Chancen und Risiken der Selbständigkeit am Beispiel des Kultursektors
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- Irma Hartmann
- vor 7 Jahren
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1 Prekarisierung der Lebens- und Arbeitswelt Fachtagung Arbeitnehmerkammer Bremen, Chancen und Risiken der Selbständigkeit am Beispiel des Kultursektors Gliederung: 1. Empirische Basis 2. Erwerbsstrukturen im Berufsfeld Kultur / Medien 3. Subjektive Berufsidentität und Bewertung der Selbständigkeit 4. Zentrale Strategien der Marktbehauptung 5. Schlussfolgerungen und Handlungsbedarfe 1
2 Empirische Basis: DFG-Projekt Neue Formen von Selbständigkeit in Kulturberufen Karin Gottschall, Sigrid Betzelt ( ) Kernfrage: Chancen und Risiken neuer Selbständigkeit? Professionalität - Prekarität? Marktbehauptung? Soziale Risiken? Sekundäre Kulturberufe: Journalismus, Design, Lektorat, Buchübersetzung Vorwiegend qualitativ angelegte Querschnittstudie, Methodenmix: Expertengespräche; Fragebögen (rd.300); biografische Interviews u. retrospektive Erhebung der Berufsverläufe (42 Personen) regionale Schwerpunkte in Medienstandorten (B, HH, K, L, M) 2
3 Kulturberufe als Trendsetter: Starker Beschäftigungszuwachs, primär Alleinselbständige Abb. 2: Entwicklung der Selbstständigen in den Kulturberufen im Vergleich zu allen Selbstständigen in Deutschland, Alle Berufe Kulturberufe Veränderung in Prozent, Basis 1995=100% Quelle: Mikrozensus, Destatis (c) ARKStat - Arbeitskreis Kulturstatistik
4 Selbständige Kulturberufe heute: Qualifikationen, Arbeitszeiten, Einkommen, Lebensformen Gestiegene Qualifkationen: Akademisierung Zugleich mehr Frauen: Anteile zwischen 44% - 80% eher untypisches Muster Arbeitszeiten: breite Streuung, ca. 2/3 Vollzeit, teils überlange Arbeitszeiten Einkommen: breite Streuung, aber mehrheitlich niedrig neuere Entwicklung für hoch Qualifizierte Private Lebensformen: keine großen Unterschiede zu anderen Beschäftigten keine ungebundenen Arbeitsmonaden Aber: Kinderlose Paar-Haushalte leicht überwiegend, bes. bei Frauen Hinweis auf mögliche Konflikte 4
5 Einkommen Selbständiger in Kulturberufen nach verschiedenen Datenquellen: Datenquelle, Erhebungsjahr Durchschnittliches Jahreseinkommen (gerundet, Euro) Erläuterungen Künstlersozialkasse (2006) Eigene Befragung (2003) Aktiv Versicherte zum ( Personen) Durchschnittliches versichertes Einkommen Schriftliche Befragung solo-selbständiger JournalistInnen, DesignerInnen, LektorInnen, ÜbersetzerInnen (306 Pers., Verbandsmitglieder) Medianwert persönliches Nettoeinkommen Mikrozensus (2000) Einkommensteuerstatistik (1992) Solo-selbständige PublizistInnen u. KünstlerInnen (BKZ 82, 83), repräsentative Stichprobe ( Personen) Medianwert persönl. Nettoeinkommen Einkommensteuerpflichtige Selbständige der Gruppe Künstler Durchschnittliches steuerpflichtiges Einkommen 5
6 Einkommen Selbständiger in Kulturberufen: breite Streuung, tendenziell niedrig Einkommen der befragten KulturberuflerInnen selbst geschätzte Einkommensstufe von 306 Selbständigen, Angaben in Prozent 28,8 26,1 24,8 11,1 2,6 2,6 2,3 1,3 0,3 keine Angabe unter < < < < < < und mehr Jahresnettoeinkommen in Tausend Euro 6
7 Rahmenbedingungen für Alleindienstleister : Weder Profession noch Normalarbeitsverhältnis Marktdominanz statt Regulation Offene, nicht regulierte Berufszugänge Keine normierten Standards für Qualifikationen und Honorare Schwache kollektive Akteure (Verbände, Gewerkschaften) Arbeitsmarkt Kultur funktioniert über Netzwerkstrukturen Geringes Niveau sozialer Sicherung individualisierte, risikoreiche Erwerbsstrukturen, tendenziell materiell prekär 7
8 Subjektive Dimensionen des Erwerbstyps: hoch identifiziert, reflexiv, aktiv Dominanter Typus Beruf als Berufung : Intrinsische Motivation: Beruf als Bedürfnis kreativer Selbstverwirklichung Starke Identifikation, teils Entgrenzung Berufs-/ Privatperson Hohe fachlich-ethische Standards Bewertung der Selbständigkeit: überwiegend positiv Allg. hohe Zufriedenheit: Autonomie und Kreativität Nachteile werden reflektiert soziale Isolation, materielle Unsicherheit, niedriger Verdienst, geringe Absicherung und möglichst aktiv bearbeitet Zeitliche Flexibilität insgesamt positiv bewertet, wenn auch teils konflikthafte Anforderungen von Beruf und Familie 8
9 Zentrale Strategien der Marktbehauptung und des Risikomanagements Individuelle Strategien 1. Segmentierung des Berufs in Standbein / Spielbein Fachlich-ethische Ansprüche und Existenzsicherung in Kernberuf unvereinbar Mischkalkulation: Spielbein mit hohen Ansprüchen in Kernberuf, als Standbein wenig anspruchsvolle Brotjobs 2. Privatisiertes Risikomanagement: Privatsphäre fungiert als Ressource des Risikoausgleichs: LebenspartnerInnen / Eltern federn finanzielle u. zeitliche Risiken ab! Die Mehrheit braucht phasenweise private Transfers! Kollektive Strategien Netzwerke und Bürogemeinschaften zur gegenseitigen Unterstützung; Verbände als Dienstleistungsorganisationen, kaum effektive Vertretung. 9
10 Schlussfolgerungen und Handlungsbedarfe AlleindienstleisterInnen in Kulturberufen Privilegiert: hohes kulturelles und soziales Kapital, relativ selbstbestimmte Arbeitssituation, hohe subjektive Zufriedenheit, aktiv-reflexive Strategien Permanentes Risiko materieller Prekarität, ungenügende Absicherung: dauerhafte Reproduktion der Arbeitskraft, Altersvorsorge; Elternschaft Zone der Verwundbarkeit, doch ohne Orientierung an Normalarbeitsverhältnis Gesellschaftliche Armutsrisiken wegen fragiler, vormoderner Risikostrategien! Handlungsbedarfe: Institutionelle Absicherung sozialer Risiken Bildungs- und Weiterbildungsbedarf: Vorbereitung auf / Unterstützung bei SE Unterstützung kollektiver Formen der Marktbehauptung Angemessene Honorierung freiberuflicher Leistungen durch öffentl. Hand 10
11 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Weitere Informationen unter: 11
12 Berufsverlaufsmuster: Jenseits standardisierter Karrierepfade, aber überwiegend kontinuierlich Zwei-Phasen-Muster Doppel-/Mehrgleisigkeit Diskontinuität 1. Phase abhängiger Beschäftigung 2. Phase Selbständigkeit ohne Unterbrechungen, ähnliche Schwerpunkte => kontinuierlich parallel verschiedene Status parallel versch. Schwerpunkte => kontinuierlich Wechsel Status, Tätigkeitsinhalte längere Unterbrechungen z.b. häufige / längere Erwerbslosigkeit, Babypause 12
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