Grundlagen der Eingruppierung

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1 Walhalla Rechtshilfen Grundlagen der Eingruppierung Das aktuelle und künftige Eingruppierungsrecht im öffentlichen Dienst Bearbeitet von Annett Gamisch, Achim Richter 1. Auflage Buch. 88 S. Paperback ISBN schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, ebooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

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3 Schnellübersicht Die Eingruppierung nach dem BAT 7 Die Kernvorschrift im TVöD 9 Die Bewertung der Arbeit 11 Der Arbeitsvorgang 15 Vom Maß der Zeit: Zeitanteile 33 Gesamtbetrachtung 39 Die neue Entgeltgruppe 1 TVöD/TV-L 41 Die Stellenbeschreibung im Zentrum des (neuen) Tarifrechts 47 Stelleninterview 49 Die Stellenbewertungskommission als Schlüssel zum Erfolg 53 Die Mitbestimmung der Arbeitnehmervertretung 57 Arbeitshilfen 63 Literaturverzeichnis 77 Stichwortverzeichnis 79 I II III IV V VI VII VIII IX X XI XII XIII

4 Die gescheite(rte) Reform?! Die Reform des öffentlichen Dienstes, die mit der Einführung des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) und des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) ambitioniert begann, ist bei der Eingruppierung ins Stocken geraten. Vielleicht finden die Tarifvertragsparteien nach der Vereinbarung neuer Eingruppierungsvorschriften im Sozial- und Erziehungsdienst wieder zum alten Schwung zurück? Gleichwohl stehen sie vor einer großen Herausforderung, nämlich das häufig so geschmähte Eingruppierungsrecht des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) zügig und praxistauglich zu vereinfachen. Das gilt entsprechend für die Eingruppierung der Arbeiter. Dieser Fachratgeber erklärt die Ausgangslage und skizziert das künftige Eingruppierungsrecht im öffentlichen Dienst. Achim Richter Annett Gamisch 6

5 Die Eingruppierung nach dem BAT Im BAT gilt der sog. Grundsatz der Tarifautomatik: Der Mitarbeiter wird nicht, vielmehr ist er in eine Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe eingruppiert (vgl. 22 Abs. 1 BAT). Es erfolgt somit kein Eingruppierungsakt, sondern eine automatische Eingruppierung. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem Akt der Rechtsanwendung, mit dem die Äußerung einer Rechtsansicht durch den Arbeitgeber verbunden ist (vgl. BAG , AP Nr. 110 zu 99 BetrVG 1972; BAG , AP Nr. 31 zu 75 BPersVG; unklar Dassau/Langenbrinck 2006, S. 119). Nach diesem Modell kann es folglich keine falsche Eingruppierung geben; sie ist immer korrekt. Es ist eine andere Frage, ob der Arbeitgeber das tarifgerechte Ergebnis erkannt hat (vgl. Krasemann 2005, 4. Kapitel, Rdnr. 1 ff.; Sonntag/Bauer/Bockholt 2007, Rdnr. 35; Richter/Gamisch 2007, S. 16; Richter/Gamisch 2008, S. 13; Richter/Gamisch/Henseleit 2008, S. 84 f. jeweils m. w. N.). Irrtümer bei der Eingruppierung können deshalb grundsätzlich mit einer sog. korrigierenden Herabgruppierung beseitigt werden (vgl. Müller-Uri, ZTR 2004, S. 176 ff.). 22 BAT schreibt vor, dass im Rahmen der Tarifautomatik zur Bewertung der Tätigkeit Arbeitsvorgänge gebildet werden, denen Zeitanteile zugeordnet werden. I BAT 22 Eingruppierung (1) Die Eingruppierung der Angestellten richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsordnung (Anlage 1a und 1b). Der Angestellte erhält Vergütung nach der Vergütungsgruppe, in der er eingruppiert ist. (2) Der Angestellte ist in der Vergütungsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Vergütungsgruppe, wenn zeitlich mindestens die Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen. Kann die Erfüllung einer Anforderung in der Regel erst bei der Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden (z. B. vielseitige Fachkenntnisse), sind diese Arbeitsvorgänge für die Feststellung, ob diese Anforderung erfüllt ist, insoweit zusammen zu beurteilen. Werden in einem Tätigkeitsmerkmal mehrere Anforderungen gestellt, gilt das in Unterabsatz 2 Satz 1 bestimmte Maß, ebenfalls bezogen auf die gesamte auszuübende Tätigkeit für jede Anforderung. 7

6 Die Eingruppierung nach BAT I Ist in einem Tätigkeitsmerkmal ein von Unterabsatz 2 oder 3 abweichendes zeitliches Maß bestimmt, gilt dieses. Ist in einem Tätigkeitsmerkmal als Anforderung eine Voraussetzung in der Person des Angestellten bestimmt, muss auch diese Anforderung erfüllt sein. ( ) Protokollnotizen zu Absatz 2: 1. Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis des Angestellten, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (z. B. die unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorgangs, Erstellung eines EKG, Fertigung einer Bauzeichnung, Eintragung in das Grundbuch, Konstruktion einer Brücke oder eines Brückenteils, Bearbeitung eines Antrags auf Wohngeld, Festsetzung einer Leistung nach dem Bundessozialhilfegesetz). Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden. 2. Eine Anforderung im Sinne des Unterabsatzes 2 ist auch das in einem Tätigkeitsmerkmal geforderte Herausheben der Tätigkeit aus einer niedrigeren Vergütungsgruppe. (Hervorhebungen durch die Verfasser) 8

7 Die Kernvorschrift im TVöD Die Kernvorschrift im TVöD Bei der Reform des Tarifrechts im öffentlichen Dienst wurde das Eingruppierungsrecht ausgeklammert. Neue Eingruppierungsvorschriften existieren lediglich für die neue Leichtlohngruppe (Entgeltgruppe 1), den Sozial- und Erziehungsdienst sowie die Ärzte ( 51 BT-K; 41f. TV-L bzw. die Tarifverträge für Ärzte des Marburger Bundes). Es besteht aber Einigkeit, dass im Grunde die Systematik des 22 BAT fortgeführt wird (siehe Richter/Gamisch, AuA 2008, S. 106 ff.). Die neue Eingruppierungsvorschrift soll folgenden Wortlaut haben: II 12 TVöD künftige Fassung (1) Die Eingruppierung des/der Beschäftigten richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltordnung ( ). Der/Die Beschäftigte erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der er/sie eingruppiert ist. Die/Der Beschäftigte ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm/ihr nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Die Protokollnotiz Nr. 1 zu 22 BAT soll einen geänderten Klammerzusatz erhalten: (z. B. unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorgangs, eines Widerspruchs oder eines Antrags auf Wohngeld, Betreuung oder Pflege einer Person oder Personengruppe, Fertigung einer Bauzeichnung, Erstellung eines EKG, Durchführung einer Unterhaltungs- oder Instandsetzungsarbeit) (Steinherr, ZTR 2005, S. 303) In die Entgeltgruppe 1 wird seit dem bzw eingruppiert: EG 1 TVöD/TVÜ und TV-L/TVÜ-Länder Beschäftigte mit einfachsten Tätigkeiten, zum Beispiel: Essens- und Getränkeausgeber/innen Garderobenpersonal Spülen und Gemüseputzen und sonstige Tätigkeiten im Haus- und Küchenbereich Reiniger/innen in Außenbereichen wie Höfe, Wege, Grünanlagen, Parks Wärter/innen von Bedürfnisanstalten Servierer/innen Hausarbeiter/innen HauSGEHILFE/HAUSGEHILFIN BOTE/BOTIN (OHNE AUFSICHTSFUNKTION) 9

8 Die Kernvorschrift im TVöD Im Übrigen steht das System der sog. Qualifikationsebenen bereits fest: II Übersicht: System der Qualifikationsebenen EG 1 4 Un-/Angelernte Beschäftigte mit Tätigkeiten, die keine oder eine unter dreijährige Ausbildung in einem Ausbildungsberuf gem. BBiG voraussetzen EG 5 8 dreijährige Aus- Beschäftigte mit Tätigkeiten, die bildung erforderlich eine Ausbildung gem. BBiG von drei Jahren voraussetzen EG 9 12 Fachhochschul-/ Beschäftigte mit Tätigkeiten, die Bachelor-Abschluss einen Fachhochschul- bzw. Bachelor- Abschluss voraussetzen EG Wissenschaftlicher Beschäftigte mit Tätigkeiten, die Hochschul-/Master- einen wissenschaftlichen Hochabschluss schul- bzw. Master-Abschluss voraussetzen (vgl. Bremecker/Hock/Klapproth 2005, S. 74; Dassau/Langenbrinck 2006, S. 115; zu den neuen Hochschulabschlüssen siehe auch Richter/Gamisch, RiA 2009, S. 97 ff.). 10

9 Die Bewertung der Arbeit Für die Bewertung der Arbeit und die Ermittlung der Eingruppierung ist gem. 22 BAT allein die auszuübende Tätigkeit maßgeblich, die mindestens 50 Prozent der Gesamtarbeitszeit umfasst. Praxis-Tipp: Nicht die ausgeübte Tätigkeit! III Auszuübende Tätigkeit ist vom Arbeitgeber übertragene Tätigkeit. Die auszuübende Tätigkeit ergibt sich damit regelmäßig aus dem Arbeitsvertrag. Für die Eingruppierung sind somit allein die Tätigkeiten maßgeblich, die der Arbeitgeber auf Basis des Arbeitsvertrages übertragen und im Rahmen seines Direktionsrechts ggf. weiter konkretisiert hat (vgl. BAG , AP Nr. 223 zu 22 BAT 1975 m. w. N.). Damit stellt sich die Frage, wer diese Arbeitgeberfunktion inne hat. Das ist in der Regel die Personal- bzw. Organisationsabteilung als personalbewirtschaftende Stelle. Überträgt ein dazu nicht befugter Vorgesetzter einem Beschäftigten höherwertige Tätigkeiten, führt dies nicht zu einem tariflichen Anspruch auf höhere Vergütung, da die höherwertige Tätigkeit aufgrund der unsachgemäßen Übertragung nicht zur auszuübenden Tätigkeit geworden ist. Der automatische Anspruch auf eine tarifkonforme Vergütung setzt somit erst dann ein, wenn die entsprechenden Tätigkeiten durch das sachlich zuständige Organ der Dienststelle übertragen oder zumindest stillschweigend geduldet wurden (vgl. BAG , AP Nr. 223 zu 22 BAT 1975; BAG , AP Nr. 268 zu 22 BAT 1975). Die nachfolgenden Ausführungen gelten entsprechend für an den BAT angelehnte Tarifverträge. Summarische/Analytische Bewertung Der TVöD/TV-L/BAT sieht ein sog. summarisches Bewertungsverfahren vor. Es kommt auf eine Gesamteinschätzung der Arbeit an. Dabei werden vorrangig die für die Ausführung erforderlichen Aspekte, wie Ausbildung und Fähigkeiten, in den Vordergrund gerückt. Die summarische Bewertung verzichtet bewusst auf eine systematische Analyse der jeweiligen Anforderungsarten. Der TVöD/TV-L/BAT verwendet ein sog. Katalog- oder Lohngruppenverfahren. Es werden Lohn- bzw. Vergütungs- oder Entgeltgruppen gebildet, die unterschiedliche Schwierigkeitsgrade der Arbeit zum Ausdruck bringen. Die Arbeitsplätze werden nach einer Arbeitsplatz- bzw. Stellenbe- 11

10 Die Bewertung der Arbeit III wertung anhand von Tätigkeitsmerkmalen in die jeweiligen Gruppen eingeordnet, sprich katalogisiert. Dieses Modell muss von der sog. analytischen Stellenbewertung abgegrenzt werden und darf nicht miteinander vermengt werden (so aber Fey, ZMV 1997, S. 226; Herzberg/Schaum 2001, Kapitel B, Abschnitt 3, Rdnr. 34). Diese analysiert die jeweils durch das Bewertungsmodell vorgegebenen Anforderungsmerkmale, z. B. Können, Belastung, Verantwortung und Arbeitsbedingungen, einzeln. Eine Gesamteinschätzung des Arbeitsplatzes erfolgt in einem zweiten Schritt. Dabei werden die bewerteten Einzelanforderungen wertmäßig ggf. über eine unterschiedliche Gewichtung zu einem Gesamtergebnis zusammengeführt (einführend siehe Richter/Kaufmann, AuA 5/2005, S. 282 ff.; vertiefend Scholz 2000, S. 736 ff.). Praxis-Tipp: 22 BAT trifft für die Eingruppierung eine bindende und abschließende Regelung, die sich als summarische Arbeitsbewertung darstellt. Das BAG hat entschieden, dass eine analytische Stellenbewertung, wie sie bei (Kirchen-)Beamten vorgenommen wird, im Geltungsbereich des BAT nicht anwendbar ist (BAG , AP Nr. 38 zu 22 BAT und BAG , AP Nr. 109 zu 22 BAT 1975). Unerheblich für die Eingruppierung Ferner sind folgende Aspekte ohne Bedeutung für die Eingruppierung: Stellenanzeigen und Ausschreibungstexte Angabe der Vergütungs-/Entgeltgruppe im Arbeitsvertrag ausgewiesene Stellen im Haushalts- oder Stellenplan Beschlüsse politischer Gremien Bewertungen von Stellenbewertungskommissionen Einarbeitungszeit (Grundsatz; beachte einzelne Ausnahmen in Anlage 1a BAT) Eingruppierung vergleichbarer (früherer) Beschäftigter (Angestellte, Arbeiter, Beamte) Eingruppierungsrichtlinien einer Tarifvertragspartei 12

11 Die Bewertung der Arbeit Geschäftsverteilungspläne Qualität der geleisteten Arbeit Quantität der geleisteten Arbeit Schlüsselqualifikationen (z. B. Kontaktfähigkeit, Phantasie, Eigeninitiative, Verhandlungsgeschick) (vgl. Krasemann 2005, 4. Kapitel, Rdnr. 35 ff.; Sonntag/Bauer/Bockholt 2007, Rdnr. 50 ff.; zum Mischmodell von ver.di siehe Fieg/Rothländer, ZTR 2008, S. 410 ff.) Vor diesem Hintergrund ist es gem. TVöD/TV-L/BAT nicht möglich, einheitliche Stellenbeschreibungsmuster für Arbeitnehmer und Beamte zu entwickeln und einzusetzen. Durch die speziellen Vorgaben des 22 BAT im Hinblick auf die Bildung von Arbeitsvorgängen und eine tarifgerechte Sprache ist dieser Versuch schon vom Ansatz falsch angelegt. Das gilt entsprechend für die Darstellung von sozialen und pflegerischen Berufen, die ohne Bildung von Arbeitsvorgängen mit Zeitanteilen zur Ermittlung der Eingruppierung nicht verwendet werden können. III 13