Inklusives Publizieren Wie können Verlage barrierefrei produzieren?

Transkript

1 Inklusives Publizieren Wie können Verlage barrierefrei produzieren? Prof. Dr. Thomas Kahlisch Martin Schulze Manuela Pohle AKEP

2 Inhalt 1. Wie blinde und sehbehinderte Menschen lesen 2. Barrierefrei produzieren 3. Merkmale der Barrierefreiheit 4. Barrierefreiheit umsetzen 5. Richtlinien und Standards 6. Netzwerk

3 1. Wie blinde und sehbehinderte Menschen lesen Medium Buch schließt ca. 1,2 Millionen sehbehinderte und blinde Menschen aus Hinzu kommen Menschen mit Dyslexie und motorischen Einschränkungen

4 1. Wie blinde und sehbehinderte Menschen lesen Braille: Übertragung gedruckter Medien bei Spezialisten (Bücher, Zeitschriften, Noten, Kleinteile) Reliefdarstellungen und tastbare Abbildungen Hörbücher: Eigens aufgesprochene Hörbücher im Format DAISY

5 1. Wie blinde und sehbehinderte Menschen lesen Medibus Mediengemeinschaft für blinde und sehbehinderte Menschen e.v. : Austausch und Kooperation aller Produzenten und Bibliotheken keine Doppelproduktion einheitliche Standards und Richtlinien

6 1. Wie blinde und sehbehinderte Menschen lesen Verlage Bücher, Hörbücher, digitale Formate ohne Barrierefreiheit Produzenten für blinden- und sehbehinderten -gerechte Medien Braille, DAISY, digitale barrierefreie Formate

7 1. Wie blinde und sehbehinderte Menschen lesen Spezialisten für barrierefreie Publikationen produzieren den Verlagen hinterher zwei vollkommen getrennte Produktionsstränge für den gleichen Inhalt!

8 2. Barrierefrei produzieren Digitale Inhalte bieten enorme Potentiale Digitalisierung und neue Formate bieten die noch nie dagewesene Möglichkeit, Inhalte ohne Umwege barrierefrei zu produzieren Born Accessible

9 2. Barrierefrei produzieren Verlage barrierefreie digitale Produkte Produzenten für blinden- und sehbehinderten -gerechte Medien

10 2. Barrierefrei produzieren Aufbrechen veralteter Denkmuster Print ist Print und Digital ist Digital! Barrierefreies Produkt bietet maximale Flexibilität, leichten Zugang und leichte Anpassung der Inhalte Ausschöpfen der technischen Möglichkeiten Beispiel: Lesen eines digitalen Dokumentes am Tablet mittels Sprachausgabe

11 2. Barrierefrei produzieren Merkmale der Barrierefreiheit Logische Lesereihenfolge Bildbeschreibungen Strukturierte Daten für mathematische Inhalte und Formelbeschreibungen Semantik Korrekte Spracheinstellungen Zugänglichkeit Metadaten Flexible Gestaltung

12 2. Barrierefrei produzieren Gut strukturierte Verlagsdaten bilden die ideale Grundlage für barrierefreies Produzieren: Trennung von Inhalt, Struktur und Gestaltung Anreicherung mit Strukturinformationen und Semantik Anreicherung mit alternativen Beschreibungstexten für Bilder, Grafiken, Formeln usw. Beispiele für mögliche barrierefreie Dokumente aus Verlagshänden: epub 3 und PDF

13 3. Merkmale der Barrierefreiheit: logische Lesereihenfolge Lineare Lesereihenfolge muss sichergestellt werden Unterscheidung von primärem und sekundärem Inhalt (z.b. Fußnoten, Marginalien usw.) durch semantische Auszeichnung Zugriff über Screenreader und Braillezeile bedenken

14 3. Merkmale der Barrierefreiheit: Bildbeschreibungen Welche Funktion hat die Abbildung? Rein illustrativ Unterstützung zur Erklärung im umgebenden Text Essentiell für das Verständnis des Inhaltes Rein illustrative Abbildungen: kein Alt-Text nötig, Auszeichnung als Schmuckelement hilfreich

15 3. Merkmale der Barrierefreiheit: Bildbeschreibungen Sinnvolle Bildbeschreibung ist nur im Kontext möglich Kinderbuch über Haustiere : "Ein Hund" Buch über Dackelzucht: "Allgemeines Erscheinungsbild des Dackels: Niedrige, kurzläufige, langgestreckte, aber kompakte Gestalt, sehr muskulös."

16 3. Merkmale der Barrierefreiheit: Bildbeschreibungen Tools für automatische Bildbeschreibungen eingeschränkt sinnvoll Beispiel: Facebook Baum, Himmel, im Freien Zwei Menschen, Lächeln, Sonnenbrillen, Himmel, im Freien, Wasser

17 3. Merkmale der Barrierefreiheit: MathML und Formelbeschreibungen Gängige Praxis: Formel wird als Bild hinterlegt = Vollkommen nutzlos für Leser mit Einschränkungen Einsatz von MathML und Alternativtexten für Formeln und/oder MathSpeak

18 3. Merkmale der Barrierefreiheit: MathML und Formelbeschreibungen Beispiel: MathSpeak für Formelbeschreibungen Frac 1 Over x EndFrac

19 Einschub: Inhaltliche Verantwortung liegt bei den Verlagen! Hinterlegen von Alternativtexten ist eine inhaltliche Aufgabe: Stellen Sie sich vor, bei 100 Druckexemplaren würden in einem Exemplar Formeln und Bilder nicht mitgedruckt werden und fehlen würden Sie dann sagen: Ach, naja, nicht so schlimm?

20 3. Merkmale der Barrierefreiheit: Semantik Durch Hinzufügen von Hierarchie und Semantik kann der Leser mittels Screenreader agieren und navigieren dies kommt dem selbstständigen Lesen nahe = selektives Lesen

21 3. Merkmale der Barrierefreiheit: Semantik

22 3. Merkmale der Barrierefreiheit: Angabe der Dokumentensprache Hinterlegen der korrekten Dokumentensprache ist essentiell für eine sinnvolle Wiedergabe per Vorlesefunktion Angabe der Hauptsprache und Angabe als Attribut bei Sprachwechsel innerhalb des Dokumentes Beispiel: Lesen mittels Screenreader mit falscher Dokumentensprache

23 3. Merkmale der Barrierefreiheit: Flexible Gestaltung zulassen Digitale Inhalte müssen durch den Nutzer veränderbar sein! Schriftart Schriftgröße Zeilenabstand Schriftfarbe Hintergrundfarbe Hinterlegen von Textinhalt mittels Grafiken und starre Gestaltungen verriegeln den Inhalt für eine Vielzahl von Lesern! Und: Flexibilität nutzt allen!

24 3. Merkmale der Barrierefreiheit: Zugänglichkeit des Textes Digitale Inhalte müssen zugänglich sein Screenreader Braillezeile andere assistierende Technologien Mit hartem DRM werden ursprünglich barrierefreie Inhalte verriegelt Weiches DRM, zum Beispiel Wasserzeichen, schützen Inhalte ebenso und gewähren Zugang für alle Leser

25 3. Merkmale der Barrierefreiheit: Metadaten Pflegen aussagekräftiger Metadateninformation sichert Zugang über Sprachnavigation ONIX-Daten Liste 196: Informationen zur Barrierefreiheit, z.b.: Zugriffseinschränkungen, z.b. für Screenreader Strukturübersicht, Tabellen- und Bildverzeichnisse Alternativtexte für alle relevanten Abbildungen Mathematische Inhalte Dokumentensprache(n)

26 4. Barrierefreiheit umsetzen epub 3 epub 3 = HTML 5 = alle Möglichkeiten für detaillierte Semantik und Abbilden einer logischen Lesereihenfolge Richtlinien für ein barrierefreies epub 3 vom IDPF: Tipps zur Erstellung eines barrierefreien epub 3:

27 4. Barrierefreiheit umsetzen epub-lesesysteme unterstützen epub 3 noch nicht vollständig Ohne Huhn kein Ei! aber ohne Ei kein Huhn! Gutes Beispiel: Readium Open Source Lesesystem für epub 3 Besser, vorbereitet zu sein!

28 4. Barrierefreiheit umsetzen PDF PDF-Dokumente können barrierefrei gestaltet werden Barrierefreiheit muss im Erstellungsprozess bedacht werden Nachträgliche Bearbeitung des PDFs in Acrobat nötig: Aufwand stark abhängig von der Datenaufbereitung Standard ISO für barrierefreie PDF Dokumente: PDF/UA

29 4. Barrierefreiheit umsetzen Indesign PDF Barrierefreies PDF

30 4. Barrierefreiheit umsetzen Indesign Korrekte Lesereihenfolge mittels Artikelfenster, Verkettungen und Verankerungen Konsequentes Arbeiten mit Absatz- und Zeichenformaten Nutzung der Indesign-Funktionen (z.b. Links und Tabellen) Dokumentmetadaten hinterlegte Alternativtexte

31 4. Barrierefreiheit umsetzen Beispiel 1: Lesereihenfolge festlegen mittels Artikelfenster

32 4. Barrierefreiheit umsetzen Beispiel 2: Hinzufügen von Alternativbeschreibungen in Indesign

33 4. Barrierefreiheit umsetzen Bearbeitung direkt im PDF Wichtigstes Werkzeug: Acrobat-Tag-Baum Automatische Tag-Erzeugung in Acrobat ist nahezu nutzlos

34 4. Barrierefreiheit umsetzen Beispiel: Hinzufügen von Alternativbeschreibungen in Acrobat

35 4. Barrierefreiheit umsetzen Generell gilt: Systematischer Workflow, bei dem Barrierefreiheit von Anfang an bedacht wird, erleichtert die Erstellung von barrierefreien Dokumenten enorm und verschlankt nachträglichen Aufwand!

36 4. Barrierefreiheit umsetzen Prüfung auf Barrierefreiheit Matterhorn Protocol: Anforderungen an barrierefreie PDFs gemäß ISO-Standard PDF/UA übersetzt in von Maschinen oder Menschen zu prüfende Kriterien 136 Fehlerbedingungen, 87 automatisch prüfbar, 47 manuell Weitere Infos: pdfua-competence-center/?lang=de

37 4. Barrierefreiheit umsetzen Prüfung technischer Aspekte: PDF Accessibility Checker (kostenfrei) Download PAC : ch/pdf-werkstatt/ pdf-accessibility-checkerpac.html

38 5. Richtlinien und Standards Guideline: Barrierefreies Publizieren Best Practice Guidelines für Verlage Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.0: BITV-Test (Test zur Barrierefreien Informationstechnik-Verordnung) Guidelines für Bildbeschreibungen: DIAGRAMM

39 6. Netzwerk Oft bringen kleine Änderungen schon große Wirkungen! Wagen Sie einen kleinen Blick über den Tellerrand! Zielgruppe? Andere Verlage? Institutionen und andere Publizierende? Datenstandard verlagsübergreifend denkbar? Nutzertests bringen Klarheit

40 Inklusives Publizieren Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.