VORBEMERKUNG: FUNKTIONEN DER EMPFEHLUNGEN UND DES SCHRIFTLICHEN UNTERRICHTS- ENTWURFS
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- Hajo Kolbe
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1 Empfehlungen zur Unterrichtsplanung und Hinweise zur Erstellung schriftlicher Unterrichtsentwürfe (Beschluss Semko ) VORBEMERKUNG: Gelingendes Unterrichten als zentrale Tätigkeit von Lehrkräften ist angewiesen auf systematisches Planungshandeln. Zur Entwicklung von Planungskompetenz bis hin zur Herausbildung von beruflicher Routine ist es notwendig, zentrale Aspekte und Begründungszusammenhänge für die professionelle Gestaltung von Lernprozessen kennen zu lernen, zu erproben und zu reflektieren. Sorgfältige Unterrichtsplanung ist somit die Voraussetzung für die Gestaltung von gutem, lernwirksamem Unterricht i. FUNKTIONEN DER EMPFEHLUNGEN UND DES SCHRIFTLICHEN UNTERRICHTS- ENTWURFS 1. Für die Auszubildenden (LAA/ R +R/ LiA) dienen sie a. als Anleitung für die Planung konkreter Unterrichtseinheiten, b. als Grundlage für die Selbst- und Fremdreflexion von Unterricht (z. B. in Unterrichtsbesuchen), c. als Ausbildungsinstrument zur Entwicklung einer nachhaltigen professionellen pädagogischen Handlungskompetenz, d. langfristig zum Aufbau einer Berufsroutine für die Steuerung und konkrete Umsetzung von Lehr- Lernprozessen, e. der kompetenten Mitwirkung an Schulentwicklungsprozessen auf der Basis einer berufssprachlichen Kommunikation. 2. Für die seminarinterne Ausbildungskooperation schaffen sie Transparenz und sind gemeinsame Arbeitsgrundlage für eine ggf. notwendige situations- und/ oder fachspezifische Flexibilität in der konkreten Umsetzung. 3. Sie dienen als Grundlage für die Abstimmung mit und/ oder Information von Kooperationspartnern des Seminars (z. B. Ausbildungsschulen, Mitgliedern von Prüfungskommissionen, Hochschule). 1
2 ZEITLICHE ORIENTIERUNG IM AUSBILDUNGSPROZESS FÜR DEN UMGANG MIT SCHRIFTLICHEN UNTERRICHTS- ENTWÜRFEN Der Erwerb von Planungskompetenz und so auch die Verschriftlichung von Planungsüberlegungen erfolgen schrittweise. Dabei werden konkrete, unterschiedliche Beispielpläne oder Auszüge aus diesen in den Ausbildungsprozess einbezogen. 1. Ausbildungsquartal (Phase des Probehandelns): Verlaufsplan, Schwerpunkt der Stunde, Formulierung von Themen, Einführung des Kompetenzbegriffs mit Blick auf die mittel- bzw. langfristige Perspektive des Lernens Ausbildungsquartal: Systematische Einführung in das Schreiben von Plänen und das Einüben der Verschriftlichung von einzelnen Kapiteln/ Aspekten bis zur Erstellung von vollständigen Plänen bezogen auf Unterrichtsstunden 2
3 Erläuterungen zum schriftlichen Unterrichtsentwurf: Unterrichtsgegenstand und Unterrichtsthema Der Wasserhaushalt der Kängururatte, Kants kategorischer Imperativ oder Der amerikanische Roman im 20. Jahrhundert sind Inhaltsbereiche, Stoffe oder Gegenstände, die im Fachunterricht vorkommen können; sie sind jedoch noch keine Unterrichtsthemen. Mit der Definition des Begriffes Thema durch Wolfgang Klafki ii in den 70er Jahren wurde die Abgrenzung vom Begriff Gegenstand in Erinnerung gerufen. Das erschien notwendig, nachdem in der Folge der bildungstheoretischen Didaktik eine Stofforientierung des Unterrichts entstanden war, die noch durch die im Wesentlichen als Stoffpläne konzipierten Lehrpläne verstärkt wurde. Da auch die 1. Phase der Lehrerausbildung an den Universitäten i. d. R. deutlich fachsystematisch und inhaltsorientiert ist, liegt es ReferendarInnen und LiA zu Beginn der Ausbildung deshalb meist näher, Unterrichtsgegenstände zu formulieren. Demgegenüber teilen heute alle wesentlichen didaktischen Positionen die Erkenntnis, dass jedes Nachdenken über Unterricht, und damit auch jede Planung von Unterricht, auszugehen hat von kritisch reflektierten, pädagogisch relevanten Intentionen. Klafki spricht in diesem Zusammenhang vom Primat der Zielentscheidung". Die Verwendung des Begriffs Thema als vom Begriff Gegenstand klar unterschiedener Terminus betont deshalb das Primat der pädagogischen Intentionen vor den Inhalten. Unter Gegenständen verstehen Didaktiker heute in der Regel Sachverhalte, die noch nicht im Sinne pädagogischer Zielsetzungen ausgewählt und präzisiert worden sind. Der Wasserhaushalt der Kängururatte, Kants kategorischer Imperativ oder Der amerikanische Roman im 20. Jahrhundert (s. o.) werden nämlich erst dadurch zu Unterrichtsthemen, dass sie für den Unterricht entweder von der Lehrperson unter bestimmten Zielvorstellungen in den Fragehorizont der Schüler gerückt oder von den SchülerInnen selbst zum Objekt sie interessierender Frage- und Problemstellungen gemacht werden. Deshalb macht es Sinn, das Unterrichtsthema auch durchaus als Frage zu formulieren, die sowohl für SchülerInnen motivierend als auch von der Sache her problematisierend ist. Mögliche Beispiele: 1. Nichts zu trinken und trotzdem nicht verdursten. Der Wasserhaushalt der Kängururatte eigenständige Erarbeitung der Anpassungserscheinungen an extreme Trockenheit durch einen bewussten Lese- und Schreibprozess (Grundkurs Biologie der Jahrgangsstufe 12) 2. Wann darf ich lügen? Erarbeitung von Beispielsituationen zur Problematisierung der Anwendungsmöglichkeiten von Kants kategorischem Imperativ (Grundkurs Philosophie der Jahrgangsstufe 12) 3. Auseinandersetzung mit Identitätsfindung am Beispiel des Protagonisten Marco Stanley Fogg im Roman Moon Palace von Paul Auster (Leistungskurs Englisch der Jahrgangsstufe 12) Ein Gegenstand wird erst dadurch zum Thema, dass er unter einer pädagogischen Zielvorstellung, einer als pädagogisch relevant erachteten Frage- oder Problemstellung, für die Behandlung im Unterricht ausgewählt wird. JedeR Planende sollte die Themenformulierung grundsätzlich darauf überprüfen, ob sie eine Problemstellung/ -frage bezogen auf einen Unterrichtsgegenstand mit didakti- 3
4 scher Perspektive und (u. U.) methodischer Umsetzung enthält. An ihr orientieren sich die weiteren Planungsschritte. Die didaktische Funktion des Unterrichtsthemas besteht also zur Hauptsache in der Entscheidung darüber, mit welcher didaktischen Intention sich eine bestimmte Lerngruppe mit einer spezifischen Lernausgangslage mit einem Gegenstand auseinandersetzt bzw. worin die Lernrelevanz der Behandlung eines Gegenstandes für eine Lerngruppe bestehen soll. Mit der Entscheidung über das Unterrichtsthema wird also gleichzeitig eine erste didaktische Schwerpunktsetzung vorgenommen, die für die weitere Unterrichtsplanung von zentraler Bedeutung ist und an der bereits erkennbar sein sollte, ob der Unterricht z. B. Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung und Exemplarität hat und ob die gewählte Zielperspektive dem Eigenwert des Gegenstandes entspricht. So kann der häufigen Tendenz des Fachunterrichts entgegengewirkt werden, vor allem solche Inhalte zu behandeln, deren Bedeutung sich vorrangig aus der Fachsystematik ergibt. Kompetenzorientierung, Lernziele und Stundenschwerpunkt Planungskonzepte, die sich überwiegend an operationalisierten Lernzielen für Einzelstunden orientieren sind nicht mehr vereinbar mit dem den Richtlinien und Kernlehrplänen zugrunde liegenden Bild vom Lernenden und mit einer entsprechenden Konzeption von Unterricht, die den Schüler/ die Schülerin zum Subjekt und Mittelpunkt des Lernprozesses erhebt. Seit einigen Jahren beschreibt man deshalb die Ziele des Unterrichts nicht mehr vorrangig als Lehr- und Lernziele aus der Sicht der Lehrperson, sondern als Kompetenzen, die aus der Perspektive der SchülerInnen formuliert werden. Franz E. Weinert definiert Kompetenzen als die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können. iii Neben fachlichen werden dabei auch überfachliche Kompetenzen in den Blick genommen. Die Kompetenzformulierung bezieht sich daher auf eine thematische Einheit, die i. d. R. über eine Einzelstunde hinausweist dies macht deutlich, dass es wichtig ist, die Themen der vorangegangenen und geplanten nächsten Stunden zu kennen. Die Lernzielformulierung kann dabei weiterhin dazu dienen, den vorgesehenen Lernzuwachs innerhalb des Zeitraums z. B. einer Einzelstunde zu kennzeichnen und transparent zu machen. Lernziele können also wie Mosaiksteine im Prozess der Kompetenzentwicklung gesehen werden. Dazu sollte ein eindeutiger Schwerpunkt der Stunde gesetzt werden. Dieser ist auch das Zentrum der begründenden Darstellung. Kompetenzen und Handlungssituationen Mit der Orientierung hin zum Lernen der SchülerInnen ist es stärker nötig, Handlungssituationen zu planen, in denen SchülerInnen an der langfristigen Erreichung einer Kompetenz mög- 4
5 lichst selbständig und eigenverantwortlich sowie beobachtbar und überprüfbar arbeiten können. Dabei hat Lehren letztlich immer Angebotscharakter. In Anlehnung an Hartmut von Hentig erhalten die Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit an den jeweiligen anzustrebenden Kompetenzen zu arbeiten iv. Die ausgewählten Handlungssituationen haben folglich einen engen Bezug zu den zentralen Aufgabenstellungen der Stunde und werden auch durch die dort verwendeten Operatoren gekennzeichnet (z. B. nennen, analysieren, beurteilen v ). Operatoren sind einleitende Tätigkeitsbegriffe für Arbeitsanweisungen, die angeben, was bei den einzelnen Aufgaben genau zu tun ist. Dabei beziehen sie sich auf unterschiedliche Anforderungsarten und -ebenen. Sie werden i. d. R. eine ansteigende Komplexität aufweisen und damit auch eine Lernprogression deutlich machen. Auch werden es immer wieder Auswertungsphasen sein, in denen Arbeits- und Sozialerfahrungen reflektiert, Lernstrategien erörtert und Konsequenzen für künftige Lernprozesse gezogen werden. Handlungssituationen ermöglichen damit Kompetenzaufbau und Metakognition. i s. u. a. MEYER, Hilbert (2007). Was ist guter Unterricht? (4. Auflage). Berlin: Cornelsen und HELMKE, Andreas (2009). Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts. Seelze-Velber: Klett/ Kallmeyer. ii KLAFKI, Wolfgang (1994). Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. (4. Auflage). Weinheim und Basel: Beltz. S iii WEINERT, Franz E. (2002). Vergleichende Leistungsmessung in Schulen eine umstrittene Selbstverständlichkeit. in: F. E. Weinert (Hrsg.) Leistungsmessungen in Schulen (2. Auflage) (S ). Weinheim und Basel: Beltz, S. 27 f. iv s. z. B. HENTIG, Hartmut von (1995). Die Schule neu denken. (3. Auflage). München, Wien: Hanser. v s. curriculare Vorgaben für den Unterricht und die Abitur-Prüfungen in den verschiedenen Fächern im Land NRW, z.b. 5
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