KARLHEINZ WIESINGER Kommunikation.doc 1
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- Paula Wetzel
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1 KARLHEINZ WIESINGER, Facharzt für Anästhesie und allgemeine Intensivmedizin; Palliativmediziner für die Caritas Socialis Pflegeund Sozialzentren, Wien: Palliativmedizin ist Kommunikation Der Begriff Kommunikation kommt aus dem Lateinischen (lat. communicare teilen, mitteilen, teilnehmen lassen; gemeinsam machen, vereinigen ). Er definiert auf der menschlichen Alltagsebene ein gemeinschaftliches Handeln, in dem Gedanken, Ideen, Wissen, Erkenntnisse, und, Erlebnisse (mit-)geteilt werden und auch neu entstehen. Die Benutzung von Sprache ist kein Kriterium von fließender Kommunikation. Zeichen, Gestik, Mimik, Schrift, Bild oder Musik können ebenso Kommunikation sein. Kommunikation ist die Aufnahme, der Austausch und die Übermittlung von Informationen zwischen zwei oder mehreren Personen. Es handelt sich dabei um ein wechselseitiges Übermitteln von Daten, Inhalten oder Signalen, die für die Partner der Kommunikation eine festgelegte Bedeutung haben. Die Signale induzieren als Auslöser bestimmte Reaktionen. In der naturwissenschaftlichen Beobachtung tierischer und pflanzlicher Lebewesen sowie technischer Objekte oder Systeme wird Kommunikation zumeist als eine Verbindung betrachtet, aus der sich infolge wechselseitige Veränderungen bedingen. Bei der Beschreibung sozialer Zusammenhänge kann Kommunikation als ein Prozess angesehen werden, in dem mehrere Menschen gemeinsam Probleme lösen. Als Grundlage für die Möglichkeit kommunikativer Problemlösung wird eine Geschichte gemeinsamer Lebenspraxis angesehen. In gemeinsamer Lebenspraxis entsteht beispielsweise die Sprache. Das Wort Kommunikation fand erst Anfang der 1970er Jahre Eingang in den deutschen soziologischen Sprachgebrauch. Eine Gruppe um den Kommunikationswissenschaftler, Psychotherapeuten und Psychologen Paul Watzlawick bearbeitete aus systemischem Ansatz und unter einem therapeutischen Gesichtspunkt die Rolle von Kommunikation in zwischenmenschlichen Beziehungen. Kommunikation selbst kann als Verhalten bezeichnet werden und das Gegenteil von Verhalten existiert nicht. So wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man also nicht nicht kommunizieren (Watzlawick 1969). Kommunikation beginnt anfänglich mit KARLHEINZ WIESINGER Kommunikation.doc 1
2 dem Erkennen des Gegenübers, mit dem Kontakt zwischen mir und der/dem Anderen. Man kann sich in sozialen Systemen der Kommunikation nicht entziehen. Nach dem deutschen Soziologen und Wissenschaftstheoretiker Niklas Luhmann ( ) besteht Gesellschaft nicht aus einer Ansammlung von Menschen, sondern ist Gesellschaft ein operativ geschlossener Prozess der Kommunikation (Luhmann 2001). Ich möchte mich dem medizinischen System als einem Prozess der speziellen Kommunikation zuwenden. Hier werde ich mich in meinen Ausführungen auf den Bereich der Altenhilfe, der Pflegeheime und der Geriatrie beschränken. Kommunikation ist einer der wesentlichsten Inhaltsstoffe in der Arzt-/ Patient- Beziehung. Um sich dieser Kommunikation zu öffnen, braucht es Zeit, Geduld und Bereitschaft zu einer Beziehung. Es ist unerlässlich sich in unserer Kommunikation auf das Zuhören zu konzentrieren. Häufig handelt es sich jedoch mehr um eine kommunikative Deformation, die jedoch entweder geleugnet oder als Preis des medizinischen Fortschrittes im Sinne eines notwendigen Notstandes akzeptiert wird. Die Kommunikationsnot ist Ausdruck der geistigen Not des modernen Medizinsystems. Asymmetrische Kommunikation entsteht als Folge der Unfähigkeit oder dem Unwillen zur Kommunikation bzw. aus dem knapper werdenden Zeitbudget. PatientInnen geraten durch kommunikative Isolation schnell in den Zustand von Würdelosigkeit und Entmündigung und fühlen sich in weiterem Verlauf nicht verstanden. Alte Menschen geben sich oft mit ganz minimalen verbalen ärztlichen Zuwendungen in Form von paternalistischen Wortspenden wie etwa: Na, Frau Müller, geht s uns eh schon besser. zufrieden - trotz innerer Verzweiflung und in der Diskrepanz aus dem wahrgenommen werden wollen und dankbar sein müssen, überhaupt angesprochen zu werden. In empirischen Studien wurde festgestellt, dass Ärzte bei Schwerkranken oder Sterbenden signifikant häufiger mit asymmetrischen Kommunikationsformen reagieren, als bei prognostisch günstigen Verläufen (Siegrist 1982). Wenn wir bezüglich des alten und zum Teil hochbetagten Klientels in Pflegeheimen das Altsein mit prognostisch ungünstig gleichsetzen, müssen wir befürchten, dass Kommunikation für diese Patientengruppe häufig deformiert abläuft. KARLHEINZ WIESINGER Kommunikation.doc 2
3 Medizin fügt durch den Mangel an Kommunikation zusätzlich Leid zu. Existentielle Kommunikation geschieht nach Karl Jaspers ohne Machtwillen auf dem gleichen Niveau, auf dem jedes Voran des Einzelnen nur erfolgt, wenn der Andere vorankommt, jeder Verlust des anderen eigener Verlust ist. Dort wo Heilung und völliges Gesundwerden eben nicht alltäglich zu erreichende Ziele sind, bekommt diese existentielle Kommunikation keine besondere Attraktivität. Die Konfrontation mit der eigenen Endlichkeit ist angesichts des vielen Leides, das ÄrztInnen sehen (müssen) möglicherweise auch nicht ausreichend motivierend. Begreift man Kommunikation als Synthese dreier Selektionen, als Einheit aus Information, Mitteilung und Verstehen, so ist Kommunikation realisiert, wenn und soweit das Verstehen zustande kommt (Luhmann 2001) Jede Kommunikation enthält über die reine Sachinformation, über den Inhalt der Mitteilung hinaus einen Hinweis, wie der Sender seine Botschaft verstanden haben will und wie er seine Beziehung zum Empfänger sieht. Der Beziehungsaspekt bestimmt also mit, wie der Inhalt zu interpretieren ist. Die Art der Beziehung zwischen zwei KommunikationspartnerInnen ist für das gegenseitige Verständnis von grundlegender Bedeutung. Kommunikation in der Altenhilfe erfolgt unter Selektion von Informationen, weil wir als Betreuende annehmen, dass manche Informationen nicht verstanden werden können oder nicht mitteilbar bzw. unnötig sind. Ein Aufklärungsgespräch klärt eine medizinische Sachlage auf, um eine Diagnose mitzuteilen und eine Behandlungserlaubnis zu erwirken. Wir fungieren als Übersetzer und entscheiden, welche Bereiche von Informationen für das Verstehen der PatientInnen wichtig sind. In der wortwörtlichen Übersetzung des englischen Begriffes informed consent finden wir jedoch zwei Begriffe: Information und Einverständnis. Hier wird die Brücke zwischen der sachlichen Information Sie brauchen diese Operation., Sie haben einen Tumor. und dem Verstehen Stimmen Sie der Behandlung zu?, Konnten Sie mich verstehen? geschlossen. Welche Information geben wir aber den PatientInnen und unter dem Aspekt des oben gesagten dann den Alten und Hochbetagten? Zum einen wollen wir die Autonomie unserer PatientInnen gerade in der Palliative Care beachtet wissen und zum anderen besteht in der Kommunikation mit alten Menschen eine besondere Herausforderung. Es braucht Zeit, Willen und manchmal KARLHEINZ WIESINGER Kommunikation.doc 3
4 auch Mühe, um verstanden zu werden und es braucht Mut, wichtige Themen anzusprechen. Es existieren Selektionsmechanismen innerhalb jedes sozialen Systems, die über die Zulässigkeit von Themen entscheiden. Für die Frage des Bedürfnismanagements ist diese Frage von großer Bedeutung, da sie Entscheidung über die Zulässigkeit von Themen bestimmt, welche Bedürfnisse gehört werden und welche nicht (Reitinger 2006). Die Würde des Menschen liegt in seiner Wahl. (Max Frisch) Wir sind moralisch verpflichtet, unseren PatientInnen diese Würde zu erhalten, ihnen eine Wahl zu geben. Nicht das, was wir als BehandlerInnen wollen, zählt, sondern das, was uns von PatientInnen oder deren Angehörigen (mutmaßlicher Patientenwille) kommuniziert wird. Wozu wollen wir denn eigentlich kommunizieren? Wir wollen die Bedürfnisse der alten und hochbetagten Menschen in den Pflegeheimen erfahren, wir sind an der privaten Situation der BewohnerInnen, an ihrer Befindlichkeit und Körperlichkeit interessiert. Für eine würdevolle letzte Lebensphase sorgen zu wollen, beinhaltet auch, den alten Menschen Würde zu geben, Wahlmöglichkeiten in der Betreuung und Behandlung einzuräumen. Wollen Sie bei einer Verschlechterung Ihres Zustandes wieder in das Krankenhaus gebracht werden? Wollen Sie über eine PEG- Sonde ernährt werden oder reichen Ihnen ein paar Bissen Kompott und Suppe- auch wenn Sie vielleicht abnehmen und schwächer werden? Möchten Sie, dass wir einen Notarzt rufen, wenn wir Sie sterbend finden? Probleme in der Kommunikation sind ursächlich für Schwierigkeiten und Mängel in der Behandlung und Begleitung kranker und sterbender Menschen mitverantwortlich. Wichtig ist für Teams in Organisationen, dass Zeit und Ressourcen bestehen, sich über alle BewohnerInnen auszutauschen. Von großer Bedeutung ist dabei auch, über die Bedürfnisse der BewohnerInnen im Team zu kommunizieren, die selbst - wie etwa durch Demenzerkrankungen - in ihren Kommunikationsfähigkeiten unterschiedlich stark eingeschränkt sind. KARLHEINZ WIESINGER Kommunikation.doc 4
5 Schmerz und Kommunikation Die Annahme, dass, wer nicht richtig denken kann, auch nicht richtig leidet, ist ein verbreiteter Irrtum. Er kann nicht um Hilfe bitten, er kann nicht sagen, was im weh tut und er kann seinen Schmerz nicht begreifen (Heller 1999). Schmerz schränkt die Lebensqualität drastisch ein, kann aber oft nicht normal verbal kommuniziert werden. Schmerzsignale werden auf verschiedenste Weise, oft schwer erkennbar, auch nonverbal gesendet. Das auf Cicely Saunders zurückgehende Konzept des total pain hilft uns, die Multidimensionalität des Schmerzes (somatischer, psychischer, sozialer und spiritueller Schmerz) zu verstehen und eröffnet uns neue Konzepte in der Behandlung von Schmerzen. Neben unverzichtbarer fachlicher Kompetenz kommt dem multidisziplinären Team zusätzlich eine wichtige kommunikative Aufgabe zu. Grundprinzipien der Kommunikation wie Akzeptanz, Empathie und Kongruenz sind genauso für den Kontakt mit Hochbetagten gültig. Zur Erfassung der subjektiven Problemstellungen alter Menschen braucht es Beziehung zu unseren BewohnerInnen und vor allem Zeit, um sich auf diese einzustellen. Informationen aus dem multiprofessionellen Team haben dieselbe Wichtigkeit, wie ärztlich erfragte. Hier besteht in einer flach-hierarchischen interprofessionellen Teamstruktur auch die Möglichkeit und zugleich Notwendigkeit, Kommunikation im Fluss zu halten. Gespräche mit Angehörigen bekommen ausreichend Raum, um neben dem persönlichen Gespräch mit den BewohnerInnen auch noch zusätzliche Informationen für die Biographiearbeit zu bekommen. All diese Beobachtungen fließen in einer gemeinsam geführten Dokumentation, die allen MitarbeiterInnen im Team zugänglich ist, zusammen, um ein realistisches Bild der BewohnerInnen zeichnen und uns auf den Menschen einstellen zu können. Empathie, Respekt und Fürsorge bilden die Matrix einer gelungenen Kommunikation mit älteren Menschen. Gelungene Kommunikation innerhalb von Teams und mit unseren BewohnerInnen und deren Angehörigen ist eine Voraussetzung für gegenseitiges Verständnis und Vertrauen und hilft mit, Teamstabilität und Gesprächskultur zu fördern und kann Bedrohungen des Teams oder Einzelner durch Erschöpfung oder Burnout vorbeugen. KARLHEINZ WIESINGER Kommunikation.doc 5
6 Palliative Care in nicht medikalisierten Pflegeeinrichtungen erfährt durch die Unterstützung eines Palliativmediziners (in meinem Fall mit zusätzlicher Psychotherapieausbildung) neben der zusätzlichen fachlichen Expertise auch eine ärztliche Kompetenz im Bereich der Kommunikation. Gespräche mit BewohnerInnen über medizinische Themen und Angebote der Palliative Care, Aufklärungs- und Beratungsgespräche, sowie Gespräche mit Angehörigen significant others (Bilton 1996) helfen mit, innerhalb der CS alle Bereiche der Palliative Care anzubieten. Die Ziele ärztlicher Betreuung oder Behandlung in der Palliative Care orientieren sich noch stärker an den Prinzipien des ärztlichen Handelns (Gutes tun, nicht schaden sowie die Autonomie des Patienten respektieren) als in der rein kurativ und paternalistisch orientierten Medizin. Durch gelungene Kommunikation mit den HausärztInnen und anderen MedizinerInnen setzen wir zusätzliche medizinische Schwerpunkte bezüglich Schmerztherapie und Symptomenkontrolle, um den BewohnerInnen ein würdevolles Leben bis zuletzt ermöglichen zu können. KARLHEINZ WIESINGER Kommunikation.doc 6
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