Ist S Eigentümer des Hauses geworden? Beachte 181 und 566 BGB!
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- Simon Graf
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1 Fall 6: Geschenkte Belastung Sachverhalt V will seinem zwölfjährigen Sohn S ein vermietetes Haus schenken. Er geht am mit S zum Notar N, der das Schenkungsangebot des V und die Annahmeerklärung des S beurkundet. Am gibt V im eigenen Namen sowie in Vertretung seines Sohnes S vor N die Auflassungserklärungen ab. S wird am als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen. Ist S Eigentümer des Hauses geworden? Beachte 181 und 566 BGB! Abwandlungen Abw. 1: V vertritt S auch schon bei der Annahme seines Schenkungsangebots. Abw. 2: Das Grundstück war belastet mit a) einer Grundschuld (vgl BGB) b) einer Reallast (vgl. 1105). Abw. 3: V behält sich Nießbrauch (vgl BGB) vor. Abw. 4: V schenkt S kein Grundstück, sondern eine Wohnung. Abw. 5: V behält sich ein Rücktrittsrecht vom Schenkungsvertrag vor. 1
2 Ausgangsfall Lösung Eigentumserwerb des S am Haus? Beachte das Trennungs- und Abstraktionsprinzip: Die Übertragung des Eigentums erfolgt durch ein selbstständiges Rechtsgeschäft (Erfüllungsgeschäft), nicht durch den Kaufvertrag! Voraussetzung für ET-Erwerb des S am Haus: Wirksame Übereignung des Grundstücks nach 873, 925 BGB vgl. 93, 94 BGB: Häuser können nicht Gegenstand besonderer Rechte sein Übereignung mit Grundstück Wirksame Übereignung des Grundstücks, 873, 925 BGB? Übersicht: Voraussetzungen der Übereignung eines Grundstücks 1. Einigung ( 873 BGB) in der Form des 925 BGB (Auflassung) 2. Eintragung im Grundbuch, 873 BGB 3. Einigsein im Zeitpunkt der Eintragung 4. Berechtigung des Veräußerers 2
3 Hier: Eintragung im Grundbuch (+) Berechtigung des V mangels anderweitiger Angaben im SV (+) Wirksame Einigung? I. Form des 925 BGB (+) Einigung von V und S (vertreten durch V) vor dem Notar über den Eigentumsübergang II. Problem: Wirksamkeit der Auflassungserklärung des S: Vertretungsmacht des V? Vater ist als gesetzlicher Vertreter des Sohnes grds. vertretungsberechtigt, 1626 I, 1629 I BGB Aber: Unwirksamkeit gem II 1 i.v.m II i.v.m. 181 BGB (Insichgeschäft)? 3
4 Prüfungsschema 181 BGB ( Insichgeschäft ) 1. Rechtsgeschäftliche Vertretung 2. entweder a. im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen ( Selbstkontrahieren 1. Alternative) oder b. als Vertreter zweier Parteien ( Mehrvertretung 2. Alternative) Rechtsfolge: Grunds.: keine Vertretungsmacht (Rechtsgeschäft ist schwebend unwirksam) Ausnahme: 1. Gestattung des Insichgeschäfts und/oder 2. Erfüllung einer Verbindlichkeit 4
5 Hier: 1. Rechtsgeschäftliche Vertretung (+) V hat bei der Auflassung des Grundstücks als Vertreter des S gehandelt 2. Selbstkontrahieren oder Mehrvertretung? V: auf Veräußererseite (im eigenen Namen) und auf Erwerberseite (in Vertretung des S) Selbstkontrahieren, Alt. 1 (+) Rechtsfolge: Grds. keine Vertretungsmacht des V, aber evtl. Ausnahmen? 3. Gestattung (-) 4. Insichgeschäft möglich, da Übertragung des Eigentums zur Erfüllung einer Verbindlichkeit? Verbindlichkeit des V gegenüber S evtl. aufgrund Schenkungsvertrag ( 516 BGB)? Vss.: Wirksamer Schenkungsvertrag a) Eingung über Schenkungsvertrag bezügl. Haus (+) 5
6 b) Form: Notarielle Beurkundung gem. 128 BGB (+) Wahrung der Formvorschriften des 518 BGB und des 311 b I 1 BGB (+) c) Wirksamkeit der Erklärung des S (Annahme des Schenkungsangebots)? Schenkungsannahme bringt dem Minderjährigen lediglich einen rechtlichen Vorteil (Noch) keine rechtlichen Verpflichtungen aus Schenkungsvertrag Belastungen und Verbindlichkeiten ggf. erst durch späteren rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerb hier grds. unbeachtlich (Trennungs- und Abstraktionsprinzip!) d) Zwischenergebnis: Wirksamkeit des Schenkungsvertrags (+) Verbindlichkeit isd 181 BGB a.e. grds. (+) 5. Dieses Ergebnis ist jedoch problematisch! S würde Eigentümer eines vermieteten Hauses werden Vgl. 566 BGB: Der Minderjährige träte in bestehenden Mietvertrag ein Vermieterstellung bedeutet rechtliche Verpflichtungen und Nachteile (vgl. z.b. 535 I 2, 536 a, 566 a BGB) 6
7 Deshalb allgemeine Meinung: Eintritt des Minderjährigen in Mietvertrag ist zu verhindern, sonst Umgehung der gesetzl. Wertung des 107 BGB a) BGH früher: Gesamtbetrachtungslehre Folgen des dinglichen Rechtsgeschäfts bereits bei der Beurteilung der Wirksamkeit des Schenkungsvertrags berücksichtigen Wenn Erfüllung eines an sich lediglich rechtlich vorteilhaften Verpflichtungsgeschäfts mit rechtlichen Nachteilen für Minderjährigen verbunden: Ausnahmetatbestand des 181 BGB a. E. greift nicht ein In diesem Fall: Vertretungsmacht des V (-) b) Kritik an Gesamtbetrachtungslehre: Unvereinbarkeit mit Trennungs- und Abstraktionsprinzip (!!!) Gesamtbetrachtungslehre ist strikt abzulehnen (mittlerweile auch vom BGH aufgegeben) 7
8 c) Lösungsmöglichkeit der Literatur: Teleologische Reduktion des letzten Halbsatzes des 181 BGB Selbstkontrahieren ist (entgegen des Wortlauts des 181 BGB) auch bei Erfüllung eines Schenkungsversprechens unzulässig, wenn Erfüllungsgeschäft dem Minderjährigen nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt (vgl. 107 BGB) Konsequenz: Schenkungsvertrag ist wirksam, Auflassungserklärung allerdings unwirksam d) Ergebnis: Nach beiden Ansichten kein Eigentumserwerb von S, Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers ( 1909 BGB) Beachte: Auswirkungen des Trennungs- und Abstraktionsprinzips auf Schenkungsgeschäfte: (1) Schuldrechtliche Ebene: Schenkungsverträge können von beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen zu ihren Gunsten wirksam abgeschlossen werden (Keine Verpflichtung, lediglich Ansprüche, also rechtliche Vorteile isd 107 BGB) 8
9 (2) Die Verfügungsebene erweist sich als problematischer: (a) Erwerb von Eigentum grundsätzlich ebenfalls lediglich rechtlich vorteilhaft (b) Wenn jedoch belastetes Eigentum (vermietetes Haus) von einem Dritten erworben wird: Kein lediglich rechtlicher Vorteil, Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters erforderlich (Zustimmung bzw. gesetzliche Vertretung) (c) Besondere Schwierigkeiten, wenn Geschäft zwischen Minderjährigem und gesetzlichem Vertreter selbst: Grundsatz: Verbot des Insichgeschäfts ( 181 BGB) Aber: Ausnahme es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht ( 181 BGB a. E.) wortlautgetreue Anwendung der Vorschrift würde zur Wirksamkeit des Insichgeschäfts führen Nur eine teleologische Reduktion dieses Ausnahmetatbestandes erlaubt eine angemessene Berücksichtigung des Minderjährigenschutzes. 9
10 Abwandlung 1 (V als Vertreter auch bei der Annahme des Schenkungsangebots): Unwirksamkeit der Annahme des Schenkungsangebots wg. Verbot des Selbstkontrahierens gem. 181 BGB? Ausnahmetatbestände (Gestattung/Erfüllung einer Verbindlichkeit) hier (-) Aber nach allgemeiner Meinung: Wertungen des 107 BGB berücksichtigen! o 181 BGB unanwendbar, wenn Insichgeschäft dem Vertretenen (hier S) lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt (weitere) teleologische Reduktion des Tatbestandes o Begründung: Schutzzweck des 181 BGB: Verhinderung von Interessenkonflikten und Gefahr der Schädigung eines Teils Soweit aus Vertretung lediglich rechtlicher Vorteil für Vertretenen: Gefahr des Interessenkonflikts bzw. der Schädigung (-) Deshalb: Annahmeerklärung des S (vertreten durch V) ist wirksam Schenkungsvertrag (+) Verbindlichkeit (+) teleologische Reduktion des 181 BGB a. E. (wie Ausgangsfall) 10
11 Vorbemerkung zu den Abwandlungen 2 bis 5 Jedes der folgenden Rechtsgeschäfte mit (irgendeinem) rechtlichen Nachteil Wenn alle Nachteile berücksichtigt: Kein Raum mehr für die Annahme der im Rahmen von 107 und 181 BGB zu prüfenden rechtlichen Vorteilhaftigkeit Daher Wertung notwendig: Unterscheiden zwischen rechtlich relevanten Nachteilen und solchen (unerheblichen) Nachteilen, die einem Geschäft die rechtliche Vorteilhaftigkeit nicht nehmen (1) Früher: Differenzieren zwischen unmittelbaren und mittelbaren Nachteilen (kraft Gesetzes an den vorteilhaften Immobilienerwerb geknüpfte Nachteile wie Steuern, Abgaben und Gebühren sind keine rechtlich relevanten Nachteile) (2) Köhler: sorgerechtliche Betrachtungsweise Kontrolle durch die Erziehungsberechtigten für konkretes Rechtsgeschäft nötig? (3) Stürner/jetzt wohl auch BGH: wirtschaftliche Betrachtungsweise Abwägung hinsichtlich Umfang und Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Nachteils; unproblematisch sind (nur) solche Rechtsnachteile, die typischerweise ein ganz geringes Gefährdungspotential aufweisen Die folgende Darstellung von Fallgruppen bedient das Bedürfnis des Rechtsverkehrs nach Rechtssicherheit: 11
12 Abwandlung 2 a (Grundschuld) 1191 BGB: aus dem Grundstück lediglich dingliche Haftung, notfalls ist Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu dulden Keine Verpflichtung zur persönlichen Haftung des minderjährigen Erwerbers Folge: Kein rechtlicher Nachteil für S, Auflassung wirksam Abwandlung 2 b (Reallast) Reallast = wiederkehrende Leistungen aus dem Grundstück, 1105 I BGB) 1108 BGB: Persönliche Haftung (auch mit restlichem Vermögen) Folge: rechtliche Nachteilhaftigkeit, 181 BGB Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers, 1909 BGB Abw. 3 (Nießbrauch) Nießbrauch = Erlaubnis, die Nutzungen der Sache zu ziehen, 1030 BGB jedenfalls dann lediglich rechtlich vorteilhaft, wenn S nicht zum Aufwendungs- oder Verwendungsersatz gemäß 1049, 677 ff. BGB verpflichtet dann ist Annahme des Auflassungsangebots wirksam 12
13 Abw. 4 (WEG) Der (automatische) Eintritt in die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit den damit verbundenen Verpflichtungen aus dem WEG (insbes. 10 ff. WEG) ist rechtlich nachteilig, 181 BGB Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers, 1909 BGB Abw. 5 (Rücktrittsrecht) Der Eigentumserwerb wird durch die vertragliche Vereinbarung von Rücktrittsrechten des Schenkers nicht rechtlich nachteilig Rücktrittsvorbehalt betrifft nur die schuldrechtliche Ebene (Trennungs- und Abstraktionsgrundsatz!) allenfalls ist damit der unter Rücktrittsvorbehalt stehende (schuldrechtliche) Schenkungsvertrag wegen der aus 346 Abs. 2 bis 4 eventuell resultierenden Pflichten (Wert- oder Schadensersatz) nachteilhaft, 181 BGB 13
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