört werden kann. Wenn 4
5 allerdings eine Störung anderer Bewohner durch entsprechende Schalldämmung, moderne Armaturen oder Wannen ausgeschlossen ist, ist Baden und Duschen zur Nachtzeit kein Problem. - Lärm infolge Klavierspielen in einer Wohnung von jedenfalls ein bis eineinhalb Stunden täglich ist üblich und nicht untersagbar. Ebenso Lärm von einem Kinderspielplatz im Wohngebiet oder in einer Wohngegend mit Gärten das Holzschneiden mit der Kreissäge für den Eigenbedarf. - Auch in einem Kurgebiet kann auf Baumaßnahmen nicht gänzlich verzichtet werden. Den besonderen schutzwürdigen Charakter eines derartigen Gebietes kann durch möglichste Herabsetzung der Lärmintensität und durch Beachtung bestehender täglicher Ruhezeiten, allenfalls aber auch durch ein absolutes Verbot aufschiebbarer Bauarbeiten während der Saison Rechnung getragen werden. - Immissionen auf Grund ordnungsgemäßer land- und forstwirtschaftlicher Nutzung, zb durch Ausbringung durch Jauche und Dünger, gelten grundsätzlich als ortsüblich. Nicht ortsüblich sind jedoch Einwirkungen, die zur Unbrauchbarkeit eines Trinkwasserbrunnens führen. - Unmittelbare Zuleitung ohne besonderen Rechtstitel ist unter allen Umständen unzulässig. Eine derartige Immission kann daher auch dann abgewehrt werden, wenn keine Ortsüblichkeit und keine wesentliche Nutzungsbeeinträchtigung vorliegt. Als solche Immissionen gelten zb die Zuleitung von durch Blitzschlag hervorgerufener Energie auf ein Nachbargrundstück, das Ableiten von Wasser durch ein Rohr auf ein Nachbargrundstück, Dachlawinen oder das Einbringen von festeren, größeren Gegenständen, wie etwa Steinen, Geschoßen, Erdmassen oder (Spiel)Bällen. Beim Eindringen von Tennisbällen kann beispielsweise verlangt werden, dass jedenfalls das durch übliche Fehlschläge hervorgerufene Eindringen der Bälle auf dem Nachbargrund vermieden wird. Als geeignete Maßnahmen kommen dafür zb eine wesentliche Erhöhung der Gitter oder eine dem Spielkönnen entsprechende Platzzuweisung in Betracht. Ein Verlangen nach Errichtung einer Art Einhausung in Form eines Käfigs stellt hingegen eine Schikane dar und kann nicht verlangt werden. Der Nachbar braucht auch nicht das Betreten seines Grundes durch die Spieler, um die Bälle zurückzuholen, dulden. Er kann nicht verpflichtet werden, den Ballschani zu spielen und die Bälle herauszugeben. Auch verschlagene Fußbälle braucht der Nachbar grundsätzlich nicht zu dulden, öffentliche Interessen an der Ausübung des Fußballsports können daran nichts ändern. Ganz besonders krass gilt dies für Golfbälle. Schon das Eindringen eines einzigen mit Wucht geschlagenen, zu hoch fliegenden Golfballes ist weder tolerabel noch zumutbar. - Das Nachbarrecht besteht nicht, wenn die Einwirkung Folge eines Elementarereignisses ohne menschliches Zutun ist (zb Vermurung auf Grund Hochwassers, Lawinenabgang). - Das Nachbarrecht nach ABGB ist auch im Verhältnis zwischen einem Privatgrundstück und einer öffentlichen Straße anzuwenden; insbesondere kann daher auch gegen eine Gemeinde als Straßengrundeigentümer ein derartiger verschuldensunabhängiger Anspruch gestellt werden. Eine grundsätzliche Verantwortlichkeit liegt nach der Rechtsprechung hier beispielsweise vor: bei Wasseraustritt auf Grund Rohrbruchs der Gemeindewasserleitung. bei einem unzureichend sanierten betriebenen Kanalnetz 5
6 bei Vorhandensein einer nicht konsensmäßig betriebenen, veralteten Kläranlage einer Ortskanalisation. Insbesondere schließen hier weder der Umstand, dass daneben auch wasserrechtliche Eingriffsmöglichkeiten bestehen und die Anlage der Daseinsvorsorge dient, die Zivilrechtsklage nicht aus. Ist jedoch die Schadenszuführung der Gemeinde nicht zurechenbar, zb weil unbefugte Personen Kanaldeckel geöffnet und damit das Eindringen von Oberflächenwasser in den Fäkalkanal verursacht haben, so kann der Gemeinde keine Verantwortung auferlegt werden. bei Kanalbauten und Straßenerhaltungsmaßnahmen, zb bei Auftreten von Rissen an Gebäuden auf Grund der Verwendung von Verdichtungsmaschinen: Hat die Gemeinde einen privaten Bauunternehmer mit derartigen Arbeiten beauftragt, so haften grundsätzlich beide, die Gemeinde als Eigentümer und der Bauunternehmer als Störer. Im Innenverhältnis besteht aber eine Regressmöglichkeit der Gemeinde idr nur bei Vorliegen eines Verschuldens des Bauunternehmers, was dann nicht vorliegen wird, wenn sich dieser bei Ausführung der Bauarbeiten auf den Stand der Technik berufen kann. Damit die Gemeinde nicht endgültig auf den ihr verschuldensunabhängig zu leistenden Schaden sitzen bleibt, empfiehlt sich jedenfalls 1. eine eingehende Beweissicherung vor Durchführung der Arbeiten durch einen neutralen Fachmann 2. möglichst eine Überbindung der Haftung auch für nachbarrechtliche Ansprüche bereits bei der Ausschreibung auf den Bauunternehmer. 3. der Abschluss einer eigenen, auch Nachbarrechtsansprüche abdeckenden Versicherung (zb Bauherrenhaftpflichtversicherung o. ä.) - für Schäden auf Grund Anpressens von Schnee und Eis an Einfriedungen und Gebäuden im Zuge der Schneeräumung wird grundsätzlich nach dem Nachbarrecht verschuldensunabhängig gehaftet. Was den sonstigen entlang der Straße von dieser auf das Nachbargrundstück verfrachteten Schnee anbelangt, so ist hier bei uns 21 Abs 3 Oö. Straßengesetz einschlägig. Danach haben die bis zu einem Abstand von 50 m neben einer öffentlichen Straße befindlichen Anrainer sowohl die Ablagerung des Schnees als auch der darin notwendigerweise befindlichen Stoffe wie Staub, Laub, Streusplitt (so genanntes Schneeräumgut) meines Erachtens zumindest so lange entschädigungslos zu dulden, als dies eine Folge der üblichen, sprich notwendigen Schneeräumung ist (siehe dazu u. a. OÖGZ Folge 5/1996, Seite 116). Ohne Vereinbarung jedoch nicht zu dulden ist m. E. das in manchen Orten oft anzutreffende meterhohe Lagern von Schnee auf Privatgrundstücken mit einem Radlader o. Ä. 364 ABGB ist eine dispositive Norm, so dass die Eigentümer benachbarter Grundstücke vom Gesetz abweichende Vertragsregelungen treffen können. So ist es z. B. grundsätzlich möglich, durch entsprechende Vereinbarung die Haftung eines Liegenschaftseigentümers auf bestimmte Einwirkungen zu erweitern oder auch einzuschränken. Falls man als immitierender Grundeigentümer jedoch eine solche Haftungseinschränkung oder Haftungsausschluss anstrebt, muss man stets bedenken, dass der zivilrechtliche Nachbarbegriff ein sehr weiter ist. Um eine entsprechende Wirksamkeit zu erlangen, müsste man also mit entsprechend vielen Grundanrainern und nicht nur mit den unmittelbaren eine derartige Vereinbarung treffen. Sonderfall: Behördlich genehmigte Anlage ( 364 a ABGB): Geht eine ortsunübliche und die Nachbargrundnutzung wesentlich beeinträchtigende Immission von einer Bergwerksanlage oder einer behördlich genehmigten Anlage aus, so ist ein Unterlassungsanspruch des beeinträchtigten Grundeigentümers nicht gegeben ( 364 a ABGB). In diesem Fall muss die Immission hingenommen werden. Als Ausgleich für diese 6
7 Duldungspflicht steht dem beeinträchtigten Nachbarn jedoch ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch (= eine Art Schadenersatz ) zu. Beispiel: Man ist Nachbar eines unter entsprechender Nachbarparteistellung gewerbebehördlich genehmigten Betriebes, in welchem mit Nachtschichten gearbeitet wird. Ist die Nachschicht von der Bewilligung erfasst, kann man sich als in der Nachtruhe gestörter Nachbar zivilrechtlich nicht mit Unterlassungsklage gegenüber der ortsunüblichen Immission zur Wehr setzen. Man kann jedoch ähnlich einer Enteignung einen entsprechenden finanziellen Ausgleich verlangen. Nach der Rechtssprechung gelten als behördlich genehmigte Anlagen beispielsweise - die auf Grund von Gemeinderatsbeschlüssen angelegten Hauptkanäle - eine im herkömmlichen Bewilligungsverfahren gewerberechtlich bewilligte Betriebsanlage; nicht jedoch eine solche, die bloß im vereinfachten Bewilligungsverfahren bewilligt wurde, weil dort keine entsprechende Nachbarparteistellung besteht. - eine öffentliche Straße - ob auch ein bloß baubewilligtes Bauvorhaben zu derartigen Anlagen zählt, wird in der Judikatur uneinheitlich beantwortet. Während dies in früheren Entscheidungen (OGH vom , 1 Ob 620/94) noch verneint wurde, zeigen sich nunmehr zumindest Tendenzen einer analogen Anwendung. Keinesfalls aber gelten im bloßen Bauanzeigeverfahren konsentierte Bauvorhaben als derartige Anlagen. Der betreffende Vergütungsanspruch verjährt in 3 Jahren ab Kenntnis der Immission, doch setzt jede Immission eine neue Frist in Lauf. Sonderfall: Grundstücksvertiefung ( 364 b ABGB) Nach 364 b ABGB darf ein Grundstück nicht in der Weise vertieft werden, dass der Boden oder das Gebäude des Nachbarn die erforderliche Stütze verliert, es sei denn, dass durch eine genügende anderweitige Befestigung hier vorgesorgt wird. Unter Gebäude ist hier jede Anlage, z. B. auch ein Zaun, zu verstehen. Unter Vertiefung ist beispielsweise die Verlegung von Telefonkabeln oder sonstigen Leitungen und auch eine Untertunnelung zu verstehen. Anderweitige Befestigung wird etwa durch Errichtung einer entsprechenden Stützmauer, durch Vornahme einer entsprechenden Pölzung etc. erreicht. Der Gefährdete kann hier verschuldensunabhängig die Vertiefung untersagen und die Wiederherstellung der erforderlichen Stütze verlangen. Wird die Vertiefung durch eine genehmigte Anlage im Sinne de 364 a ABGB bewirkt, tritt an Stelle des Untersagungsanspruches ein entsprechender Vergütungsanspruch. Einwirkungen durch Bäume Bäume und andere Pflanzen an und in der Nähe von Grundstücksgrenzen führen und führten immer wieder zu Streitigkeiten. Egal ob diese Einwirkung nun Äste oder Wurzeln sind, die über die Grundstücksgrenze wachsen, oder Laub oder Zapfen, die auf das fremde Grundstück fallen oder Bäume und Sträucher am Nachbargrund eine Beschattung herbeiführen, so können all diese Beeinträchtigungen eine Nachbarschaft einer schweren Prüfung unterziehen. Im Zivilrecht bestehen keinerlei gesetzliche Abstandsbestimmungen für Pflanzungen. Man kann dort in der Regel auch nicht verhindern, dass jemand Bäume direkt an die Grundgrenze setzt, obwohl offenkundig ist, dass diese größer werden und mit ihren Ästen und Kronen die Grundgrenze überragen werden. Durch das sogenannte Zivilrechtsänderungsgesetz
8 (BGBl. I 91/2003), in Kraft getreten am , wurden hier im Nachbarrecht größere Änderungen vorgenommen, deren Inhalt und Auswirkungen im Folgenden auf das Wesentlichste zusammengefasst skizziert werden sollen: Allgemeines Rücksichtnahmegebot: Nach der damals neu eingeführten Bestimmung des 364 Abs 1 letzter Satz haben die Eigentümer benachbarter Grundstücke bei der Ausübung ihrer Rechte aufeinander Rücksicht zu nehmen. Dadurch wurde klargestellt, dass vom Gericht bei Nachbarschaftskonflikten stets eine beidseitige Interessensabwicklung vorzunehmen ist. Die Rechte des Nachbarn enden dort, wo die anderen beginnen. Es soll dadurch eine rechtsmissbräuchliche Verwendung von Rechten, sprich mir bringt es zwar nichts, aber den Nachbarn schadet s, noch stärker als bisher ein Riegel vorgeschoben werden. So grundsätzlich begrüßenswert diese Absicht an sich ist, so habe ich trotz intensiver Recherchen kein einziges OGH-Urteil ausfindig gemacht, wo dezidiert dieses Rücksichtnahmegebot seither im Vordergrund gestanden wäre. Negative Immissionen von Bäumen und anderen Pflanzen; Recht auf Licht und Luft? ( 364 Abs 3 ABGB) Seit dem damals neu eingeführten 364 Abs 3 ABGB kann ein Grundstückseigentümer einem Nachbarn auch die von dessen Bäumen oder anderen Pflanzen ausgehenden Einwirkungen durch Entzug von Licht und Luft in so weit untersagen, als diese das ortsübliche Maß überschreiten und zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Benützung des Grundstücks führen. Dies gilt sowohl für aktiv gepflanzte als auch durch natürlichen Anflug gewachsene Pflanzen. Der Grundstückseigentümer muss sich auch Anpflanzungen anrechnen lassen, die von seinem Rechtsvorgänger gepflanzt wurden, auch ist gegenständliche Bestimmung grundsätzlich auf Pflanzungen anwendbar, die bereits vor 2004 gesetzt wurden. Erfasst ist nur der Licht- und Luftentzug durch Pflanzen, nicht aber der durch Bauwerke. Hinsichtlich letzterer ist man als Nachbar in der Regel auf die Abstandsbestimmungen nach den jeweiligen öffentlich rechtlichen Bauvorschriften angewiesen. Auch gegen den Entzug der Aussicht oder des Funkwellenempfangs bietet 364 Abs 3 keinerlei Handhabe. Will man Derartiges erreichen, so muss man sich eine entsprechende Servitut einräumen lassen. Das gegenständliche Recht auf Licht und Luft besteht weiters nicht, wenn bundes- oder landesrechtliche Bestimmungen zum Schutz der Pflanzen dem entgegenstehen. Ist z. B. ein Baum unter Naturschutz gestellt, so geht in dem Fall der Naturschutz dem zivilrechtlichen Nachbarrecht vor und darf der Baum trotz Beeinträchtigung des Nachbarn nicht gefällt werden. Voraussetzungen: 1. Die Einwirkungen müssen das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und 2. die Benützung des Nachbargrundstücks seiner Art, Lage und Größe unzumutbar beeinträchtigen. Da die Beeinträchtigung hier nicht nur wesentlich, sondern darüber hinausgehend unzumutbar sein muss, werden hier von vornherein nur schwerwiegende Fälle eine Schattenwurfs bzw. der Verhinderung der Durchlüftung erfasst. Auch die bisherige Rechtssprechung sieht das Vorliegen dieser Voraussetzungen allenfalls nur in Extremfällen als erfüllt an. 8
9 Konkret werden die vom Gesetz vorgegebenen Grenzen vom OGH in der Regel erst dann überschritten, - wenn fremde Gewächse die körperliche Sicherheit des Nachbarn beeinträchtigen (z. B. durch Depressionen auf Grund von Lichtenzug; Schimmelbildung; nicht aber durch wegbrechende Äste). - wenn nicht nur ein kleiner Grundstreifen, sondern größere Teile des Grundstückes versumpfen, vermoosen oder sonst unbrauchbar werden. - wenn fremde Bäume und Gewächse auch zu Mittag eines helllichten Sommertages eine künstliche Beleuchtung im angrenzenden Raum erfordern. - wenn der Schattenwurf der Bäume zu einer völligen Unbrauchbarkeit einer schon bestehenden Solaranlage führt. Außergerichtlicher Streitbeilegungsversuch als Prozessvoraussetzung Eine Klage gegen den Entzug von Licht und Luft durch Bäume oder andere Pflanzen ist nur dann zulässig, wenn zuvor eine außergerichtliche Streitbeilegung versucht wurde und diese nicht binnen 3 Monaten gelungen ist (Art 3 des Zivilrechtsänderungsgesetzes 2004). Zur Streitbeilegung sind berufen: 1. Eine von einer Notariatskammer, einer Rechtsanwaltskammer oder ein sonstigen Körperschaft öffentlichen Rechts eingerichtete Schlichtungsstelle. 2. Bei Zustimmung beider Parteien ein eingetragener Mediator. 3. Das zuständige Bezirksgericht im Wege der Beantragung eines dortigen so genannten prätorischen Vergleichs. Informationen über das jeweilige Schlichtungsangebot erteilt entweder die Österreichische Notariatskammer oder die Rechtsanwaltskammer des jeweiligen Bundeslandes. Eine Liste der Mediatoren kann im Internet über das Justizministerium abgerufen werden, wo unter dem Suchfeld Gerichtsdatenbank auch das zuständige Bezirksgericht ermittelt werden kann. Die Kosten des Schlichtungsversuches hat zunächst der potentielle Kläger zu tragen. Kann keine gütliche Einigung erzielt werden, ist er berechtigt, diese Kosten in weiterer Folge im Gerichtsverfahren geltend zu machen. Beispiele aus der bisherigen Rechtssprechung: - Bungalow (OGH vom , 8 Ob 99/06 a): 55 Fichten mit einer Höhe von 22 Metern führten verbunden mit einer besonderen Dachform dazu, dass bei einem Bungalow jeden Tag zwischen und Uhr eine künstliche Beleuchtung verwendet werden musste, wobei diese Beleuchtung jedoch zwischen April und August nicht notwendig war. Das Klagebegehren wurde abgewiesen. - Kauf einer bebauten Liegenschaft in einem Waldgebiet (OGH vom , 6 Ob 51/07 d): Neu hinzukommende Nachbarn können hier keine Waldbeseitigung verlangen, sondern haben sich mit den im Gebiet vorherrschenden Immissionen abzufinden, zumal in immissionsbelasteten Gebieten auch die Grundstückspreise entsprechend niedriger sind bis 12 Meter hohe Baumreihe, Schatten im Freizeitbereich (OGH vom , 1 Ob 62/07 k): Durch eine etwa 10 bis 12 Meter hohe Baumreihe am Nachbargrund war der 9
10 Gartenbereich bereits um Uhr völlig beschattet, der Terrassenbereich ab Uhr und die Liegewiese vor dem Schwimmbecken ab Uhr. Da sich die Beschattung erst am Nachmittag und überwiegend im Freizeitbereich ergab, hielt der OGH diese als zu geringfügig Meter hohe Pappeln (OGH vom , 10 Ob 60/06 f): Da die Nachbarn hier im Erdgeschoß und im 1. Stock teilweise das ganze Jahr über künstliches Licht verwenden mussten und es zu einer bis zu 50 % igen Vermoosung gekommen war, gab der OGH hier in der Sache Recht. - 6 Meter hohe Thujenhecke (OGH vom , 10 Ob 87/07 b): Der durch eine 6 Meter hohe Thujenhecke zwischen zwei Einfamilienhäusern verursachte Schattenwurf auf das im Erdgeschoß befindliche Wohnzimmer von jahreszeitlich bedingt einer halben Stunde bis zu ca. 3 Stunden war dem OGH zu wenig. Fazit: Eine Klagsführung wegen Entzug von Licht und Luft sollte man sich äußerst gut überlegen. Während die Unterinstanzen hier bisher durchaus bereit waren, Klagen aus negativen Immissionen positiv für den Kläger zu entscheiden, war dies beim OGH bisher eigentlich fast nie der Fall. Sollte diese Judikatur in dieser Schärfe weiter praktiziert werden, wird der mit großen Erwartungen eingeführte Paragraph zum toten Recht verkommen. Weitere Auswirkungen von fremden Bäumen und Pflanzen ( positive Immissionen ): Das Gesetz sagt nichts darüber, wie es sich mit weiteren Auswirkungen fremder Pflanzen verhält, z. B. wenn ein Grundeigentümer durch Laub, Nadeln, herabfallende Früchte, Zapfen, herabtropfendes Harz etc. fremder Bäume beeinträchtigt wird oder eine Geruchs- oder Staubbelästigung (Blütenstaub) durch fremde Pflanzen vorliegt. Wenn überhaupt, dann könnte man sich nur bei Ortsunüblichkeit und wesentlicher Grundstücksbeeinträchtigung ( 364 Abs 1 ABGB) gegen derartige positive Immissionen von Pflanzen wehren. Solche Auswirkungen sind in aller Regel jedoch zu dulden. Dass ein Hauseigentümer beispielsweise wegen Nachbarbäumen seine Dachrinne einmal Jährlich reinigen muss oder dass er fremdes Laub im Herbst mehrmals zusammenrechen und kompostieren muss, ist noch keine wesentliche Beeinträchtigung. Selbsthilferecht ( 422 ABGB): Wie bereits erwähnt, obliegt es zivilrechtlich betrachtet der ausschließlichen Entscheidung eines Grundeigentümers, ob und wenn ja, wo, welche und wie er Bäume setzt und wachsen lässt. Allenfalls könnte man sich als Grundnachbar hier vertraglich eine Servitut des Nichtpflanzens bzw. auf Aussicht einräumen lassen, wenn der andere Eigentümer dem zustimmt. Abgesehen von einigen wenigen öffentlich rechtlichen Vorschriften (z. B. die Abstandsvorschrift des 19 Oö. Straßengesetz oder die Zurückschneidungsverpflichtung nach 91 StVO) bestehen hier auch außerhalb des Zivilrechts kaum Einschränkungen. Auch nach dem seit 2004 neu geregelten Nachbarrecht kann der Eigentümer von Pflanzen in der Regel nicht aktiv angehalten werden, seine überhängenden Äste und eindringenden Wurzeln zu entfernen (Siehe jedoch OGH vom , 4 Ob 196/07 p, wo erstmals hier ein offenbarer Meinungsumschwung des OGH erkennbar ist) Es steht dem beeinträchtigten Nachbarn nach 422 ABGB das Recht zu, den Überhang zu stutzen. 422 Abs 1 ABGB hat folgenden Wortlaut: Jeder Eigentümer kann die in seinen Grund eindringenden Wurzeln eines fremden Baumes oder einer anderen fremden Pflanze aus seinem Boden entfernen und die über seinem Luftraum hängenden Äste abschneiden oder sonst benützen. Dabei hat er aber fachgerecht vorzugehen und die Pflanze möglichst zu schonen. Bundes- und landesgesetzliche 10
11 Regelungen über den Schutz von oder vor Bäumen und anderen Pflanzen, insbesondere über den Wald-, Flur-, Feld-, Ortsbild-, Natur- und Baumschutz, bleiben unberührt. Worauf muss hier beim Zurückschneiden besonders geachtet werden? Steht der Baum nicht an, sondern direkt auf der Grenze, maßgeblich ist der Stamm, wo er aus dem Erdreich ragt ( 421 ABGB), so handelt es sich nicht um einen benachbarten Baum, sondern um einen so genannten Grenzbaum, der im Miteigentum der berührten Grundeigentümer steht. Auf einen solchen Baum findet das Nachbarrecht von vornherein keine Anwendung und darf über diesen grundsätzlich nicht ohne Einverständnis des anderen Miteigentümers verfügt werden. Die Entfernung überhängender Pflanzenteile und eindringender Wurzeln ist nur unter entsprechender Schonung der Pflanzen möglich. Der Erhalt der Pflanze steht im Vordergrund. Der Baumschnitt ist daher saisonal verträglich vorzunehmen, sodass die Pflanze in ihrer weiteren Entwicklung keinen Schaden nimmt. Wird durch die Entfernung von Ästen und Wurzeln die Standsicherheit eines Baumes beeinträchtigt, muss die Maßnahme gänzlich unterbleiben. Auch das Anwenden gewisser Hausmittel, wie der Einsatz rostiger Nägel, Kupfernägel, Pflanzengift oder natürlicher Schädlinge ist kaum ratsam und führt zu Schadenersatzansprüchen des Eigentümers der Pflanze, kann aber auch verwaltungsrechtliche und strafrechtliche (Sachbeschädigung) Konsequenzen nach sich ziehen. Beim Abschneiden sind auch die speziellen bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften über den Baum- und Pflanzenschutz zu beachten. Auch hier ist ein Zuwiderhandeln mit zum Teil empfindlichen Strafen verbunden. Wer Wurzeln oder Äste entfernen möchte, sollte über ein gewisses gartenbautechnisches Grundwissen verfügen. Im Zweifelsfall ist die Beiziehung eines Fachmannes dringend anzuraten, da dieser dann für allenfalls verursachte Baumschäden als sachverständige Personen haftet. Das Betreten des Baumgrundstückes ist ohne Einverständnis des Eigentümers nicht gestattet. Gleiches gilt für das Anlehnen einer Leiter. Sofern der Baumschnitt anders nicht möglich ist, ist er zu unterlassen, da im anderen Fall eine Besitzstörungs- und Unterlassungsklage drohen könnte. Wer trägt die Kosten für die Entfernung? 422 Abs 2 ABGB: Die für die Entfernung der Wurzeln oder das Abschneiden der Äste notwendigen Kosten hat der beeinträchtigte Grundeigentümer zu tragen. Sofern diesem aber durch die Wurzeln oder Äste ein Schaden entstanden ist oder offenbar droht, hat der Eigentümer des Baumes oder der Pflanze die Hälfte der notwendigen Kosten zu ersetzen. Grundsätzlich hat daher der beeinträchtigte Nachbar die Kosten der Entfernung von Wurzeln und Ästen selbst zu tragen. Ausnahmsweise hat aber der Pflanzeneigentümer die Hälfte der notwendigen Kosten zu ersetzen, sofern durch die herüberwachsenden Wurzeln oder Äste ein Schaden entstanden ist oder droht. Dies ist etwa dann der Fall, wenn eindringende Wurzeln Wasser- oder Kanalleitungen zerstören oder verstopfen oder die Platten eines Weges so stark anheben, dass dieser mangelhaft wird oder wenn die überhängenden Äste Schäden am Dach oder an der Fassade eines Hauses verursachen. Sofern die Pflanzen bereits einen Schaden verursacht haben, steht dem beeinträchtigten Nachbarn unter Umständen auch ein Anspruch auf Schadenersatz zu, wenn die Schäden vom Eigentümer der Pflanzen vorwerfbar oder schuldhaft verursacht wurden. War beispielsweise erkennbar, dass Äste eines Baumes bereits morsch sind und zerstören diese bei einem Sturm 11
12 durch Herabfallen den Gartenzaun oder das Gerätehaus des anderen Nachbarn, kann dieser gestützt auf eine analoge Anwendung der so genannten Bauwerkshaftung ( 1319 ABGB), Schadenersatz begehren. Das Schnittgut hat grundsätzlich der beeinträchtigte Nachbar zu entsorgen, der an den abgeschnittenen Ästen, Zweigen, Früchten durch Aneignung in der Regel Eigentum erwirbt. In der Hoffnung ihnen mit obigen Ausführungen zumindest einige, für ihre verantwortungsvolle und fordernde Amtsleitertätigkeit hilfreiche Ausführungen getätigt zu haben, verbleibe ich mit kollegialen Grüßen. Ihr Mag. Helmut Habersack, Linz im Juni
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